31.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234501
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 28.12.2022 – 6 K 6129/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin
In dem Rechtsstreit
der Eheleute A... und B...,
Kläger,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
Tenor:
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu 71 % und dem Beklagten zu 29 % auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird wegen der Einkommensteuer 2016 und der Einkommensteuer 2017 zugelassen. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wurden in den Streitjahren 2016 bis 2018 als nicht dauernd getrenntlebende Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger arbeitete seit dem 1.11.2009 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 28.10.2009 (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2009) zwischen ihm und dem u.a. unter der Firma C... auftretenden Taxibetrieb des Herrn D... als unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, dessen im Rahmen dieser Beschäftigung gezahlter Bruttoarbeitslohn nach individuellen Besteuerungsmerkmalen lohnbesteuert wurde.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2009 hieß es zur seit 2009 durch den Kläger für diesen Betrieb ausgeübten Tätigkeit ausdrücklich:
"Herr B... wird als technischer Innendienstmitarbeiter eingestellt. Die Arbeitsaufgabe besteht in der Betreuung der im Unternehmen als auch angegliederten Betrieben vorhandenen Fahrzeuge als auch der Übernahme der anfallenden Innendiensttätigkeiten bis zur Abrechnung der Taxifahrer. [...] Darüber hinaus wird Herr B... auch als Taxifahrer eingesetzt. [...]"
In § 5 des Arbeitsvertrages 2009 hieß es ausdrücklich:
"Die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit beträgt 26 Tage im Monat bei 9 Stunden täglich. Die Lohnfortzahlung für den Urlaub ermittelt sich nach dem durchschnittlichen Verdienst der letzten 3 Monate. Der Arbeitnehmer wird als festangestellter Beschäftigter eingestellt. [...]"
Am 21.10.2014 schloss der Kläger einen weiteren Arbeitsvertrag mit demselben Herrn D... zur unbefristeten "geringfügigen Beschäftigung" bei seinem anderen, unter "E..." firmierenden Betrieb (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2014). Laut Website des Betriebs (letzter Abruf durch den Berichterstatter am 28.12.2022) gehörte es zum Geschäft von E..., "einen exklusiven Fahrdienst mit Chauffeur innerhalb Berlins und Brandenburg" zu bieten. Laut Angaben auf der Website besaßen im Zeitpunkt des Seitenaufrufs alle eingesetzten Chauffeure Personenbeförderungsscheine.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2014 hieß es zur Tätigkeit des Klägers ausdrücklich:
"Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.11.2014 als Innendienstmitarbeiter (kaufmännisch auf Teilzeit für maximal 47 Std./Monat) beschäftigt. Eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses beim Hauptarbeitgeber ist grundsätzlich auszuschließen. Die Arbeitsaufgabe besteht in der Betreuung der Buchungsplattform für Agenturen (..., ..., ... etc.) als auch der Dienstplangestaltung der Chaffeure und Aufgaben in der Buchhaltung."
In dessen § 3 hieß es zur Vergütung ausdrücklich:
"Die monatliche Bruttovergütung beträgt 450 EUR. Sondervergütungen wie Urlaubsgeld, Prämien etc. erfolgen nicht. [...]"
Am 30.01.2015 wurde der bisherige Arbeitsvertrag 2009 durch einen neuen Arbeitsvertrag (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2015) zwischen dem Kläger und dem unter der Firma C... auftretenden Herrn D... ersetzt.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2015 hieß es zur Tätigkeit des Klägers ausdrücklich:
"(1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.01.2015 unbefristet als Taxi- bzw. Mietwagenfahrer eingestellt. Die Arbeitsaufgabe besteht im Führen eines Taxis/Mietwagens im öffentlichen Straßenverkehr zur Beförderung von Personen und Sachen [...] .
(2) [...]
(3) Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, ihn an einem anderen Ort sowie vorübergehend im Sinne des Arbeitnehmerüberlassunsgesetzes (AÜG) auch bei dem Unternehmen E... D... im rechtlich zulässigen Rahmen einsetzen.
(4) [...]"
In dessen § 3 hieß es zur Arbeitszeit ausdrücklich:
"(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 30 Stunden/Woche bei 22 Arbeitstagen im Monat und regelmäßig bei 8 Stunden täglich. [...]
(2) Der Arbeitnehmer wird im Schichtdienst - auch an Sonn- und Feiertagen - zwischen 00:00-24:00 Uhr beschäftigt. Beginn und Ende der Schichtzeitzeiten und täglichen Arbeitszeiten sowie der Pausen richten sich nach den betrieblichen Bedarfen des Unternehmens. [...] Die Schichteneinteilung obliegt dem Arbeitgeber, ein Anspruch auf Zuteilung bestimmter Schichten besteht nicht.
(3) [...]"
Für weitere Einzelheiten nimmt das Gericht ausdrücklich auf die zur Gerichtsakte genommenen Arbeitsverträge 2009, 2014 und 2015 sowie sämtliche ebenfalls als Anlagen eingereichten Nachträge Bezug.
Nach Angabe der Bevollmächtigten ist § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages 2015 im Lichte der parallelen Existenz der beiden Betriebe des Herrn D... zu verstehen, weil Taxifahrer von C... zum Teil auch als Chauffeure für E... eingesetzt werden konnten.
C... einerseits und E... andererseits führten durchgehend unterschiedliche Betriebsnummern der Bundesagentur für Arbeit (Betriebsnummern-Service) im Rahmen der statistischen Erfassung von Arbeitnehmerdaten.
Der Kläger übte die Tätigkeit für E... in den Streitjahren befugter Weise sowohl im "Homeoffice" als auch in den Geschäftsräumen seines Arbeitgebers aus. Die Tätigkeit für C... als Taxifahrer übte er weder in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers, noch im "Homeoffice" aus, sondern entweder "in Warteposition" im Taxi vor dem lokalen Bahnhof oder fahrgastbefördernd im fahrenden Taxi.
Das Beschäftigungsverhältnis aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 wurde in den Streitjahren 2016 bis 2018 durchgehend als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis über die Bundesknappschaft mit 2 % pauschaler Lohnsteuer abgerechnet. Die Beschäftigung aufgrund des Arbeitsvertrages 2015 wurde in den Streitjahren nach individuellen Besteuerungsmerkmalen des Klägers lohnsteuerlich abgerechnet.
Der Bruttolohn aus der Beschäftigung des Klägers aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 betrug - zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitig - im Streitjahr 2016 EUR 5.400,-, im Streitjahr 2017 EUR 5.400,- und im Streitjahr 2018 EUR 4.500,-.
Die Klägerin bezog in den Streitjahren als Sachbearbeiterin unstreitige Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Einkommensteuergesetz - EStG -.
Die Veranlagung für die Streitjahre 2016, 2017 und 2018 erfolgte in den Einkommensteuerbescheiden vom 19.07.2017 (2016), vom 13.06.2018 (2017) und vom 12.04.2019 (2018) zunächst hinsichtlich der Einkünfte gemäß § 19 EStG im Wesentlichen erklärungsgemäß (Erklärungen vom 03.06.2017 für 2016, vom 20.03.2018 für 2017 und vom 07.03.2019 für 2018). Aufgrund der pauschal erfolgten Lohnbesteuerung bezogen weder die Einkommensteuererklärungen der Kläger noch die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre die aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 verdienten Bruttobezüge, also im Streitjahr 2016 EUR 5.400,-, im Streitjahr 2017 EUR 5.400,- und im Streitjahr 2018 EUR 4.500,- in die jeweiligen Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG ein. Für weitere Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Einkommensteuererklärungen 2016 (Bl. 2 ff. der Einkommensteuerakte), 2017 (Bl. 39 ff. der Einkommensteuerakte) und 2018 (Bl. 77 ff. der Einkommensteuerakte) Bezug.
