08.03.2011 · IWW-Abrufnummer 110786
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 27.10.2010 – 2 K 139/05
1. Für Zwecke der Bestimmung einer Überentnahme ist auf die Verhältnisse des einzelnen Betriebs und nicht auf die Summe sämtlicher Einkunftsquellen abzustellen.
2. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten nach der neueren steuerlichen Rechtsprechung zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Dies gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen. Eine einheitliche Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die verschiedenen Tätigkeiten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen; diese einheitliche Tätigkeit ist dann steuerlich danach zu qualifizieren, ob das freiberuflliche oder das gewerbliche Element vorherrscht.
3. Betreibt ein Physiotherapeut ein Fitnessstudio und eine Krankengymnastikpraxis sind die Tätigkeiten nicht derart miteinander verflochten, dass sie sich egenseitig unlösbar bedingen.
4. Eine steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherungen setzt nicht voraus, dass die Ansprüche aus der Lebensversicherung zivilrechtlich wirksam abgetreten worden sind.
FG Baden-Württemberg v. 27.10.2010
2 K 139/05
Tatbestand
Streitig ist der Schuldzinsenabzug bei Überentnahmen gem. § 4 Abs. 4 a Einkommensteuergesetz (EStG) sowie die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen.
Der verheiratete Kläger betreibt seit dem Jahr 1990 als Einzelunternehmen ein Fitnessstudio und Gesundheitsclub in… X, seit 1995 ein Sportstudio mit Solarium in… X-Y und seit 2001 ein Sonnenstudio ebenfalls in… X. Diese wirtschaftlichen Tätigkeiten behandelte der Kläger bei der Einkommensteuer und Gewerbesteuer als einheitlichen Gewerbebetrieb, für den er den Gewinn durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, EStG ermittelte.
Daneben ist der Kläger Inhaber von zwei Praxen für Physiotherapie (Massage und Krankengymnastik) in X, … weg, sowie in X-Y, … platz. Die Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit ermittelte der Kläger durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG und erklärte sie dementsprechend in den Einkommensteuererklärungen. Die Ehefrau des Klägers ist bei diesem angestellt.
Der Kläger wurde für die Streitjahre 2000 bis 2002 vom beklagten Finanzamt (FA) nach den gemeinsamen Steuererklärungen zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 vom 18. Juli 2002 (2000) sowie vom 14. Februar 2003 (2001) ergingen gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Einkommensteuererklärung 2002 gaben die Eheleute im November 2003 ab. Die Veranlagung für dieses Jahr wurde zunächst nicht durchgeführt.
Im Jahr 2003 fand beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 statt. Dabei ermittelte der Prüfer für die …. Fitnessstudios in X und X-Y Überentnahmen und rechnete den Gewinnen aus Gewerbebetrieb gem. § 4 Abs. 4 a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen hinzu. Wegen der Berechnung der folgenden nicht abziehbaren Beträge wird auf Tz. 15 und die Anlage zu dem Bericht über die Außenprüfung vom 25. Februar 2004 Bezug genommen:
Jahr: 2000 2001 2002
Hinzurechnungsbetrag: 681 EUR 7.196 EUR 4.234 EUR
Außerdem stellte der Prüfer fest, dass Ansprüche des Klägers aus Lebensversicherungen der Sicherung von Darlehen dienten, deren Kosten Betriebsausgaben sind und mit denen nicht unmittelbar und ausschließlich Anschaffungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter finanziert wurden. Für die folgenden Lebensversicherungen wurde vom Pr üfer nur eine teilweise schädliche Verwendung der Versicherungsansprüche angenommen, da diese weniger als drei Jahre zur Sicherung abgetreten wurden, und zwar jeweils vom 2. Oktober 1997 bis 7. Juli 2000:
… LV Nr. … vom 1.01.1992 Vers.-Summe: 35.000 DM
… LV Nr. … 1 vom 1.01.1988 Vers.-Summe: 50.000 DM
… LV Nr. … 2 vom 1.04.1991 Vers.-Summe: 40.000 DM
….LV Nr. … 3 vom 1.06.1988 Vers.-Summe: 100.000 DM
Dementsprechend stellte das FA mit Bescheiden vom 6. Mai 2004 die teilweise Steuerpflicht der Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen für den Abtretungszeitraum 1997 bis 2000 gesondert fest.
