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23.09.2010 · IWW-Abrufnummer 103032

Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 06.05.2010 – 7 K 7183/06 B

1. Dass entsprechend dem gesetzlichen Regelungsmodell Geschäftsführung und Haftungsübernahme bei einer GmbH & Co. KG von ein und derselben juristischen Person (der Komplementär-GmbH) ausgeübt werden, ist keine ausreichende Grundlage, um eine einheitliche Leistung zu bejahen, selbst wenn ein einheitliches Entgelt für Geschäftsführung und Haftungsübernahme vereinbart wurde.



2. Die Übernahme des Haftungsrisikos durch die Komplementär-GmbH gegenüber der KG ist eine steuerbare Leistung, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Haftungsvergütungen und der Übernahme des Haftungsrisikos besteht. Die Übernahme des Haftungsrisikos ist jedoch nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.


FG Berlin-Brandenburg v. 06.05.2010

7 K 7183/06 B

Tatbestand:
Die Klägerin war im Streitzeitraum als Komplementärin an einer Reihe von Kommanditgesellschaften beteiligt, ohne eine Kapitaleinlage geleistet zu haben. Sie übte die Geschäftsführung für die Kommanditgesellschaften aus und trug jeweils allein die uneingeschränkte persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaften. Nach den Gesellschaftsverträgen der Kommanditgesellschaften erhielt sie von diesen Vergütungen für die Geschäftsführung einerseits sowie für die Haftungsübernahme andererseits.

Bei der Mehrzahl der Kommanditgesellschaften, von denen die streitbefangenen Vergütungen herrühren, lauten die einschlägigen Regelungen wie folgt:

„§ 16 Vergütungen der geschäftsführenden Gesellschafterin



3. Die der persönlich haftenden Gesellschafterin nach Ablauf der in Abs. 1 genannten Frist durch die Geschäftsführung entstandenen Aufwendungen, insbesondere für Gehälter und Spesen von Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungsaufgaben bedient, sind Kosten der Gesellschaft.



6. Zusätzlich erhält die persönlich haftende Gesellschafterin für die Übernahme der persönlichen Haftung eine jährliche Vorabvergütung von 7 % zuzüglich anfallender Mehrwertsteuer bezogen auf ihr Stammkapital von DM 100.000,–, wobei eine eventuelle Erhöhung des Stammkapitals keine Berücksichtigung findet.

§ 17 Gewinn- und Verlustverteilung

1. Der nach Abzug der Kosten gemäß § 17 verbleibende Gewinn wird auf alle Kommanditisten im Verhältnis zu ihren übernommenen Einlagen verteilt.”

Abweichende Regelungen gelten für folgende Gesellschaften:

A-KG und B-KG: § 17 Ziff. 6 der Gesellschaftsverträge entspricht wörtlich dem oben wiedergegebenen § 16 Ziff. 6 (vgl. Bl. 83, 138 der Gerichtsakte – GA –).

C-KG: Die Regelungen entsprechen den oben wiedergegebenen §§ 16, 17, mit der Abweichung, dass die Haftungsvergütung nach einem Stammkapital von 125.000,– DM bemessen wird.

D-KG:

„§ 16 Beteiligung am Ergebnis und am Vermögen, Ausschüttung

1. An den Gewinnen bzw. Verlusten der Gesellschaft nehmen die Gesellschafter entsprechend dem Verhältnis ihrer Beteiligung am Festkapital der Gesellschaft teil.



§ 17 Vergütung der persönlich haftenden Gesellschafterin

1. Die persönlich haftende Gesellschafterin erhält gem. § 3 Nr. 1 für die Geschäftsführungstätigkeit und die Übernahme des Haftungsrisikos ab 1999 eine jährliche Vergütung in Höhe von DM 5.000,–.

Ab dem Jahr 2003 erhöht sich die Vergütung jährlich um 2 %.



2. Über diese Vergütung hinaus erhält die persönlich haftende Gesellschafterin Ersatz von notwendigen Aufwendungen, die in Wahrnehmung der Geschäftsführungs- und Vertretungsinteressen der Gesellschaft entstanden sind.”

Wegen der weiteren Einzelheiten der Gesellschaftsverträge nimmt das Gericht auf Bl. 66 ff. GA Bezug.

