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04.08.2009 · IWW-Abrufnummer 092473

Landgericht Dortmund: Urteil vom 15.04.2009 – 22 O 71/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Dortmund

22 O 71/08

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger nach einem Streitwert in Höhe von 5.572,81 € auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitsleistung in gleicher Höhe leistet.

T a t b e s t a n d

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Fahrzeugvollversicherung in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 18.6.2007 einen Pkw BMW 535 D (Kennzeichen: #-# ###) von der N GmbH zu einem Kaufpreis von 33.000,00 € brutto bei einem Kilometerzählerstand von 181.500 . Wegen der Einzelheiten des schriftlichen Kaufvertrages und der Rechnung, in denen jeweils die Firma P des Bruders des Klägers als Käufer angegeben ist, wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 25.04.2008 (Blatt 94 f. d. A.) Bezug genommen. Kurz nach dem Kauf baute der Kläger einen anderen Tacho ein, welcher einen deutlich niedrigeren Kilometerstand anzeigte.

Er behauptet, er habe den Pkw, der in seinem Eigentum stehe, am 20.08.2007 auf dem U-platz in L abgestellt. Er habe sich dann mit dem Zeugen P2 getroffen, mit dem er zunächst das City-Center und dann die Innenstadt besucht habe. Bei seiner Rückkehr zu dem Pkw gegen 21.00 Uhr habe er festgestellt, dass dieser aufgebrochen worden sei. Die Seitenscheibe sei eingeschlagen, die Tür beschädigt gewesen. Das Navigationssystem einschließlich des Telefons sei entwendet worden.

In dem von ihm am 24.08.2007 ausgefüllten "Fragebogen zum Diebstahlschaden" der Beklagten (Anlage zur Klageerwiderung, Blatt 49 ff. d. A.) gab der Kläger den "KM-Stand am Schadentag" und die "gesamte Laufleistung des Kfz in Kilometern am Schadentag" mit "ca 59.500" und "ca. 59.450 km" an. Die Frage "Wann und zu welchem Preis wurde das Fahrzeug angeschafft?" beantwortete er mit "18.06.07" und "36.000,00 €". Auf die Frage "Wurden Ihnen schon früher Fahrzeuge entwendet oder waren sie schon einmal von einem Teilediebstahl betroffen?" gab er "Nein" zur Antwort.

Auf Grundlage der Gutachten X und F (Anlagen K 2 und K 3 zur Klageschrift, Blatt 10 ff. d. A.) macht der Kläger einen Entschädigungsbetrag von 6.072,81 € geltend, auf den er sich die Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 € anrechnen lässt.

Er beantragt daher,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.572,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.12.2007 sowie weitere 546,69 € (außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.03.2008 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet den Versicherungsfall. Einige der geltend gemachten Schäden seien technisch mit dem behaupteten Einbruch nicht in Einklang zu bringen.

Die Beklagte beruft sich ferner auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung (Falschangaben zu Kilometerlaufleistung, Kaufpreis, früheren Entwendungen und Zeugen).

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 1 VVG a.F. in Verbindung mit §§ 12, 13 AKB. Denn die Beklagte ist unabhängig vom Vorliegen des behaupteten Versicherungsfalles wegen Obliegenheitsverletzungen des Klägers leistungsfrei geworden, § 7 AKB; § 6 Abs. 3 VVG a.F..

Der Kläger hat objektiv die Obliegenheit aus § 7 AKB verletzt, wonach der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann.

1.
Unstreitig hat er die für die Wertbemessung relevante Frage nach der Laufleistung falsch beantwortet, indem er in das Schadensanzeigeformular anstelle der jedenfalls zurückgelegten 181.500 km lediglich 29.500 km eingetragen hat. Bei dieser gravierenden Abweichung vermag das hinzugefügte "ca." die Bewertung der Angabe als falsch nicht auszuschließen.