Zur Berücksichtigung der Prüfungsfeststellungen änderte das FA am 10. Mai 2004 die Einkommensteuerbescheide 2000 und 2001 des Klägers nach § 164 Abs. 2 AO und hob den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. Für das Jahr 2002 erließ es unter dem nämlichen Datum einen erstmaligen Einkommensteuerbescheid, in welchem die Steuer nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig festgesetzt wurde.
Im Anschluss an die Außenprüfung änderte das FA auch gem. § 164 Abs. 2 AO die gesonderten Feststellungen der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 2000 am 26. Juni 2004, auf den 31. Dezember 2001 am 14. Mai 2004 und auf den 31. Dezember 2002 am 18. August 2004, dabei hob es den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. Zur Korrektur eines Eingabefehlers wurde der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts zum 31. Dezember 2001 am 30. Juni 2004 gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO erneut geändert.
Am 18. Mai 2004 legte der Kläger gegen die nach den Prüfungsfeststellungen ergangenen Einkommensteuerbescheide 2000 bis 2002 sowie gegen die Feststellungsbescheide über die Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 6. Mai 2004 Einsprüche ein. Die Bescheide über die Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 2000, den 31. Dezember 2001 und den 31. Dezember 2002 focht der Kläger am 9. Juni 2004, 28. Juni 2004 sowie 22. September 2004 mit dem Einspruch an.
Die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen durch die Außenprüfung sei unzutreffend. Denn es sei nicht nur auf den Betrieb der Fitnessstudios X X sowie X Y abzustellen. Vielmehr müssten auf Grund der Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen den Betrieben sämtliche wirtschaftlichen Betätigungen als ein Gesamtbetrieb angesehen werden. Die Lebensversicherungen seien nicht steuerschädlich verwendet worden, da keine rechtswirksamen Abtretungen an die … Bank vorlägen. Die Abtretungserklärungen seien nicht vollständig ausgefüllt worden. Es fehle die Höhe des eingeräumten Kredits sowie das Datum des Kreditvertrags. Diese Auffassung vertrete auch die Bank im Schreiben vom 3. März 2005.
Nach Mitteilung der … Lebensversicherung vom 24. Mai 2004 wurden nach Kündigung der Versicherung Nr. 11… an den Kläger in dem Jahr 2002 Kapitalerträge i.H.v. 1.146,15 Euro ausbezahlt. Zur Berücksichtigung der Kapitalerträge änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 2002 am 1. Juni 2004 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9. Juni 2004 ebenfalls Einspruch ein.
Durch Entscheidungen vom 24. Mai 2005 wies das FA die Einsprüche gegen die auf Grund der Prüfungsfeststellungen sowie der Ertragsmitteilung der Lebensversicherung ergangenen Bescheide als unbegründet zurück. Es hielt daran fest, dass für die Berechnung der Überentnahmen die gewerbliche und die freiberufliche Tätigkeit des Klägers nicht zusammengefasst werden könne. Die mögliche und vom Kläger vorgenommene Trennung der Tätigkeiten sei insbesondere erforderlich, da es sich um Betriebe handele, die verschiedenen Einkunftsarten unterfielen. Allein eine teilweise Verflechtung lasse die Zusammenrechnung der Betriebsergebnisse für die Ermittlung der Überentnahmen nicht zu.
