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22.06.2023 · IWW-Abrufnummer 235944

Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 21.03.2023 – 10 K 306/17 G

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Düsseldorf


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1
Tatbestand

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Streitig ist, ob es sich bei den Einkünften des Klägers aus seiner Tätigkeit für die Fernsehsendung „X“ um solche aus künstlerischer Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) handelt oder um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

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U.a. ist der Kläger ... als Mitwirkender der TV-Sendung „X“ tätig, die von der TV-Produktionsgesellschaft B ... (im Folgenden kurz „Produzent“ genannt) hergestellt wird... .

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Das Konzept der Sendung „X“ gründete darauf, dass Menschen ..., durch einen ... Unterstützer dabei begleitet werden, wie sie ... ihre Situation verbessern. Die Sendungen folgen einem stets gleichbleibenden Aufbau: ... Der in den Sendungen als „Experte“ bezeichnete Kläger unterhielt sich im Rahmen seiner Tätigkeit schwerpunktmäßig mit den einmalig auftretenden Teilnehmern ... über die persönlichen Umstände der Teilnehmer, ... und kommentierte diese Gespräche sowie Äußerungen der Teilnehmer. Dabei nutze er insbesondere auch seine Fachkenntnisse um die Situation der Teilnehmer zu verbessern. ... . Der Kläger lenkte die Gespräche mit den Teilnehmern planmäßig entsprechend der Sendungsstruktur (…). ... Der Produzent filmte dabei sämtliche Gespräche und Aktivitäten des Klägers und der Teilnehmer. Die Vergütung des Klägers erfolgte ausschließlich durch den Produzenten.

5
Die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kläger und dem Produzenten waren in sog. „Expertenverträgen“ mit Laufzeiten von jeweils einem Jahr geregelt. Dem Gericht liegen hinsichtlich der Streitjahre die Verträge vom … vor, die weitgehend inhaltsgleich sind. Der Kläger ist dort als „Mitwirkender“ bezeichnet. Dort heißt es jeweils auszugsweise:

6
1.1. Der Produzent stellt die TV-Sendungen mit dem (Arbeits-)Titel „X“ und „Y“ (im folgenden „Produktion" genannt) her und engagiert den Mitwirkenden als Experten, Darsteller und Interviewpartner für die Produktionen nach Maßgabe der folgenden Bedingungen. Dem Mitwirkenden ist das jeweilige Sendungskonzept bekannt.

7
1.2. Es sind zunächst ... [bzw. ...] Sendungen á ca. 45 Min. [bzw. ... Sendungen á 90 Min.] für den Sender D geplant. Dem Mitwirkendenden ist bekannt, dass die Zahl der Folgen vom auftraggebenden Sender verringert oder aber auch erweitert werden kann und der Produzent eine Erweiterung und/oder Fortsetzung des Produktionsauftrages anstrebt.

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1.3. Die Produktion wird an verschiedenen Locations hergestellt. Die jeweiligen Produktionszeiten werden dem Mitwirkenden jeweils rechtzeitig bekannt gegeben. Der Mitwirkende wird an der Vorbereitung und Durchführung der Produktion kooperativ mitwirken.

9
2.4. Pro zu realisierender Folge der Produktion steht der Mitwirkende dem Produzenten für in der Regel drei bis vier Drehtage zur Verfügung.

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3.1. Der Mitwirkende räumt dem Produzenten an seiner Darbietung/Mitwirkung/Leistung und/oder seinem Werk das Recht zur ausschließlichen, zeitlich, örtlich und inhaltlich unbeschränkten Nutzung ein.

11
4. Exklusivität / Schadensersatz

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...

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5.1. Für seine Mitwirkung, die vereinbarte Exklusivität und die in dieser Vereinbarung geregelten Rechteeinräumung und Rechteübertragung erhält der Mitwirkende eine Pauschalvergütung in Höhe von ... €  ‒ gegebenenfalls zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer ‒ pro vom auftraggebenden Sender abgenommener Folge.

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Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Expertenverträge Bezug genommen.

15
In einem Bericht über den Kläger in der Zeitung vom 00.00.0000 mit dem Titel: „...“ sagte der Kläger, dass er und seine Kollegen keine Schauspieler seien, sondern Beschäftigte, die bei der Arbeit gefilmt werden. ... .

16
In der am 11.9.2014 eingereichten Einkommensteuererklärung für 2012 ermittelte der Kläger durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus seiner Tätigkeit als „Berater ...“ Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. ... €. Entsprechend seiner Rechtsauffassung gab er für den Erhebungszeitraum 2012 keine Gewerbesteuererklärung für diese Tätigkeit ab. Der Beklagte qualifizierte die Tätigkeit des Klägers hingegen als gewerbliche Tätigkeit und setzte mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 17.11.2014 den Gewerbesteuer-Messbetrag für 2012 auf Grundlage eines Gewinns aus Gewerbebetrieb i.H.v. ... € auf ... € fest. Für den Erhebungszeitraum 2013 reichte der Kläger am 3.12.2015 und für den Erhebungszeitraum 2014 am 14.3.2016 die Gewerbesteuererklärungen ein. Für 2013 und 2014 ermittelte der Kläger durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG einen Gewinn i.H.v. ... € für 2013 und i.H.v. ... € für 2014. Auf Grundlage dieser Erklärungen setzte der Beklagte den Gewerbesteuer-Messbetrag mit jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 21.3.2016 für 2013 auf ... € und vom 18.4.2016 für 2014 auf ... € fest.

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Gegen die Festsetzungen der Gewerbesteuer-Messbeträge für 2014 und 2015 legte der Kläger mit Schreiben vom 25.4.2016 Einsprüche ein.

18
Auf Grundlage einer Betriebsprüfungsanordnung vom 8.4.2016 führte der Beklagte u.a. hinsichtlich der Gewerbesteuer für die Jahre 2012 bis 2014 beim Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Betriebsprüfungsbericht vom 31.5.2016 kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb für 2012 richtigerweise ... € und für 2013 richtigerweise ... € betrage.

