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15.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101149

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 29.01.2009 – 6 K 2756/07

Zum Vertrauensschutz nach Treu und Glauben außerhalb einer verbindlichen Zusage.


Finanzgericht Rheinland-Pfalz 29.01.2009

6 K 2756/07

Tatbestand
Strittig ist der Vertrauensschutz aus einer Auskunft.

Die Klägerin ist Dipl.-Psychologin und betreibt eine psycho-therapeutische Praxis in M. Daneben erstellt sie für Familiengerichte psychologische Gutachten zur Frage des Sorge- und Umgangsrechts, in denen auch die Frage nach der Erziehungsfähigkeit eines Elternteils oder beider Elternteile zu beurteilen sein kann sowie aussagepsychologische Gutachten in Strafverfahren für die Staatsanwaltschaft oder auch für Familiengerichte, die die Feststellung der Aussagetüchtigkeit eines meist kindlichen Zeugen und die Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit seiner Aussage zum Gegenstand haben.

Auf telefonische Anfragen und am Beispiel zweier von ihr erstellter Sachverständigengutachten erteilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 2. Januar 1997 die Auskunft, dass nach Aktenlage die Umsatzsteuerfreiheit für die Gutachtertätigkeit gem. § 4 Nr. 14 UStG und Abschn. 88 UStR gegeben sei. Der Auskunft ist die Einschränkung angefügt, dass eine verbindliche Auskunft leider nicht erteilt werden könne, da die Voraussetzungen nach § 204 AO nicht erfüllt seien (Blatt 1 der Umsatzsteuerakte). Das Schreiben wurde vom Mitarbeiter des Veranlagungsbezirks unterschrieben (Blatt 53 der Prozessakte).

Die Klägerin stellte in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen ihre Rechnungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer aus, gab entsprechend keine Umsatzsteuererklärungen ab und erklärte in ihren Einkommensteuererklärungen die Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit.

Bei der Veranlagung 2002 notierte der Sachbearbeiter des Beklagten auf der der Einkommensteuererklärung 2002 beigefügten Einnahme-Überschussrechnung der Klägerin zu den Einnahmen aus schriftlichen Gutachten den Vermerk „USt-Pflicht?” und brachte den Vermerk „Bp melden” an (Blatt 19 der Bilanzakte). Vom veranlagenden Teilbezirk des Beklagten wurde der Steuerfall mit der Bitte um Durchführung einer Außenprüfung vom 10. März 2003 der zuständigen Betriebsprüfungsstelle beim Finanzamt M gemeldet (Blatt 1 der Bp-Berichtsakte). Dem Teilbezirk wurde die Vormerkung der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 für das Kalenderjahr 2006 mitgeteilt (Blatt 1 Rs der Bp-Berichtsakte).

Im Frühjahr/Sommer 2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 statt, bei der auch die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer geprüft wurden (Prüfungsanordnung vom 9. März 2006, Blatt 4 der Bp-Berichtsakte). Hinsichtlich der Gutachtertätigkeit der Klägerin war die Betriebsprüferin der Auffassung, dass diese umsatzsteuerpflichtig sei, weil in den Gutachten eventuell ausgesprochene therapeutische Empfehlungen nicht Hauptzweck des vom Gericht erteilten Auftrages seien und daher nicht ein therapeutisches Ziel im Vordergrund stehen würde (Textziffer 2.1 des Prüfungsberichts vom 29. November 2006, Blatt 76, 77 der Bp-Berichtsakte).

Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüferin und erließ am 1. Februar 2007 erstmalige Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2004. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 zum Ruhen gebracht und hinsichtlich des Streitjahres mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt vor, die Umsatzsteuerfestsetzung würde gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, weil diese im Widerspruch zu der verbindlichen Auskunft vom 2. Januar 1997 stünden und sich der Beklagte hierdurch in einen von der Rechtsordnung nicht hinnehmbaren Widerspruch zu seinem bisherigen Verhalten insgesamt gesetzt hätte. Sie habe sich im Vorfeld der Auskunft mehrfach persönlich und telefonisch an den Beklagten gewandt, um die Frage zu klären, ob sie in ihren Rechnungen Umsatzsteuer ausweisen und Umsatzsteuererklärungen abgegeben müsse. Sie hätte dabei für den Beklagten erkennbar eine entsprechende verbindliche Auskunft begehrt, um Rechtssicherheit zu erlangen. Der Veranlagungsbeamte hätte sie dann um Vorlage von Mustergutachten gebeten, um den Sachverhalt einem Gremium beim Beklagten zur Entscheidung zu unterbreiten. Daraufhin habe sie entsprechende Mustergutachten vorgelegt und der Beklagte hätte dann die Auskunft vom 2. Januar 1997 erteilt, nach der sie sich gerichtet hätte. Der Sachbearbeiter habe ihr hierzu telefonisch mitgeteilt, die Auskunft sei alles, was er für sie tun könne. Der Beklagte hätte durch die Auskunft und die nachfolgenden entsprechenden Veranlagungen eine schutzwürdige Vertrauensposition geschaffen, die sie zu unwiderruflichen Dispositionen veranlasst hätte, nämlich ihre Gutachterleistungen ohne Umsatzsteuer zu berechnen und ihre Rechnungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer auszustellen. Der Beklagte verkenne, dass trotz des Prinzips der Abschnittsbesteuerung ein Veranlagungszeitraum keine allgemeine zeitliche Grenze für die Geltung von Treu und Glauben bilden würde. Die schriftliche Auskunft vom 2. Januar 1997 sei nach ihrem maßgeblichen objektiven Erklärungswert aus Empfängersicht und unter Berücksichtigung der für beide Seiten erkennbaren Umstände als verbindliche Zusage anzusehen, ihre Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit bis zu einem entsprechenden Widerruf umsatzsteuerfrei zu belassen. Die Verbindlichkeit des Schreibens würde sich aus dem insoweit unmissverständlichen Text und dem Umstand ergeben, dass aus ihrer Sicht die Einschränkung am Schluss des Schreibens als bedeutungslose Formel erscheinen musste, denn eine Außenprüfung hätte für beide Seiten bekannterweise ja nicht stattgefunden. Zudem sei dem Beklagten aufgrund ihres fortgesetzten Drängens auf eine Auskunft, nach der sie sich bei der steuerlichen Behandlung richten könne, klar gewesen, dass sie an die Auskunft entsprechende Dispositionen knüpfe. Sie sei in ihrem Vertrauen auf die Verbindlichkeit des Schreibens auch durch das anschließende Verhalten des Beklagten nachhaltig bestätigt worden und es sei zu berücksichtigen, dass nicht etwa über einen komplizierten Sachverhalt aus dem Bereich der Steuergestaltung, sondern über einen alltäglichen Fall der Rechtsanwendung Auskunft erteilt worden wäre. Der Beklagte hätte die erteilte Auskunft nachhaltig bestätigt, da er diese weder widerrufen noch sonst in Frage gestellt oder eingeschränkt hätte. Der Beklagte hätte sie durch das Unterlassen von Rückfragen oder der Übersendung entsprechender Vordrucke zur Abgabe von Umsatzsteuer-Erklärungen in ihrem Vertrauen auf die Geltung der Auskunft bestärkt, zumal sie den Beklagten in ihren Jahresabschlüssen und Einkommensteuererklärungen jährlich über ihre Einnahmen aus der Gutachtertätigkeit informiert hätte. Das Gesamtverhalten des Beklagten hätte damit nach Treu und Glauben eine Bindungswirkung ausgelöst, die einer Steuererhebung nunmehr entgegenstünde. Sie hätte persönlich auch keinen Vorteil aus der Behandlung ihrer Gutachterleistungen als umsatzsteuerfrei gezogen, da sie andernfalls die Umsatzsteuer problemlos hätte weiterberechnen können, wenn der Beklagte ihr rechtzeitig die Umsatzsteuerpflicht ihrer Gutachterleistungen mitgeteilt hätte (vgl. Auskunft des Amtsgerichts Weilburg vom 13. Juni 2006, Blatt 29 der Bp-Berichtsakte). Der Beklagte hätte ihr aber die Änderung seiner Auffassung zur steuerlichen Behandlung auch erst so spät im Nachhinein zu erkennen gegeben, dass eine Berichtigung ihrer Rechnungen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen wäre.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 1. Februar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 29. November 2007 aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, seine Auskunft vom 2. Januar 1997 hätte mit der damaligen Regelung in Abschn. 88 UStR in Einklang gestanden und würde keine verbindliche Auskunft im Sinne von §§ 204 ff AO darstellen. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Treu und Glauben berufen, da allein die Entgegennahme der von ihr eingereichten Einkommensteuererklärungen mit den dazugehörigen Einnahmen-Überschussrechnungen und die erklärungsgemäße Veranlagung durch ihn kein schutzwürdiges Vertrauen begründen würde. Ein schützenswertes nachhaltiges Vertrauen in den Fortbestand einer früheren Rechtsauffassung sei nämlich nur dann und so lange gegeben, als der Steuerpflichtige nicht mit einer Änderung hätte rechnen oder ihm zumindest hätten Zweifel kommen müssen. Derartige Zweifel hätten sich der steuerlich beratenen Klägerin jedoch im Hinblick auf die Schreiben des BMF vom 13. Februar 2001 und 8. November 2001 stellen müssen, nach denen bestimmte Umsätze im Zusammenhang mit der Erstellung ärztlicher Gutachten, die nach der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 88 UStR unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 14 UStG gefallen seien, im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 14. September 2000 abweichend von der bisherigen Regelung nunmehr ab dem Kalenderjahr 2002 als steuerpflichtig zu behandeln seien. Aus diesen Gründen käme auch eine Billigkeitsmaßnahme nicht in Betracht.