In ihren Jahresabschlüssen behandelten die Kommanditgesellschaften die Haftungsvergütungen als sonstige betriebliche Aufwendungen, die sie überwiegend mit 3.579,04 EUR ansetzten (Ausnahme: … D-KG: 1.063,92 EUR; … C-KG: 4.473,80 EUR; … E-KG: 6.336,12 EUR zusammen mit der Komplementärsvergütung).

Zur Wahrnehmung der Geschäftsführung sowohl für die o. g. Kommanditgesellschaften als auch für die eigene Geschäftsleitung bezog die Klägerin mit Vorsteuer belastete Dienstleistungen (Personal, Räume usw.) von verbundenen Unternehmen. Ausweislich des Jahresabschlusses entstanden der Klägerin im Streitjahr ferner Steuerberatungskosten in Höhe von 25.816,38 EUR und Aufwendungen für den Jahresabschluss in Höhe von 12.300,– EUR.

Nach Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung IV/2004 auf elektronischem Wege führte der Beklagte im Juli 2005 bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch, die u. a. den Streitzeitraum umfasste. Neben weiteren nicht streitigen Feststellungen gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die Klägerin in Form der Haftungsvergütungen weitere, bisher nicht erklärte Umsätze erzielt habe. Diese bezifferte die Prüferin auf 62.802,36 EUR für das gesamte Jahr 2004.

Ausgehend von den Prüfungsfeststellungen erließ der Beklagte am 21. September 2005 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid IV/2004, mit dem er die Umsatzsteuer-Vorauszahlung auf 13.220,86 EUR festsetzte. Dabei berücksichtigte der Beklagte sämtliche den Veranlagungszeitraum 2004 betreffenden Prüfungsfeststellungen im IV. Quartal 2004. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. Oktober 2005 Einspruch ein. Mit Bescheid vom 16. Februar 2006 änderte der Beklagte die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung erneut, indem er die Geschäftsführungsvergütungen teilweise als nicht steuerbar behandelte, die damit zusammenhängende Vorsteuer kürzte und die Umsatzsteuer-Vorauszahlung auf 27.792,43 EUR festsetzte. Im Hinblick auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 23. Dezember 2003 ( BStBl 2004 I S. 240) behandelte der Beklagte die Geschäftsführungs- und Haftungsvergütungen im I. Quartal 2004 als nicht steuerbar. Auf den erneuten Einspruch setzte er mit Bescheid vom 16. März 2006 durch die Berücksichtigung höherer Vorsteuer die Umsatzsteuer-Vorauszahlung IV/2004 auf 24.945,72 EUR herab. Wegen der Berechnungsgrundlagen nimmt das Gericht auf die Verfügung vom 1. März 2006 (Bl. 39 R USt-Voranmeldungsakte) Bezug. Den weiterhin anhängigen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19. April 2006 zurück, worauf die Klägerin am 17. Mai 2006 Klage erhoben hat.

Nach Klageerhebung hat die Klägerin beim Beklagten ihre Umsatzsteuererklärung 2004 eingereicht, in der sie steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 323.518,– EUR, nicht steuerbare Umsätze in Höhe von 182.984,– EUR und Vorsteuern in Höhe von 54.097,43 EUR erklärt. Davon abweichend hat der Beklagte mit Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 17. Oktober 2007 die Umsatzsteuer auf 21.778,89 EUR festgesetzt, wobei er von steuerpflichtigen Umsätzen in Höhe von 474.227,– EUR ausgegangen ist. Im Ergebnis entspricht die Jahresfestsetzung den Festsetzungen im Vorauszahlungsverfahren.

Die Klägerin macht geltend, die Haftungsvergütungen stellten keine Entgelte für steuerbare Umsätze dar. Die Übernahme der Haftung begründe das Risiko, zu einer Geldleistung verpflichtet zu werden und sei daher wie andere Geldleistungen nicht steuerbar. Sie bilde mit den gleichfalls ausgeführten Geschäftsführungsleistungen keine einheitliche Leistung. Der Umstand, dass sie als Komplementärin einer KG aufgrund ihres besonderen Haftungsrisikos dafür entschädigt werde, begründe kein wirtschaftliches Leistungsaustauschverhältnis. Dass in den Jahresabschlüssen der Kommanditgesellschaften die Haftungsvergütung als Aufwand und demzufolge ergebnismindernd berücksichtigt werde, sei für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung unbeachtlich. Im Übrigen würden die Haftungsvergütungen ertragsteuerlich dem Gewinn hinzugerechnet. Anders als die Geschäftsführung könne die Haftungsübernahme auch nicht an Dritte delegiert werden. Den streitbefangenen Haftungsvergütungen seien keine Vorsteuern zuzuordnen. Diese habe die Klägerin zu Recht vollständig den steuerpflichtigen Geschäftsführungsleistungen zugeordnet. Denn zur Erzielung der Haftungsvergütungen habe es weder einer aktiven eigenen Geschäftstätigkeit noch des Einkaufs von Fremdleistungen bedurft.

