30.04.2002 · IWW-Abrufnummer 020508
Bundesministerium der Finanzen: Schreiben vom 18.03.2002 – IV C 7 ? S 3851 ? 6/02
Stellungnahme des BMF zur Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuergesetzes
Bundesministerium der Finanzen Bonn, 18. März 2002
IV C 7 ? S 3851 ? 6/02
Revisionsverfahren Finanzamt Aalen gegen XXX
wegen Erbschaftsteuer
- II R 61/99 -
Ihre Schreiben vom 14. November 2001 und 8. Januar 2002
Meine Schreiben vom 23. November und 20. Dezember 2001
14 Mehrabdrucke
2 Bd. FG-Akten
5 Bde. Steuerakten
Im vorliegenden Revisionsverfahren hat der Senat die Frage aufgeworfen, ob die Regelung des § 19 Ab. 1 ErbStG i. V. m. § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2, §§ 12, 13, 13a ErbStG insofern gegen den Gleichheitssatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) verstößt,
als sie die Anwendung eines einheitlichen Steuertarifs auf alle Erwerbsvorgänge vorsieht, obwohl Betriebsvermögen, Grundvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften nur mit einem (z. T. geringen) Teil ihrer Verkehrswerte in die Bemessungsgrundlagen eingehen und übriges Vermögen mit dem gemeinen Wert (§9 BewG) oder diesem vergleichbaren Werten (§§ 10 bis 16 BewG) anzusetzen ist,
- das Gesetz den ungekürzten Abzug der mit dem unterbewerteten Vermögen
zusammenhängenden Schulden zulässt,
- die in der Unterbewertung liegende Privilegierung keinem
Nachversteuerungsvorbehalt unterliegt,
- die der Begünstigung von ?Betriebsvermögen? dienenden §§ 13a und 19a ErbStG es zulassen, auch ?Privat?-Vermögen" durch einfache Rechtsformwahl (gewerblich geprägte Personengesellschaften, Kapitalgesellschaft) in den Begünstigungsbereich dieser Vorschriften zu bringen.
Zu den verfassungsrechtlichen Fragen des Senats nehme ich wie folgt Stellung:
1. Zur Anwendung eines einheitlichen Steuertarifs auf alle Erwerbsvorgänge
§ 19 ErbStG bemisst die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) nach einem für alle Vermögenswerte einheitlichen Vomhundertsatz des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 ErbStG). Der Tarif differenziert lediglich nach der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs (Wertstufen) und der Steuerklasse, die sich nach dem persönlichen Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder Schenker richtet.
Für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs sind die Wirtschaftsgüter und wirtschaftlichen Einheiten zu bewerten (§ §10 bis 12 ErbStG). Die Bewertung richtet sich in erster Linie nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, hilfsweise nach dem Bewertungsgesetz.
§ 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 9 BewG sieht den Ansatz des gemeinen Werts vor, soweit nichts Anderes bestimmt wird. Der gemeine Wert gilt u. a. für Geldvermögen, Kapitalforderungen und ?schulden (§ 12 BewG), für Renten und Nutzungsrechte (§§ 13 bis 16 BewG), für Wertpapiere, Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften, die an der Börse gehandelt werden oder deren Wert sich aus Verkäufen ableiten lässt (§ 11 Abs. 1 und 3 BewG), für Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Wert im sog. Stuttgarter Verfahren unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen ist (§12 Abs. 2 ErbStG, § 11 Abs. 2 und 3 BewG; Einzelheiten R 95 ff. ErbStR), für Investmentfondsanteile (§ 11 Abs. 4 BewG), für Sachvermögen- mit den nachstehend angeführten Ausnahmen ? und für Ansprüche und Lasten, die auf die Übertragung von Sachvermögen gerichtet sind (Sachleistungsansprüche und ?verpflichtungen). Wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, Grundstücke und Betriebsgrundstücke werden mit dem Grundbesitzwert angesetzt, der im Bedarfsfall auf den Besteuerungszeitpunkt festgestellt wird (§ 12 Abs. 3 ErbStG, §§ 138 ff. BewG). Für Betriebsvermögen (Einzelunternehmen, Anteile an Personengesellschaften) sind grundsätzlich die Steuerbilanzwerte bzw. ertragsteuerlichen Werte im Besteuerungszeitpunkt maßgebend (§12 Abs. 5 ErbStG, §§ 95 bis 109 BewG). Ausnahmen gelten insbesondere für Betriebsgrundstücke, Anteile an Personengesellschaften, Wertpapiere sowie Anteile an Kapitalgesellschaften.
