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09.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110396

Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.12.2010 – 15 K 3614/07 U

Ein Steuerpflichtiger hat einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber der Steuerbehörde hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten, wenn er substantiiert darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf Drittschutz geltend machen zu können.


FG Münster v. 07.12.2010

15 K 3614/07 U

Tatbestand:
Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt (FA) verpflichtet ist, der Klägerin (Klin.) als Konkurrentin des beigeladenen X Regionalverband C e.V. (X) Auskunft darüber zu erteilen, mit welchem Steuersatz (Regelsteuersatz oder ermäßigtem Steuersatz) es die vom X mit dem Transport von Blutkonserven, von Blutproben, von Organen und der Beförderung von Ärzteteams in 2004 und 2005 erzielten Umsätze umsatzbesteuert hat.

Die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte Klin. betreibt gewerbsmäßig u.a. den Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und die Beförderung von Ärzteteams. Der durch Beschluss vom 29.07.2010 zum Verfahren beigeladene X ist ein eingetragener Verein, der laut § 3 Abs. 1 seiner Satzung (Fassung vom 16.12.2004) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnittes „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung (AO) verfolgt, selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten verweist der Senat auf die zur Gerichtsakte gereichte Satzung des X. In 2004 und 2005 erbrachte der X ebenfalls Transport- bzw. Beförderungsleistungen der von der Klin. ausgeführten Art und wies zumindest teilweise in seinen über diese Leistungen ausgestellten Rechnungen den ermäßigten Umsatzsteuer(USt)-Satz aus.

Die Transportumsätze der Klin. in P-M betrugen in 2004 und 2005 jährlich mindestens 285.000 EUR. Die Transportumsätze des X lagen laut Klin. in 2004 und 2005 zwischen mindestens einem Drittel und möglicherweise bis zur Hälfte ihres Jahresnettoumsatzes. Der von allen Anbietern mit dem Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und der Beförderung von Ärzteteams im Raum C erzielte Nettogesamtumsatz betrug laut Klin. in 2004 und 2005 jährlich etwa 380.000 EUR. Weil die Klin. davon ausging, dass der X seine Transportleistungen nicht – wie zumindest teilweise geschehen – mit dem ermäßigten USt-Satz abrechnen und auch nicht mit dem ermäßigten USt-Satz versteuern durfte, beantragte sie am 15.12.2006 beim FA die Übersendung der dem X für 2004 und 2005 erteilten USt-Bescheide mit folgender Begründung: Die Besteuerung der Transporte des X mit dem ermäßigten USt-Satz setze nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) voraus, dass der X mit seiner Leistung zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten dürfe, als dies bei Erfüllung der steuerbegünstigen Zwecke des X unvermeidbar sei. Diese Voraussetzung sei wahrscheinlich nicht erfüllt und vermutlich besteuere das FA den X zu niedrig. Falls die zu niedrige Besteuerung der Transportumsätze des X zu einer Wettbewerbsverzerrung im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG führe, müssten die Transportumsätze des X mit dem Regelsteuersatz besteuert werden. Nach Erhalt der begehrten Unterlagen beabsichtige sie, die Klin., eine Konkurrentenklage zu erheben.

Den Antrag vom 15.12.2006 lehnte das FA mit Bescheid vom 02.01.2007, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, unter Hinweis auf das von ihm zu wahrende Steuergeheimis ab. Eine Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse des X sei nur zulässig, wenn es sich um ein Verfahren in Steuersachen handele. Die von der Klin. angekündigte Konkurrentenklage stelle selbst dann nicht ein solches Verfahren dar, wenn im Rahmen der Konkurrentenklage die ust-rechtliche Behandlung der Umsätze des X durch das FA entscheidungsrelevant sein sollte. Das mit Schriftsatz vom 21.06.2007 wiederholte Ansinnen des damaligen Bevollmächtigten der Klin. aus dem Schriftsatz vom 09.01.2007, das Schreiben vom 02.01.2007 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen, da sonst der Klin. die Möglichkeit genommen werde, ein Rechtsmittel einzulegen, sah das FA als Einspruch gegen seinen Bescheid vom 02.01.2007 an, den es mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.07.2007 als unbegründet zurückwies: Zu Recht habe es unter Berufung auf das Steuergeheimnis die Offenbarung der steuerlichen Daten des X abgelehnt. Einem Steuerpflichtigen stehe nur dann ein Auskunftsanspruch zu der Besteuerung eines Konkurrenten zu, wenn der Antragsteller substantiiert und glaubhaft darlege, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare Wettbewerbsnachteile zu erleiden. Ein Auskunftsanspruch bestehe nur dann, wenn der Antragsteller gegenüber der Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen könne. Dem Antragsteller obliege die Nachweispflicht, dass er in einer drittschützenden Norm verletzt worden sei. Zwar behaupte die Klin., dass eine von ihr unterstellte Besteuerung der Transportumsätze des X mit dem ermäßigten USt-Satz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG rechtswidrig sei. Selbst in Verbindung mit der Regelung des § 65 Nr. 3 AO komme der Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG keine drittschützende Wirkung zu. Beiden Vorschriften lägen keine wettbewerbsrechtlichen Überlegungen zugrunde.

Mit der Klage verfolgt die Klin. ihr Auskunftsbegehren weiter. Lege man einen Transportumsatz des X in P-M von jährlich mindestens 95.000 EUR zugrunde, so betrage die USt-Differenz bei einer Besteuerung dieser Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz im Verhältnis zu einer Besteuerung mit dem Regelsteuersatz bis einschließlich 2006 jährlich 34.200 EUR und ab 2007 jährlich 45.600 EUR. Seine Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz verschaffe dem X einen erheblichen Angebotsvorteil. Die Kunden der Klin. und die Kunden des X seien ausnahmslos nicht vorsteuerabzugsberechtigte Einrichtungen des Gesundheitswesens wie Krankenhäuser bzw. Blutspendedienste sowie die Deutsche Stiftung für Organtransplantation in Q. Für die Klin. sei die Preisdifferenz aufgrund unterschiedlicher steuerlicher Belastung der gleichen Transportleistung vor dem Hintergrund des zukünftig noch weiter steigenden Kostendrucks deshalb nachteilig, weil die Auftraggeber jede Ausgabe auf Einsparpotentiale hin untersuchten. Die Blutspendedienste in T und Q belieferten zusammengeschlossene bzw. sich zusammenschließende Krankenhäuser. Kurz- bis mittelfristig unterhielten Krankenhäuser mit weniger als 500 Betten, d.h. rund 75 % aller Krankenhäuser im Regierungsbezirk E, kein eigenes Labor. Der Zusammenschluss der Krankenhäuser zu Großeinheiten an zwei oder drei Standorten generiere pro Jahr einen zusätzlichen Transportumsatz von circa 100.000 EUR netto, um den sie mit dem X konkurriere. Auch dieser Umstand belege ihren erheblichen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zum X, falls dessen Leistungen mit dem ermäßigten USt-Satz besteuert würden. Die Transporte des X stellten keine zweckbetriebliche Tätigkeit dar, weil er seine Transportleistungen am Markt anbiete, um damit Einnahmen wie ein Gewerbebetrieb zu erzielen. Sie, die Klin., werde durch den in der Richtlinie 77/388/EWG niedergelegten Neutralitätsgrundsatz geschützt. Gegen diesen Grundsatz verstoße das FA mit einer unterschiedlichen Besteuerung ihres Unternehmens und des X. Ihr stehe der Auskunftsanspruch unabhängig davon zu, ob ihr tatsächlich ein im Wege der Konkurrentenklage zu verfolgender Anspruch auf eine bestimmte Besteuerung des Konkurrenten zustehe.

Die Klin. beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 02.01.2007 und der EE vom 26.07.2007 das FA zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, mit welchem Steuersatz das FA die von dem Beigeladenen mit dem Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und der Beförderung von Ärzteteams in den Kalenderjahren 2004 und 2005 erzielten Umsätze besteuert hat,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist es auf die EE und trägt ergänzend vor: Im Streitfall liege keine drittschützende Steuerrechtsnorm vor, auf die die Klin. ihr Begehren stützen könne.

Der X hat keinen Antrag gestellt.



Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.

Ob das FA zu Recht angenommen hat, der Klin. stehe gegen den Bescheid vom 02.01.2007 der Rechtsbehelf des Einspruchs im Sinne des § 347 Abs. 1 AO zur Verfügung, und sie habe mit den Schreiben vom 09.01.2007 und 21.06.2007 einen solchen Einspruch eingelegt, kann dahinstehen. Die Klage, mit der sich ein Antragsteller gegen die Abweisung seines Antrags auf Auskunftserteilung zu den steuerlichen Verhältnissen seines Konkurrenten wendet, ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 05.10.2006, VII R 24/03, BFHE 215, 32, BStBl II 2007, 243) nämlich als allgemeine Leistungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu beurteilen. Verfahrensrechtliche Grundlage für die allgemeine Leistungsklage ist das Prozessgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Eine allgemeine Leistungsklage kann ohne ein vorausgegangenes Vorverfahren erhoben werden, § 40 in Verbindung mit § 44 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 06.05.1999, XI S 1/99, BFH/NV 1999, 1602).

Der Ablehnungsbescheid vom 02.01.2007 und die EE vom 26.07.2007 waren aufzuheben und das FA war zu verurteilen, der Klin. darüber Auskunft zu erteilen, mit welchem Steuersatz es die in den Kalenderjahren 2004 und 2005 von dem X mit dem Transport von Blutkonserven, Blutproben, Organen und der Beförderung von Ärzteteams erzielten Umsätze umsatzbesteuert hat, nachdem das FA den Antrag der Klin. auf Auskunft über die Besteuerung der vom X in 2004 und 2005 erzielten Transportumsätze abschlägig beschieden hat.