Aufgrund einer Anordnung vom 08.11.2018 führte der Beklagte bei E... und bei C... vom 4.12.2018 bis zum 11.03.2019 jeweils Lohnsteueraußenprüfungen für die Zeiträume Januar 2016 bis Oktober 2018 durch. Unter Tz. 2 der Lohnsteueraußenprüfungsberichte vom 11.03.2019 stellten die Prüferinnen fest, dass "eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma C... D... und eine nichtversicherungspflichtige Tätigkeit in der Firma E... Mietwagenbetrieb D... nicht möglich" sei. Bei Herrn D... handele es sich um ein und dieselbe Person, weswegen ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis beim selben Arbeitgeber vorliege. Eine Pauschalierung des Lohnsteuerabzugs im Hinblick auf das Entgelt für die Tätigkeit bei E... sei deswegen nicht möglich. Vielmehr sei ein Gesamtentgelt zu bilden, was in die Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG vollständig einzubeziehen sei, so dass jeweils EUR 5.400,- für 2016 und 2017 sowie EUR 4.500,- für 2018 beim Arbeitnehmer nachzuversteuern seien. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung gab Herr D... zur Tätigkeit des Klägers für E... im Innendienst u.a. an (für weitere Einzelheiten siehe der Aktenvermerk der Prüferin vom 23.01.2019, Bl. 144 ff. der vorgelegten Steuerakte), der Kläger habe "die Buchungsplattformen für Agenturen (z.B. ..., ..., ... etc.) betreut und den Dienstplan der Chauffeure" gestaltet. Dies sei nicht zu festen Zeiten erfolgt, teilweise auch abends von zu Hause aus. Eine genaue zeitliche Abgrenzung sei nicht möglich.
Der Beklagte erließ nach entsprechender Unterrichtung mittels Kontrollmitteilung aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung, die laut Eingangsstempel der Veranlagungsstelle des Beklagten am 10.04.2019 bei der Einkommensteuer-Veranlagungsstelle des Beklagten eingegangen war, am 05.08.2019 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die Einkommensteuer für die Streitjahre unter zusätzlicher Berücksichtigung der o.g. in den vorangegangenen Bescheiden nicht in die Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG einbezogenen Beträge auf EUR 7.637,- für 2016, auf EUR 8.975,- für 2017 und auf 7.010,- für 2018 festgesetzt wurde. Zur Begründung verwies der Beklagte jeweils auf die Feststellungen unter Tz. 2 der Lohnsteueraußenprüfungsberichte. Ergänzend wies er in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2016 und 2017 auf eine - im Einzelnen zwischen den Beteiligten hier nicht streitige - reduzierte Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand des Klägers hin.
Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2016, 2017 und 2018 legten die Kläger, vertreten von der Bevollmächtigten, am 15.08.2019 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass allein die Tatsache, dass Herr D... der Inhaber beider Betriebe ist, in denen der Kläger angestellt sei, nicht zur Annahme eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses führen dürfe. Die Zusammenrechnung der Arbeitslöhne erfolge deswegen zu Unrecht. Die streitgegenständlichen Tätigkeiten für die verschiedenen Betriebe des Herrn D... seien mittels unterschiedlicher Tätigkeitsart und unterschiedlichem Einsatzort objektiv voneinander abgrenzbar gewesen.
In einem Erörterungsschreiben vom 14.11.2019 (wiederholend zur Erinnerung am 06.01.2020) während des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte darauf hin, dass die Angaben des Arbeitgebers zur fehlenden zeitlichen Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten aufgrund der flexiblen Ausübung der Tätigkeit des Klägers für E... mitentscheidend für die Annahme seien, es liege ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis des Klägers vor. Die Klägerseite reichte zunächst dennoch keine weiteren Unterlagen zur Zeiterfassung während des Einspruchsverfahrens ein, sondern regte den Erlass einer Einspruchsentscheidung an.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.08.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verweist er darauf, dass bei der Tätigkeit für E... keine geringfügige Beschäftigung vorliege; denn es handele sich zusammen mit dem Arbeitsverhältnis für C... um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so dass die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG nicht vorlägen.
Hiergegen haben die Kläger am 18.09.2020 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen die Einspruchsbegründung. Die Tätigkeiten als Taxifahrer für C... einerseits und als Disponent für E... andererseits seien inhaltlich sehr unterschiedlich. Außerdem seien die Tätigkeiten durchgehend zu unterschiedlichen Zeiten erbracht worden. Zur Untermauerung der zeitlichen Abgrenzbarkeit haben sie im Klageverfahren erstmals exemplarisch als "Arbeitszeitnachweise" überschriebene Zeitenaufstellungen für drei einzelne Monate des Streitzeitraums eingereicht (Mai 2016, August 2017, Oktober 2018), aus denen hervorgeht, dass in den exemplarisch ausgewählten Streitmonaten die Tätigkeit für C... keine zeitliche Überschneidung mit der Tätigkeit für E... hatte.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen ist der Einkommensteuerbescheid 2018 in formell und materiell zwischen den Beteiligten nicht streitiger Art und Weise am 23.09.2021 erneut geändert worden.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide 2016, 2017 und 2018, jeweils vom 05.08.2019, für 2016 und 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2022, für 2018 in Gestalt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2022 und des jüngsten Änderungsbescheides vom 23.09.2021, sind aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt der Beklagte im Wesentlichen die Begründung der Einspruchsentscheidung. Er habe außerdem Zweifel daran, ob die für die Tätigkeit bei E... vorgelegten Arbeitszeitnachweise glaubhaft seien oder ob sie nachträglich erst für das Klageverfahren erstellt worden seien. Ihr Inhalt widerspreche nämlich zum Teil den aktenkundigen Angaben des Herrn D... im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung.
Auf Anfrage des Berichterstatters haben die Kläger mit Schriftsatz vom 11.02.2022 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.02.2022 der Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugestimmt.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten (1 durchgängig paginierter Halbhefter Einkommensteuerakte der Streitjahre mitsamt Rb.-Vorgang) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 68 Satz 1 ist der nach Klageerhebung für das Streitjahr 2018 ergangene Änderungsbescheid vom 23.09.2021 Verfahrensgegenstand geworden.
Der schriftsätzlich vor Erlass dieses jüngsten Änderungsbescheides angekündigte Antrag war unter Einbeziehung des jüngsten Änderungsbescheides vom 23.09.2021 - und somit nur sinngemäß - der Entscheidung zu Grunde zu legen.
III. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
1. Der für das Streitjahr 2018 zunächst am 05.08.2019 und dann erneut am 23.09.2021 geänderte Einkommensteuerbescheid 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) soweit die aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 bezogenen Bruttobezüge in die Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG einbezogen werden.
Bei den hier allein streitgegenständlichen aus der Lohnsteueraußenprüfung gewonnenen Erkenntnissen zur Ausgestaltung der Arbeitstätigkeit des Klägers für Herrn D... handelt es sich zwar um Tatsachen im Sinne der im Änderungsbescheid genannten Rechtsgrundlage des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese Tatsachen sind dem Beklagten hinsichtlich der Veranlagung zur Einkommensteuer 2018 allerdings nicht nachträglich bekannt geworden, so dass auf ihr Bekanntwerden keine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden konnte.
Der Ausgangsbescheid zur Einkommensteuer 2018 erging laut Änderungsbescheid am 12.04.2019, wobei laut Eingangsstempel der Veranlagungsstelle des Beklagten die Kontrollmitteilung zu den Ergebnissen der Lohnsteueraußenprüfung bereits am 10.04.2019 und somit vor Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 2018 bekannt geworden war. Die aus der Lohnsteueraußenprüfung herrührenden Tatsachen waren somit nicht erst nachträglich bekannt geworden.
Eine andere, von der im Bescheid genannten Vorschrift abweichende und die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 tragende Rechtsgrundlage ist dem erkennenden Berichterstatter nicht ersichtlich. Solche werden auch nicht vorgetragen.