Die Steuerfreiheit der Erträge aus den Lebensversicherungen sei nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG zu versagen, da die Ansprüche aus den Versicherungen zur Sicherung von Bankdarlehen abgetreten worden seien. Mangels steuerlicher Auswirkung sei der Sonderausgabenabzug nicht zu ändern. Die Ansprüche aus den Lebensversicherungen seien in voller Höhe zur Sicherung aller Forderungen der Bank wirksam eingesetzt worden. Hiervon seien auch der Kläger und die Bank ausgegangen. Im Schreiben vom 11. März 2005 habe die Bank mitgeteilt, die eventuelle Unwirksamkeit sei durch neue Verträge geheilt worden. Zudem bestätige die Bank die Unwirksamkeit der Abtretungen erst nach deren Erledigung.
Mit der am 24. Juni 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und lässt zu dessen Begründung ergänzend folgendes vortragen: Wegen der Abtretung der Rechte aus den Lebensversicherungen zur Sicherung von Darlehen sei die Betriebsprüfung von einer steuerschädlichen Verwendung der Versicherungsverträge ausgegangen. Diese Abtretungen seien vom Kreditinstitut allerdings nicht korrekt ausgefüllt worden. Die juristische Überprüfung dieser Abtretungen vom 2. Oktober 1997 durch RA R habe ergeben, dass diese aus den im beigefügten Gutachten genannten Gründen insgesamt nicht wirksam seien. Somit lägen keine rechtswirksamen Abtretungen der o.g. Lebensversicherungen vom Kläger an das Kreditinstitut vor. Da keine rechtswirksamen Abtretungen der Lebensversicherungen vorlägen, könnten diese auch nicht steuerschädlich verwendet worden sein. Eine Steuerpflicht von Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen habe folglich nicht eintreten können. Demnach seien vom FA im Einkommensteuerbescheid 2002 von der … Lebensversicherung ausgezahlte Zinsen i.H.v. 1.146,15 Euro zu Unrecht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen angesetzt worden.
Die Betriebsprüfung habe für die beiden Fitnessstudios Überentnahmen und somit nach § 4 Abs. 4 a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen festgestellt. Die Berechnung der Überentnahmen durch das FA sei unzutreffend, da sie nur auf den Betrieb der Fitnessstudios in X und Y abstelle. Auf Grund der gegenseitigen Abhängigkeiten und Verflechtungen zwischen den Betrieben müssten für die Berechnung der Überentnahmen sämtliche wirtschaftlichen Betätigungen des Klägers als ein Gesamtbetrieb angesehen werden. Die Betriebe seien nach ihrer Rechtsform alle Einzelunternehmen. Der Kläger sei in allen Betrieben mitarbeitender Unternehmer und deren Motor. Die Betriebe wirkten zum Teil derart ineinander, dass wirtschaftlich bei Berechnung und Berücksichtigung der Überentnahmen von einem Gesamtbetrieb ausgegangen werden müsse. Dies werde auch dadurch belegt, dass die Entnahmen grundsätzlich dort getätigt würden, wo im betreffenden Zeitpunkt Geld vorhanden sei. Der Kläger habe die vier Betriebe wirtschaftlich bezüglich seiner Entnahmen als ein Unternehmen angesehen. Die Tatsache, dass es sich um verschiedene Einkunftsarten handele, sei unstreitig. Dem vom FA zitierten Urteil des BFH vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01 (BStBl II 2004, 363) liege ein auf den vorliegenden Fall nicht übertragbarer Sachverhalt zugrunde. Die nicht übertragbare Rechtsfrage unterscheide sich grundsätzlich von der Problematik der Überentnahmen im Streitfall, in welchem auf die betrieblichen und wirtschaftlichen Verflechtungen und nicht auf die Qualifizierung der Einkünfte abgestellt werden müsse. Es sei zwar richtig, dass es sich steuerlich um selbständige und gewerbliche Betätigungen handle. Die Übergänge zwischen der optimalen physiotherapeutischen Behandlung und Betreuung sowie der aufbauenden Fitnesstätigkeit seien jedoch fließend. Als Beispiel sei nur die physiotherapeutische Behandlung bei Sportunfällen mit dem anschließenden optimalen und gezielten Kraft-/Muskelaufbau an den Geräten des Fitnessstudios genannt. Für den Betrieb des Klägers sei dies sehr wichtig, da in diesem die umfassende Behandlung des Patienten gewährleistet sei. Dies werde auch von den Patienten sehr positiv aufgenommen, wie deren reger Zulauf belege. Aus diesem Grund könne eine Bedingtheit des einen Tätigkeitsbereichs durch den anderen angenommen werden. Ebenfalls zu berücksichtigen sei die räumliche Nähe der vier Einzelbetriebe, durch die auch die wirtschaftliche Nähe mit begründet werde. Aus all diesen Gründen sei bei Anwendung des § 4 Abs. 4 a EStG von einem Gesamtbetrieb auszugehen mit der Folge, dass alle Entnahmen, Einlagen und Gewinne/Verluste der Betriebe für die Berechnung zusammenzufassen seien.