Der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage liegen somit je nach Vermögensart unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zugrunde.
Erwerber von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen oder Anteilen an sog. Familienbezogenen Kapitalgesellschaften erhalten zudem nach § 13a Abs. 1 ErbStG einen Freibetrag von 500.000 DM (ab 1. Januar 2002. 256.000 Euro). Der darüber hinausgehende Wert dieses Vermögen ist lediglich mit 60 v. H. anzusetzen (§ 13a Abs. 2 ErbStG). Fällt solches Vermögen an einen Erwerber der Steuerklasse II oder III, erhält er zusätzlich eine Tarifentlastung (§ 19a ErbStG). Dieses Vermögen unterliegt danach im Ergebnis nur dem Tarif der Steuerklasse I. Die Tarifbegrenzung wird über einen Abzugsbetrag erreicht.
Nach Auffassung des Gesetzgebers des Jahressteuergesetztes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl. S. 2049) verlangt der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht, dass alle wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter in gleichem Maße in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden, insbesondere die Bewertung nach einem einheitlichen Maßstab vorgenommen wird, sowohl ein einheitlicher Steuertarif für alle Erwerbsvorgänge bestimmt ist, der grundsätzlich nicht von der Art des erworbenen Vermögens abhängt.
a) Die Erbschaftsteuer- und Vermögensteuer-Beschlüsse des BVerfG vom 22. Juni 1995 (BStBl. 1995 II S. 671 und S. 655, BVerfGE 93, 121 und 165)
Das BVerfG führt in seiner Erbschaftsteuer-Entscheidung aus, bei einer Tarifregelung, die lediglich nach Maßgabe des Verwandtschaftsgrades und der Höhe des Erwerbs differenziere, hänge die gleichmäßige Belastung aller Steuerpflichtigen davon ab, ?dass für die einzelnen zur Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsg üter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden.?
Nach der Vermögensteuer-Entscheidung setzt ein einheitlicher Steuersatz voraus, dass dem Gebot der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg bereits in der Bemessungsgrundlage Rechnung getragen wird und dort jede wirtschaftliche Einheit in gleichmäßiger Weise mit den Werten erfasst wird, die den steuerlichen Belastungsgrund ausdrücken.
Nach Auffassung des Gesetzgebers lässt das BVerfG jedoch Differenzierungen zu:
Eine Steuerentlastung könne vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will. Der Gleichheitssatz belasse dem Steuergesetzgeber eine weitreichende Gestaltungsbefugnis, die ihn insbesondere berechtigte, sich bei seinen Regelungen auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen oder sozialpolitischen Erwägungen leiten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1995, BStBl 1995 II S. 671, BVerfGE 93, 165). Seine Gestaltungsfreiheit ende erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar sei, wo also ein sachlicher Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehle. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheiten sei vom Bundesverfassungsgericht nachzuknüpfen (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987, BStBl 1987 II S. 240, BVerfGE 74, 182, m.w.N.). Daraus zog der Gesetzgeber den Schluss, dass er die Wahl habe, ob er bei der Herstellung einer gleichmäßigen Belastung und bei der Berücksichtigung von Belastungen, die sich aus der Gemeinwohlbindung des Eigentums ergeben, die erforderlichen Entlastungen bei der Festsetzung der Bemessungsgrundlage, durch deren anschließende Reduzierung oder durch die Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes erreichen will (Zweiter Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 13/5952, S. 27).
b) Die Besteuerung des Betriebsvermögens
Die Entlastung des Betriebsvermögens, wie es das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz nunmehr vorsieht, vollzog sich in mehreren gesetzgeberischen Schritten:
- Seit 1993 (StÄndG 1992 vom 25. Februar 1992, BGBl. I S. 297) werden anstelle der bis dahin maßgebenden Teilwerte die Steuerbilanzwerte bzw. die ertragsteuerlichen Werte zur Bewertung des Betriebsvermögen herangezogen (Ausnahme gelten insbesondere für Betriebsgrundstücke, Anteile an Personengesellschaften, Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften). Ziel dieser Maßnahme sollten u. a. eine Steuervereinfachung und eine erhebliche Entlastung der Unternehmen von Substanzsteuern sein (vgl. BT-Drucks. 12/1108 S. 35 f.).