Da während des Klageverfahrens ein weiterer geänderter Einkommensteuerbescheid 2018 ergangen ist, der Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, dessen gegenständliche Änderung (Kontrollmitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen) zwischen den Beteiligten jedoch nicht streitig ist, war dieser zuletzt ergangene Einkommensteuerbescheid 2018 nicht vollständig aufzuheben, sondern nur insofern abzuändern, dass die aufgrund des rechtswidrigen, zwischenzeitlichen Änderungsbescheides vom 05.08.2019 in dem Bescheid berücksichtigten höheren Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG rückgängig zu machen waren.
Die Übertragung der Steuerberechnung zur Einkommensteuer 2018 auf den Beklagten erfolgt nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
2. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 sind dagegen rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war; denn der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers als Disponent für E... nicht vorlagen. Eine lohnsteuerliche Pauschalierung nach dieser Vorschrift durfte deswegen insofern nicht erfolgen. Das hat zur Folge, dass entgegen der für den Fall der zutreffenden Pauschalierung angeordneten Rechtsfolge des § 40a Abs. 5 i. V. m. § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG der aus der Tätigkeit für E... bezogene, aber rechtsfehlerhaft pauschaliert lohnbesteuerte Arbeitslohn vom hier beklagten Wohnsitzfinanzamt des Klägers in die Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer der Streitjahre 2016 und 2017 einzubeziehen war.
a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehen weder nach Durchsicht der vorgelegten Akten noch nach dem Vortrag der Kläger Zweifel daran, dass die zur streitgegenständlichen Änderung der einkommensteuerlichen Ausgangsbescheide vom 19.07.2017 (2016) und vom 13.06.2018 (2017) nachträglich bekannt gewordene Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind; denn die geänderten Ausgangsbescheide für 2016 und 2017 sind zeitlich vor dem aktenkundigen Zugang der Kontrollmitteilungen (10.04.2019) in der Veranlagungsstelle des Beklagten erlassen worden. Auch Festsetzungsverjährung war im Zeitpunkt der Änderung noch nicht eingetreten.
b) In materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers für E... nicht vorlagen.
Gemäß § 40a Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV - die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt 2 Prozent des Arbeitsentgelts erheben. Ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift lag hier jedoch in der Tätigkeit des Klägers für E... zur Überzeugung des erkennenden Berichterstatters nicht vor.
aa) Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung beurteilen sich dabei wegen des in § 40a Abs. 2 EStG genannten Verweises ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben, vorliegend nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich auf eine eigenständige steuerliche Arbeitslohngrenze für Pauschalierungen verzichtet hat. Die steuerliche Pauschalierungsvorschrift knüpft damit an die sozialversicherungsrechtliche Vorschrift an, wodurch nach der Vorstellung des Gesetzgebers Abweichungen zwischen der beitragsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung des Arbeitslohns aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis vermieden werden sollten (vgl. zur sozialversicherungsrechtlichen Anknüpfung etwa BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 - VI R 57/05 -, BStBl. II 2009, 147 m.w.N).
bb) Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat EUR 450,- nicht übersteigt. Unter den in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV geregelten Voraussetzungen kann zwar eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV neben einer Hauptbeschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt werden (begrenzte Ausnahme von der gebotenen Zusammenrechnung).
Übt ein Arbeitnehmer allerdings wie hier bei demselben Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen aus, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung oder objektive Kriterien der Unterscheidbarkeit in Art, Ort und Zeit der Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, d.h. sie werden sozialversicherungsrechtlich einheitlich beurteilt. Es ist deswegen nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung eine (mangels Zusammenrechnung) versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten. Die höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung, von deren Auslegung der hier erkennende Berichterstatter keine Veranlassung erkennt, sieht andernfalls die Gefahr von Manipulationen, wenn durch Aufspaltung einer einheitlichen Vertragsbeziehung in eine Haupt- und eine geringfügige Nebenbeschäftigung Teile der Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer beitragsfrei und für den Arbeitgeber beitragsgünstiger gestellt werden können (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012 - B 12 KR 28/10 R -, SozR 4-2400 § 8 Nr. 5 und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.06.2013 - L 7 R 2757/11 -, zitiert nach juris, jeweils mit ausführlichen Begründungen unter Einbeziehung rechtspolitischer Kritik an der Auffassung, vgl. auch ausführlich zur sozialversicherungsrechtlichen Herleitung: Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 8 SGB IV 1, Überarbeitungstand: 02.12.2022, Rn. 70).
cc) Hieraus ergibt sich im Ergebnis auch für die an die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anknüpfende Regelung des § 40a Abs. 2 EStG, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
dd) Unter Anwendung dieser Grundsätze geht der erkennende Berichterstatter davon aus, dass zwischen dem Kläger und Herrn D... ein solches einheitliches Beschäftigungsverhältnis bestand.
Der insofern maßgebliche sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff knüpft (allein) an zivilrechtliche Grundsätzen bei der Arbeitgeberbestimmung an. Arbeitgeber ist danach der, zu dem eine bestimmte Person, um deren einzubehaltende Lohnsteuer es geht, in einem Arbeitsverhältnis steht (vgl. Schmidt/Krüger, 41. Aufl. 2022, EStG § 38 Rn. 2 m.w.N.). Arbeitgeber können deswegen nur natürliche oder juristische Personen des privaten sowie des öffentlichen Rechts sowie nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse sein. Es handelt sich dabei regelmäßig um die Vertragspartner im Arbeitsvertrag (Brandis/Heuermann/Wackerbeck, 164. EL November 2022, EStG § 38 Rn. 65). Bei den hier streitgegenständlichen Tätigkeiten des zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses hat jeweils Herr D... als Betriebsinhaber von C... und von E... unterschrieben, so dass er als natürliche Person Arbeitgeber im vorgenannten Sinne ist. Mangels zivilrechtlicher Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, sind dagegen nicht die verschiedenen Betriebe des Herrn D... Arbeitgeber im Sinne der hier streitgegenständlichen lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.
Sofern das Finanzgericht Münster (FG Münster, Urteil vom 21. Februar 2003 - 11 K 1158/01 L -, EFG 2003, 864 ff., rkr.) aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - in seinem Urteil vom 27.07.1990 (BFH, Urteil v. 27.07.1990 - VI R 20/89 -, BStBl II 1990, 931) in der Vergangenheit abgeleitet hat, der Arbeitgeberbegriff sei für Zwecke der Lohnsteuerpauschalierung tätigkeits- bzw. betriebsbezogen, nicht jedoch personenbezogenen auszulegen, gewichtet die dort gegebene Begründung abweichend von der hier vertretenen Auffassung die Besonderheit nicht, dass in dem Sachverhalt der dort zitierten Entscheidung des BFH tatsächlich nicht zwei Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander bei dem gleichen Arbeitgeber bestanden hatten, sondern eine frühere, mittlerweile beendete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf eine aktuelle sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigung getroffen waren. Ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis lag deswegen im vom BFH entschiedenen Fall - selbst bei hypothetischer Annahme von Arbeitgeberidentität - bereits mangels zeitlicher Inzidenz der Beschäftigungen nicht vor.