Gründe
Die Klage ist begründet.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann der Begriff der „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie nicht so ausgelegt werden, dass er medizinische Eingriffe umfasst, die zu einem anderen Zweck als dem der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen durchgeführt werden. Vielmehr müssen gemäß dem Grundsatz, dass sämtliche Bestimmungen zur Einführung einer Umsatzsteuerbefreiung eng auszulegen sind, die Leistungen, die keinem solchen therapeutischen Ziel dienen, vom Anwendungsbereich des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie ausgeschlossen werden und unterliegen somit der Umsatzsteuer (vgl. EuGH-Urteil vom 14. September 2000 - C-384/98, Slg. 2000, I-06795).

Nach Ergehen des vorgenannten EuGH-Urteils hat das BMF mit Schreiben vom 13. Februar 2001 (IV D 1 - S 7140 - 4/01, BStBl 2001 I S. 157) darauf hingewiesen, dass abweichend von der bisherigen Regelung in Abschn. 88 Abs. 3 der UStR die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei ist, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.

Die Rechtslage stellt sich nunmehr nach Ergehen des vorgenannten EuGH-Urteils so dar, dass die von der Klägerin für Gerichte erstellten psychologischen Gutachten nicht umsatzsteuerfrei sind, da ein therapeutisches Ziel bei den Gutachten jedenfalls nicht im Vordergrund steht. Aufgrund dieser Rechtslage und den entsprechenden Verwaltungsanweisungen des BMF hat der Beklagte die gutachterliche Tätigkeit der Klägerin in den Veranlagungszeiträumen 2002 bis 2004 zutreffend als umsatzsteuerpflichtig angesehen.

Der Beklagte war aber dennoch an der streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert. Die Klägerin kann sich zwar nicht allein auf Grund der Auskunft vom 2. Januar 1997 auf Vertrauensschutz berufen. Ebenso kann sich die Klägerin nicht allein aus den Veranlagungen der Veranlagungszeiträume 1997 bis 2001 entsprechend dieser Auskunft auf Vertrauensschutz berufen. Auch allein aus Unterlassen eines Hinweises durch den Veranlagungsbezirk im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2002 an die Klägerin, dass nunmehr die Umsatzsteuerpflicht ihrer Gutachtertätigkeit in Frage steht, ist kein Vertrauensschutz für die Klägerin gegeben. Schließlich ergibt sich auch kein Vertrauensschutz für die Klägerin allein aus dem Umstand, dass die Veranlagungen 2002 bis 2004 ebenfalls ohne Aufforderung durch den Beklagten, Umsatzsteuererklärungen einzureichen, durchgeführt wurden. Vertrauensschutz kann die Klägerin aber aus dem Zusammenwirken dieser Umstände beanspruchen.

Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt. Er wird unmittelbar aus der Gerechtigkeitsidee abgeleitet und ist ungeschriebenes Recht mit Rechtsquelleneigenschaft. Der Grundsatz von Treu und Glauben gibt nur Richtlinien, aus denen nach den Umständen des Einzelfalles Tatbestand und Rechtsfolgen hergeleitet werden müssen. Er kann damit zwar unter Verdrängung des gesetzten Rechts an dessen Stelle zur selbständigen Rechtsgrundlage werden, die allein die Entscheidung des Streitfalles trägt. Das kann aber nicht bedeuten, dass der Grundsatz von Treu und Glauben Steueransprüche und -schulden zum Entstehen oder zum Erlöschen bringt; er kann allenfalls das Steuerrechtsverhältnis modifizieren und verhindern, dass eine Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden darf. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt nach der Rechtsprechung des BFH regelmäßig voraus, dass sich der Steuerpflichtige und die Verwaltungsbehörde als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstehen. Das ist im Steuerrecht nur der Fall, wenn ein -konkretes- Steuerrechtsverhältnis besteht. Nur in einem solchen Steuerpflicht- und/oder Steuerschuldverhältnis i.S.d. §§ 33ff AO kann sich eine für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben maßgebende Vertrauenssituation herausbilden. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren -nachhaltigen- Verhalten nicht in Widerspruch setzt, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann indes nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 - I R 181/85, BStBl 1989 II S. 990).

a) Das Finanzamt kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sein, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen. Voraussetzung für eine Bindung in solchen Fällen ist allerdings, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, so von der auskunftserteilenden Person verstanden wurde und offensichtlich ist, dass von der Auskunft gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen. Weitere Voraussetzung ist, dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1989 - X R 208/87, BStBl 1990 II S. 274). Derartige Zusagen binden die Finanzverwaltung, solange sich die Rechtslage nicht ändert. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn weder eine Gesetzesänderung erfolgt ist, noch die Rechtsprechung sich zu der die Zusage betreffenden Rechtsfrage geändert hat (vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Dezember 1995 - 2 K 2902/94 , EFG 1997, 328).

Im Streitfall steht einer Bindung des Beklagten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auf Grund der Auskunft vom 2. Januar 1997 entgegen, dass diese Auskunft ausdrücklich als nicht verbindlich bezeichnet worden war, diese nicht vom zuständigen Sachgebietsleiter bzw. dem Vorsteher erteilt worden war und sich die Rechtslage ab dem Veranlagungszeitraum 2002 geändert hat.

Denn der Grundsatz von Treu und Glauben kann zwar unter Umständen dazu führen, dass die Finanzverwaltungsbehörden sich an Zusagen, die ein zuständiger Beamter über die künftige Erledigung rechtlich zweifelhafter Tatbestände gemacht hat, halten müssen. Voraussetzung ist aber vor allem, dass der Beamte eine bindende Zusage geben wollte und gegeben hat. Denn es ist mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung -Art. 20 Abs. 3 GG- und dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung -Art. 3 GG- unvereinbar, die Verwaltungsbehörden dazu zu zwingen, eine dem Gesetz widersprechende Besteuerung vorzunehmen, nur weil ein Beamter eine falsche Rechtsauffassung über die weitere Behandlung des Steuerfalls dem Steuerpflichtigen gegenüber geäußert hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1960 - VI 157/60 U, BStBl 1961 III S. 141). Auch bei anderen als im Anschluss an eine Außenprüfung erteilten Auskünften mit bindender Wirkung ist Voraussetzung, dass der zuständige Sachgebietsleiter oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat. Eine solche Zusage kann auch dann keinen verpflichtenden Charakter haben, wenn der Steuerpflichtige den Erklärenden für den zuständigen Auskunftsbeamten halten konnte (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007 - IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089). Für die Verbindlichkeit der Auskunft ist erforderlich, dass das Finanzamt diese ohne Einschränkung als verbindliche Zusage erteilt hat (vgl. BFH-Urteil vom 16. November 2005 - X R 3/04, BStBl 2006 II S. 155).

Die Auskunft vom 2. Januar 1997 ist der Klägerin aber mit dem einschränkenden Zusatz erteilt worden, dass eine verbindliche Auskunft leider nicht erteilt werden kann, da die Voraussetzungen nach § 204 AO nicht erfüllt sind. Soweit die Rechtsprechung die Erteilung verbindlicher Auskünfte über den Wortlaut des § 204 AO hinaus als möglich erachtet, so verlangt sie das Bewusstsein beim Finanzamt, dass die außerhalb einer Außenprüfung erteilte Auskunft verbindlich sein soll. Dies ist im Streitfall durch die ausdrückliche Einschränkung aber nicht gegeben.

Die Auskunft ist der Klägerin auch nicht vom zuständigen Sachgebietsleiter bzw. vom Vorsteher erteilt worden. Nach der vom Gericht beim Beklagten angeforderten Stellungnahme handelt es sich bei dem Beamten, der das Schreiben vom 2. Januar 1997 unterzeichnet hat, um einen Mitarbeiter des Veranlagungsbezirks.