Der Kläger beantragt,

abweichend vom Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 17.10.2007 die Umsatzsteuer unter Minderung der steuerpflichtigen Umsätze um 47.102,36 EUR festzusetzen,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er ist der Auffassung, der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit sei weit auszulegen und umfasse auch die mit der Haftungsübernahme verbundenen Vorteile. Die streitigen Haftungsvergütungen stellten ein Sonderentgelt dar, das auch auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig sei. In diesem Zusammenhang sei unbeachtlich, dass sich die unbeschränkte Haftung der Klägerin bereits aus dem Handelsgesetzbuch ergebe. Jedenfalls bilde die Haftungsübernahme zusammen mit der Geschäftsführung eine einheitliche umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung. Sollten die streitigen Umsätze steuerbar, jedoch steuerfrei sein, müsse jedenfalls die auf die Gemeinkosten entfallende Vorsteuer nach § 15 Abs. 4 Umsatzsteuergesetz – UStG – aufgeteilt werden.

Dem Gericht haben je ein Band Bilanz-, Umsatzsteuer-, Umsatzsteuer-Vorauszahlungs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungsakten, die vom Beklagten für die Klägerin unter der Steuer-Nr. xxx geführt werden, sowie fünf Bilanzakten der F-KG, die vom Beklagten unter der Steuer-Nr. xxx geführt werden, vorgelegen.



Entscheidungsgründe:
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Die Klägerin wird dadurch in ihren Rechten i. S. des § 100 Abs. 1 und 2 Finanzgerichtsordnung – FGO – verletzt, dass der Beklagte die streitbefangenen Haftungsvergütungen der Umsatzsteuer unterworfen hat. Allerdings ist der Vorsteuerabzug der Klägerin geringfügig zu kürzen.

Die Klägerin war selbstständig als Unternehmerin i. S. des § 2 Abs. 1 UStG tätig. Denn Anhaltspunkte für eine Organschaft i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind nicht erkennbar (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 6. Juni 2002 V R 43/01, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 199, 49, BStBl II 2003, 36; krit. dazu Becker/Englisch, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2009, 701).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das erkennende Gericht der Überzeugung, dass die Übernahme der persönlichen Haftung zusammen mit der Geschäftsführungsleistung keine einheitliche Leistung darstellt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – und des BFH ist grundsätzlich jede Dienstleistung als eigene selbstständige Leistung zu betrachten. Jedoch darf andererseits eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Es ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt (EuGH, Urteile vom 25. Februar 1999 C-149/96 – Card Protection Ltd., UR 1999, 254; vom 21. Februar 2008 C-425/06 – Part Service, Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst – DStRE – 2008, 646, Rz 50 ff.; BFH, Urteile vom 19. März 2009 V R 50/07, BFHE 225, 224, BStBl II 2010, 78; vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2010, 647). Dementsprechend wird eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung angesehen, wenn sie keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptdienstleistung des Erbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen ( EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 C-394/04, C-395/04 – Ygeia, UR 2006, 171, Rz 19). Ob die fraglichen Leistungen in einem einzigen Vertrag vereinbart wurden, ist ohne ausschlaggebende Bedeutung (BFH Urteile vom 31. Juli 1987 V R 148/78, BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754; vom 6. Dezember 2007 V R 66/05, BFHE 221, 60, BStBl II 2008, 638).

Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass weder ein rechtlich zwingender noch ein enger funktioneller Zusammenhang zwischen den Geschäftsführungsleistungen und der Haftungsübernahme besteht. Die Geschäftsführungsaufgaben könnten weitgehend von den Kommanditgesellschaften auf fremde Dritte oder einen Kommanditisten delegiert werden (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch – HGB –, 34. Aufl. 2010, § 114 Rz 24 f., § 164 Rz 7; Anhang nach § 177a Rz 26). Das Einstehen für die Verbindlichkeiten der Kommanditgesellschaften ist nach der Art der Tätigkeit völlig verschieden von den mit der Geschäftsführung verbundenen Tätigkeiten. Dass im Streitfall entsprechend dem gesetzlichen Regelungsmodell Geschäftsführung und Haftungsübernahme von ein und derselben juristischen Person ausgeübt werden, ist keine ausreichende Grundlage, um ausgehend von den o. g. Kriterien eine einheitliche Leistung zu bejahen (ebenso Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Februar 2010 16 K 347/09, juris; Büchter-Hole, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1113; a. A. BMF, Schreiben vom 31. Mai 2007,BStBl I 2007, 503).

Abweichendes gilt auch nicht für die C-KG, obwohl insoweit ein einheitliches Entgelt für die Geschäftsführung und Haftungsübernahme vereinbart wurde. Denn dem Umstand, ob für die erbrachte Leistung ein Gesamtpreis vereinbart wurde ( EuGH, Urteil vom 25. Februar 1999 C-349/96 – Card Protection Ltd., UR 1999, 254, Rz 31; BFH, Urteile vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BFHE 194, 555, BStBl II 2001, 658; vom 25. Februar 2005 V R 26/03, BFH/NV 2005, 1395) kommt keine entscheidende Bedeutung zu.

Auch bei separater Betrachtung ist die Übernahme des Haftungsrisikos durch die Klägerin gegenüber den Kommanditgesellschaften eine steuerbare Leistung. Zwischen den Haftungsvergütungen und der Übernahme des Haftungsrisikos besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Die Haftungsvergütungen bilden den Gegenwert für die Übernahme des Haftungsrisikos ( Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Februar 2010 16 K 347/09, juris; vgl. auch BFH, Urteil vom 27. November 2008 V R 8/07, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 m. w. N.).

Ob eine Lieferung oder sonstige Leistung als gegen Entgelt ausgeführt und deshalb als steuerbarer Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG zu erfassen ist, setzt nach ständiger Rechtsprechung des BFH das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und einer empfangenen Gegenleistung voraus (BFH, Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 63/05, BFH/NV 2008, 996; vom 27. November 2008 V R 63/05, BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 jeweils m. w. N.). Der unmittelbare Zusammenhang muss sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Steuerbar sind danach z. B. auch Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen ( BFH, Urteil vom 27. November 2008 V R 63/05 , BFHE 223, 520, BStBl II 2009, 397 m. w. N.). Bei Leistungen, zu deren Ausführung sich die Vertragsparteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, liegt der erforderliche Leistungsaustausch grundsätzlich vor (BFH, Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 63/05, BFH/NV 2008, 996; vom 19. November 2009 V R 29/08, UR 2010, 336). Eine „Finalität” des Handelns in dem Sinne, dass der Leistende leistet, um eine Gegenleistung zu erhalten, ist nicht erforderlich (BFH, Urteile vom 5. Dezember 2007 V R 63/05, BFH/NV 2008, 996; vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486).

Dabei ist unbeachtlich, dass die Klägerin die Haftung im Rahmen der Gesellschaftsverträge der Kommanditgesellschaften übernommen hat, da auch gesellschaftsrechtliche Vereinbarungen entgeltliche Leistungen begründen können. Ausgenommen davon sind lediglich Zahlungen, die sich als Beteiligung des Gesellschafters am allgemeinen Gewinn und Verlust der Gesellschaft darstellen (BFH, Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486). Um eine solche Gewinnbeteiligung handelt es sich bei den hier streitigen Zahlungen nicht.