ee) Sofern auch im lohnsteuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 40a Abs. 2 EStG auch beim Arbeitgeber der sozialversicherungspflichtigen und nach individuellen Merkmalen lohnsteuerpflichtigen Haupttätigkeit ausgeübt werden könne, wenn eine nach objektiven Kriterien vorzunehmende Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten in verschiedenen Betrieben gewährleistet sei (vgl. etwa Wagner in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 40a, Stand: 287. Lieferung, Rz. 6) überzeugt dies das erkennende Gericht aus folgendem Grund nicht: Die Auffassung, die zur Begründung einerseits - im Wege des Umkehrschlusses - auf die Nichterwähnung der Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG im ausdrücklichen Ausschlusstatbestand des § 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG verweist (anders als die darin ausdrücklich genannten Pauschalierungen nach § 40a Abs. 1 und 3 EStG), und andererseits darauf verweist, dass auch gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV von einer sozialversicherungsrechtlichen Zusammenrechnung abzusehen sei, wenn eine nicht geringfügige mit einer oder mehreren geringfügigen Beschäftigungen zusammentrifft (vgl. Wagner a.a.O.), bezieht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts in seine Wertungen nur unzureichend ein, dass wegen der ausdrücklichen Anknüpfung des § 40a Abs. 2 EStG an den sozialversicherungsrechtlichen § 8 Abs. 1 SGB IV von Vornherein kein gesetzgeberischer Regelungsbedarf für einen ausdrücklichen Pauschalierungsausschlusstatbestand im Lohnsteuerrecht bestanden haben dürfte; denn sozialversicherungsrechtlich entspricht es - wie oben unter bb) gezeigt - der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass in den Fällen der Arbeitgeberidentität unabhängig von tätigkeits-, orts- oder zeitbezogenen Unterscheidungsmerkmalen ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Ein ausdrücklicher lohnsteuerrechtlicher Ausnahmetatbestand zur Pauschalierung bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV musste für die an das Sozialversicherungsrecht anknüpfende lohnsteuerliche Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG deswegen nicht ausdrücklich geschaffen werden (ähnlich auch Wackerbeck, Anm. zu Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26. September 2017 - 14 K 241/16-, EFG 2018, 572, 576). Ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers zur Pauschalierung bei geringfügiger Beschäftigung kann dem § 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG deswegen zur hiesigen Überzeugung nicht entnommen werden.
Es entspricht schließlich auch der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, dass im Falle des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses die Zusammenrechnungsvorschrift des § 8 Abs. 2 SGB IV von Vornherein keine Anwendung finden kann, weil nicht mehrere Beschäftigungen zusammentreffen, was die Vorschrift jedoch voraussetzt. Auch darin genannten Ausnahmen von der Zusammenrechnungspflicht im Sozialversicherungsrecht kann deswegen keine - auch nicht lohnsteuerrechtlich - normative Wirkung für Fälle des Vorliegens eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses zugesprochen werden; denn - unabhängig von darin enthaltenen Regeln oder Ausnahmen - setzt die Anwendung des § 8 Abs. 2 SGB IV das Bestehen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse voraus, woran es im Falle des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses bei Arbeitgeberidentität gerade fehlt.
ff) Abgesehen von der hier ohnehin abweichenden zu Grunde gelegten Rechtsauffassung des Gerichts sind die hier streitgegenständlichen Tätigkeiten jedoch auch nicht hinreichend nach objektiven Kriterien voneinander abgrenzbar (zur objektiven Abgrenzbarkeit bereits Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26. September 2017 - 14 K 241/16 -, EFG 2018, 572, rkr.). Zwar hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger die Disponententätigkeit für E... einerseits und andererseits die Taxifahrertätigkeit für C... in den Streitzeiträumen regelmäßig zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten erbrachte. Das dürfte bereits die Art der primär geschuldeten Tätigkeit mit sich bringen. Gewichtig gegen eine objektive Abgrenzbarkeit spricht jedoch § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages 2015, in dem hinsichtlich der bei C... bestehenden Pflichten des Arbeitnehmers geregelt wurde, dass der "Arbeitgeber [...] den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, ihn an einem anderen Ort sowie vorübergehend im Sinne des Arbeitnehmerüberlassunsgesetzes (AÜG) auch bei dem Unternehmen E... D... im rechtlich zulässigen Rahmen einsetzen" kann. Dass das arbeitsrechtliche Direktionsrecht aus der Beschäftigung des Klägers als Taxifahrer die Anweisung zum Einsatz des Klägers als Arbeitnehmer, der als Inhaber eines Personenbeförderungsscheines auch die Leistungen und Fähigkeiten eines für E... tauglichen Chauffeurs mit sich bringt, im anderen Betrieb des gleichen Arbeitgebers, nämlich E..., erfasste, spricht gegen die objektive Abgrenzbarkeit der beiden Tätigkeit des Klägers für ein und denselben Arbeitgeber, D.... Denn dann wird mit dem streitgegenständlichen Bruttolohn gleichzeitig die damit zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft des klagenden Arbeitnehmers vergütet, auch im anderen Betrieb des Arbeitgebers eingesetzt zu werden. Eine solche Vermischung der geschuldeten Dienstleistungen und Vergütungen spricht gegen eine hinreichende objektive Abgrenzbarkeit der beiden Beschäftigungen. Darüber hinaus spricht dagegen die Tatsache, dass der Kläger als Disponent, der laut Arbeitsvertrag 2014 in den Streitjahren auch für die Dienstplangestaltung der Chauffeure bei E... zuständig war, erheblich von seiner gleichzeitigen kommunikativen und organisatorischen Eingliederung in den anderen Betrieb des Arbeitgebers D..., nämlich C..., profitiert haben dürfte, wenn die Chauffeure, deren Dienstplan zu erstellen war, zum Teil gleichzeitig in beiden Betrieben Personen beförderten.
Vor diesem Hintergrund kann auch die von den Klägern ins Feld geführte Vergabe zweier unterschiedlicher Betriebsnummern durch die Bundesagentur für Arbeit nicht zu einer abweichenden Beurteilung des klägerischen Arbeitsverhältnisses zu D... führen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und berücksichtigt quotal, dass die Kläger mit ihrer Klage gegen die nachträgliche Einbeziehung der EUR 4.500,- im Streitjahr 2018 Erfolg haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO.
V. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nur zum Teil zugelassen, da die Klärung der hier für die Anfechtung der Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob und unter Heranziehung welcher Abgrenzungskriterien ein Arbeitnehmer in einem zweiten Betrieb seines Arbeitgebers gleichzeitig und mit der Folge der Pauschalierungsmöglichkeit nach § 40a Abs. 2 EStG geringfügig beschäftigt sein kann, grundsätzliche Bedeutung hat. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2018 war die Revision mangels Entscheidungserheblichkeit dieser vorgenannten Rechtsfrage dagegen nicht zuzulassen. Aufgrund objektiver Klagehäufung und der damit verbundenen Teilbarkeit des Streitgegenstandes konnte hier vom Grundsatz der Vollzulassung abgewichen werden (Lange in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 266. Lieferung, 2021, Rn. 290 m.w.N.).
Urtiel vom 28.12.2022
In dem Rechtsstreit
der Eheleute A... und B...,
Kläger,
bevollmächtigt:
gegen
das Finanzamt,
Beklagter,
wegen Einkommensteuer 2016 bis 2018
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 6. Senat - ohne mündliche Verhandlung am 28. Dezember 2022 durch den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter für Recht erkannt:
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 2018 vom 05.08.2019, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2022 und des Änderungsbescheides vom 23.09.2021, wird dahingehend abgeändert, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um EUR 4.500 EUR verringert werden. Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten überlassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern zu 71 % und dem Beklagten zu 29 % auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird wegen der Einkommensteuer 2016 und der Einkommensteuer 2017 zugelassen. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses bei Beschäftigung des Klägers in zwei Betrieben derselben unternehmerisch tätigen natürlichen Person.
Die Kläger wurden in den Streitjahren 2016 bis 2018 als nicht dauernd getrenntlebende Ehegatten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger arbeitete seit dem 1.11.2009 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 28.10.2009 (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2009) zwischen ihm und dem u.a. unter der Firma C... auftretenden Taxibetrieb des Herrn D... als unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, dessen im Rahmen dieser Beschäftigung gezahlter Bruttoarbeitslohn nach individuellen Besteuerungsmerkmalen lohnbesteuert wurde.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2009 hieß es zur seit 2009 durch den Kläger für diesen Betrieb ausgeübten Tätigkeit ausdrücklich:
"Herr B... wird als technischer Innendienstmitarbeiter eingestellt. Die Arbeitsaufgabe besteht in der Betreuung der im Unternehmen als auch angegliederten Betrieben vorhandenen Fahrzeuge als auch der Übernahme der anfallenden Innendiensttätigkeiten bis zur Abrechnung der Taxifahrer. [...] Darüber hinaus wird Herr B... auch als Taxifahrer eingesetzt. [...]"