Schließlich hat sich nach Erteilen der Auskunft vom 2. Januar 1997 auch die Rechtslage geändert. Der Beklagte hat sich in seiner Auskunft vom 2. Januar 1997 auf die Regelung des Abschn. 88 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 UStR gestützt. Nach der damals gültigen Fassung der Umsatzsteuerrichtlinien war die Tätigkeit als Arzt steuerfrei, wobei zur Ausübung der Heilkunde u.a. jede Maßnahme gehörte, die der Feststellung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen dient und worunter auch u.a. die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand eines Menschen oder über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung oder zwischen einer früheren Erkrankung und dem jetzigen körperlichen oder seelischen Zustand, sowie Alkoholgutachten, Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse, über die Berufstauglichkeit, über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten und in Schadensersatzprozessen, fielen. Nach der Richtlinienregelung, auf der die im Schreiben vom 2. Januar 1997 geäußerte Rechtsauffassung des Beklagten beruht, waren die von der Klägerin erstellten Gutachten umsatzsteuerfrei.

Nach dem Urteil des EuGH vom 14. September 2000 (Rs. C 384/98, Slg. I 2000, 6795) waren durch BMF-Schreiben vom 13. Februar 2001 (IV D 1 S 7140-4/01, a.a.O.) die nachgeordneten Finanzbehörden angewiesen, abweichend von der bisherigen Regelung in Abschn. 88 UStR die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei zu belassen, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Nach dieser Änderung der Rechtslage auf Grund des Urteils des EuGH und der nachfolgenden Anweisung des BMF war der Auskunft des Beklagten vom 2. Januar 1997 jedenfalls die Grundlage entzogen.

b) Die Klägerin hatte aber in ihren telefonischen Anfragen für den Beklagten ersichtlich eine verbindliche Auskunft begehrt, nach der sie sich bei der steuerlichen Behandlung ihrer Gutachtertätigkeit richten konnte. Auch dem die Auskunft erteilenden Beamten war das Verlangen der Klägerin nach Verbindlichkeit der Auskunft und dass die Klägerin im Vertrauen auf die Auskunft erhebliche finanzielle Dispositionen treffen würde, erkennbar. Der die Auskunft erteilende Beamte hat aber keine verbindliche Auskunft gegeben, obgleich nach der auch zu diesem Zeitpunkt geltenden Verfügungslage die Erteilung verbindlicher Auskünfte grundsätzlich und auch die Erfüllung der hierzu erforderlichen weiteren Voraussetzungen im Streitfall ohne weiteres möglich war.

Nach den BMF-Schreiben vom 24. Juni 1987 (IV A 5 - S 0430 - 9/87, BStBl 1987 I S. 474) und vom 21. Februar 1990 (IV A 5 - S 0430 - 4/90, BStBl 1990 I S. 146) konnten die Finanzämter auch außerhalb der Regelung des § 204 AO verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Die Klägerin hat in ihren telefonischen Anfragen beim Beklagten ausreichend deutlich gemacht, dass im Hinblick auf die steuerlichen Auswirkungen bei ihr ein besonderes Interesse an einer verbindlichen Auskunft besteht. Die Klägerin hat auch schriftliche Gutachten vorgelegt, deren steuerliche Beurteilung in Frage steht und damit den Sachverhalt, für den die Auskunft begehrt wurde, ausreichend dargelegt. Lediglich die Erfüllung weiterer Formalien, wie eine Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde sowie die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen, sind im Streitfall nicht erfüllt. Hierzu hätte es aber eines bloßen Hinweises des Beklagten bedurft. Nach den vorgenannten BMF-Schreiben war es für die Verbindlichkeit einer solchen Auskunft nicht erforderlich, dass diese vom zuständigen Sachgebietsleiter oder Vorsteher erteilt wurde, aber in der Auskunft war darauf hinzuweisen, dass diese Bindungswirkung nach Treu und Glauben nur entfaltet, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zu Grunde gelegten Sachverhalt nicht abweicht und dass die Bindungswirkung außer Kraft tritt, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, geändert werden.