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Der Beklagte änderte auf dieser Grundlage die Gewerbesteuermessbescheide für 2012 und 2013 mit Bescheiden vom 20.6.2016 und setzte den Gewerbesteuer-Messbetrag für 2012 auf ... € und für 2013 auf ... € fest. Ebenfalls mit Bescheid vom 20.6.2016 hob er den Vorbehalt der Nachprüfung im Gewerbesteuermessbescheid für 2014 auf.

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Gegen die Gewerbesteuermessbescheide für 2012 bis 2014 vom 20.6.2016 legte der Kläger am 11.7.2016 Einsprüche ein und beantragte sinngemäß, die Gewerbesteuer-Messbeträge für die Jahre 2012 bis 2014 jeweils aufzuheben.

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Er macht geltend, dass er in den Streitjahren keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten habe und er deshalb nicht nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) gewerbesteuerpflichtig gewesen sei. Bei seinen Einkünften aus der Tätigkeit für die Sendung „X“ handele es sich um solche aus künstlerischer Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Seine Tätigkeit sei dadurch gekennzeichnet, dass er kreativ und ohne festes Drehbuch agiere. Seine Moderationen und Tätigkeiten vor der Kamera würden von seinem Können als Akteur und seinem spezifischen Fachwissen profitieren. Es gehe ausschließlich um seine Persönlichkeit, seine individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ihn zu seiner Tätigkeit als TV-Moderator qualifizierten. Er habe einen großen Spielraum für eigenschöpferische Leistungen und ihm würden von keiner Seite weitere inhaltliche Vorgaben gemacht. Auf welche Weise er das jeweilige Ziel erreiche, wie er mit den weiteren Mitwirkenden kommuniziere, was und wie er etwas anspreche, obliege allein seiner Entscheidung und seinem Talent. Es gebe kein Drehbuch oder sonstige Regieanweisungen. Er zeichne sich durch eine besonders sensible Art und Weise der Kommunikation aus und nutze sein umfangreiches Fachwissen. Hierdurch würden die Eindrücke, Erfahrungen, Kenntnisse und Erlebnisse des Klägers als Künstler durch seine individuelle Formensprache unmittelbar zum Ausdruck gebracht. Während der Sendungen müsse er sich spontan und frei äußern. Er agiere insoweit nicht anders als ein „Stand-Up-Comedian“, nämlich spontan und ohne Drehbuch im konkreten Handlungsablauf. Er pflege ... einen erkennbar eigenen Stil. Dass die Sendung, an deren Produktion er mitwirke, nicht „live“ ausgestrahlt werde, sei unbeachtlich. Während der Bundesfinanzhof (BFH) bei Sprechern von Werbetexten das Merkmal einer eigenschöpferischen Leistung wegen der regelmäßig detaillierten Weisungen des Auftragsgebers verneint habe (BFH-Urteil vom 11.7.1991 IV R 102/90, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ II 1992), liege sein Fall anders, da er keine konkreten Vorgaben und Weisungen vom Produzenten erhalten habe. Bei der Sendung „X“ stehe nicht der konkrete Inhalt des gesprochenen Wortes, sondern die sich spontan entwickelnden charakteristischen Dialoge mit den Teilnehmern im Vordergrund.

22
Er führe kein Unternehmen, welches sich durch Einsatz von Kapital und/oder eine konkrete Betriebsorganisation auszeichne und es werde auch kein Warenumschlag vorgenommen. Auch die Künstlersozialkasse (KSK) werte Kunstschaffende (aus den Bereichen bildende und darstellende Kunst, Musik und Wort) auch dann als Künstler, wenn sie nicht in der KSK versichert seien. Auch rein Vortragende, wie z.B. Moderatoren, fielen unter den Begriff „Künstler“.

23
Mit Einspruchsentscheidung vom 3.1.2017 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger einen stehenden Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG unterhalten habe und deshalb die gewerblichen Einkünfte aus der Tätigkeit im Rahmen der Sendung „X“ der Gewerbesteuer unterlägen. Der Kläger übe keine künstlerische Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus. Nach der Rechtsprechung des BFH sei eine künstlerische Tätigkeit eine selbstständige, eigenschöpferische Arbeit, die dem Werk eine über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehende Aussagekraft verleihe. Sei das Werk nicht um seiner selbst willen geschaffen, sondern kopiere es lediglich die Wirklichkeit ohne eigene künstlerische Aussage, so fehle es an der der Kunst eigentümlichen Gestaltungshöhe (BFH-Urteil vom 10.9.1998 IV R 70/97, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‒ BFH/NV ‒ 1999, 456).

24
Der Kläger werde weder als Schauspieler tätig, noch „spiele“ er sich selbst. Er werde lediglich bei der Ausübung seiner Expertentätigkeit (…) von einem Kamerateam gefilmt. Beim Sendeformat „X“ mit Beteiligung des Klägers werde jedoch die Wirklichkeit nicht kopiert, sondern es finde ein schlichtes Abfilmen, also eine reine Wiedergabe der Realität statt. Dafür spreche, dass kein Drehbuch existiere und auch keine sonstigen Regieanweisungen gegeben würden. Eine der Kunst eigentümliche Gestaltungshöhe könne damit schon gar nicht erreicht werden. Außerdem greife er ‒ wie er selbst einräume ‒ auf seine ... Fachkenntnisse zurück. Ein Rückgriff auf schauspielerische oder künstlerische Vorkenntnisse, Erfahrungen und Traditionen scheine demnach nicht möglich ‒ sei objektiv aber auch nicht notwendig, da der sachliche Inhalt der ...handlungen im Vordergrund des Sendekonzepts von „X“ stehe. ...