In § 5 des Arbeitsvertrages 2009 hieß es ausdrücklich:
"Die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit beträgt 26 Tage im Monat bei 9 Stunden täglich. Die Lohnfortzahlung für den Urlaub ermittelt sich nach dem durchschnittlichen Verdienst der letzten 3 Monate. Der Arbeitnehmer wird als festangestellter Beschäftigter eingestellt. [...]"
Am 21.10.2014 schloss der Kläger einen weiteren Arbeitsvertrag mit demselben Herrn D... zur unbefristeten "geringfügigen Beschäftigung" bei seinem anderen, unter "E..." firmierenden Betrieb (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2014). Laut Website des Betriebs (letzter Abruf durch den Berichterstatter am 28.12.2022) gehörte es zum Geschäft von E..., "einen exklusiven Fahrdienst mit Chauffeur innerhalb Berlins und Brandenburg" zu bieten. Laut Angaben auf der Website besaßen im Zeitpunkt des Seitenaufrufs alle eingesetzten Chauffeure Personenbeförderungsscheine.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2014 hieß es zur Tätigkeit des Klägers ausdrücklich:
"Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.11.2014 als Innendienstmitarbeiter (kaufmännisch auf Teilzeit für maximal 47 Std./Monat) beschäftigt. Eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses beim Hauptarbeitgeber ist grundsätzlich auszuschließen. Die Arbeitsaufgabe besteht in der Betreuung der Buchungsplattform für Agenturen (..., ..., ... etc.) als auch der Dienstplangestaltung der Chaffeure und Aufgaben in der Buchhaltung."
In dessen § 3 hieß es zur Vergütung ausdrücklich:
"Die monatliche Bruttovergütung beträgt 450 EUR. Sondervergütungen wie Urlaubsgeld, Prämien etc. erfolgen nicht. [...]"
Am 30.01.2015 wurde der bisherige Arbeitsvertrag 2009 durch einen neuen Arbeitsvertrag (nachfolgend: Arbeitsvertrag 2015) zwischen dem Kläger und dem unter der Firma C... auftretenden Herrn D... ersetzt.
In § 1 des Arbeitsvertrages 2015 hieß es zur Tätigkeit des Klägers ausdrücklich:
"(1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.01.2015 unbefristet als Taxi- bzw. Mietwagenfahrer eingestellt. Die Arbeitsaufgabe besteht im Führen eines Taxis/Mietwagens im öffentlichen Straßenverkehr zur Beförderung von Personen und Sachen [...] .
(2) [...]
(3) Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, ihn an einem anderen Ort sowie vorübergehend im Sinne des Arbeitnehmerüberlassunsgesetzes (AÜG) auch bei dem Unternehmen E... D... im rechtlich zulässigen Rahmen einsetzen.
(4) [...]"
In dessen § 3 hieß es zur Arbeitszeit ausdrücklich:
"(1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 30 Stunden/Woche bei 22 Arbeitstagen im Monat und regelmäßig bei 8 Stunden täglich. [...]
(2) Der Arbeitnehmer wird im Schichtdienst - auch an Sonn- und Feiertagen - zwischen 00:00-24:00 Uhr beschäftigt. Beginn und Ende der Schichtzeitzeiten und täglichen Arbeitszeiten sowie der Pausen richten sich nach den betrieblichen Bedarfen des Unternehmens. [...] Die Schichteneinteilung obliegt dem Arbeitgeber, ein Anspruch auf Zuteilung bestimmter Schichten besteht nicht.
(3) [...]"
Für weitere Einzelheiten nimmt das Gericht ausdrücklich auf die zur Gerichtsakte genommenen Arbeitsverträge 2009, 2014 und 2015 sowie sämtliche ebenfalls als Anlagen eingereichten Nachträge Bezug.
Nach Angabe der Bevollmächtigten ist § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages 2015 im Lichte der parallelen Existenz der beiden Betriebe des Herrn D... zu verstehen, weil Taxifahrer von C... zum Teil auch als Chauffeure für E... eingesetzt werden konnten.
C... einerseits und E... andererseits führten durchgehend unterschiedliche Betriebsnummern der Bundesagentur für Arbeit (Betriebsnummern-Service) im Rahmen der statistischen Erfassung von Arbeitnehmerdaten.
Der Kläger übte die Tätigkeit für E... in den Streitjahren befugter Weise sowohl im "Homeoffice" als auch in den Geschäftsräumen seines Arbeitgebers aus. Die Tätigkeit für C... als Taxifahrer übte er weder in den Geschäftsräumen des Arbeitgebers, noch im "Homeoffice" aus, sondern entweder "in Warteposition" im Taxi vor dem lokalen Bahnhof oder fahrgastbefördernd im fahrenden Taxi.
Das Beschäftigungsverhältnis aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 wurde in den Streitjahren 2016 bis 2018 durchgehend als geringfügiges Beschäftigungsverhältnis über die Bundesknappschaft mit 2 % pauschaler Lohnsteuer abgerechnet. Die Beschäftigung aufgrund des Arbeitsvertrages 2015 wurde in den Streitjahren nach individuellen Besteuerungsmerkmalen des Klägers lohnsteuerlich abgerechnet.
Der Bruttolohn aus der Beschäftigung des Klägers aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 betrug - zwischen den Beteiligten der Höhe nach unstreitig - im Streitjahr 2016 EUR 5.400,-, im Streitjahr 2017 EUR 5.400,- und im Streitjahr 2018 EUR 4.500,-.
Die Klägerin bezog in den Streitjahren als Sachbearbeiterin unstreitige Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Einkommensteuergesetz - EStG -.
Die Veranlagung für die Streitjahre 2016, 2017 und 2018 erfolgte in den Einkommensteuerbescheiden vom 19.07.2017 (2016), vom 13.06.2018 (2017) und vom 12.04.2019 (2018) zunächst hinsichtlich der Einkünfte gemäß § 19 EStG im Wesentlichen erklärungsgemäß (Erklärungen vom 03.06.2017 für 2016, vom 20.03.2018 für 2017 und vom 07.03.2019 für 2018). Aufgrund der pauschal erfolgten Lohnbesteuerung bezogen weder die Einkommensteuererklärungen der Kläger noch die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre die aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 verdienten Bruttobezüge, also im Streitjahr 2016 EUR 5.400,-, im Streitjahr 2017 EUR 5.400,- und im Streitjahr 2018 EUR 4.500,- in die jeweiligen Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG ein. Für weitere Einzelheiten nimmt das Gericht auf die Einkommensteuererklärungen 2016 (Bl. 2 ff. der Einkommensteuerakte), 2017 (Bl. 39 ff. der Einkommensteuerakte) und 2018 (Bl. 77 ff. der Einkommensteuerakte) Bezug.