Der Kläger hat auch die aus § 6 Abs. 3 VVG a.F. folgende Vorsatzvermutung nicht widerlegt. Vielmehr sprechen vorliegend sämtliche Umstände dafür, dass der Kläger, mit dem die Verständigung in der deutschen Sprache völlig problemlos war, die falsche Angabe zur Laufleistung des Kfz vorsätzlich, wenn nicht gar arglistig machte. Hierbei ist zunächst die Fragestellung in dem Formular von Bedeutung, nach der es ausgeschlossen erscheint, ein Versicherungsnehmer könnte annehmen, es werde lediglich nach dem von dem Tacho ablesbaren Kilometerstand gefragt. Der Versicherungsnehmer ist daher bei dieser Ausgestaltung des Formulars gezwungen, eine etwaige Abweichung des Tachostandes von der tatsächlichen Laufleistung des Kfz zu offenbaren. Soweit der Kläger sich damit zu verteidigen sucht, er habe vor der Ausfüllung des Formulars schlecht geschlafen und eine Nachtschicht zu absolvieren gehabt, so vermag ihn dies nicht zu entlasten, denn der erst wenige Monate vor dem Schadensfall von ihm vorgenommene Austausch des Tachos musste ihn veranlasst haben, mehr über die Angaben zum Kilometerstand bzw. der Laufleistung zu reflektieren. Dass der Kläger aufgrund von Konzentrationsschwächen gehindert war, zutreffende Angaben zu machen, nimmt das Gericht ihm nicht ab. Vielmehr liegt es nahe, dass der Kläger den Austausch des Tachometers nicht gegenüber der Beklagten offenbaren wollte um Schwierigkeiten bei der Regulierung zu vermeiden.

Für ein vorsätzliches Handeln des Klägers spricht ferner das Vorliegen weiterer Falschangaben zum Kaufpreis und früheren Entwendungen, welche ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Obliegenheitsverletzung zu würdigen sind (dazu unten 2. und 3.).

Auch die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit nach der Relevanzrechtsprechung des Bundesgerichtshofes (VersR 1998, 447; 2004; 1117) sind erfüllt. Die Obliegenheitsverletzung war generell geeignet, die Interessen der Beklagten ernsthaft zu gefährden.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Abweichungen der Kilometerleistung von mehr als 10 % generell geeignet sind, die berechtigten Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden; denn es liegt auf der Hand, dass sich eine solche Kilometerdifferenz nicht nur marginal auf den Wert auswirkt (OLG Saarbrücken RuS 2005, 322; OLG Köln, RuS 2000, 145; OLG Hamm RuS 1997, 1; Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 30, Rn. 177 m.w.N.). Etwas anderes folgt vorliegend nicht aus dem Umstand, dass der Kläger lediglich Reparaturkosten in Höhe von ca. 6.000,00 € geltend macht. Denn nach § 13 (5) AKB in Verbindung mit § 13 (1), (3) AKB ist die Höhe des Anspruches auf die Differenz zwischen Widerbeschaffungswert und Restwert begrenzt. Daher ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine erheblich höhere Laufleistung zu einem deutlich niedrigeren Wiederbeschaffungswert führt und damit ein Anspruch auf den vollen Betrag, der für die Reparaturen nach den Gutachten erforderlich ist, nicht besteht. Dabei ist es unerheblich, dass der Gutachter X von einem "eindeutigen Reparaturschaden" ausgeht. Denn das Gutachten beruhte auf der unzutreffenden Kilometerangabe des Klägers.

Es handelte sich vorliegend auch nicht um ein Fehlverhalten, dass einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen könnte und für das deshalb ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringen müsste.

Der Kläger ist auch hinreichend über die Folgen falscher Angaben aufgeklärt worden. Er ist in dem Formular hinreichend belehrt worden, dass bewusst unwahre oder unvollständige Angaben zum Anspruchsverlust führen können, auch wenn der Beklagten hierdurch keine Nachteile entstehen. Die Belehrung befindet sich fettgedruckt direkt über dem Unterschriftenfeld des Formulars und war damit für den Kläger deutlich wahrnehmbar.