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Einkommensteuer-Änderungsbescheide 2000 bis 2002 vom 10. Mai 2004 sowie vom 1. Juni 2004 zu ändern, die Gewinne aus Gewerbebetrieb nicht mehr um nicht abziehbare Schuldzinsen zu erhöhen und die Einkünfte aus Kapitalvermögen 2002 um Erträge aus Lebensversicherungen i.H.v. 1.146,15 Euro zu vermindern,
die Bescheide über die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31. Dezember 2000, 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 zu ändern und die Gewinne aus Gewerbebetrieb um folgende Beträge zu vermindern:
2000 681 Euro
2001 7.196 Euro
2002 4.234 Euro
die Bescheide über die Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen vom 6. Mai 2004 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es nimmt auf die Einspruchsentscheidungen vom 25. Mai 2004 Bezug und erwidert auf das Klagevorbringen wie folgt: Hinsichtlich der gesonderten Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen werde weiterhin an der Rechtswirksamkeit der Abtretungen festgehalten. Auch das Kreditinstitut sei noch im Schreiben vom 29. Dezember 2003 von der Rechtswirksamkeit der jeweiligen Abtretungen ausgegangen. Rechtlich sei eine Globalabtretung der Forderungen gewollt gewesen, so dass eine Begrenzung auf einen bestimmten Betrag nicht erforderlich und nicht gewünscht gewesen sei. Das Ergebnis der nunmehr erfolgten nachträglichen juristischen Überprüfung habe auf den Streitzeitraum keinen Einfluss. Im Falle einer mangelnden Liquidität des Klägers im Streitzeitraum hätte das Kreditinstitut auf jeden Fall von den vorgelegten Sicherheiten Gebrauch gemacht. Nachdem das FA somit weiterhin von einem steuerschädlichen Einsatz der Lebensversicherungen ausgehe, seien auch die Zinsen i.H.v. 1.146,15 Euro aus der im Jahr 2002 ausbezahlten Lebensversicherung als steuerpflichtige Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen.
Hinsichtlich der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG bleibe anzumerken, dass die Berechnung der Überentnahmen – entgegen der Auffassung des Klägers – auf den jeweiligen Betrieb des Steuerpflichtigen beschränkt sei. Die jeweiligen Betriebe der Fitnessstudios und der Praxen für Krankengymnastik seien als eigenständige Betriebe anzusehen, für die steuerlich die Betriebsergebnisse getrennt zu ermitteln seien, zumal es sich um Betriebe handle, die auch getrennten Einkunftsarten unterfielen, nämlich gewerblichen und freiberuflichen Einkünften. In diesem Zusammenhang sei auch das Urteil des BFH vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01 vorliegend anwendbar, da es Grundsätze beinhalte zur Abgrenzung verschiedener Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 a EStG beziehe sich hinsichtlich der Begriffe Gewinn, Entnahmen und Einlagen auf die allgemeinen Grundsätze. Der Begriff des Gewinns sei in § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG legal definiert. Das spreche dafür, dass dieser Begriff auch in § 4 Abs. 4 a EStG in derselben Weise zu verstehen sei und somit auf den jeweiligen einzelnen Betrieb i.S.d. Einkommensteuerrechts zu beziehen sei. Nach dem vorgenannten Urteil sei eine freiberufliche und eine gewerbliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen zu trennen, selbst wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestünden. Die vorgetragenen Berührungspunkte zwischen den einzelnen Tätigkeiten des Klägers könnten deshalb keine Zusammenrechnung der Betriebe für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4 a EStG rechtfertigen. Es habe vielmehr bei der bisherigen Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen zu verbleiben.