25
Der Umstand, dass der Kläger in freier Rede tätig werde, beweise nicht, dass er eine der Kunst eigentümliche Gestaltungshöhe erreiche, denn die freie Rede gelte eher als erlernbares, handwerkliches Rüstzeug für jeden, der sich einem breiteren Publikum präsentiere.

26
Das Finanzgericht Düsseldorf habe in seinem Urteil vom 15.12.2006 (1 K 3442/06 G, Entscheidungen der Finanzgerichte ‒ EFG ‒ 2008, 1316) den Begriff der künstlerischen Gestaltungshöhe dahingehend verstanden, dass es ausreiche, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden könne. Bei der Sendereihe „X“, welche u.a. den fachlich versierten Kläger bei der Unterstützung von Menschen in schwierigen Situationen zeige, könne diesem bereits nach allgemeiner Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen abgesprochen werden. Eine individuelle Formensprache, durch die etwas Neues, Einzigartiges oder Abstraktes zum Betrachter transportiert werde, sei nicht erkennbar. Individuell sei hier nur die Person des Klägers und damit inbegriffen die charakterlichen Merkmale desselben. Diese Individualität liege jedoch in der Natur eines jeden Menschen und sei allenfalls ein Indiz für den Wiedererkennungswert, im vorliegenden Fall sicher auch für die Beliebtheit des Klägers. Diese Eigenschaften seien weder Ausdruck einer individuellen Formensprache, noch einer künstlerischen Gestaltungshöhe.

27
Hiergegen hat der Kläger am 6.2.2017 Klage erhoben.

28
Er ist weiterhin der Ansicht, dass er in den Streitjahren keinen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten habe. Aufgrund seiner künstlerischen Tätigkeit als Moderator im Rahmen der Sendung „X“ habe er Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG erzielt.

29
Das Fehlen eines konkreten Drehbuchs und detaillierter Regieanweisungen spreche in Ansehung eines weit gefassten, offenen Kunstbegriffes gerade für seine Möglichkeit, künstlerisch gestaltend auf den Ablauf und den Inhalt der Sendung Einfluss zu nehmen. Im Rahmen der Sendung finde kein „schlichtes Abfilmen“ der Wirklichkeit statt. ... Er nehme hierzu den Zuschauer der Sendung „bei der Hand" und kombiniere Fachwissen mit schauspielerischem Auftreten ... . Der Erfolg der TV-Sendung mit ihm beruhe ganz maßgeblich auf seiner individuellen Präsenz und der Wirkung seiner Persönlichkeit als Moderator und Schauspieler. Entgegen der Ansicht des Beklagten stehe die Nutzung seiner Fachkenntnisse nicht im Vordergrund. Stattdessen werde seine Person und seine Ausstrahlung als zentrales Element der Sendung in den Vordergrund gestellt. Richtigerweise gehe es … darum, wie er die konkrete Situation löse. Er stelle sich auf Schwierigkeiten darstellerisch ein und präsentiere sich angemessen.

30
Durch die von ihm vorgenommene individuelle und zum größten Teil sogar spontan erfolgende Gestaltung und Strukturierung der jeweiligen Episode erzeuge er jene Spannung bei den Zuschauern, die die betreffende Sendung erfolgreich gemacht habe. Er, seine darstellerische Leistung und seine konkrete Interaktion mit den Teilnehmern und mittelbar den Zuschauern, sei der Grund für die hohen Einschaltquoten der Sendung „X“. Wie ein Schauspieler versuche er gezielt Stimmungen und Empfindungen beim Zuschauer zu generieren. Er folge hierbei einem Plan, nämlich der Entwicklung von der Aussichtslosigkeit über die Hoffnung zum Erfolgserlebnis.

31
Er wirke als zentrale Figur der Sendung in einer das gesamte Format prägenden Weise mit. Hierbei sei ihm ‒ nicht zuletzt aufgrund des Nichtvorhandenseins von Drehbuch und Regieanweisungen ‒ ein erheblicher schöpferischer Gestaltungsspielraum eingeräumt, welchen er, durch seine ihm eigene Sprechweise, Interaktion und Expertise in einer für das gesamte Format stilprägenden Art und Weise ausfülle.

32
Ferner nutze er seine persönlichen Eigenschaften als Schauspieler, Moderator und Experte in der Sendung „X“ mittels seiner individuellen Formensprache, nämlich seiner einzelfallbezogenen Interaktion und Kommunikation mit den Teilnehmern der Sendung. Das dem Genre solcher Sendungen innewohnende Zusammenspiel zwischen Teilnehmern und Moderatoren/Schauspielern werde von ihm auf seine eigene Art und Weise dargeboten. Dieses Zusammenspiel entwickele und gestalte er ‒ wie jeder andere Schauspieler/Moderator auch ‒ natürlich mit dem Ziel, die Zuschauer zu unterhalten.

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Ein weiteres gewichtiges Indiz für seine Künstlereigenschaft liege auch darin, dass er selbst die Entscheidung über die finale Auswahl der Teilnehmer und damit den entscheidenden Inhalt der Sendung treffe. Er entscheide dabei hinsichtlich verschiedenster Kriterien (bspw. „Kameratauglichkeit" der Teilnehmer, ... äußere Zustände der Örtlichkeiten), ob der Dreh einer Folge mit dem jeweiligen Teilnehmer realisiert werde. Er könne einzelne umzusetzende Projekte ablehnen und das jeweilige Projekt abbrechen ... . Es obliege somit seiner alleinigen und freien Entscheidung, über den Inhalt der Sendung zu bestimmen. Er agiere bei der Moderation und Durchführung des jeweiligen Drehtermins sehr frei und ohne dramaturgisches Korsett, so dass er sich entsprechend individuell mit einer großen Entscheidungsfreiheit entfalten könne. Er sei nicht zwingend an einen unverrückbaren Produktionsablauf gebunden und habe erhebliche tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf die Umstände der Produktion.