2.
Daneben besteht Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung hinsichtlich der Falschangabe des Kaufpreises. Auch unrichtige Angaben zum Kaufpreis eines Fahrzeuges gegenüber dem Versicherer stellen eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit dar, welche grundsätzlich zur Leistungsfreiheit führt (BGH VersR 1976, 849; OLG Hamm VersR 1997, 997; OLG Saarbrücken NJOZ 2006, 1996). Auch hier hat der Kläger die Vorsatzvermutung nicht widerlegen können. Gegen den von ihm reklamierten Schreibfehler spricht vielmehr, dass er – wie er einräumte – die Rechnung zu dem Kaufvertrag mit der N GmbH bei der Ausfüllung des Formulars daneben liegen hatte. Dass er sich bei dieser Sachlage verschrieben hat, erscheint zwar nicht unmöglich, jedoch eher unwahrscheinlich vor dem Hintergrund der positiv festzustellenden vorsätzlichen Falschangabe hinsichtlich der Laufleistung des Kfz (siehe oben).

Auch hier sind die weiteren Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung gegeben. Die Angabe des Kaufpreises ist nicht nur in den Fällen für die Ermittlung der Höhe der Entschädigung bedeutsam, in denen das Fahrzeug gestohlen wurde und deshalb nicht mehr für eine Begutachtung zur Verfügung steht. Der Kaufpreis kann auch dann, wenn – wie hier – das Fahrzeug einer Besichtigung noch zugänglich ist, Hinweise auf für einen Gutachter nicht leicht erkennbare Mängel oder durchgeführte Reparaturen geben. Eine Differenz von dem sich aus der sogenannten "Schwacke-Liste" ergebenden und zu erwartenden Kaufpreis zu dem tatsächlichen Kaufpreis kann für den Versicherer Anlass sein, die Werthaltigkeit des Pkws, gegebenenfalls durch entsprechende Hinweise an den Sachverständigen, näher zu überprüfen. Eine solche Differenz kann insbesondere auch Anlass sein, die Übereinstimmung von tatsächlicher Laufleistung und Anzeige des Tachos zu überprüfen.

Den Kläger trifft auch ein erhebliches Verschulden. Von einem Fehlverhalten, dass auch einem ordentlichen Versicherungsnehmer leicht unterlaufen kann und für das ein einsichtiger Versicherer Verständnis aufbringen muss, kann in Anbetracht der Vielzahl von Falschangaben keine Rede sein.

3.
Letztlich liegt eine Obliegenheitsverletzung noch in der falschen Beantwortung der Frage nach früheren Entwendungen. Der Kläger hat die unmissverständliche Frage falsch beantwortet. Eine Einschränkung der Frage auf solche Entwendungsfälle, welche durch einen Versicherer reguliert wurden, lässt sich der Formulierung nicht entnehmen. Der Kläger hat auch die Vorsatzvermutung nicht widerlegen können. Soweit er geglaubt haben will, er müsse frühere Entwendungen nicht angeben, wenn diese nicht zu einer Versicherungsleistung geführt hätten, so ist das Gericht von der Richtigkeit dieser Angabe nicht überzeugt. Der Wortlaut der Frage bietet hierfür auch keinen Anhaltspunkt. Auch vor dem Hintergrund der Vielzahl der Falschangabe vermag das Gericht der Einlassung des Klägers hier nicht zu folgen.

Auch die Voraussetzungen der Relevanzrechtsprechung sind vorliegend erfüllt. Falsche Angaben zu einer früheren Entwendung eines Fahrzeugs sind generell dazu geeignet, die Interessen des Versicherers zu gefährden (OLG Düsseldorf NJOZ 2007, 3439; OLG Köln NVersZ 2002, 568). Die vorsätzliche Obliegenheitsverletzung ist hier auch nicht entschuldbar. Es liegen keine Umstände vor, die den Obliegenheitsverstoß des Klägers in einem milderen Licht erscheinen lassen.

Soweit der Kläger pauschal eingewandt hat, er könne nicht bestätigen, dass dem Vertrag "irgendwelche AKB zugrunde liegen", bei Vertragsschluss und danach seien ihm Bedingungen nicht bekannt gegeben worden, so ist dies nicht erheblich. Denn der Kläger ist dem konkreten Sachvortrag der Beklagten, wonach der Kläger den Versicherungsschein mit den AKB übersandt erhalten hat, nicht mehr entgegengetreten.

Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf
den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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