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10.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063283

Finanzgericht München: Urteil vom 31.05.2006 – 1 K 3948/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Az.: 1 K 3948/05

Finanzgericht München

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache XXX
Wegen Aufhebung der Straf- und Bußgeldbefreiung gem. § 10 Abs. 3 StraBEG von 1993 bis 1997 hat der 1. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung XXX
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2006
für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung XXX

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die mit der Abgabe einer Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) bewirkte Steuerfestsetzung zu Recht aufgehoben wurde.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war bis 22. August 1999 alleiniger Inhaber des ? Restaurants ??" in ? (Landkreis ?). Zu diesem Zeitpunkt veräußerte er das Restaurant an Herrn ? (ehemaliger Angestellter des Klägers). In der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2002 führten Herr ? und der Kläger das Restaurant in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gemeinsam, im Anschluss daran der Kläger wiederum alleine. Vom 22. August 1999 bis Anfang 2002 hielt sich der Kläger in Italien auf.

Die Veranlagungen für die Jahre 1993 bis 1997 erfolgten erklärungsgemäß. Die entsprechenden, endgültig veranlagten Einkommensteuerbescheide wurden bestandkräftig.

Im November 2003 erhielt die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ? Informationen über einen italienischen Lebensmittelgroßhändler (Fa. ?) in ? (Landkreis ?) und die Abwicklung der Geschäftsbeziehungen zu dessen Kunden (ca. ?), zu denen auch der Kläger gehörte. Danach soll die Fa. ? über Jahre hinweg ihren Kunden gegenüber lediglich jeweils die Hälfte der gelieferten Waren (? Lebensmittel) in Rechnung gestellt haben. Hieraus ergab sich der Verdacht des Vorliegens unversteuerter Betriebeinnahmen auf Seiten des Klägers in den Jahren ab 1999. Außerdem lagen der Steuerfahndungsstelle Unterlagen (Debitorenkonten) vor, aus denen sich ergab, dass der Kläger seit 1997 zu zwei Tochterunternehmen der ? GmbH, der Fa. ? und der Fa. ?, Geschäftsbeziehungen unterhielt. Daraufhin begann die Steuerfahndungsstelle mit der Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung gegenüber dem Kläger.

Mit Verfügung vom 6. Mai 2004 (sog. Einleitungsvermerk, FG-Akte Bl 61-64) leitete die Steuerfahndungsstelle gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren wegen Verdachts der Hinterziehung von Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuern für die Jahre 1998, 1999 und 2002 sowie Umsatz- und Lohnsteuern 1/1998 bis 8/1999 und 7/2002 bis 12/2003 zum eigenen Vorteil sowie von Gewerbe- und Umsatzsteuern 2002 und Umsatz- und Lohnsteuern 1 bis 6/2002 zugunsten der ? GbR ein (siehe auch Schreiben der Bußgeld- und Strafsachenstelle vom 8. Juni 2004, Rechtsbehelfsakte Bl 1, und den Aktenvermerk der Steuerfahndungsstelle vom 5. Mai 2004, FG-Akte Bl 49).

Aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts ? vom 10. Mai 2004 (FG-Akte Bl 51 ff), auf den gem. § 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) Bezug genommen wird, durchsuchte die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ? die Wohn- und Geschäftsräume des Klägers am 13. Mai 2004 und beschlagnahmte Unterlagen (vgl. die Niederschrift über die Durchsuchung vom 13. Mai 2004, FG-Akte Bl 57 ff). Außerdem wurde dem Kläger bei dieser Gelegenheit gem. § 397 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) die Einleitung eines Strafverfahrens bekannt gegeben (vgl. die schriftliche Bestätigung des Klägers vom 13. Mai 2004, FG-Akte Bl 56). Angesprochen vom Fahndungsleiter (Herr ?), dass die Steuerfahndungsstelle über den Einkauf nicht verbuchter Ware informiert sei, sagte der Kläger: ?Alles nur wegen dem (?) - ??. Es habe sich inzwischen bis ? herumgesprochen, dass die Steuerfahndung bei der Fa. ? gewesen sei. Er selbst kaufe deshalb seit Beginn des Jahres 2004 nur noch per Banküberweisung bei ihm ein. ? sei irgendwann auf ihn zugekommen und habe ihm, wie allen seinen Kunden, gesagt, dass man doch Rechnungen per Bank und andere Rechnungen bar bezahlen könne. Letztere ?könnte man ja wegelassen?. Jetzt werde er wohl mit seinen Preisen um mindestens 20 % nach oben gehen müssen (vgl. den Aktenvermerk des Herrn ? vom 14. Mai 2004, FG-Akte Bl 66). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese Unterlagen Bezug genommen.