Dem Beklagten ist in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, dass er die Klägerin mit der unverbindlichen Auskunft beschieden hat, obgleich er nach § 89 AO verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin Auskunft über die ihr im Verwaltungsverfahren zustehende Rechte zu erteilen. Da die Klägerin ersichtlich eine verbindliche Auskunft begehrte, hätte der Beklagte darauf hinwirken müssen, dass die Klägerin die Voraussetzungen nach den vorgenannten der BMF-Schreiben für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft erfüllt. Die Klägerin hat hierzu ihre Bereitschaft gegenüber dem Beklagten kundgetan, diese Voraussetzungen zu erfüllen, nur aus Unkenntnis ist dies unterblieben. Die Erfüllung dieser weiteren Voraussetzungen war auch ohne weiteres unproblematisch. Der Beklagte hat hingegen gegenüber der Klägerin entgegen seinen Pflichten aus § 89 AO angegeben, eine verbindliche Auskunft könne er wegen der fehlenden Voraussetzungen des § 204 AO nicht erteilen.

c) Dem Grundsatz von Treu und Glauben steht in gewisser Weise der Grundsatz der Abschnittbesteuerung entgegen.

Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben; dies grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte oder wenn die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hatte. Das Finanzamt ist an eine bei einer früheren Veranlagung zugrunde gelegten Rechtsauffassung auch dann nicht gebunden, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2006 - IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028).

Die Klägerin konnte daher allein aus dem Umstand, dass der Beklagte bei der Veranlagung der Veranlagungszeiträume 1997 bis 2001 die gutachterliche Tätigkeit als umsatzsteuerfrei angesehen hat, keinen Vertrauensschutz herleiten, da einem solchen Vertrauensschutz der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung entgegenstand. Im Streitfall kommt zu der bloßen Veranlagung entsprechend der Erklärungen der Klägerin aber hinzu, dass die Klägerin ihre Steuererklärungen gemäß der ihr erteilten Auskunft vom 2. Januar 1997 gefertigt hat. Somit wurde die Klägerin durch die Veranlagungen in ihrem Vertrauen auf die Auskunft -die der Beklagte nur pflichtwidrig als unverbindlich bezeichnet hat- bestärkt, weil sich der Beklagte während des gesamten Zeitraums dieser Auskunft entsprechend verhalten hat.

d) Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nach Änderung der Rechtslage durch das Urteil des EuGH vom 14. September 2000 (C-384/98, a.a.O.) und dem BMF-Schreiben vom 13. Februar 2001 (IV D 1 S 7140-4/01, a.a.O.) die Umsatzsteuerfreiheit der gutachterlichen Tätigkeit der Klägerin nunmehr in Frage stellte. Nach der Änderung der Rechtslage war es daher nur folgerichtig, dass der die Veranlagung der Klägerin für den Veranlagungszeitraum 2002 durchführende Beamte des Teilbezirks nunmehr die Frage der Umsatzsteuerpflicht der gutachterlichen Tätigkeit der Klägerin durch eine Außenprüfung klären lassen wollte (Das Gericht erlaubt sich allerdings den Hinweis, dass es für die Klärung der Umsatzsteuerpflicht der gutachterlichen Tätigkeit der Klägerin keiner Außenprüfung bedurft hätte, da dies eine Rechtsfrage darstellt, die auch durch die Veranlagungsstelle hätte geklärt werden können, auch wenn dem Gericht bewusst ist, dass die Verlagerung der Klärung von Rechtsfragen auf die Betriebsprüfung gängige Praxis der Veranlagungsstellen ist).

Es ist hier aber zu beanstanden, dass der Veranlagungsbeamte die Klägerin auf die in Frage stehende Umsatzsteuerpflicht ihrer gutachterlichen Tätigkeit nicht hingewiesen hat, nachdem er die Umsatzsteuerfreiheit bei der Veranlagung 2002 in Frage stellte. Denn die Auskunft vom 2. Januar 1997 befand sich in den Umsatzsteuerakten des Teilbezirks und ist daher als bekannt vorauszusetzen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nehmen muss, wäre eine entsprechende Information der Klägerin geboten gewesen. Denn hier war für den Veranlagungsbeamten leicht zu erkennen, dass bei erklärungsgemäßer Durchführung der Veranlagung die Klägerin im Vertrauen auf die Auskunft vom 2. Januar 1997 und auf die entsprechenden Veranlagungen auch künftig Ihre gutachterliche Tätigkeit als umsatzsteuerfrei erklären würde. Mit dem Unterlassen eines Hinweises durch den Veranlagungsbeamten wurde die Klägerin daher in ihrem Vertrauen auf die Auskunft bestärkt und zu entsprechenden weiteren Dispositionen veranlasst. Da sich die Klägerin und der Beklagte insoweit in einem konkreten Steuerrechtsverhältnis gegenüber standen -die Veranlagung der Klägerin erfolgte beim Beklagten-, hat der Beklagte gegen seine Verpflichtung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, auf die berechtigten Belange der Klägerin angemessen Rücksicht zu nehmen und sich mit seinem eigenen früheren -nachhaltigen- Verhalten nicht in Widerspruch zu setzen, auf das der andere vertraut und aufgrund dessen er unwiderrufbar disponiert hat, verstoßen.