Die Haftungsübernahme steht einer nicht steuerbaren Geldleistung nicht gleich. Zwar hat der EuGH für den Beitritt eines Gesellschafters zu einer Personengesellschaft gegen Zahlung einer Bareinlage entschieden, dass dieser Beitritt weder für ihn noch für die aufnehmende Gesellschaft oder ihre Gesellschafter eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle ( EuGH, Urteil vom 26. Juni 2003 C-442/01 – KapHag, UR 2003, 443, Rz 39 ff.; dem folgend: BFH, Urteile vom 1. Juli 2004 V R 32/00, BFHE 205, 555, BStBl II 2004, 1022; vom 18. November 2004 V R 16/03, BFHE 208, 461, BStBl II 2005, 503). Im Falle der Inanspruchnahme als persönlich haftende Gesellschafterin würde die Klägerin auch ähnlich wie bei einer Bareinlage Geldleistungen zugunsten des Gesellschaftsvermögens erbringen. Es erscheint jedoch nicht überzeugend, die Übernahme des nicht zwangsläufig eintretenden Risikos, einen der Höhe nach nicht feststehenden Betrag zu einem unbestimmten Zeitpunkt leisten zu müssen, mit der tatsächlich erfolgenden Zahlung eines bestimmten Betrages gleich zu behandeln.

Dementsprechend sieht der Richtliniengeber auch in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – 6. EG-Richtlinie – bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – MwStSystemRL – eine Steuerbefreiung für die Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien vor. Dies legt nahe, dass der Richtliniengeber diese Tätigkeiten als steuerbar angesehen hat.

Das Gericht schließt aus, dass die von der Klägerin bezogenen Haftungsvergütungen Beteiligungen am allgemeinen Gewinn der Kommanditgesellschaften darstellten. Denn die Haftungsvergütungen sind in sämtlichen streitrelevanten Gesellschaftsverträgen außerhalb der Gewinnverteilung geregelt worden. Vielmehr war die Klägerin jeweils, als nicht mit einer Kapitaleinlage am Gesellschaftsvermögen beteiligte Komplementärin, von der Gewinn- und Verlustbeteiligung ausgeschlossen. Damit im Einklang steht die bilanzielle Behandlung in den Jahresabschlüssen der Kommanditgesellschaften, in denen die Haftungsvergütungen als gesamthänderischer Aufwand, der die Gewinnverteilung nicht berührte, behandelt wurden. Diese Handhabung kann jedenfalls als Indiz für die Entgeltlichkeit der Haftungsübernahme herangezogen werden (Probst in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 1 Abs. 1 Nr. 1 Tz 460).

Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die Klägerin keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne erbringe, da sie Kraft ihrer Komplementärsstellung ohnehin dem Haftungsrisiko ausgesetzt sei. Denn die Klägerin ist in die Komplementärstellung bei den hier streitrelevanten Gesellschaften nur im Zuge der entgeltlichen Übernahme der Geschäftsführung und des Haftungsrisikos eingetreten. Ferner lässt sich nicht einwenden, der Erwerb von Gesellschaftsbeteiligungen sei nicht steuerbar. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hat die Klägerin keine Beteiligung an den Kommanditgesellschaften erworben, da sie weder am laufenden Gewinn noch an den stillen Reserven beteiligt ist. Entscheidend ist, dass die Gesellschafter Vereinbarungen geschlossen haben, wonach die Übernahme des Haftungsrisikos von der Gewährung der Haftungsvergütung abhängig gemacht wurde.

Die Übernahme des Haftungsrisikos ist jedoch nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei (Zugmaier, DStR 2004, 124 [125]; Sobotta, Zeitschrift für Umsatzsteuer- und Verkehrsteuerrecht – UVR – 2007, 237 [239]; a. A. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Februar 2010 16 K 347/09, juris; Abschn. 68 Abs. 2 Satz 2 UStR 2008). Nach dieser Vorschrift ist unter anderem die Übernahme von Verbindlichkeiten und anderen Sicherheiten steuerfrei. Im Streitfall hat die Klägerin andere Sicherheiten i. S. des § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG gewährt. Das Kennzeichen anderer Sicherheiten ist, dass sich der Sicherungsgeber verpflichtet mehr zu leisten, als er ohnehin aus anderen Verträgen schuldet (BFH, Urteil vom 24. Januar 1991 V R 19/87, BFHE 164, 137, BStBl II 1991, 539). Ferner muss sich der Sicherungsgeber zu Geldleistungen verpflichten, da § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG in richtlinienkonformer Auslegung nur die Übernahme von Verbindlichkeiten umfasst, die auf Geldleistungen gerichtet sind ( EuGH, Urteil vom 19. April 2007 C-455/05 – Velvet & Steel, UR 2007, 379; BFH, Urteil vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, DStR 2010, 647).