Die anschließenden Ermittlungen der Steuerfahndung vom Juni 2004 umfassten neben den Jahren 1998 bis 2003 auch die davor liegenden Jahre; u.a. wurden Bankunterlagen aus dem Jahr 1996 gesichtet, aus denen sich ergab, dass der Kläger Gelder auf 8 verschiedene Konten bei italienischen Banken eingezahlt hatte. Hierüber wurde der Kläger bzw. sein damaliger steuerlicher Berater (Steuerberater ?) in Kenntnis gesetzt. Außerdem wurde Herrn ? mitgeteilt, dass Depotauszüge vorhanden seien, die bis in das Jahr 1994 zurückreichten. Ferner wurde festgestellt, dass die Warenlieferungen der Firmen ? und ? in der Buchhaltung des Klägers in den Jahren 1997 und 1998 nicht enthalten und die daraus resultierenden Umsätze nicht erklärt waren. Nach den Angaben des Fahndungsprüfers betrug der intern kalkulierte Aufschlagsatz hinsichtlich der erklärten Einnahmen 300 %. Zum Zwecke der Abgleichung hatte der Fahndungsprüfer von Steuerberater ? Datev-Kontenblätter für die Jahre 1997 und 1998 angefordert und über die neue Steuerberaterin, die jetzige Prozessbevollmächtigte, am 22. Juni 2004 erhalten.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2004 bat der Fahndungsprüfer weitere Lieferanten des Klägers um nähere Angaben zu den jeweiligen Geschäftsbeziehungen (vgl. z.B. das Schreiben an die Fa. ?, Rechtsbehelfsakte Bl 39). U.a. wurde hierbei um Mitteilung der in den Jahren 1993 bis 2003 mit dem Kläger getätigten Umsätze gebeten.

Die Fahndungsprüfung ist bisher noch nicht abgeschlossen. Neben dem Betrieb des Klägers werden von der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ? in diesem Zusammenhang die steuerlichen Verhältnisse von 40-50 weiteren Gaststätten überprüft.

Am 14. Juli 2004 zahlten die Kläger 25.000 ? an die Finanzkasse. Vom Fahndungsprüfer wurde dieser Vorgang als Zeichen guten Willens gedeutet (vgl. die Aufforderung der Steuerfahndung während der Durchsuchung am 13. Mai 2004 zur Zahlung eines Betrags zwischen 50.000 ? und 100.000 ?; Aktenvermerk vom 14. Mai 2004, FG-Akte Bl 66). Auf Anweisung des Klägers wurde dieser Betrag später auf die laufenden Steuerschulden verbucht.