Aufgrund einer Anordnung vom 08.11.2018 führte der Beklagte bei E... und bei C... vom 4.12.2018 bis zum 11.03.2019 jeweils Lohnsteueraußenprüfungen für die Zeiträume Januar 2016 bis Oktober 2018 durch. Unter Tz. 2 der Lohnsteueraußenprüfungsberichte vom 11.03.2019 stellten die Prüferinnen fest, dass "eine versicherungspflichtige Tätigkeit bei der Firma C... D... und eine nichtversicherungspflichtige Tätigkeit in der Firma E... Mietwagenbetrieb D... nicht möglich" sei. Bei Herrn D... handele es sich um ein und dieselbe Person, weswegen ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis beim selben Arbeitgeber vorliege. Eine Pauschalierung des Lohnsteuerabzugs im Hinblick auf das Entgelt für die Tätigkeit bei E... sei deswegen nicht möglich. Vielmehr sei ein Gesamtentgelt zu bilden, was in die Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG vollständig einzubeziehen sei, so dass jeweils EUR 5.400,- für 2016 und 2017 sowie EUR 4.500,- für 2018 beim Arbeitnehmer nachzuversteuern seien. Im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung gab Herr D... zur Tätigkeit des Klägers für E... im Innendienst u.a. an (für weitere Einzelheiten siehe der Aktenvermerk der Prüferin vom 23.01.2019, Bl. 144 ff. der vorgelegten Steuerakte), der Kläger habe "die Buchungsplattformen für Agenturen (z.B. ..., ..., ... etc.) betreut und den Dienstplan der Chauffeure" gestaltet. Dies sei nicht zu festen Zeiten erfolgt, teilweise auch abends von zu Hause aus. Eine genaue zeitliche Abgrenzung sei nicht möglich.
Der Beklagte erließ nach entsprechender Unterrichtung mittels Kontrollmitteilung aufgrund der Lohnsteueraußenprüfung, die laut Eingangsstempel der Veranlagungsstelle des Beklagten am 10.04.2019 bei der Einkommensteuer-Veranlagungsstelle des Beklagten eingegangen war, am 05.08.2019 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung - AO - geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die Einkommensteuer für die Streitjahre unter zusätzlicher Berücksichtigung der o.g. in den vorangegangenen Bescheiden nicht in die Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG einbezogenen Beträge auf EUR 7.637,- für 2016, auf EUR 8.975,- für 2017 und auf 7.010,- für 2018 festgesetzt wurde. Zur Begründung verwies der Beklagte jeweils auf die Feststellungen unter Tz. 2 der Lohnsteueraußenprüfungsberichte. Ergänzend wies er in den geänderten Einkommensteuerbescheiden für 2016 und 2017 auf eine - im Einzelnen zwischen den Beteiligten hier nicht streitige - reduzierte Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwand des Klägers hin.
Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2016, 2017 und 2018 legten die Kläger, vertreten von der Bevollmächtigten, am 15.08.2019 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass allein die Tatsache, dass Herr D... der Inhaber beider Betriebe ist, in denen der Kläger angestellt sei, nicht zur Annahme eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses führen dürfe. Die Zusammenrechnung der Arbeitslöhne erfolge deswegen zu Unrecht. Die streitgegenständlichen Tätigkeiten für die verschiedenen Betriebe des Herrn D... seien mittels unterschiedlicher Tätigkeitsart und unterschiedlichem Einsatzort objektiv voneinander abgrenzbar gewesen.
In einem Erörterungsschreiben vom 14.11.2019 (wiederholend zur Erinnerung am 06.01.2020) während des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte darauf hin, dass die Angaben des Arbeitgebers zur fehlenden zeitlichen Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten aufgrund der flexiblen Ausübung der Tätigkeit des Klägers für E... mitentscheidend für die Annahme seien, es liege ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis des Klägers vor. Die Klägerseite reichte zunächst dennoch keine weiteren Unterlagen zur Zeiterfassung während des Einspruchsverfahrens ein, sondern regte den Erlass einer Einspruchsentscheidung an.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.08.2020 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verweist er darauf, dass bei der Tätigkeit für E... keine geringfügige Beschäftigung vorliege; denn es handele sich zusammen mit dem Arbeitsverhältnis für C... um ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis, so dass die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG nicht vorlägen.
Hiergegen haben die Kläger am 18.09.2020 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholen sie im Wesentlichen die Einspruchsbegründung. Die Tätigkeiten als Taxifahrer für C... einerseits und als Disponent für E... andererseits seien inhaltlich sehr unterschiedlich. Außerdem seien die Tätigkeiten durchgehend zu unterschiedlichen Zeiten erbracht worden. Zur Untermauerung der zeitlichen Abgrenzbarkeit haben sie im Klageverfahren erstmals exemplarisch als "Arbeitszeitnachweise" überschriebene Zeitenaufstellungen für drei einzelne Monate des Streitzeitraums eingereicht (Mai 2016, August 2017, Oktober 2018), aus denen hervorgeht, dass in den exemplarisch ausgewählten Streitmonaten die Tätigkeit für C... keine zeitliche Überschneidung mit der Tätigkeit für E... hatte.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen ist der Einkommensteuerbescheid 2018 in formell und materiell zwischen den Beteiligten nicht streitiger Art und Weise am 23.09.2021 erneut geändert worden.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
die Einkommensteuerbescheide 2016, 2017 und 2018, jeweils vom 05.08.2019, für 2016 und 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2022, für 2018 in Gestalt in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.08.2022 und des jüngsten Änderungsbescheides vom 23.09.2021, sind aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt der Beklagte im Wesentlichen die Begründung der Einspruchsentscheidung. Er habe außerdem Zweifel daran, ob die für die Tätigkeit bei E... vorgelegten Arbeitszeitnachweise glaubhaft seien oder ob sie nachträglich erst für das Klageverfahren erstellt worden seien. Ihr Inhalt widerspreche nämlich zum Teil den aktenkundigen Angaben des Herrn D... im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung.
Auf Anfrage des Berichterstatters haben die Kläger mit Schriftsatz vom 11.02.2022 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.02.2022 der Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zugestimmt.
Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten (1 durchgängig paginierter Halbhefter Einkommensteuerakte der Streitjahre mitsamt Rb.-Vorgang) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten konnte der Rechtsstreit durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3, 4 Finanzgerichtsordnung - FGO -) und ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) entschieden werden. Auf telefonische Nachfrage durch den Berichterstatter vom 20.12.2022 hat die Klägerbevollmächtigte klarstellend mitgeteilt, dass ihre zustimmende Erklärung vom 11.02.2022 als Einverständniserklärung im Sinne des § 79a Abs. 3, 4 FGO zu verstehen sein soll.
II. Die als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig. Nach § 68 Satz 1 ist der nach Klageerhebung für das Streitjahr 2018 ergangene Änderungsbescheid vom 23.09.2021 Verfahrensgegenstand geworden.
Der schriftsätzlich vor Erlass dieses jüngsten Änderungsbescheides angekündigte Antrag war unter Einbeziehung des jüngsten Änderungsbescheides vom 23.09.2021 - und somit nur sinngemäß - der Entscheidung zu Grunde zu legen.
III. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
1. Der für das Streitjahr 2018 zunächst am 05.08.2019 und dann erneut am 23.09.2021 geänderte Einkommensteuerbescheid 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO) soweit die aufgrund des Arbeitsvertrages 2014 bezogenen Bruttobezüge in die Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG einbezogen werden.
Bei den hier allein streitgegenständlichen aus der Lohnsteueraußenprüfung gewonnenen Erkenntnissen zur Ausgestaltung der Arbeitstätigkeit des Klägers für Herrn D... handelt es sich zwar um Tatsachen im Sinne der im Änderungsbescheid genannten Rechtsgrundlage des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese Tatsachen sind dem Beklagten hinsichtlich der Veranlagung zur Einkommensteuer 2018 allerdings nicht nachträglich bekannt geworden, so dass auf ihr Bekanntwerden keine Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden konnte.
Der Ausgangsbescheid zur Einkommensteuer 2018 erging laut Änderungsbescheid am 12.04.2019, wobei laut Eingangsstempel der Veranlagungsstelle des Beklagten die Kontrollmitteilung zu den Ergebnissen der Lohnsteueraußenprüfung bereits am 10.04.2019 und somit vor Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 2018 bekannt geworden war. Die aus der Lohnsteueraußenprüfung herrührenden Tatsachen waren somit nicht erst nachträglich bekannt geworden.
Eine andere, von der im Bescheid genannten Vorschrift abweichende und die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2018 tragende Rechtsgrundlage ist dem erkennenden Berichterstatter nicht ersichtlich. Solche werden auch nicht vorgetragen.
