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07.07.2009 · IWW-Abrufnummer 091884

Amtsgericht Heidenheim: Urteil vom 11.09.2008 – 8 C 711/08

Überschreitet ein Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Eintritts des Kaskoschadens die von ihm gewählte Fahrleistung von maximal 12.000 km deutlich, indem er nach knapp sechs
Monaten schon mehr gefahren ist, als er im gesamten Jahr hätte fahren dürfen, so begegnet die vom Versicherer gewählte Vertragsstrafe von 500 € für die Nichtanzeige der
Überschreitung der gewählten Fahrleistung keinen rechtlichen Bedenken. Wenn die Vertragsstrafe nur unwesentlich höher wäre als die nächst höhere Prämie, bestünde die Gefahr, dass ein Versicherungsnehmer auf Unfallfreiheit hofft und keine Anzeige erstattet.
Dann hat aber der Versicherer keine Möglichkeit, die Laufleistung und damit die Rechtfertigung der niedrigeren Prämie zu überprüfen.


8 C 711/08
11.09.2008

Amtsgericht Heidenheim

Im Namen des Volkes

Urteil

In Sachen

wegen Forderung

hat das Amtsgericht Heidenheim an der Brenz durch XXX gemäß § 495a ZPO am 11.09.2008 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gebührenstreitwert: 483,54 Euro

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache selbst aber keinen Erfolg.

Das angerufene Amtsgericht Heidenheim ist örtlich zuständig, da sich im hiesigen Bezirk der allgemeine Gerichtsstand der Klägerin nach § 12 ZPO i.V.m. § 215 Abs. 1 VVG befindet. Es handelt sich um eine Klage aus dem Versicherungsvertrag, da die Beklagte eine Restforderung aus der Kaskoversicherung geltend macht, die ihrer Meinung nach zu Unrecht zurückbehalten wurde. Das neue VVG gilt seit 01.01.2008. Verträge, die vor diesem Datum abgeschlossen wurden, sind nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG bis 31.12.2008 nach altem Recht zu beurteilen. Diese Regelung stellt eine Ausnahme von der allgemeinen Inkrafttretensregelung in Art. 12 des Reformgesetzes dar. Die versicherungsrechtlichen Gerichtsstände nach § 215 VVG 2008 bzw. vormals § 48 VVG a.F. sind keine versicherungsvertraglichen Regelungen, sondern gerichtliche Zuständigkeitsvorschriften, die lediglich aus Gründen des Sachzusammenhangs nicht in der ZPO, sondern im VVG geregelt wurden. Ihre zeitliche Geltung bestimmt sich daher nicht nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG, sondern es sind insoweit die allgemeinen Vorschriften in Artikel 12 des Reformgesetzes anwendbar. Die Klägerin kann sich folglich auf den neuen § 215 Abs. 1 VVG berufen.

Die Klage ist unbegründet.

Die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe nach § 339 BGB ist nicht unverhältnismäßig hoch im Sinne von § 343 BGB. Die Frage, wie hoch eine Vertragsstrafe bemessen sein darf, um ihrer Funktion als Druckmittel gerecht zu werden, muss unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden ( BGH, NJW 1983, 942). Es ist einerseits das Interesse der Beklagten an der Einhaltung der vereinbarten Fahrleistung zu berücksichtigen. Andererseits ist das Interesse der Klägerin daran, dass ihr Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Anzeigepflicht im Verhältnis zur Strafe stehen muss, zu berücksichtigen. Das Interesse der Beklagten an Einhaltung der Fahrleistung folgt daraus, dass die Kilometerleistung das Haftungsrisiko der Beklagten mit beeinflusst. Je mehr jemand fährt, desto höher ist das Unfallrisiko. Aus diesem Grund hängt die Jahresprämie der Beklagten von der gewählten Laufleistung ab. Die Vertragsstrafe muss nach Auffassung des Gerichts deutlich über der Prämiendifferenz zur nächsten Kilometerklasse liegen, wenn sie ihre Funktion als Druckmittel erfüllen soll. Der Unterschied zwischen der von der Klägerin gewählten Kilometerleistung und der nächst höheren Klasse beträgt prämienmäßig bereits 94,95 Euro. Eine Vertragsstrafe muss folglich deutlich über 100 Euro liegen, damit für den Versicherungsnehmer ein Anreiz zur Anzeige bei Überschreiten der gewählten Kilometerleistung besteht. Wenn die Vertragsstrafe nur unwesentlich höher wäre, als die nächst teurere Prämie, bestünde die Gefahr, dass ein Versicherungsnehmer auf die Unfallfreiheit hofft und keine Anzeige erstattet. Die Beklagte hat aber ohne Anzeige keinerlei Möglichkeit, die Laufleistung und damit die Rechtfertigung der niedrigeren Prämie zu überprüfen.

Die von der Beklagten gewählte Vertragsstrafe von 500 Euro ist nach Auffassung des Gerichts generell geeignet die Funktion als Druckmittel zu erfüllen und auch nicht unverhältnismäßig hoch. Dies gilt umso mehr, wenn man die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Nach dem unbestritten gebliebenen Klägervortrag hatte die Beklagte die von ihr gewählte Fahrleistung von maximal 12 000 km deutlich überschritten, als der Kaskoschaden eintrat. Sie war nach knapp sechs Monaten schon mehr gefahren, als sie im gesamten Jahr hätte fahren dürfen. Auch ohne die Türkeireise wäre eine Überschreitung der zulässigen Kilometerzahl unmittelbar bevorgestanden. Der Verstoß der Klägerin gegen ihre Anzeigepflicht wiegt damit schwerer, als wenn nur eine ganz geringfügige Überschreitung kurz vor Ablauf der Jahresfrist vorliegen würde. Es wäre der Klägerin ohne großen Aufwand mit einem einzigen Telefonanruf möglich gewesen, die Kilometerleistung zu ändern. Selbst, wenn die Klägerin vorgehabt haben sollte, den PKW über den Winter stillzulegen, bliebe eine deutliche Überschreitung der Kilometerleistung bestehen.

Gegen die Angemessenheit der Vertragsstrafe spricht nicht, dass die Vertragsstrafe generell auf 500 Euro festgesetzt ist und nicht nach Einzelfallkriterien differenziert. Das Gericht kann sich nicht vorstellen, welche Kriterien dies sein sollten. Es ist ihm auch nicht ersichtlich, weshalb eine Einzelfallbeurteilung notwendig sein sollte. Die Vertragsstrafe von 500 Euro ist nach Auffassung des Gerichts für einen Versicherungsnehmer überschaubar und durchaus verhältnismäßig im Hinblick auf die Kosten, die einem Autofahrer generell durch Versicherungen und Steuern entstehen.

Insgesamt ist somit festzustellen, dass die Vertragsstrafe nicht herabzusetzen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO sind nicht ersichtlich.

RechtsgebieteVVG, BGBVorschriftenVVG § 215; BGB § 339; BGB § 343

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