Am 6. September 2004 (Frühleerung) ging beim Beklagten (dem Finanzamt ?FA?) eine Erklärung der Kläger nach dem StraBEG ein, die vom 7. Juli 2004 datiert. Darin ist angeführt, dass die Summe der aufgrund unrichtiger, unvollständiger oder unterlassener Angaben zu Unrecht nicht besteuerter Einnahmen der Kläger i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StraBEG der Jahre 1993 bis 1997 267.540 ? betrage, woraus sich ein zu entrichtender Abgabebetrag in Höhe von 66.885 ? (entsprechend 25 %) ergebe. In einer Anlage zu dieser Erklärung (Rechtsbehelfsakte Bl 3) ist dargestellt, wie sich die nicht erklärten Einnahmen errechnen. Danach wurden der Berechnung der nicht erklärten Einnahmen in den einzelnen Jahren die folgenden Beträge zugrunde gelegt und davon jeweils 60 % angesetzt:

Bisher nicht erklärte Umsätze (?):
1993: 66.768,11
1994: 71.927,18
1995: 91.234,87
1996: 108.644,32
1997: 107.326,39

Am 10. September 2004 ging beim FA eine weitere strafbefreiende Erklärung vom 9. September 2004 ein, mit der die bisherige Erklärung korrigiert wurde und in der die zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen der Jahre 1993-1997 mit 445.903 ? (nunmehr 100 % der nicht erklärten Umsätze) angegeben sind. Hierdurch erhöhte sich die zu entrichtende Abgabe auf 111.475 ?. Dieser Betrag wurde fristgerecht entrichtet. Nachvollziehbare Angaben darüber, wie die Kläger die den Nachmeldungen zugrunde liegenden jeweiligen Umsatzgrößen ermittelt haben, wurden der Steuerfahndung oder dem FA gegenüber nicht gemacht. Es wurde lediglich angedeutet, dass der Kläger Aufzeichnungen über ?schwarze? Einkäufe geführt habe, die bei der Durchsuchung am 13. Mai 2004 nicht gefunden worden seien (vgl. die telefonische Aussage des steuerlichen Vertreters ? vom 14. September 2004, FG-Akte Bl 53).

In beiden Erklärungen vom 7. Juli 2004 und vom 9. September 2004 wurde der zugrunde liegende Lebenssachverhalt (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 StraBEG) wie folgt bezeichnet: ?Umsatz nicht erklärt aus bisher nicht gebuchten Wareneinkäufen?.

Das FA vertrat die Auffassung, dass die abgegebenen Erklärungen nicht mit strafbefreiender Wirkung abgeben worden seien. Es begründete dies damit, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sei, am 13. Mai 2004 bereits eine Durchsuchung stattgefunden habe und die Bareinzahlungen der Jahre 1993-1997 auf den Konten bei italienischen Banken der Steuerfahndung bereits bekannt gewesen seien. Außerdem habe der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits damit rechnen müssen, dass nach der Einleitung des Strafverfahrens für die Jahre ab 1998 auch die Steuerhinterziehung der davor liegenden Jahre entdeckt werde. Mit Bescheid vom 29. September 2004 hob das FA deshalb die mit der Abgabe der Erklärungen vom 7. Juli 2004 und 9. September 2004 bewirkte Steuerfestsetzung gem. § 10 Abs. 3 StraBEG auf.

Gegen diesen Bescheid erhob die steuerliche Vertreterin mit Fax vom 23. Oktober 2004 Einspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Als Begründung wurde vorgetragen, dass die Fahndungsprüfung ausschließlich die Jahre 1998 bis 2003 betreffe, nicht aber die Jahre 1993 -1997. Dies ergebe sich aus der ?Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung? bzw. der Einleitungsverfügung vom 6. Mai 2004, die in Fahndungsfällen eine Prüfungsanordnung im Rahmen einer Außenprüfung ersetze und an die die Steuerfahndung gebunden sei. Außerdem seien die Ermittlungshandlungen der Fahndungsprüfung gegenüber den Lieferanten des Klägers diesem gegenüber nicht bekannt gegeben worden, sondern ausschließlich Dritten. Eine strafbefreiende Erklärung für die nicht in der Einleitungsverfügung vom 6. Mai 2004 aufgeführten Jahre 1993 bis 1997 sei deshalb noch möglich und zulässig gewesen.