- Mit Wirkung ab 1994 (StandOG vom 13. September 1993, BGBl. I S. 1569) wurde für den Erwerb von Betriebsvermögen durch Erbanfall oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ein Freibetrag von 500.000 DM eingeführt (§ 13 Abs. 2a ErbStG). Der Gesetzgeber berief sich dabei auf die ?verhältnismäßig geringe Fingibilität, die erhöhte Sozialverpflichtung (Erhaltung von Arbeitsplätzen) und das höhere Risiko? dieser Vermögensart (vgl. BR-Drucks. 1/93 S. 49). Verbunden wurde die Freibetragsregelung mit einem Nachsteuerungsvorbehalt bei schädlicher Verwendung des Betriebsvermögens.
Der Gesetzgeber sah sich bei der steuerverschonenden Behandlung des Betriebsvermögen durch die Erbschaftsteuer-Entscheidung des BVerfG bestätigt: Er habe ?bei der Gestaltung der Steuerlast zu berücksichtigen, dass die Existenz von bestimmten Betrieben ? namentlich von mittelständischen Unternehmen ? durch zusätzliche finanzielle Belastungen, wie sie durch die Erbschaftsteuer auftreten gefährdet werden kann.? Derartige Betriebe seien ?in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet: Sie unterliegen als Garant von Produktivität und Arbeitsplätzen insbesondere durch Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern, das Betriebsverfassungsrecht, das Wirtschaftsverwaltungsrecht und die langfristigen Investitionen einer gesteigerten rechtlichen Bindung.? Dies habe zur Folge, ?dass die durch die Erbschaftsteuer erfasste Leistungsfähigkeit des Erben nicht seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs voll entspricht.? Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) fordere, ?diese verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben zu berücksichtigen, die einen solchen Betrieb weiterführen.? Die Erbschaftsteuerlast müsse ?hier so bemessen sein, dass die Fortführung des Betriebs steuerlich nicht gefährdet werde.?
Diese Ausführungen des BVerfG waren auch Anlass für die vom Gesetzgeber mit Wirkung ab 1996 eingeführten weitern Vergünstigungen für das Betriebsvermögen (JStG 1997 vom 20. Dezember 1996, a. a. O.). So wurden die bereits bestehenden Vergünstigungen auf alle Erwerbe von Todes wegen ausgedehnt und der Bewertungsabschlag auf 40 v. H. erhöht. Ergänzend wurde die Tarifbegrenzung des § 19a ErbStG eingeführt.
c) Die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens
In seiner Erbschaftsteuer-Entscheidung führt das BVerfG aus, dass das geltende, historisch überlieferte Erbschaftsteuerrecht das Erfordernis betriebsangemessener Belastung etwa bei der Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft beachte, wenn es dort gemäß § 36 BewG der Erbschaftsbesteuerung den Ertragswert zugrunde lege, um eine Zerschlagung von Wirtschaftseinheiten zu vermeiden. Der Gesetzgeber sah diese Ausführungen als Rechtfertigung für die steuerverschonende Behandlung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens an. Da seiner Auffassung nach die Ertragsfähigkeit im Verhältnis zu anderen Vermögensarten und innerhalb der Land- und Forstwirtschaft seit 1964 jedoch Veränderungen erfahren hat, die der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung bei der Besteuerung nicht mehr genügten, sollten Betrieb der Land- und Forstwirtschaft im Rahmen der Bedarfsbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer mit aktuellen Ertragswerten bewertet werden. Zur Erleichterung der Generationenfolge wurden die für das Betriebsvermögen gewährten Vergünstigungen auf das land- und forstwirtschaftlich Vermögen übertragen.