e) In diesem Zusammenhang ergibt sich nach dem Grundsatz der Abschnittbesteuerung ein Vertrauensschutz für die Klägerin zwar auch nicht allein dadurch, dass der Beklagte auch die Veranlagungen der Veranlagungszeiträume 2003 und 2004 erklärungsgemäß durchführte, die gutachterliche Tätigkeit umsatzsteuerfrei beließ und die Klägerin nicht zur Abgabe von Umsatzsteuererklärungen aufforderte. Denn eine gesicherte Rechtsauffassung kann aus einem schlichten Verwaltungsunterlassen nicht hergeleitet werden (vgl. BFH-Beschluss vom 26. September 2007 - V B 8/06, BStBl 2008 II S. 405). Für den Beklagten war aber insoweit erkennbar, dass der Klägerin durch dieses Verhalten ein nicht unerheblicher finanzieller Schaden entstehen konnte, wenn er nach der Außenprüfung zu der Auffassung gelangen würde, dass die Tätigkeit umsatzsteuerpflichtig ist. Denn der Klägerin ist grundsätzlich gleichgültig, ob ihre Leistungen umsatzsteuerpflichtig sind oder nicht. Wenn der Beklagte die Klägerin darüber informiert hätte, dass die gutachterlichen Leistungen umsatzsteuerpflichtig sind, hätte die Klägerin die Umsatzsteuer entsprechend in Rechnung gestellt. Da die Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer den Endverbraucher belasten soll, hätte sich keine Belastung der Klägerin ergeben. Erst durch den langen Zeitablauf nach der Durchführung der Außenprüfung ist die Klägerin nun nicht mehr in der Lage, die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abzuwälzen und es kommt zu einer systemwidrigen Belastung der Klägerin mit Umsatzsteuer. Trotz des drohenden Schadens für die Klägerin hat sich der Beklagte durch das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises aber über die berechtigten Belange der Klägerin hinweggesetzt und dies, obwohl die Klägerin mit ihrem Begehren auf Auskunftserteilung gerade versucht hat, Gewissheit über ihre steuerlichen Verpflichtungen zu erlangen, damit sie diese entsprechend erfüllen kann. Auch soweit der Beklagte die Auskunft vom 2. Januar 1997 als bloße Mitteilung einer Rechtsauffassung angesehen hat, musste dem Beklagten klar sein, dass die Klägerin ihr steuerliches Verhalten daran ausrichtete und in ihrem Erklärungsverhalten durch die entsprechende Veranlagung bestärkt und zu entsprechenden Dispositionen veranlasst wurde. Die Veranlagungsstelle wäre daher in Hinblick darauf, dass die Klägerin ersichtlich in ihrem Erklärungsverhalten auf die Auskunft vom 2. Januar 1997 vertraut hat und sich darin durch die nachfolgende Veranlagung bestärkt sehen konnte, verpflichtet gewesen, entweder auf eine zeitnahe Außenprüfung zu drängen -die allein wegen der Klärung einer Rechtsfrage anstand und daher ohne großen Aufwand auch zeitnah hätte durchgeführt werden können- oder die Klägerin wenigstens über die Zweifel an der Umsatzsteuerfreiheit der gutachterlichen Tätigkeit zu informieren.