Das FA vertrat demgegenüber die Auffassung, dass sich die Fahndungsprüfung auf alle noch nicht verjährten Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1993 erstrecke. Die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung sei deshalb auch für die Jahre 1993 bis 1997 nicht mehr möglich gewesen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 28. September 2005).

Mit der Klage wird weiterhin vorgetragen, dass die Erklärungen vom 7. Juli 2004 und 9. September 2004 mit strafbefreiender Wirkung abgegeben worden seien. Erscheine die Steuerfahndung aufgrund eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses gem. § 102 Strafprozessordnung (StPO) - nicht gem. § 103 StPO -, dessen Umfang sich in der Regel mit der Einleitungsverfügung decke, sei sie an den Rahmen der Durchsuchungsanordnung gebunden (Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 24. Aufl., § 108 StPO Rz 3). Im Streitfall beschränke sich die Einleitungsverfügung deshalb auch lediglich auf die Jahre 1998 bis 2003.

Im Gegensatz zur Auffassung des FA habe der Kläger nach der Einleitung des Strafverfahrens für die Jahre ab 1998 nicht damit rechnen müssen, dass die Steuerhinterziehung auch hinsichtlich der Jahre 1993 bis 1997 entdeckt werde. Im Interesse aller Beteiligten sei bei der Bekanntgabe der Einleitung eines Straf- und Bußgeldverfahrens jeweils darzustellen, auf welchen Steuerpflichtigen, welche Steuerart und welchen Besteuerungszeitraum sich die Ermittlungen erstreckten. Außerhalb dieses Rahmens seien auch weiterhin strafbefreiende Erklärungen möglich. Hinzu komme, dass Ermittlungen, die dem Betroffenen nicht bekanntgegeben würden, keine Sperrwirkung i.S. des § 7 StraBEG begründeten.

Mit Fax vom 23. Mai 2006 (FG-Akte Bl 46) reichte die Prozessbevollmächtigte auf Aufforderung der Steuerfahndungsstelle eine Zusammenstellung aus Italien stammender Zinserträge beim Finanzamt ? ein und bat zugleich, diese als Selbstanzeige zu werten. Hierzu vertritt das FA unter Hinweis auf die Vorschrift des § 4 Abs. 3 StraBEG die Auffassung, dass dadurch keine unmittelbare Auswirkung auf die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärungen vom 7. Juli 2004 und 9. September 2004 gegeben sei.

Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 29. September 2004 über die Aufhebung der durch die Erklärungen vom 7. Juli 2004 und 9. September 2004 bewirkten Steuerfestsetzungen sowie die Einspruchsentscheidung vom 28. September 2005 ersatzlos aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.

Es vertritt die Auffassung, dass sich die Ermittlungen einer Fahndungsprüfung generell nicht nur auf den Zeitraum des eingeleiteten Strafverfahrens erstreckten. Wäre dies anders, ginge die zehnjährige Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ins Leere. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. April 2005 XI R 83/03 (BFH/NV 2005, 1961) sei der Umfang einer Steuerfahndungsprüfung grundsätzlich nicht beschränkt.

Außerdem beweise der Umstand, dass die strafbefreienden Erklärungen erst nach dem Beginn der Ermittlungen eingereicht worden seien, dass ?bei verständiger Würdigung der Sachlage? i.S. des § 7 Nr. 1b StraBEG der Kläger mit der Entdeckung der Tat (Steuerhinterziehung hinsichtlich der Jahre 1993 bis 1997) habe rechnen müssen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2006 wurde der Fahndungsprüfer als Zeuge vernommen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat mit Bescheid vom 29. September 2004 die Steuerfestsetzungswirkung der abgegebenen Erklärungen vom 7. Juli 2004 und 9. September 2004 zu Recht aufgehoben.