d) Die Bewertung des Grundvermögens, insbesondere bebauter Grundstücke
Die Bewertung des Grundvermögens wurde durch das JStG 1997 vom 20. Dezember 1996, a. a. O., neu geregelt. Der Regierungsentwurf beschreibt das Ziel der neuen Grundbesitzbewertung wie folgt (BR-Drs. 390/96 S. 43): ?Die Beseitigung der ... Ungleichheit zwischen der niedrigen Steuerbelastung des Grundbesitzes einerseits und der relativ hohen Belastung aller übrigen steuerbaren Vermögenswerte andererseits ist Ziel der Änderung des Bewertungsgesetzes. Das anzustrebende Wertniveau der neuen Grundbesitzwerte muss sich in das Gefüge der steuerlichen Werte der anderen Vermögensgegenstände schlüssig einfügen. Wegen der besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung des Grundbesitzes können die Werte nicht mit Werten von Kapitalvermögen verglichen werden. Ebenso wie für Betriebsvermögen, für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften, für Kunstgegenstände und vieles andere mehr muss bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für Grundbesitz durch einen vorsichtigen Wertansatz berücksichtig werden, dass nicht bei jedem unentgeltlichen Erwerb von Grundbesitz der theoretisch mögliche Verkehrswert sofort realisiert werden kann.?
Deswegen wurde der gemeine Wert (§ 9 BewG) und somit der Verkehrswert als Richtschnur für die Bewertung der Grundstücke zugunsten niedrigerer Ertragswerte für bebaute Grundstücke aufgegeben (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG: ... ?sind Grundstückswerte abweichend von § 9 BewG mit einem typisierenden Wert ... zu ermitteln?). Dazu heißt es im Zweiten Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 13/5952, S. 27f.): ?Indes sei es sachgerecht, bei der Besteuerung des Grundvermögens dessen Besonderheiten zu berücksichtigen, wie z. B. seine geringe Fungibilität und höhere Sozialbindung, Mieterschutzbestimmungen, öffentlich-rechtliche Auflagen, zusätzliche Belastung durch Grundsteuer und Auswirkungen des Bewertungsniveaus auf die Höhe der Mieten.? Daneben seien auch die ?besonderen Beschäftigungseffekte in der Bauwirtschaft und die Belange der Wohnungswirtschaft? zu berücksichtigen. Für niedrigere Ertragswerte sprach aus der Sicht des Gesetzgebers folgende Überlegung: ?Die steuerlich günstige Behandlung, die das Grundvermögen in der Vergangenheit durch die Einheitswerte erfahren habe, sei ein beachtlicher Gesichtspunkt für viele Investitionsentscheidungen gewesen. Staatliche Anstrengungen zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum als einem existentiellen Grundbedürfnis seien dadurch erspart worden. Führe die Entscheidung, in Grundvermögen oder in Kapitalvermögen zu investieren, steuerlich zum selben Ergebnis, werde der praktisch keiner Sozialbindung unterliegende Erwerb von Kapitalvermögen dem Erwerb von vielfach Bindungen unterliegendem Grundvermögen vorgezogen. In diesem Fall müssten die fehlenden privaten Investitionen zur Sicherstellung der Grundversorgung der Bevölkerung mit Wohnraum mit öffentlichen Geldern finanziert werden.?
e) Die Bewertung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften
Für Anteile an Kapitalgesellschaften schreibt § 12 Abs. 1 und 2 ErbStG i. V. m. § 11 BewG den Ansatz mit dem gemeinen Wert vor. Kann der gemeine Wert nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften nicht aus Verkäufen abgeleitet werden, ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG).
Bis Ende 1992 wurden bei der Ermittlung des Vermögenswerts des Unternehmens die beweglichen Wirtschaftsgüter mit Teilwerten angesetzt. Seit 1993 (Änderung durch das StÄndG 1992) wird der Vermögenswert nach den Grundsätzen ermittelt, die f ür das Betriebvermögen gelten (vgl. dazu auch Buchst. b).
Die weiteren Einzelheiten des sog. Stuttgarter Verfahrens sind nicht gesetzlich, sondern in Richtlinien ? ursprünglich in den Vermögensteuer-Richtlinien (VStR), jetzt in den Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) ? geregelt. Der erkennende Senat des BFH hat ausdrücklich seiner Eignung zur Ermittlung des gemeinen Werts für die Zeit vor 1993 bestätigt (Urteile vom 9. März 1994, BStBl 1994 II S. 394, und vom 13. April 1994, BStBl 1994 II S. 505).