Die Befriedigung von Gläubigern der Kommanditgesellschaften ist auf die Leistung von Geldzahlungen gerichtet. Darüber hinaus geht die Klägerin mit der Zusage einer Haftungsübernahme über anderweitig bestehende Leistungsbeziehungen hinaus. Denn vor Abschluss der Gesellschaftsverträge, in denen sich die Klägerin entgeltlich zur Übernahme des Haftungsrisikos verpflichtete, war die Klägerin diesem Haftungsrisiko nicht ausgesetzt. Dass die Klägerin damit zugleich die Komplementärsstellung übernahm, stellt nur das gesellschaftsrechtliche Vehikel zur Umsetzung der Haftungsübernahme dar. Mangels Gewinnbeteiligung kam dieser Komplementärsstellung keine eigenständige, von den Geschäftsführungsentgelten und Haftungsvergütungen unabhängige Bedeutung zu.

Entgegen einer anderweitig vertretenen Auffassung (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Februar 2010 16 K 347/09, juris; Abschn. 68 Abs. 2 Satz 2 UStR 2008) ist unbeachtlich, dass die Klägerin als Komplementärin unmittelbaren Einfluss auf das Geschäftsergebnis der Kommanditgesellschaften hat. Denn dies verleiht ihr keine unbegrenzten Fähigkeiten, finanzielle Ansprüche gegen die Kommanditgesellschaften abzuwehren.

Dem Beklagten ist einzuräumen, dass die mit den steuerfreien Haftungsvergütungen zusammenhängenden Vorsteuern nach § 15 Abs. 2 UStG zu kürzen sind. Unmittelbar den Haftungsübernahmen zuzuordnende Vorsteuern sind nicht ersichtlich. Die nicht unmittelbar den Umsätzen der Klägerin zuzuordnenden Vorsteuern sind jedoch nach § 15 Abs. 4 UStG teilweise auch den streitbefangenen, steuerfreien Haftungsvergütungen zuzuordnen und insoweit vom Abzug auszuschließen.

Nach Aktenlage geht das Gericht davon aus, dass die eingekauften Geschäftsbesorgungsleistungen im Wesentlichen für die steuerpflichtigen Geschäftsführungsumsätze verwendet wurden. Eine Kürzung für die im I. Quartal erzielten und nach § 163 der Abgabenordnung von der Besteuerung ausgenommenen Umsätze ist bereits im Rahmen des Vorauszahlungsverfahrens vorgenommen worden. Aufzuteilen sind daher im Wesentlichen die Steuerberatungskosten und Aufwendungen für den Jahresabschluss in Höhe von insgesamt 38.116,38 EUR (entspricht einer Vorsteuer von 6.098,62 EUR). Ausgehend von rund 10 % steuerfreien Umsätzen (47.102,36 EUR gegenüber 474.227,– EUR) wären danach 609,86 EUR Vorsteuer nicht abzugsfähig. Im Wege einer Schätzung ist dieser Betrag einerseits zu mindern um die Anteile der davon auf das I. Quartal entfallenden Vorsteuer und andererseits zu erhöhen um Anteile der auf die eigene Geschäftsleitung der Klägerin entfallenden Geschäftsbesorgungsleistungen. Daher schätzt das Gericht die nicht abzugsfähige Vorsteuer auf 700 EUR. Das Gericht hat die Schätzung in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten erörtert. Diese haben gegen den vom Gericht vorgeschlagenen Wert keine Einwendungen erhoben.

Davon ausgehend ergibt sich folgende Umsatzsteuerfestsetzung:

festgesetzt 21.778,89 EUR
Umsatzsteuer auf 47.102,36 EUR -7.536,38 EUR
nicht abziehbare Vorsteuer 700,00 EUR
festzusetzende Umsatzsteuer 14.942,51 EUR

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag eingeschränkt und das ursprüngliche Begehren einer Minderung der Umsatzsteuerfestsetzung um weitere 3.679,19 EUR nicht weiter verfolgt. Insoweit trägt sie die Kosten gemäß § 136 Abs. 2 FGO analog. Im Übrigen beruhen die Kostenentscheidungen auf §§ 136 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO – analog.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

RechtsgebietUStGVorschriftenUStG 1999 § 2 Abs. 1 UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1999 § 4 Nr. 8 Buchst. g

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