1. Gem. § 1 StraBEG wird ein Steuerpflichtiger, der Einkommensteuern, Körperschaftsteuern usw. hinterzogen hat, nicht bestraft, soweit er die auf Grund seiner unrichtigen, unvollständigen oder unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde nachträglich erklärt (strafbefreiende Erklärung) und 25 % der Summe der erklärten Beträge innerhalb von 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2004 entrichtet. Der Erklärende hat den zu entrichtenden Betrag selbst zu berechnen und die Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (§ 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StraBEG).

Die Straf- und Bußgeldfreiheit tritt nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Steuerverkürzung bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder die Tat bereits entdeckt war und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (Ausschlusstatbestände gem. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a und b StraBEG). Gleiches gilt, wenn vor Eingang der Erklärung einem Tatbeteiligten (Täter oder Teilnehmer) oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist und der Erklärende dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (Ausschlusstatbestand gem. § 7 Satz 1 Nr. 2 StraBEG).

Soweit danach Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt, erlöschen mit der Entrichtung des zu zahlenden Betrags die nach dem 31. Dezember 1992 und vor dem 1. Januar 2003 entstandenen Steueransprüche (§ 8 Abs. 1 StraBEG). In diesen Fällen steht die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 10 Abs. 2 Satz 1 Stra-BEG). Soweit nach den Vorschriften des StraBEG eine Straf- und Bußgeldfreiheit nicht eintritt, ist die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde aufzuheben oder zu ändern (§ 10 Abs. 3 Satz 1 StraBEG).

2. Im Streitfall ist der Ausschlusstatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a StraBEG erfüllt. Da deshalb den Erklärungen der Kläger vom 7. Juli 2004 und 9. September 2004 keine strafbefreiende Wirkung zukommt, hat das FA die durch die Erklärungen bewirkten Steuerfestsetzungen zu Recht gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 StraBEG aufgehoben.

Der Tatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a StraBEG ist erfüllt, weil Amtsträger der Steuerfahndungsstelle bereits am 13. Mai 2004 und damit vor Eingang der strafbefreienden Erklärungen beim Kläger erschienen, um dessen Wohn- und Geschäftsräume zu durchsuchen und im Anschluss daran die vorgefundenen und beschlagnahmten Unterlagen zu sichten und auszuwerten, und die Amtshandlungen der Fahndungsprüfung sowohl zum Zwecke der Ermittlung von Steuerstraftaten für die Jahre 1998-2003, was unstreitig ist, als auch zum Zwecke der steuerlichen Prüfung der davor liegenden Jahre (1993-1997) erfolgten.

Zwar wurde dem Kläger von Seiten der Finanzbehörden nicht mitgeteilt, dass sich die Fahndungsprüfung auch mit der Aufklärung der Besteuerungsgrundlagen für die gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträume 1993-1997 befasst. Dies ist aber nicht notwendig, da es gem. § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO auch zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehört, die Besteuerungsgrundlagen der zwar steuerstrafrechtlich, nicht aber steuerrechtlich verjährten früheren Besteuerungszeiträume festzustellen, denn der Begriff der Steuerstraftat i.S. der Vorschrift des § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO, auf die § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO Bezug nimmt, ist umfassend als der nach dem Gesetz unter Strafe gestellte Lebensvorgang anzusehen, ohne Rücksicht darauf, ob die Strafbarkeit im Einzelnen infolge besonderer Umstände (z.B. infolge Strafverfolgungsverjährung oder der Abgabe einer Selbstanzeige) ausgeschlossen ist (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1997 VII B 45/97, BStBl II 1998, 231). Die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung ist für die Durchführung einer Fahndungsprüfung deshalb nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 9. März 1999 VIII R 19/97, BFH/NV 1999, 1186).