2. Zum ungekürzten Schuldenabzug
Das geltende Steuerrecht ist von dem Grundsatz geprägt, dass Schulden und Lasten nicht abzugsfähig sind, soweit sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Vermögensgegenständen stehen, die nicht der Besteuerung unterliegen. Auch das Erbschaftsteuergesetz normiert in § 10 Abs. 6 ein Abzugsverbot für Schulden im Zusammenhang mit steuerbefreiten Vermögensgegenständen. Ein Abzugsverbot für Schulden im Zusammenhang mit Vermögen, das mit einem Wert unterhalb des gemeinen Wert bewertet ist, hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dazu mag ihn bewogen haben, dass keine allgemeingültigen Kriterien aufgestellt werden können, in welchem Umfang im jeweiligen Einzelfall eine Schuldenkappung vorzunehmen ist. Möglich sind Fälle, in denen die Schulden sogar den gemeinen Wert des Vermögensgegenstandes (z. B. bebautes Grundstück) übersteigen. In einem solchen Fall wäre eine Schuldenkappung der über den Steuerwert hinausgehenden Schulden wohl auch nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt.
3. Zum fehlenden Nachversteuerungsvorbehalt für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften. Grundvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen
Die Erbschaftsteuer hat den Charakter einer Stichtagssteuer. Stichtag für die Bewertung des erworbenen Vermögens ist der Zeitpunkt der Steuerentstehung (§§ 9, 11 ErbStG), d. h. bei der Erbschaftsteuer grundsätzlich der Tod des Erblassers und bei der Schenkungsteuer im Allgemeinen der Zuwendungszeitpunkt. Der Bewertungsstichtag bestimmt einerseits, worin die Bereicherung des Erwerbers besteht, und andererseits, mit welchem Wert diese Bereicherung anzusetzen ist. Die Wahl dieses Stichtags durch den Gesetzgeber ist sach- und systemgerecht (vgl. dazu auch das Urteil des erkennenden Senats des BFH vom 25. Oktober 1995, BStBl 1996 II S. 99). Folgerichtig entfallen nach § 13a Abs. 5 ErbStG bei einem Verstoß gegen die Behaltensregelungen nur die Entlastungen durch Freibetrag und Bewertungsabschlag. Der auf den Besteuerungszeitpunkt ermittelte Wert des begünstigten Vermögens vor Abzug der Entlastungen bleibt dabei weiterhin Besteuerungsgrundlage. Es widerspräche hier wie auch sonst dem Stichtagsprinzip, der Besteuerung nachträglich einen über den Wert am Bewertungsstichtag hinausgehenden Wert zugrunde zu legen, wie er z. B. bei einem späteren Verkauf des erworbenen Vermögens erzielt wird. Im Übrigen ließe sich eine derartige Berücksichtigung nachträglicher Wertänderungen nicht auf Fälle mit Werterhöhungen begrenzen, sondern müsste dann auch Wertminderungen zugunsten des Erwerbers berücksichtigen.
4. Zur rechtsformabhängigen Vergünstigung nach §§ 13a und 19a ErbStG
Wie bereits oben dargelegt, sind die §§ 13a und 19a ErbStG nach Auffassung des Gesetzgebers als Ausfluss der vom BVerfG erkannten besonderen Gemeinwohlverpflichtung des Betriebsvermögens zu werten. Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass die mit den genannten Regelungen verbundenen Vergünstigungen auch für gewerblich geprägte Personengesellschaften oder vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften in Anspruch genommen werden können, obgleich bei ihnen im Einzelfall die vom BVerfG festgestellte erhöhte Sozialbindung einer nähren Prüfung bedürfte. Insbesondere aus Gründen der Praktikabilität hat er aber dennoch darauf verzichtet, eine Unterscheidung nach der Begründung für die Annahme von Betriebsvermögen zu treffen. Stattdessen hat er die Begünstigung typisierend von der Unterscheidung des Ertragsteuerrechts nach der Rechtsform abhängig gemacht. Auch für die Ertragsteuern gibt es rechtsformabhängige Besteuerungsunterschiede, die Ausdruck des zulässigen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sind.
Im Auftrag
Sarrazin