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Bei der Sendung „X“ handele es sich um eine sog. „Doku-Soap“, bei der ‒ im Unterschied zu einer reinen Dokumentation ‒ nur der Eindruck vermittelt werde, es würde die tatsächliche Wirklichkeit wiedergegeben. Jedoch würden in einer diesem TV-Format typischen Art und Weise die gezeigten (dokumentierten) Personen und Geschehen in ... unterhaltender Weise dargestellt, so dass der Zuschauer eine starke emotionale Bindung (sog. Affektfernsehen) zu den gezeigten Personen und Situationen entwickeln könne. Entscheidender Faktor des Affektfernsehens (im konkreten Fall: der Sendung „X“) sei dabei die Person des Moderators. Dieser stelle bei wechselnden Themen, ... und gezeigten Sendungsteilnehmern das konstante menschliche Element dar und trage somit einen über das normale Maß hinausgehenden Anteil an der langfristigen emotionalen Bindung der Zuschauer an die Sendung und an seine Person selbst.

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Im Rahmen der Dreharbeiten würden die einzelnen Szenen für eine Sendung nicht nur ein einziges Mal gefilmt. Vielmehr würden dieselben Szenen mehrfach gedreht und in der Nachbearbeitung dann so geschnitten, dass daraus der Eindruck entstehe, die Aufnahmen seien am Stück und aus „einem Guss" angefertigt worden. Dabei komme es auch gelegentlich vor, dass einzelne Szenen aufgrund nachträglich beim Schnitt festgestellter ungünstiger/fehlerhafter Szenenausleuchtungen erneut (von Anbeginn) gedreht werden müssten. Bei diesen nachträglichen Drehaufnahmen sprächen alle Beteiligten ‒ so auch er ‒ ihre Texte in identischer Weise noch einmal, sie spielten nun quasi ihre eigenen Rollen. Bei seiner Tätigkeit handele es sich um eine Moderatorentätigkeit.

36
Das Zitat im Zeitungsartikel ... vom 00.00.0000 sei eine „ironische Beschreibung“ der Tätigkeit, welche ausschließlich seine authentische, empathische und somit lebensnahe Darstellungsleistung wiederspiegeln solle.

37
Für seine künstlerische Betätigung spreche auch die Auffassung des Sozialgerichts Mannheim in der Entscheidung vom 2.6.2010 (S 11 KR 2536/08), wonach sogar die Tätigkeit eines Sprechers für Hörfunkwerbespots als eine künstlerische Tätigkeit i.S.d. § 2 Satz 1 des Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (KSVG) angesehen worden sei. Der Kläger ist unter Bezugnahme auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2019 (L 1 KR 196/17, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2019, 678) der Auffassung, dass seine Leistungen als künstlerische oder zumindest als publizistische Tätigkeiten i.S.d. KSVG anzusehen seien. Die eigenschöpferische Beteiligung am gesamten Produktionsprozess, insbesondere bei der Dialoggestaltung, der weiteren Ausprägung und situationsabhängigen Steuerung der Kommunikation, sei für das Sendeformat prägend.

38
Er arbeite eigenschöpferisch, weil er eine eigene Persönlichkeit darstelle, eigenständig und eigenschöpferisch die Kommunikation gestalte und im Textgeschehen frei agiere und auch frei agieren müsse. Als Entertainer/Moderator gehöre er zu den typischen Fallbeispielen, die zumindest als publizistische Tätigkeit i.S.d. KSVG zu qualifizieren sei.

39
Über den vom Kläger im Jahr 2022 gestellten Antrag auf Aufnahme in die Künstlersozialversicherung ist bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nicht entschieden worden.

40
Mit Schriftsatz vom 11.11.2022 hat der Kläger klargestellt, dass er nicht Produzent der Fernsehsendung sei, sondern Moderator/Darsteller und sich die Art und der Umfang seiner Mitwirkung aus den Sendungen selbst ergäbe.

41
Der Kläger beantragt,

42
die Gewerbesteuermessbescheide für das Jahr 2012 vom 17.11.2014 und vom 20.6.2016, für 2013 vom 21.3.2016 und vom 20.6.2016, für 2014 vom 18.4.2016 und vom 20.6.2016 und die Einspruchsentscheidung vom 3.1.2017 aufzuheben.

43
Der Beklagte beantragt,

44
die Klage abzuweisen.

45
Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger keine eigenschöpferische Leistung erbringe. Vielmehr trete der Kläger in seiner Eigenschaft als Experte auf. Sofern der Kläger einen Plan verfolge, sei dies ebenfalls nicht Ausdruck einer eigenschöpferischen Tätigkeit, weil der Plan das Sendekonzept der Doku-Soap „X“ repräsentiere. Die Abfolge ... sei Grundidee der Sendung und nicht Ausdruck eigenschöpferischer Leistung des Klägers. Das Handlungsgerüst werde schablonenhaft auch von den anderen „Experten“ umgesetzt und sei von allen Beteiligten ‒ vom Produzenten, den Mitwirkenden und Fernsehzuschauern ‒ so gewollt und erwartet. Eine individuelle Formensprache, durch die etwas Neues, Einzigartiges oder Abstraktes zum Betrachter transportiert werde, sei nicht erkennbar. Individuell sei nur die Person des Klägers, und damit inbegriffen seine charakterlichen Merkmale. Diese Individualität liege jedoch in der Natur eines jeden Menschen und sei allenfalls ein Indiz für den Wiedererkennungswert und die Beliebtheit des Klägers. Diese Eigenschaften seien aber kein Ausdruck individueller Formensprache noch künstlerischer Gestaltungshöhe.

46
Die Berufsrichter und ehrenamtlichen Richter des 10. Senats des Finanzgerichts Düsseldorf haben sich vor Beginn der mündlichen Verhandlung drei vom Kläger benannte und aus seiner Sicht exemplarische Sendungen der Reihe „X“ angesehen … .

47
Auf die Aufforderung zur Vorlage einer Auflistung aller TV-Sendungen, an denen der Kläger in den Streitjahren 2012 bis 2014 entgeltlich teilgenommen hat, verwies er mit Schriftsatz vom 2.6.2022 auf eine abrufbare Übersicht aller Folgen der Sendung „X“. Mit Verfügung vom 17.11.2022 hat der Berichterstatter den Kläger zur vollständigen Vorlage aller vertraglichen Vereinbarungen des Klägers mit der oder den TV-Produktionsgesellschaft/en, für die er in den Streitjahren … entgeltlich tätig war, aufgefordert. Sofern der Kläger weitere Einnahmen erzielt habe, die nach seiner Ansicht den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) zuzuordnen seien und in den Erlösen aus der Tätigkeit „X“ enthalten sind, hat der Berichterstatter den Kläger ebenfalls aufgefordert, die diesen Einnahmen zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen vorzulegen. Daraufhin hat der Kläger die o.g. Verträge mit dem Produzenten ... übersandt.

48
Das Gericht hat die Steuerakten zum Verfahren beigezogen. Auf den übersandten Verwaltungsvorgang, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

49
Entscheidungsgründe:

50
Die Klage ist unbegründet.

51
I. Der Kläger kann auch den Gewerbesteuermessbescheid für 2012 vom 17.11.2014 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20.6.2016 in vollem Umfang anfechten und verfahrensrechtlich zulässig die Aufhebung beider Gewerbesteuermessbescheide für 2012 begehren. Die in § 351 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für Änderungsbescheide vorgesehene Anfechtungsbeschränkung greift nicht ein, wenn ein Bescheid angefochten wird, durch den ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Bescheid geändert wurde (vgl. BFH-Urteil vom 16.1.2013 II R 66/11, BStBl II 2014, 266; BFH-Beschluss vom 11.3.1999 V B 24/99, BStBl II 1999, 335; Siegers in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 351 AO Rz. 88 (März 2016); Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 351 AO Rz. 23 (Feb. 2021)).

52
II. Die Gewerbesteuermessbescheide für 2012 bis 2014 vom 20.6.2016 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.1.2017 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO. Zutreffend hat der Beklagte die vom Kläger erzielten unstreitigen Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Experte für die Sendung „X“ der Gewerbesteuer unterworfen.

53
1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nach der Rechtsprechung nicht um private Vermögensverwaltung handeln (vgl. BFH-Urteile vom 16.9.2015 X R 43/12, BStBl II 2016, 48; vom 19.10.2010 X R 41/08, BFH/NV 2011, 245).

54
a) Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG zählen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG u.a. die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH übt ein Steuerpflichtiger eine künstlerische Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, wenn er eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus grundsätzlich eine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe erreicht (vgl. nur BFH-​Urteile vom 23.9.1998 XI R 71/97, BFH/NV 1999, 460, vom 18.4.2007 XI R 21/06, BStBl II 2007, 702). Künstlerisch ist nur eine selbständige, eigenschöpferische Arbeit, die dem Werk eine über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehende Aussagekraft verleiht (BFH-Urteil vom 10.9.1998 IV R 70/97, BFH/NV 1999, 456).

55
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sieht das Wesentliche der künstlerischen Betätigung in der freien schöpferischen Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden (BVerfG-​Entscheidungen vom 24.2.1971 1 BvR 435/68, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG ‒ BVerfGE ‒ 30, 173 und vom 17.7.1984 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213). Alle künstlerische Tätigkeit ist ein Ineinander von bewussten und unbewussten Vorgängen, die rational nicht aufzulösen sind. Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck, und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers (BVerfG-Beschluss vom 24.2.1971 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173).

56
b) Der BFH unterscheidet zwischen einer künstlerischen Betätigung, deren Arbeitsergebnisse keinen Gebrauchszweck haben (zweckfreie Kunst), und Gebrauchskunst.

57
aa) Bei der zweckfreien Kunst kann auf die Feststellung einer ausreichenden künstlerischen Gestaltungshöhe verzichtet werden, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann und die Arbeiten ausschließlich auf das Hervorbringen einer ästhetischen Wirkung gerichtet sind (vgl. BFH-​Beschluss vom 11.2.2021 VIII B 30/20, BFH/NV 2021, 789 m.w.N.).

58
bb) Demgegenüber ist bei der zweckgebundenen Gebrauchskunst mit praktischem Nützlichkeitswert nach den Verhältnissen des Einzelfalls aufgrund besonderer Kriterien zu entscheiden, ob die Tätigkeit als eine künstlerische zu werten ist. Eine künstlerische Tätigkeit ist jedoch nicht gegeben, wenn sich der Steuerpflichtige an ins einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hat und ihm infolgedessen kein oder kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung bleibt (BFH-​Urteil vom 11.7.1991 IV R 102/90, BStBl II 1992, 413). Ist das Werk nicht um seiner selbst willen geschaffen, sondern wird lediglich die Wirklichkeit ohne eigene künstlerische Aussage kopiert, so fehlt es an der der Kunst eigentümlichen Gestaltungshöhe (BFH-Urteil vom 10.9.1998 IV R 70/97, BFH/NV 1999, 456).

59
2. Nach diesen Maßstäben ist die Tätigkeit des Klägers unter Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls keine künstlerische Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Die vom Kläger erzielten Einkünfte gehören deshalb zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb.

60
a) Der Kläger übt, was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist, seine Tätigkeit für die Sendung „X“ selbständig, nachhaltig, unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und mit Gewinnerzielungsabsicht aus. Seine selbständige Tätigkeit ergibt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse insbesondere daraus, dass er nur in Abhängigkeit von seiner konkret ausgeübten Tätigkeit bei der Produktion einer Sendung entlohnt wird und die Anzahl der Sendungen nicht abschließend geregelt ist. Der Kläger erhält nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Er muss ferner seinen Urlaub beim Produzenten nicht beantragen, sondern nur mitteilen, wann er für die Sendungsproduktion nicht zur Verfügung steht.

61
b) Der Kläger erbringt durch seine Tätigkeit für die Sendung „X“ keine eigenschöpferische Leistung, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt.

62
aa) Beurteilungsgegenstand ist ausschließlich die Tätigkeit, die der Kläger in den Streitjahren im Rahmen der Sendung „X“ ausgeübt hat. Das Gericht hatte den Kläger um die Übersendung einer Auflistung aller TV-Sendungen gebeten, an denen er in den Streitjahren entgeltlich teilgenommen hat. Hierzu hat er auf eine abrufbare Auflistung aller Sendungen mit dem Titel „X“ hingewiesen. Auf die Bitte um Vorlage aller vertraglicher Vereinbarungen des Klägers mit der o.g. Produktionsgesellschaft sowie aller Vereinbarungen, aufgrund derer er Einnahmen erzielt hat, die nach seiner Ansicht als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu qualifizieren sind, hat er lediglich die o.g. Vereinbarungen mit dem Produzenten vorgelegt.

63
Weiterhin hat das Gericht in erster Linie die konkrete Tätigkeit des Klägers dahingehend zu würdigen, ob diese als künstlerisch zu bewerten ist (vgl. BFH-Urteil vom 3.2.1977 IV R 112/72, BStBl II 1977, 459; Finanzgericht ‒ FG ‒ Köln, Urteil vom 27.4.2022 2 K 553/18, EFG 2023, 130). Da der Kläger trotz gerichtlicher Nachfrage nicht substantiiert und im Einzelnen dargelegt hat, ob und ggfs. welche über die in der jeweiligen Sendung ersichtlichen Beiträge er im Rahmen der Sendungsproduktion in den Streitjahren üblicherweise erbracht hat, ist Beurteilungsgegenstand die von ihm während der Sendung vor der Kamera ausgeübte Tätigkeit.

64
Ob die Sendung „X“ selbst ‒ möglicherweise ‒ dem künstlerischen Bereich zuzuordnen, ist unbeachtlich. Gleichsam ist für die Beurteilung der Tätigkeit des Klägers unbeachtlich, dass bei der Gestaltung der fertigen Sendung gezielt akustische Elemente und visuelle Effekte (bspw. durch Verwendung des Schwarz-Weiß-Effekts) verwendet werden, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger daran mitgewirkt hat.

65
bb) Die Bestimmung, ob die Tätigkeit des Klägers als künstlerisch zu bewerten ist, erfolgt nach den vorgenannten Kriterien ... . Die Tätigkeit des Klägers geht als Leistung in das vom Produzenten hergestellte Endprodukt, die im deutschen Privatfernsehen veröffentlichte Sendung „X“, ein und hat damit einen praktischen Nützlichkeitswert.

66
cc) Die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Sendung „X“ stellt keine eigenschöpferische Leistung dar, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.

67
Die Tätigkeit des Klägers besteht darin, in der Sendung „X“ er selbst zu sein (oder zumindest vorzugeben, er selbst zu sein) und in dieser Eigenschaft den anderen Teilnehmern zu helfen ... . Er wird dort mit seinen ... Fachkenntnissen … dargestellt. Seine nach dem Sendungskonzept vorgegebene Aufgabe besteht darin, die an der Sendung teilnehmenden Menschen ... zu unterstützen, ... . Dazu unterhält er sich u.a. mit den Teilnehmern ... . Ferner kommentiert er die jeweiligen Ereignisse. Ausweislich der dem Gericht vorliegenden und veröffentlichten Sendungen agiert der Kläger im Umgang mit den anderen Teilnehmern gefühlvoll, sympathisch und respektvoll. Dabei verfolgt er aber ‒ entsprechend dem Sendekonzept ‒ auch weiterhin strukturiert und fokussiert die Unterstützung bei der Lösung insbesondere die sein Fachgebiet betreffende Problematik des Teilnehmers. Den Kläger zeichnen die vorgenannten Eigenschaften wahrscheinlich als Person aus, bzw. es gelingt ihm zumindest erfolgreich den Eindruck zu vermitteln, dass er eine empathische Persönlichkeit ist. Angesichts dieses Befundes ... ist offenkundig, dass der Kläger als Sympathieträger und Identifikationsfigur für den Erfolg des Sendeformats „X“ maßgeblich mitverantwortlich ist.

68
Weiterhin ist offenkundig, dass die Sendung „X“ ‒ zumindest zielgruppenspezifisch ‒ einen erheblichen Unterhaltungswert hat. Allerdings gründet der zielgruppenspezifische Unterhaltungswert der Sendung „X“ jeweils aus der Interaktion des Klägers mit weiteren ‒ nur einmalig teilnehmenden ‒ Personen. Der Kläger bildet in diesem Sendungskonzept den Ankerpunkt und hilft dem bzw. den Teilnehmenden bei ihren akuten Problemen. Dieses Format hängt in seinem Unterhaltungswert damit maßgeblich sowohl von der Handlung des Klägers und dem oder den Teilnehmenden ab. Ein Drehbuch gibt es nach klägerischem Vortrag ‒ ungeachtet der ... Gestaltung durch den Produzenten ‒ bei einem Doku-Entertainment-Format naturgemäß nicht, weil der Verlauf gerade von dem Verhalten der einmalig auftretenden Protagonisten und ihrer konkreten Situation abhängt.

69
Eine schauspielerische Leistung ist in einem solchen Verhalten des Klägers nicht erkennbar und von ihr kann auch nicht ausgegangen werden. Vielmehr tritt der Kläger als Experte ... unter Nutzung seiner persönlichen und fachlichen Autorität auf und unterstützt damit den jeweiligen Sendungsteilnehmer.

70
Insoweit stellt der Umstand, dass eine Sendung unter maßgeblicher Mitwirkung des Klägers zu unterhalten vermag, noch keinen ausschlaggebenden Indikator für eine künstlerische Tätigkeit des Klägers dar.

71
Dass der Kläger in der Sendung nur er selbst ist, wird auch durch seine Selbstdarstellung im Artikel der Zeitung vom 00.00.0000 deutlich, in dem er seine Mitwirkung an der Sendung „X“ sinngemäß dahingehend beschreibt, dass er kein Schauspieler sei, sondern ein Beschäftigter, der bei der Arbeit gefilmt werde. Diese Einschätzung wird vom Gericht geteilt. ...

72
Die Tätigkeit des Klägers als künstlerisch zu qualifizieren würde bedeuten, das zielgruppenspezifisch als unterhaltsam empfundene Wesen des Klägers, ... als Kunstfigur anzuerkennen.

73
Zwar erfolgt in der Sendung „X“ die filmische Aufnahme nicht durch reine Beobachtung des Klägers und der Teilnehmer; vielmehr werden sie durch das Aufnahmeteam begleitet. Dabei wissen sie um den Umstand einer Fernsehproduktion und dementsprechend verhalten sich der Kläger und die Teilnehmer derart, dass die Gespräche aufgezeichnet werden können. Indes geht die Tätigkeit des Klägers nicht über die medienwirksam aufbereitete Darstellung der Wirklichkeit, deren Kern die Alltagskommunikation des Klägers mit den Teilnehmern und anderen Personen ist, hinaus. Eine eigenschöpferische Tätigkeit ergibt sich gerade nicht schon daraus, dass der Kläger eine eigene Persönlichkeit darstellt, die Kommunikation selbst gestaltet und im Textgeschehen frei agiert. Insofern unterscheidet sich die Kommunikation des Klägers strukturell nicht von anderer Alltagskommunikation, die andere Personen üblicherweise während ihres Berufsalltags führen. Der Umstand, dass die Kommunikation des Klägers filmisch begleitet wird, begründet für sich noch keine eigenschöpferische Leistung.

74
Für die Beurteilung einer eigenschöpferischen Leistung des Klägers ist unbeachtlich, dass er ‒ wie von ihm behauptet ‒ die finale Auswahl der Teilnehmer selbst treffe, einzelne Projekte ablehnen und das Projekt abbrechen könne. Insoweit ist dies Ausdruck seiner selbständigen Tätigkeit und belegt, dass er nicht weisungsabhängig für den Produzenten tätig ist. Aus der Auswahl der Teilnehmer und/oder der Ablehnung einzelner Projekte folgt jedoch kein Indiz für oder gegen eine eigenschöpferische Leistung hinsichtlich der von ihm tatsächlich ausgeübten Tätigkeit.

75
dd) (1) Die Tätigkeit des Klägers unterscheidet sich von Personen, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie ‒ oftmals unter Verwendung spezifischer Kleidung und/oder Perücken ‒ eine Kunstfigur geschaffen haben und als solche öffentlich auftreten. Die sie verkörpernden Menschen spielen diese ‒ von ihnen geschaffene ‒ Figur und etablieren für die Kunstfigur Eigenschaften, die den sie verkörpernden Schauspielern selbst nicht zugerechnet werden (in diese Richtung auch zutreffend Schäfer, Der Steuerberater 2019, 209 (210)). Indes hat der Kläger hier keine Kunstfigur geschaffen, sondern gibt in der Sendung „X“ in seiner Expertenrolle, vor diejenige Person zu sein, die er auch im bürgerlichen Leben ist.

76
(2) Die Tätigkeit des Klägers unterscheidet sich in der Gesamtwürdigung auch von einer „Conference einer Unterhaltungssendung“, die im allgemeinen nicht auf die einfache Ansage beschränkt ist und oft durch bekannte Schauspieler- oder Künstlerpersönlichkeiten gestaltet wird und bei der der Charakter einer schauspielerischen oder kabarettistischen, jedenfalls künstlerischen Tätigkeit in der Regel nicht verneint werden kann (BFH-Urteil vom 3.2.1977 IV R 112/72, BStBl II 1977, 459). Der Kläger übt keine erkennbare schauspielerische Tätigkeit aus und ist auch im Rahmen der Sendung „X“ nicht kabarettistisch tätig.

77
In gleichem Sinne unterscheidet sich der Kläger von Personen, die unter ihrem bürgerlichen Namen, bei Ausübung der konkreten Tätigkeit aber komödiantisch oder kabarettistisch, auftreten. In diesen Fällen liegt regelmäßig eine über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehende eigenschöpferische Tätigkeit vor, die über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgeht. Deren Unterhaltungswert folgt meist aus der eingeübten und geplanten Darbietung selbst, kann sich aber auch im Rahmen eines Bühnenprogramms aus spontaner Interaktion mit dem Publikum ergeben.

78
(3) Die Tätigkeit des Klägers entspricht auch nicht der eines Schauspielers. Insoweit stellt der Kläger keine andere Rolle als seine eigene Person dar. Vielmehr agiert er ... als Experte und verhält sich bei seiner Tätigkeit ‒ wie jeder andere Mensch im täglichen (Arbeits-)Leben auch ‒ bewusst und unbewusst entsprechend der ihn prägenden Charaktereigenschaften.

79
Plausibel weist der Kläger darauf hin, dass der Erfolg der Sendung von der individuellen Präsenz und Wirkung seiner Person abhängt. Die im Rahmen der Sendung erfolgende Betonung der Persönlichkeit des Klägers verdrängt und überlagert etwaige ‒ nicht erkennbare ‒ schauspielerische Elemente im Verhalten des Klägers. Diese würden auch das die Authentizität des Klägers betonende Gesamtverhalten in der Sendung in Frage stellen. Insoweit ist es für den Zuschauer der Sendung, ebenso wie generell in der Alltagskommunikation, nicht erkennbar, ob der Kläger als Experte dem Teilnehmer authentisch oder gekünstelt gegenüber tritt. Kann ein etwaiges gekünsteltes Verhalten jedoch weder in der konkreten Situation erwartet werden, noch ist es als solches auch nur ansatzweise erkennbar, liegt keine künstlerische Tätigkeit vor.

80
Insoweit unterscheidet sich die Situation des Klägers auch von dem vom Finanzgericht Bremen entschiedenen Fall des sog. „Melitta-Manns“ (FG Bremen, Urteil vom 9.5.1996, 395063 K1, Betriebs-Berater 1998, 1618). Dort hat das FG Bremen maßgeblich darauf abgestellt, dass der Kläger nach Gestus und Mimik nicht der „Melitta-Mann“ ist. Er habe in den Spots eine von ihm verschiedene ‒ erdachte ‒ Persönlichkeit gespielt und sich nicht auf die Darstellung eines normalen Produktbenutzers beschränkt, sondern jeweils ‒ kurze ‒ Rollen verkörpert, in denen er einen gedachten ‒ von ihm als Person verschiedenen ‒ „Kaffeegenießer“ dargestellt habe und dadurch den Eindruck suggeriert, dass „Kaffeegenuss“ durch ruhige Ausgeglichenheit und Behaglichkeit die Lebensqualität (des Produktbenutzers) erhöhe. Darin sei seine Gestaltungskraft zum Ausdruck gekommen.

81
Im Fall des Klägers wird jedoch in der Sendung „X“ dezidiert der Eindruck vermittelt, dass er daran als Person mit den ihn prägenden Charaktereigenschaften teilnimmt, er eben keine von ihm verschiedene Persönlichkeit spielt. Soweit der Kläger behauptet, dass bestimmte Szenen wiederholt würden und er seine eigene Rolle nochmals spiele, stellt dies keine schauspielerische Tätigkeit dar, da er in dieser Situation weiterhin er selbst ist und nicht eine vom ihm nur verkörperte Person darstellt. Insoweit käme es wieder darauf an, ob die dargebotene „Schauspielleistung“ ihrerseits als schöpferische Tätigkeit anzusehen wäre, was aber aus den o.g. Gründen nicht der Fall ist.

82
ee) Da die Tätigkeit des Klägers für die Sendung „X“ bereits nicht als künstlerische Tätigkeit anzusehen ist, kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang er sich an ins einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hatte und ihm infolgedessen kein oder kein genügender Spielraum für eine eigenschöpferische Leistung blieb. Sofern der Kläger im Rahmen einer Teamleistung bei den Aufnahmearbeiten auch „erhebliche tatsächliche Einflussmöglichkeiten auf die Umstände der Produktion“, die er nicht substantiiert hat, gehabt haben sollte, begründet auch dies keine eigenschöpferische Leistung. Daraus könnte abgeleitet werden, dass er sich nicht an ins einzelne gehende Angaben und Weisungen seines Auftraggebers zu halten hatte. Insoweit war dem Kläger jedoch das Sendekonzept und somit die Struktur der Sendung bekannt. Auch ohne dass der Kläger insoweit eine ausdrückliche Weisung bekommen hat, wusste er, was von ihm erwartet wurde und wie der planmäßig nächste Akt der Sendung aussieht.

83
ff) Für die steuerrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Klägers als künstlerische Tätigkeit i.S.d. § 18 Nr. 1 Satz 2 EStG ist unerheblich, wie die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Künstlersozialversicherung zu werten ist (vgl. BFH-Urteil vom 4.11.2004 IV R 63/02, BStBl II 2005, 362). Insoweit geht das KSVG auch von einem anderen Kunstbegriff aus, da Kunst i.S.d. KSVG keine besondere Gestaltungshöhe voraussetzt (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 1.10.2009 B 3 KS 4/08 R, Deutsches Steuerrecht 2015, 528; vom 25.10.1995 3 RK 24/94, Entscheidungen des Bundessozialgerichts 77, 21).

84
gg) Der vom FG Köln entschiedene Fall eines sog. „Off-Sprechers“ eines Doku-Entertainment-Formats (Urteil vom 27.4.2022 2 K 553/18, EFG 2023, 130) ist mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbar. Der Kläger repräsentiert sich in der Sendung „X“ selbst und tritt in eigener Person in Erscheinung. Demgegenüber blieb der sog. „Off-Sprecher“ anonym und gestaltete nach der Überzeugung des FG Köln die ihm übertragene Sprechertätigkeit situationsabhängig in der ihm eigentümlichen Weise.

85
c) Die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Sendung „X“ ist auch unter der Annahme einer eigenschöpferischen Leistung des Klägers keine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, weil die Tätigkeit keine gewisse künstlerische Gestaltungshöhe aufweist.

86
Der BFH hat eine der Kunst eigentümliche Gestaltungshöhe verneint, wenn lediglich die Wirklichkeit ohne eigene künstlerische Aussage kopiert werde (BFH-Urteil vom 10.9.1998 IV R 70/97, BFH/NV 1999, 456).

87
Daraus folgt, dass eine künstlerische Gestaltungshöhe einen gewissen Abstraktionsgrad erfordert (vgl. FG Köln, Urteil vom 27.4.2022 2 K 553/18, EFG 2023, 130). Vorliegend hat der Kläger zwar die Wirklichkeit nicht kopiert, weil es für seine Unterstützung als Experte in der Sendung „X“ keine Vorlage gab. Indes hat er selbst durch sein Verhalten die Wirklichkeit medienwirksam gestaltet, nämlich eine Interaktion mit ihm als Experten und den Teilnehmern kreiert. Die vom Kläger mit seiner Tätigkeit geschaffene Wirklichkeit enthält keinen Abstraktionsgrad.

88
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO

89
IV. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

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