12.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100844
Landgericht Kiel: Beschluss vom 28.01.2010 – 36 Qs 9/10
Das Entstehen der Gebühr Nr. 4102 Ziff. 4. VV RVG setzt nicht das Vorliegen eines institutionalisierten Täter-Opfer-Ausgleichs-Verfahrens nach § 155a StPO voraus. Vielmehr ist es ausreichend, dass Verhandlungen zum Täter-Opfer-Ausgleich stattgefunden haben, in welcher Form auch immer.
36 Qs 9/10 LG Kiel
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Körperverletzung
hat die 6. große Strafkammer des Landgerichts Kiel durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter am 28.01.2010 beschlossen :
Unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 18. November 2009 wird auf die Beschwerde des Verteidigers vom 21. Dezember 2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 26. November 2009 (dem Verteidiger am 09. Dezember 2009 zugegangen), die auch am gleichen Tage bei Gericht eingegangen ist, der Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 26. November 2009 aufgehoben
Das Amtsgericht Neumünster wird angewiesen, den Kostenfestsetzungsantrag des Beschwerdeführers vom 23 Oktober 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu bescheiden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse.
Gründe
Nachdem das Amtsgericht im Beschluss vorn 26. November 2009 die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung anstehenden Frage zugelassen hat, steht der Beschwerde die Nichterreichung des Beschwerdewertes nicht entgegen. Im Übrigen ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt.
In der Sache selbst war zu Gunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden.
Entscheidend für das Entstehen der Gebühr Nr. 4102 ist, ob tatsächlich ein Täter-OpferAusgleich stattgefunden hat.
Dieser ist nach § 46 a StGB als "Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich)" definiert. Ein Hinweis auf das institutionalisierte Verfahren nach § 155 b StPO fehlt; mithin kann das Vorliegen eines Täter-Opfer Ausgleichs-Verfahren nicht davon abhängen, ob die formellen Voraussetzungen des § 155b StPO erfüllt sind.
Daraus folgt, dass die Initiative zum Täter-Opfer-Ausgleich nicht von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht, sondern vom Beschuldigten selbst oder seinem Verteidiger oder vom Verletzten ausgehen kann. In diesem Sinne ist dann die Ziff. 4102, Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, zu verstehen. Haben Verhandlungen zum Täter-OpferAusgleich stattgefunden (in welcher Form auch immer) so sind etwa beteiligte Verteidiger — auch Pflichtverteidiger — nach Nr. 4102 Ziff. 4, Anlage 1 zum RVG, zu honorieren (vergl. Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 155 a Rdnr. 3 StPO).