Mit der Klage hat der Kläger eine gutachterliche Stellungnahme des Rechtsanwalts R, … X, vom 23. Juni 2005 vorgelegt. In dieser wurden vom Kläger mit der … Bank … eG im Jahr 1997 abgeschlossene Sicherungsverträge, in denen Ansprüche aus Lebensversicherungen zur Sicherung abgetreten wurden, rechtlich überprüft. Der Rechtsanwalt vertrat die Auffassung, die Abtretungen seien wegen Unklarheiten und Mehrdeutigkeiten gem. § 305 c Bürgerliches Gesetzbuch unwirksam. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Stellungnahme Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
1. Das FA hat in den Einkommensteuerbescheiden 2000 bis 2002 zu Recht die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb in den Streitjahren um Hinzurechnungsbeträge nach § 4 Abs. 4 a EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 – StBereinG 1999 – vom 22. Dezember 1999 (BStBl I 1999, 2601) – EStG 1999 – erhöht und die Zinsen aus den Kapitallebensversicherungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG als steuerpflichtig behandelt.
Schuldzinsen sind nach § 4 Abs. 4 a Satz 1 EStG 1999 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist in Satz 2 des § 4 Abs. 4 a EStG 1999 definiert als der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden nach Satz 4 (nach Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001, Bundesgesetzblatt I 2001, 3794 – StÄndG 2001 –: Satz 3 der Vorschrift) typisiert mit 6 v.H. der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzgl. der Überentnahmen der vorangegangenen Wirtschaftsjahre und abzügl. der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000 DM (jetzt 2.050 Euro) verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen (sogenannter Sockelbetrag oder Mindestabzug) ist dem Gewinn hinzuzurechnen (Satz 5; jetzt: Satz 4). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt nach Satz 6 (jetzt: Satz 5) unberührt.
Durch die Rechtsprechung des BFH ist zwischenzeitlich geklärt, dass es für Zwecke der Bestimmung einer Überentnahme stets auf die Verhältnisse in einem einzelnen Betrieb und nicht etwa auf die Summe bzw. den Saldo sämtlicher betrieblicher Einkunftsquellen eines Steuerpflichtigen ankommt (vgl. das Urteil vom 29. März 2007 IV R 72/02, BStBl II 2008, 240). Dieser Auffassung hat sich auch die Literatur angeschlossen (vgl. zB. Schmidt/Heinicke, EStG, 20. Auflage 2010, § 4 Randziffer 524; Deussin in Bordewin/Brandt, EStG, § 4 EStG Randziffer 2083; Blümich/Wied, § 4 EStG Randziffer 618; Meurer in Lademann, EStG, § 4 EStG Anm. 656 e). Aus der systematischen Stellung des § 4 Abs. 4 a EStG 1999 sowie seinem Zweck ist der Grundsatz der betriebsbezogenen Gewinnhinzurechnung abzuleiten. Aus dem Regelungszusammenhang der Norm ergibt sich, dass § 4 Abs. 4 a EStG 1999 die Abziehbarkeit auf die der dem einzelnen Betrieb – als sachlichem Bezugspunkt der Gewinnermittlung – zuzuordnenden Schuldzinsen beschränkt. Folge dieser betriebsbezogenen Korrektur ist u.a., dass dann, wenn der Steuerpflichtige Einkünfte aus einem Einzelgewerbebetrieb (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und aus einem davon zu trennenden freiberuflichen Einzelunternehmen (§ 18 Abs. 1 EStG) erzielt, der Schuldzinsenabzug für den jeweiligen Betrieb eigenständig zu bestimmen ist (Urteil des BFH vom 29. März 2007 IV R 72/02, a.a.O.). Die Hinzurechnung nach § 4 Abs. 4 a EStG 1999 ist eingebunden in die Gewinnermittlung des einzelnen Betriebs. Folge hiervon ist, dass unter den „angefallenen Zinsen” im Sinne von § 4 Abs. 4 a Satz 5 EStG 1999 der bei der jeweiligen Gewinnermittlungseinheit (Einzelbetrieb) betrieblich veranlasste Aufwand zu verstehen ist.