Da während des Klageverfahrens ein weiterer geänderter Einkommensteuerbescheid 2018 ergangen ist, der Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist, dessen gegenständliche Änderung (Kontrollmitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen) zwischen den Beteiligten jedoch nicht streitig ist, war dieser zuletzt ergangene Einkommensteuerbescheid 2018 nicht vollständig aufzuheben, sondern nur insofern abzuändern, dass die aufgrund des rechtswidrigen, zwischenzeitlichen Änderungsbescheides vom 05.08.2019 in dem Bescheid berücksichtigten höheren Einkünfte des Klägers aus § 19 EStG rückgängig zu machen waren.
Die Übertragung der Steuerberechnung zur Einkommensteuer 2018 auf den Beklagten erfolgt nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
2. Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 sind dagegen rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen war; denn der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers als Disponent für E... nicht vorlagen. Eine lohnsteuerliche Pauschalierung nach dieser Vorschrift durfte deswegen insofern nicht erfolgen. Das hat zur Folge, dass entgegen der für den Fall der zutreffenden Pauschalierung angeordneten Rechtsfolge des § 40a Abs. 5 i. V. m. § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG der aus der Tätigkeit für E... bezogene, aber rechtsfehlerhaft pauschaliert lohnbesteuerte Arbeitslohn vom hier beklagten Wohnsitzfinanzamt des Klägers in die Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer der Streitjahre 2016 und 2017 einzubeziehen war.
a) In verfahrensrechtlicher Hinsicht bestehen weder nach Durchsicht der vorgelegten Akten noch nach dem Vortrag der Kläger Zweifel daran, dass die zur streitgegenständlichen Änderung der einkommensteuerlichen Ausgangsbescheide vom 19.07.2017 (2016) und vom 13.06.2018 (2017) nachträglich bekannt gewordene Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind; denn die geänderten Ausgangsbescheide für 2016 und 2017 sind zeitlich vor dem aktenkundigen Zugang der Kontrollmitteilungen (10.04.2019) in der Veranlagungsstelle des Beklagten erlassen worden. Auch Festsetzungsverjährung war im Zeitpunkt der Änderung noch nicht eingetreten.
b) In materiell-rechtlicher Hinsicht ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers für E... nicht vorlagen.
Gemäß § 40a Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV - die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt 2 Prozent des Arbeitsentgelts erheben. Ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift lag hier jedoch in der Tätigkeit des Klägers für E... zur Überzeugung des erkennenden Berichterstatters nicht vor.
aa) Die Voraussetzungen für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung beurteilen sich dabei wegen des in § 40a Abs. 2 EStG genannten Verweises ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben, vorliegend nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der ausdrücklich auf eine eigenständige steuerliche Arbeitslohngrenze für Pauschalierungen verzichtet hat. Die steuerliche Pauschalierungsvorschrift knüpft damit an die sozialversicherungsrechtliche Vorschrift an, wodurch nach der Vorstellung des Gesetzgebers Abweichungen zwischen der beitragsrechtlichen und steuerrechtlichen Behandlung des Arbeitslohns aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis vermieden werden sollten (vgl. zur sozialversicherungsrechtlichen Anknüpfung etwa BFH, Urteil vom 29. Mai 2008 - VI R 57/05 -, BStBl. II 2009, 147 m.w.N).
bb) Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat EUR 450,- nicht übersteigt. Unter den in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV geregelten Voraussetzungen kann zwar eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV neben einer Hauptbeschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt werden (begrenzte Ausnahme von der gebotenen Zusammenrechnung).
Übt ein Arbeitnehmer allerdings wie hier bei demselben Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen aus, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ohne Rücksicht auf die arbeitsvertragliche Gestaltung oder objektive Kriterien der Unterscheidbarkeit in Art, Ort und Zeit der Tätigkeit sozialversicherungsrechtlich von einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, d.h. sie werden sozialversicherungsrechtlich einheitlich beurteilt. Es ist deswegen nicht möglich, bei demselben Arbeitgeber neben einer nicht geringfügigen versicherungspflichtigen Beschäftigung eine (mangels Zusammenrechnung) versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung zu verrichten. Die höchstrichterliche sozialgerichtliche Rechtsprechung, von deren Auslegung der hier erkennende Berichterstatter keine Veranlassung erkennt, sieht andernfalls die Gefahr von Manipulationen, wenn durch Aufspaltung einer einheitlichen Vertragsbeziehung in eine Haupt- und eine geringfügige Nebenbeschäftigung Teile der Arbeitsleistung für den Arbeitnehmer beitragsfrei und für den Arbeitgeber beitragsgünstiger gestellt werden können (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 27.06.2012 - B 12 KR 28/10 R -, SozR 4-2400 § 8 Nr. 5 und Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.06.2013 - L 7 R 2757/11 -, zitiert nach juris, jeweils mit ausführlichen Begründungen unter Einbeziehung rechtspolitischer Kritik an der Auffassung, vgl. auch ausführlich zur sozialversicherungsrechtlichen Herleitung: Knispel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., § 8 SGB IV 1, Überarbeitungstand: 02.12.2022, Rn. 70).
cc) Hieraus ergibt sich im Ergebnis auch für die an die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anknüpfende Regelung des § 40a Abs. 2 EStG, dass eine Zusammenrechnung der Lohnzahlungen vorgenommen werden muss, wenn diese von demselben Arbeitgeber stammen, selbst wenn die Arbeitsverhältnisse unterschiedlich ausgestaltet sind.
dd) Unter Anwendung dieser Grundsätze geht der erkennende Berichterstatter davon aus, dass zwischen dem Kläger und Herrn D... ein solches einheitliches Beschäftigungsverhältnis bestand.
Der insofern maßgebliche sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff knüpft (allein) an zivilrechtliche Grundsätzen bei der Arbeitgeberbestimmung an. Arbeitgeber ist danach der, zu dem eine bestimmte Person, um deren einzubehaltende Lohnsteuer es geht, in einem Arbeitsverhältnis steht (vgl. Schmidt/Krüger, 41. Aufl. 2022, EStG § 38 Rn. 2 m.w.N.). Arbeitgeber können deswegen nur natürliche oder juristische Personen des privaten sowie des öffentlichen Rechts sowie nichtrechtsfähige Personenzusammenschlüsse sein. Es handelt sich dabei regelmäßig um die Vertragspartner im Arbeitsvertrag (Brandis/Heuermann/Wackerbeck, 164. EL November 2022, EStG § 38 Rn. 65). Bei den hier streitgegenständlichen Tätigkeiten des zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses hat jeweils Herr D... als Betriebsinhaber von C... und von E... unterschrieben, so dass er als natürliche Person Arbeitgeber im vorgenannten Sinne ist. Mangels zivilrechtlicher Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, sind dagegen nicht die verschiedenen Betriebe des Herrn D... Arbeitgeber im Sinne der hier streitgegenständlichen lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.