Der Beklagte wäre hier zudem gem. § 89 AO auch verpflichtet gewesen, die Abgabe von Umsatzsteuererklärungen durch die Klägerin anzuregen, zumal dies nicht nur offensichtlich versehentlich oder aus Unkenntnis, sondern gerade im Vertrauen auf seine frühere Auskunft und die nachfolgende Veranlagung unterblieben ist. Nach § 86 AO entscheiden die Finanzbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführen. Dabei sind die Grundsätze des § 85 AO zu beachten, wonach die Finanzbehörden die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben haben. Aus dem Zusammenspiel dieser Vorschriften folgt, dass bei Vorliegen eines begründeten Anlasses die Finanzbehörde ein Verwaltungsverfahren beginnen muss. Der Begriff „begründeter Anlass” ist ein unbestimmter Gesetzesbegriff, so dass insoweit den Finanzbehörden kein Ermessensspielraum zusteht (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, Rn 46 zu § 86 AO). Im Streitfall lagen aber ausreichende Anhaltspunkte vor, dass die vormals umsatzsteuerfreie gutachterliche Tätigkeit der Klägerin nunmehr nach der Rechtsprechungsänderung und der Änderung der Umsatzsteuerrichtlinien als umsatzsteuerpflichtig anzusehen ist. Ein begründeter Anlass zur Einleitung eines Besteuerungsverfahrens bestand somit. Insoweit ist dem Beklagten vorzuwerfen, dass er, nachdem ihm dies bei der Veranlagung 2002 aufgefallen ist, pflichtwidrig die Anforderung von Umsatzsteuererklärungen unterlassen hat. Auch dadurch ist die Grundlage geschaffen worden, dass nunmehr durch eine Umsatzsteuerfestsetzung im Streitjahr der Klägerin ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde. Der Beklagte hat sich insoweit sogar nachhaltig zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt.

Schließlich wurde die Veranlagungsstelle von der Betriebsprüfungsstelle auch informiert, dass eine Außenprüfung erst im Kalenderjahr 2006 stattfinden sollte. Daher hätte der Veranlagungsstelle auch ohne großes Nachdenken bewusst sein müssen, dass es der Klägerin durch den unterbleibenden Ausweis von Umsatzsteuer im Nachhinein nicht mehr möglich wäre, die Umsatzsteuer an die Leistungsempfänger weiterzubelasten.

f) Zwar kommt nach den vorgenannten Grundsätzen die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben nur in besonders liegenden Fällen in Betracht, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maß schutzwürdig ist, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssen. Ein solcher Fall ist im Streitfall aber gegeben.

Die Klägerin hat sich im Streitfall bemüht, vom Beklagten eine verbindliche Auskunft über die Umsatzsteuerpflicht ihrer gutachterlichen Tätigkeit zu erlangen. Der Beklagte hat entgegen seinen Pflichten nach § 89 AO die Klägerin mit einer unverbindlichen Auskunft vertröstet, obgleich die Voraussetzungen für eine verbindliche Auskunft vorgelegen hätten bzw. leicht hätten geschaffen werden können. Die von der Klägerin begehrte Auskunft besteht -worauf die Klägerin zutreffend hinweist- in einer verhältnismäßig einfach zu entscheidenden Rechtsfrage ohne zugrunde liegenden komplizierten, sondern einfach aufzuklärenden Sachverhalt. Die Klägerin hat ihrerseits alles Notwendige zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen. Für die Klägerin war nicht erkennbar, dass der Beklagte seine ihr mitgeteilte Rechtsauffassung plötzlich in Frage stellte und der Beklagte hat die Klägerin nicht darüber informiert, dass er die mit Auskunft vom 2. Januar 1997 ihr mitgeteilte Rechtsauffassung nicht mehr für zutreffend gehalten hat, obgleich für ihn erkennbar war, dass die Klägerin ihr steuerliches Verhalten im Vertrauen auf diese Auskunft ausrichtete, entsprechend disponierte und ihr dadurch ein nicht unerheblicher finanzieller Schaden entstehen könnte. Der Beklagte hat keinerlei Bemühungen unternommen, das Entstehen eines Schadens bei der Klägerin zu vermeiden, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich gewesen wäre. Der Beklagte hat auch pflichtwidrig die Anforderung von Umsatzsteuererklärungen ab dem Veranlagungszeitraum 2002 unterlassen, obwohl er von einem Besteuerungstatbestand wusste. Der Beklagte hat insoweit einen Schaden der Klägerin sehenden Auges hingenommen, und dies über einen Zeitraum von drei Veranlagungszeiträumen, so dass der Schaden der Klägerin nicht mehr abzuwenden wäre, müsste diese die streitgegenständliche Umsatzsteuerfestsetzung hinnehmen. Deshalb ist der Beklagte aufgrund dieses vorangegangenen Verhaltens an dem Erlass des streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheides nunmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

RechtsgebietAOVorschriftenAO § 89 AO § 204

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