Unstreitig hat der Kläger als Physiotherapeut eine freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1999 sowie durch den Betrieb der Fitnessstudios daneben eine gewerbliche Tätigkeit i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeübt. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten nach der neueren steuerlichen Rechtsprechung zu trennen, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Dies gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen (Urteile des BFH vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BStBl II 1992, 413 und vom 24. April 1997 IV R 60/95, BStBl 1997 II S. 567 jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine einheitliche Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die verschiedenen Tätigkeiten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen; diese einheitliche Tätigkeit ist dann steuerlich danach zu qualifizieren, ob das freiberuflliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (Urteile des BFH vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, a.a.O., sowie vom 2. Oktober 2003 IV R 48/01, BStBl II 2004, 363).
In Anwendung dieser Rechtsprechungsgrundsätze ist der Senat der Auffassung, dass sich die gewerbliche Tätigkeit von der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers sehr wohl trennen lässt. Entgegen dem Vorbringen des Klägers bedingen diese Erwerbstätigkeiten einander nicht. Dies folgt schon daraus, dass Fitnessstudios und Krankengymnastikpraxen regelmäßig – wie auch hier – getrennt betrieben werden. Dies hat seinen Grund darin, dass der Besuch eines Fitnessstudios regelmäßig der Körperertüchtigung dient und dessen Angebot häufig von weniger trainierten, aber gesunden Menschen angenommen wird. Krankengymnastische Leistungen werden hingegen regelmäßig zur Heilung oder Linderung eines pathologischen Zustands erbracht. Demnach liegen keine einheitlichen, sondern getrennte Leistungen vor, die auch getrennt berechnet werden. Eine getrennte Leistungsabrechnung ist schon deshalb erforderlich, weil Aufwendungen für eine physiotherapeutische Behandlung von Krankenkassen regelmäßig erstattet oder bezuschusst werden. Dass es sich um verschiedene Betriebe des Klägers handelt, wird auch für den Leistungsempfänger (Kunden) durch deren Unterbringung in getrennten Räumlichkeiten sowie deren Geschäfts- bzw. Etablissementbezeichnungen deutlich. Hingegen ist es unerheblich, dass die Betriebsräume sich in räumlicher Nähe befinden., Die Betriebsergebnisse werden von dem sachkundig beratenen Kläger überdies getrennt ermittelt und steuerlich getrennt erklärt.
Bei dieser Beurteilung wird nicht verkannt, dass der Kläger sämtliche Betriebe selbst leitet und ihnen dadurch sein Gepräge gibt. Auch mögen zwischen den Tätigkeitsbereichen durchaus nicht unbedeutende sachliche und wirtschaftliche Bezüge bestehen. Jedoch sind die Tätigkeiten nicht derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen. Dies ist für die hierzu entscheidende Rechtsfrage allein entscheidend.
Gegen die rechnerische Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen durch die Außenprüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Solche sind auch vom Kläger nicht geltend gemacht worden.
2. Die angefochtenen Bescheide über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beträgen zu den Lebensversicherungen des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1999), soweit sie auf die Veranlagungszeiträume 1997 bis 2000 entfallen, sind rechtmäßig.