Sofern das Finanzgericht Münster (FG Münster, Urteil vom 21. Februar 2003 - 11 K 1158/01 L -, EFG 2003, 864 ff., rkr.) aus einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - in seinem Urteil vom 27.07.1990 (BFH, Urteil v. 27.07.1990 - VI R 20/89 -, BStBl II 1990, 931) in der Vergangenheit abgeleitet hat, der Arbeitgeberbegriff sei für Zwecke der Lohnsteuerpauschalierung tätigkeits- bzw. betriebsbezogen, nicht jedoch personenbezogenen auszulegen, gewichtet die dort gegebene Begründung abweichend von der hier vertretenen Auffassung die Besonderheit nicht, dass in dem Sachverhalt der dort zitierten Entscheidung des BFH tatsächlich nicht zwei Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander bei dem gleichen Arbeitgeber bestanden hatten, sondern eine frühere, mittlerweile beendete sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf eine aktuelle sozialversicherungsfreie geringfügige Beschäftigung getroffen waren. Ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis lag deswegen im vom BFH entschiedenen Fall - selbst bei hypothetischer Annahme von Arbeitgeberidentität - bereits mangels zeitlicher Inzidenz der Beschäftigungen nicht vor.
ee) Sofern auch im lohnsteuerrechtlichen Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 40a Abs. 2 EStG auch beim Arbeitgeber der sozialversicherungspflichtigen und nach individuellen Merkmalen lohnsteuerpflichtigen Haupttätigkeit ausgeübt werden könne, wenn eine nach objektiven Kriterien vorzunehmende Abgrenzbarkeit der Tätigkeiten in verschiedenen Betrieben gewährleistet sei (vgl. etwa Wagner in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 40a, Stand: 287. Lieferung, Rz. 6) überzeugt dies das erkennende Gericht aus folgendem Grund nicht: Die Auffassung, die zur Begründung einerseits - im Wege des Umkehrschlusses - auf die Nichterwähnung der Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG im ausdrücklichen Ausschlusstatbestand des § 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG verweist (anders als die darin ausdrücklich genannten Pauschalierungen nach § 40a Abs. 1 und 3 EStG), und andererseits darauf verweist, dass auch gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV von einer sozialversicherungsrechtlichen Zusammenrechnung abzusehen sei, wenn eine nicht geringfügige mit einer oder mehreren geringfügigen Beschäftigungen zusammentrifft (vgl. Wagner a.a.O.), bezieht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts in seine Wertungen nur unzureichend ein, dass wegen der ausdrücklichen Anknüpfung des § 40a Abs. 2 EStG an den sozialversicherungsrechtlichen § 8 Abs. 1 SGB IV von Vornherein kein gesetzgeberischer Regelungsbedarf für einen ausdrücklichen Pauschalierungsausschlusstatbestand im Lohnsteuerrecht bestanden haben dürfte; denn sozialversicherungsrechtlich entspricht es - wie oben unter bb) gezeigt - der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass in den Fällen der Arbeitgeberidentität unabhängig von tätigkeits-, orts- oder zeitbezogenen Unterscheidungsmerkmalen ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Ein ausdrücklicher lohnsteuerrechtlicher Ausnahmetatbestand zur Pauschalierung bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV musste für die an das Sozialversicherungsrecht anknüpfende lohnsteuerliche Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 EStG deswegen nicht ausdrücklich geschaffen werden (ähnlich auch Wackerbeck, Anm. zu Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26. September 2017 - 14 K 241/16-, EFG 2018, 572, 576). Ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers zur Pauschalierung bei geringfügiger Beschäftigung kann dem § 40a Abs. 4 Nr. 2 EStG deswegen zur hiesigen Überzeugung nicht entnommen werden.
Es entspricht schließlich auch der sozialgerichtlichen Rechtsprechung, dass im Falle des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses die Zusammenrechnungsvorschrift des § 8 Abs. 2 SGB IV von Vornherein keine Anwendung finden kann, weil nicht mehrere Beschäftigungen zusammentreffen, was die Vorschrift jedoch voraussetzt. Auch darin genannten Ausnahmen von der Zusammenrechnungspflicht im Sozialversicherungsrecht kann deswegen keine - auch nicht lohnsteuerrechtlich - normative Wirkung für Fälle des Vorliegens eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses zugesprochen werden; denn - unabhängig von darin enthaltenen Regeln oder Ausnahmen - setzt die Anwendung des § 8 Abs. 2 SGB IV das Bestehen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse voraus, woran es im Falle des einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses bei Arbeitgeberidentität gerade fehlt.
ff) Abgesehen von der hier ohnehin abweichenden zu Grunde gelegten Rechtsauffassung des Gerichts sind die hier streitgegenständlichen Tätigkeiten jedoch auch nicht hinreichend nach objektiven Kriterien voneinander abgrenzbar (zur objektiven Abgrenzbarkeit bereits Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26. September 2017 - 14 K 241/16 -, EFG 2018, 572, rkr.). Zwar hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Kläger die Disponententätigkeit für E... einerseits und andererseits die Taxifahrertätigkeit für C... in den Streitzeiträumen regelmäßig zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten erbrachte. Das dürfte bereits die Art der primär geschuldeten Tätigkeit mit sich bringen. Gewichtig gegen eine objektive Abgrenzbarkeit spricht jedoch § 1 Abs. 3 des Arbeitsvertrages 2015, in dem hinsichtlich der bei C... bestehenden Pflichten des Arbeitnehmers geregelt wurde, dass der "Arbeitgeber [...] den Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen im Interesse des Arbeitgebers liegenden gleichwertigen Aufgabe betrauen, ihn an einem anderen Ort sowie vorübergehend im Sinne des Arbeitnehmerüberlassunsgesetzes (AÜG) auch bei dem Unternehmen E... D... im rechtlich zulässigen Rahmen einsetzen" kann. Dass das arbeitsrechtliche Direktionsrecht aus der Beschäftigung des Klägers als Taxifahrer die Anweisung zum Einsatz des Klägers als Arbeitnehmer, der als Inhaber eines Personenbeförderungsscheines auch die Leistungen und Fähigkeiten eines für E... tauglichen Chauffeurs mit sich bringt, im anderen Betrieb des gleichen Arbeitgebers, nämlich E..., erfasste, spricht gegen die objektive Abgrenzbarkeit der beiden Tätigkeit des Klägers für ein und denselben Arbeitgeber, D.... Denn dann wird mit dem streitgegenständlichen Bruttolohn gleichzeitig die damit zum Ausdruck gebrachte Bereitschaft des klagenden Arbeitnehmers vergütet, auch im anderen Betrieb des Arbeitgebers eingesetzt zu werden. Eine solche Vermischung der geschuldeten Dienstleistungen und Vergütungen spricht gegen eine hinreichende objektive Abgrenzbarkeit der beiden Beschäftigungen. Darüber hinaus spricht dagegen die Tatsache, dass der Kläger als Disponent, der laut Arbeitsvertrag 2014 in den Streitjahren auch für die Dienstplangestaltung der Chauffeure bei E... zuständig war, erheblich von seiner gleichzeitigen kommunikativen und organisatorischen Eingliederung in den anderen Betrieb des Arbeitgebers D..., nämlich C..., profitiert haben dürfte, wenn die Chauffeure, deren Dienstplan zu erstellen war, zum Teil gleichzeitig in beiden Betrieben Personen beförderten.
Vor diesem Hintergrund kann auch die von den Klägern ins Feld geführte Vergabe zweier unterschiedlicher Betriebsnummern durch die Bundesagentur für Arbeit nicht zu einer abweichenden Beurteilung des klägerischen Arbeitsverhältnisses zu D... führen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und berücksichtigt quotal, dass die Kläger mit ihrer Klage gegen die nachträgliche Einbeziehung der EUR 4.500,- im Streitjahr 2018 Erfolg haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 der Zivilprozessordnung i. V. m. § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO.
V. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nur zum Teil zugelassen, da die Klärung der hier für die Anfechtung der Einkommensteuerbescheide 2016 und 2017 entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob und unter Heranziehung welcher Abgrenzungskriterien ein Arbeitnehmer in einem zweiten Betrieb seines Arbeitgebers gleichzeitig und mit der Folge der Pauschalierungsmöglichkeit nach § 40a Abs. 2 EStG geringfügig beschäftigt sein kann, grundsätzliche Bedeutung hat. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2018 war die Revision mangels Entscheidungserheblichkeit dieser vorgenannten Rechtsfrage dagegen nicht zuzulassen. Aufgrund objektiver Klagehäufung und der damit verbundenen Teilbarkeit des Streitgegenstandes konnte hier vom Grundsatz der Vollzulassung abgewichen werden (Lange in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 266. Lieferung, 2021, Rn. 290 m.w.N.).
RechtsgebietAOVorschriften§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO