14.12.2006 · IWW-Abrufnummer 063672
Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 04.10.2006 – 8 U 1462/06
Ein als fabrikneu verkaufter, bislang nicht amtlich zugelassen gewesener Pkw, der nach den Vereinbarungen der Parteien über eine Strecke von gut 500 km per Achse zu überführen ist, verliert die Neuwageneigenschaft nicht dadurch, dass er bei Auslieferung einen Tachostand aufweist, der weniger als 100 km über der kürzestmöglichen Verbindungsstrecke liegt, und der Gebrauchszweck der "Mehrkilometer" ungeklärt bleibt.
Oberlandesgericht Dresden
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 8 U 1462/06
Verkündet am 04.10.2006
In dem Rechtsstreit
wegen Leasing
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.10.2006 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner,
Richter am Oberlandesgericht Bokern und
Richter am Landgericht Meyer
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters des Landgerichts Zwickau vom 27.06.2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 5.284,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.06.2005 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin zu 6,6 %, die Beklagte zu 93,4 %.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 6.000,00 EUR -
Gründe:
I.
In dem Umfang, in dem nach wirksamer, wenngleich erst im Berufungsverfahren erklärter Teilklagerücknahme (373,65 EUR Überführungskosten, die schon vor Einreichung der Klage bezahlt waren; bei lebensnaher Auslegung ist die Teilklagerücknahme dahin zu verstehen, dass sie die anteiligen Zinsen umfasst) noch über das Rechtsmittel zu entscheiden ist, hat die Berufung keinen Erfolg.
1. Anspruchsgrundlage für das Zahlungsverlangen i.H.v. 5.284,38 EUR ist allerdings, anders als das Landgericht und die Parteien meinen, nicht unmittelbar § 433 Abs. 2 BGB. Einen solchen Anspruch hat die Klägerin nur gegen die Leasinggeberin der Beklagten. Es ist weder ausdrücklich vorgetragen noch ohne weiteres ersichtlich, dass die Beklagte die Kaufpreisschuld der Leasinggeberin übernommen hat oder ihr beigetreten ist. Stattdessen ist die Beklagte der Klägerin aber in derselben Höhe verpflichtet, weil sie gegenüber der Leasinggeberin die Pflicht zur Erbringung einer Leasingsonderzahlung von 5.284,38 EUR eingegangen ist und die Leasinggeberin die Klägerin in der Zusage vom 25.05.2005 ermächtigt hat, diesen Betrag zu vereinnahmen. Das Vorgehen der Klägerin in gewillkürter Prozessstandschaft begegnet keinen Zulässigkeitsbedenken.
2. Der geltend gemachte Anspruch besteht ungeschmälert.
a) Dabei muss auf leasingrechtliche Besonderheiten, die sich daraus ergeben könnten, dass die Beklagte dem Zahlungsanspruch nur mit Einwendungen und Einreden begegnen kann, die ihr im Verhältnis zur Leasinggeberin zustehen, ebenso wenig eingegangen werden wie darauf, ob sich die zum Neuwagenkauf entwickelten Kriterien für einen Sachmangel (§ 434 BGB) auf den bei Miete und Leasing grundsätzlich maßgeblichen Sachmangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB uneingeschränkt übertragen lassen.
b) Denn jedenfalls liegt im Streitfall auch bei Zugrundelegung des strengen kaufrechtlichen Neuwagenbegriffs kein relevanter Sachmangel vor. Der Senat macht sich die überzeugenden Ausführungen des Landgerichts zu eigen und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese. Ergänzend ist lediglich Folgendes anzumerken:
Ein bislang nicht amtlich zugelassen gewesener Pkw, der nach den Vereinbarungen der Parteien über eine Strecke von gut 500 km (hier nach der eigenen Sachkunde des Landgerichts etwa 530 km und laut der vom Senat online bei map24 abgerufenen Routenberechnung genau 533,59 km) manuell per Achse zu überführen ist, verliert die Neuwageneigenschaft nicht dadurch, dass er bei Auslieferung einen Kilometerstand aufweist, der weniger als 100 km (vorliegend knapp 90 km) über der kürzestmöglichen Verbindungsstrecke liegt, und der Gebrauchszweck der "Mehrkilometer" ungeklärt bleibt. Die bloße Vermutung des Kunden, das Fahrzeug sei vor der Überführung für Vorführzwecke und Probefahrten verwendet worden, liegt hier aus zwei Gründen fern. Zum einen werden für derartige Zwecke benötigte Fahrzeuge von Händlern regelmäßig zugelassen. Zum anderen war der streitgegenständliche Pkw nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten seinerzeit ausgerechnet (auch) im Bereich der Windschutzscheibe mit einer Werbeaufschrift beklebt; dies musste einen ordnungsgemäßen Fahrbetrieb einschränken, wenn nicht aufheben. Unabhängig davon hat die für die Voraussetzungen eines Sachmangels nach unbeanstandeter Übergabe des Fahrzeuges beweispflichtige Beklagte keinen Beweis für ihre vermutende Behauptung angetreten. Eine Umkehr der Beweislast ist insoweit, wie das Landgericht richtig dargelegt und begründet hat, nicht gerechtfertigt und ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten lediglich mit Datum zitierten Gerichtsentscheidungen, soweit diese in juris auffindbar sind. Im Übrigen versteht der Senat das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18.06.1980 - VIII ZR 185/79 (WM 1980, 1068) entsprechend dem Leitsatz 3 dahin, dass ein als Neuwagen verkaufter Pkw regelmäßig erst dann nicht mehr "fabrikneu" ist, wenn er vor Übergabe an den Käufer eine Fahrstrecke von mehr als 200 km zurückgelegt hat. Hier kommt sogar hinzu, dass nicht einmal festgestellt werden kann, dass die in Rede stehenden Mehrkilometer auf eine Nutzung zurückgehen, die nicht mit der vereinbarten Überführung des Fahrzeuges im Zusammenhang steht.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Bei der Kostenverteilung hat es der Senat nicht für angebracht gehalten, § 92 Abs. 2 ZPO anzuwenden.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.