Entgegen der Ansicht der Kläger ist die Verfügung über die Einleitung des Steuerstrafverfahrens einer Prüfungsanordnung gem. § 196 AO in einem Außenprüfungsverfahren nicht gleichzustellen. Richtig ist zwar, dass der in einer Prüfungsanordnung genannte Prüfungsumfang auch die Sperrwirkung der Regelung in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a AO (Selbstanzeige) entsprechend einschränkt (Beschluss des Bundesgerichtshofs ?BGH? vom 15. Januar 1988 3 StR 465/87, BGHSt 35, 188), der die Vorschrift des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a StraBEG nachgebildet ist. Eine Steuerfahndungsprüfung unterliegt jedoch grundsätzlich nicht den Regeln einer Außenprüfung gem. §§ 193 ff AO. Auch inhaltlich unterscheidet sich eine Außenprüfung von einer Fahndungsprüfung gem. § 208 Abs. 1 AO, die häufig nicht den gesamten Steuerfall aufrollt, sondern lediglich eine punktuelle Prüfung der Bereiche vornimmt, in denen mit der Verwirklichung einer Steuerstraftat zu rechnen ist (BFHUrteil vom 11. Dezember 1997 V R 56/94, BStBl II 1998, 367).

Wie weit die Sperrwirkung einer Steuerfahndungsprüfung im Zusammenhang mit der Abgabe einer Selbstanzeige gem. § 371 Abs. 2 AO reicht, ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird vertreten, dass es auf den internen Prüfungsauftrag ankomme, der den Ermittlungs- bzw. Verfolgungswillen der Steuerfahndungsstelle bestimme (vgl. Kohlmann, Kommentar zum Steuerstrafrecht, § 371 AO Rz 135 und 150.1, 158.2). Teilweise wird eine sachliche Beschränkung durch das ermittlungsauslösende Verdachtsmoment bzw. den zugehörigen Sachverhalt angenommen, gegebenenfalls erweitert auf entdeckungsgefährdete Steuerverkürzungen oder auf Taten, wegen derer von der Fahndungsprüfung ermittelt wird (vgl. Zanzinger in Schöll/Leopold/Madle/Rader, Kommentar zur AO, Vorbemerkung zu § 371 AO Rz 31 i.V. mit § 371 Rz 63). Regelmäßig wird ein danach bemessenes Ergebnis übereinstimmen mit den von der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zu der Vorschrift des § 171 Abs. 5 AO entwickelten Grundsätzen, wonach der Umfang der Ablaufhemmung bestimmt wird durch die tatsächlichen Prüfungshandlungen der Fahndungsprüfung bzw. die tatsächlichen Prüfungsergebnisse. Die Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift richtet sich nicht auf einen bestimmten Veranlagungszeitraum, sondern wird allein begrenzt durch die Besteuerungsgrundlagen, die durch die Ermittlungen tatsächlich aufgedeckt werden (vgl. BFH-Urteile vom 14. April 2005 XI R 83/03, BFH/NV 2005, 1961, vom 24. April 2002 I R 25/01, BStBl II 2002, 586, und vom 2. Juli 1998 IV R 39/97, BStBl II 1999,28).

Der erkennende Senat vertritt die Auffassung, dass die Sperrwirkung des § 7 Nr. 1 Buchstabe a StraBEG aus Gründen der Rechtssicherheit sachlich zu begrenzen ist und sich der Umfang der Begrenzung nach dem ermittlungsauslösenden Verdachtsmoment bzw. dem zugehörigen Sachverhalt bemisst. Soweit für den Steuerpflichtigen keine anderen Anhaltspunkte ersichtlich sind, ergibt sich der danach maßgebende Sachverhalt in der Regel aus den im strafrechtlichen Durchsuchungsbeschluss genannten und für den Steuerpflichtigen daraus erkennbaren Gründen (vgl. zum Kriterium der Erkennbarkeit das Urteil des BFH vom 24. April 2002 I R 25/01, BStBl II 2002, 586). Im Streitfall ist dies der Umstand, dass der Kläger die Umsätze seines Restaurants nicht in vollem Umfang verbuchte und erklärte. Sämtliche damit in Zusammenhang stehenden Einkünfte und Steuerarten unterliegen deshalb der Sperrwirkung des § 7 Nr. 1 Buchstabe a StraBEG.