Nach § 179 Abs. 1 und § 180 Abs. 2 AO i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 AO vom 16. Dezember 1994 (Bundesgesetzblatt I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige FA die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 1999 nicht erfüllt sind (vgl. Urteil des BFH vom 4. Juli 2007 VIII R 46/06, BStBl II 2008, 49).
Die Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Beiträge zu den Lebensversicherungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Die vom Kläger abgeschlossenen Lebensversicherungen sind – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG. Die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen dienten jedoch in den Jahren 1997 bis 2000 der Sicherung von Darlehen, deren Finanzierungskosten – ebenfalls unstreitig – Betriebsausgaben darstellten (§ 10 Abs. 2 Satz 2 EStG). Da der (Rück-) Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 c EStG eingreift, ist die Steuerpflicht nur für die Veranlagungszeiträume 1997 bis 2000 gegeben.
Trotz der vom Kläger geltend gemachten Unwirksamkeit der Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen „dienten” diese Ansprüche der Sicherung von Darlehen i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Denn auch bei einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Abtretung der Versicherungsansprüche dienten diese der Sicherung der vom Kläger bei der … Bank aufgenommenen Darlehen. Die Frage, ob die Abtretungen zivilrechtlich wirksam waren, wofür vieles spricht, bedarf deshalb keiner abschließenden Entscheidung.
Wann Ansprüche aus einer Versicherung zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Der BFH hat in zahlreichen Entscheidungen zur Frage einer steuerschädlichen Verwendung von Ansprüchen aus Kapitallebensversicherungen Stellung genommen (z.B. Urteile vom 13. Juli 2004 VIII R 48/02, BStBl II BStBl 2002 II S. 2004, BStBl 2002 II S. 1060; vom 4. Juli 2007 VIII R 46/06, a.a.O., jeweils mit weiteren Nachweisen). Nach Auffassung des Finanzgerichts Nürnberg ist eine zivilrechtlich wirksame Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungen nicht Voraussetzung für ein „Dienen” im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG (vgl. Urteil vom 8. Dezember 2009 1 K 3655/06 E, 1 K 3656/06 F, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2010, 643).
Diese Frage bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 41 Abs. 1 AO für die Besteuerung unerheblich ist, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäft gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dass die Bank und der Kläger die Rechtsfolgen der vereinbarten Sicherungsabtretungen eintreten lassen wollten, wird schon dadurch deutlich, dass der Kläger der … Bank nach Ziff. 2 der Abtretungsbedingungen den Versicherungsschein übergeben musste und er die Bank beauftragte und bevollmächtigte, (der Versicherung) die Abtretung anzuzeigen. Wenn die Bank von einer Unwirksamkeit der Sicherungsabtretung ausgegangen wäre, hätte sie die Kredite nicht gewährt bzw. nicht bestehen lassen. Hiervon musste auch der Kläger ausgehen. Unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Abtretung ist mithin (im Innenverhältnis) zwischen dem Kläger als Darlehensnehmer und der Bank als Darlehensgeber ein verbindlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen aus den Lebensversicherungen und dem Kreditverhältnis hergestellt worden. Damit stand für die an dem Kreditgeschäft Beteiligten fest, dass die Guthaben aus den Lebensversicherungen des Klägers zur Sicherung des Kredits dienen sollten. Dass die … Bank im Nachhinein, d.h. nach Beendigung der Abtretungen, der Rechtsauffassung des Klägers zustimmte, ist unbeachtlich.
Die dem Kläger im Jahr 2002 aus der gekündigten Lebensversicherung Nr. … für den Zeitraum 1997 bis 2000 zugeflossenen Kapitalerträge i.H.v. 1.146,15 Euro sind folglich nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtig und deshalb zu Recht in dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 2002 berücksichtigt worden.
3. Soweit sich die Klage gegen die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2002 richtet, ist diese ebenfalls nicht begründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter Ziff. 1 zur Erhöhung der Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb der Jahre 2000 bis 2002 um Hinzurechnungsbeträge nach § 4 Abs. 4 a EStG Bezug genommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht wie hilfsweise beantragt zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.