In zeitlicher Hinsicht beschränkte der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss vom 10. Mai 2004 nicht die Sperrwirkung nach § 7 Nr. 1 Buchstabe a StraBEG auf die Jahre 1998-2003, soweit es um die steuerliche Prüfung geht. Der Kläger konnte also aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses nicht darauf vertrauen, dass die Jahre vor 1998 von der steuerlichen Prüfung ausgenommen werden. Die zeitliche Beschränkung im gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss ist lediglich Folge der auf 5 Jahre begrenzten Verjährungsfrist bei Steuerstraftaten (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 Strafgesetzbuch), nicht aber Ausdruck eines zeitlichen Beschränkungswillens der Steuerfahndungsbehörden für die Durchführung steuerlicher Prüfungen. Sofern nicht ausdrücklich angeordnet, werden von einer Steuerfahndungsprüfung grundsätzlich sämtliche noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträume erfasst, in denen sich der entsprechende Sachverhalt auswirkt (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Dezember 2003 1 K 55/03, Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 701). Sähe man dies anders, liefe die Vorschrift des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO (zehnjährige Verjährungsfrist im Falle einer Steuerhinterziehung) in vielen Fällen ins Leere, worauf das FA zutreffend hinweist.

3. Da bereits der Ausschlusstatbestand des § 7 Satz 1 Buchstabe a StraBEG erfüllt ist, kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall auch der Tatbestand des § 7 Satz 1 Buchstabe b Stra- BEG für sämtliche Veranlagungszeiträume der Jahre 1993-1997 zu bejahen ist. Der Senat ist jedoch der Ansicht, dass dies zumindest für die Jahre 1996 und 1997 der Fall ist.

Entdeckt i.S. dieser Vorschrift ist eine Tat (die Steuerhinterziehung), wenn davon auszugehen ist, dass der entdeckte Sachverhalt strafrechtliche Relevanz besitzt. Ein bloßer Anfangsverdacht reicht nicht aus. Der Tatverdacht muss sich vielmehr so weit konkretisiert haben, dass bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist (vgl. BGH-Beschluss vom 5. April 2000 5 StR 226/99, Zeitschrift für Wirtschaftsund Steuerstrafrecht 2000, 219).

Aufgrund der Zeugenaussage des Fahndungsprüfers in der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon überzeugt, dass der Fahndungsprüfer bereits Ende Juli/Anfang August 2004 einen derart konkretisierten Tatverdacht hinsichtlich der nicht versteuerten Betriebseinnahmen der Jahre 1996 und 1997 hatte. Insoweit war die Steuerhinterziehung i.S. des § 7 Satz 1 Buchstabe b StraBEG entdeckt, bevor die strafbefreienden Erklärungen beim FA eingingen.

Hinzu kommt, dass der Kläger bei verständiger Würdigung der Sachlage mit einer Entdeckung seiner Taten für die Jahre 1996 und 1997 rechnen musste. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass er Kenntnis von den Schreiben des Fahndungsprüfers vom 5. Juli 2004 hatte, mit denen dieser weitere Lieferanten anschrieb. Mit einer Entdeckung der Taten musste er jedoch deshalb rechnen, weil er darüber informiert war, dass dem Prüfer die Geschäftsbeziehungen zu den Tochterunternehmen der ? GmbH ? und ? in den Jahren 1997 und 1998 und die Bargeldeinzahlungen des Klägers bei italienischen Banken im Jahr 1996 bekannt waren.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 FGO.

4. Die Revision war im Hinblick auf die angesprochenen, noch ungeklärten Rechtsfragen zu § 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

RechtsgebieteAO, StraBEGVorschriften§ 169 Abs. 2 S. 2 AO, § 193 AO, § 196 AO, § 171 Abs. 5 AO, § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, § 7 S. 1 Nr. 1a StraBEG, § 7 S. 1 Nr. 1b StraBEG, § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG, § 1 StraBEG

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