Grundlage für den von der Klin. geltend gemachten Auskunftsanspruch ist nicht die AO, weil diese einen diesbezüglichen Anspruch nicht regelt, sondern das Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit dem Grundrecht auf Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG ( BFH-Urteil vom 05.12.2006, VII R 24/03 , a.a.O.). Danach hat ein Steuerpflichtiger einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung des Konkurrenten, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können. Dann darf die Auskunft erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre. Die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem die Auskunft begehrenden Antragsteller die von ihm behaupteten Rechte tatsächlich zustehen, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte. Diese Frage ist erst im nachfolgenden Verfahren zu klären. § 30 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 a AO verlangt lediglich, dass die Auskunft der Durchführung eines solchen Verfahrens „dient”, also geeignet ist, in einem solchen nachfolgenden Verfahren im Rahmen einer rechtlichen Argumentation mit Aussicht auf Erfolg verwendet zu werden. Das ist allerdings nicht der Fall ist, wenn feststeht, dass die behaupteten Rechte dem Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen können, d.h. wenn das angestrebte Konkurrentenschutzverfahren von vorneherein keine Aussicht auf Erfolg verspricht ( BFH-Urteil vom 05.06.2006, VII R 24/03 , a.a.O.). Besteht ein Anspruch auf Auskunftserteilung, muss der Anspruch des Konkurrenten auf Wahrung seines Steuergeheimnisses zurücktreten. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Auskunftsbegehren zu entsprechen ist, hat gemäß dem Anwendungserlass zur AO (BMF-Schreiben vom 02.01.2008, BStBl 2008 I S. 26 geändert durch BMF-Schreiben vom 22.12.2009, BStBl 2010 I S. 9§ 30 AO Tz. 4.7.) auch die Finanzverwaltung diese Grundsätze anzuwenden.

Nach diesen Grundsätze steht der Klin. ein Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft gegen das FA zu, weil sie die Erfüllung der Voraussetzungen schlüssig dargelegt hat, die ihren Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die durchgeführte Besteuerung der vom X in 2004 und 2005 erbrachten Transportleistungen begründen. Laut dem durch die Rechnungsvorlagen belegten Vortrag der Klin. hat der X die streitigen Transportleistungen zum ermäßigten Steuersatz abgerechnet; mangels entgegenstehender Anhaltspunkte hat der X diese Leistungen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG in Verbindung mit den §§ 51 AO mit dem ermäßigten Steuersatz versteuert. Gesichtspunkte dafür, dass das FA die Transportumsätze des X mit dem Regelsteuersatz besteuert hat, konnten nicht festgestellt werden. Eine unter Berücksichtigung des § 3 Abs. 1 der Satzung des X, wonach dieser ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnittes „Steuerbegünstigte Zwecke” der AO verfolgt, selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, durchgeführte Besteuerung der Transportleistungen des X mit dem ermäßigten USt-Satz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG in Verbindung mit den §§ 51 ff AO ist möglicherweise materiell unrichtig, was der Senat im vorliegenden Verfahren aber nicht zu klären hat. Unter Erfüllung der in § 65 Nr. 1 und Nr. 2 AO normierten Voraussetzungen ist für die Annahme eines Zweckbetriebs zusätzlich nach § 65 Nr. 3 AO erforderlich, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlichen Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei der Erfüllung seiner steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 30.03.2000, V R 30/99, BFHE 191, 434, BStBl II 2000, 705; vom 29.01.2009, V R 46/06, BStBl 2009 II S. 560BFH/NV 2009, 867) liegt der Sinn und der Zweck des § 65 Nr. 3 AO in einem umfänglichen Schutz des Wettbewerbs, der auch den potentiellen Wettbewerb umfasst. Durch die steuerliche Begünstigung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs sollen weder Wettbewerber verdrängt noch zu Lasten potentieller Konkurrenten Marktzutrittsschranken errichtet werden. Wettbewerb im Sinne des § 65 Nr. 3 AO setzt nicht voraus, dass die Körperschaft auf einem Gebiet tätig wird, in der sie tatsächlich in Konkurrenz zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlichen Art tritt. Sind die von einer Körperschaft verfolgten gemeinnützigen Zwecke auch ohne steuerlich begünstigte entgeltliche Tätigkeit zu erreichen, so ist aus der Sicht des Gemeinnützigkeitsrechts eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs vermeidbar (BFH-Urteil vom 29.01.2009, V R 46/06, a.a.O., Ziffer II 2 c bb (2)). Werden die von der gemeinnützigen Körperschaft ausgeführten Leistungen auch von nicht steuerbegünstigten Unternehmen erbracht, wird die Körperschaft nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 65 AO tätig. Aufgrund des unwiderlegt gebliebenen Vortrags der Klin. kann nicht definitiv ausgeschlossen werden, dass der X seine Transportumsätze schon deshalb nicht im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne des § 65 AO ausgeführt hat, weil die Klin. als Konkurrentin des X in den Streitjahren 2004 und 2005 dieselben Transport- und Beförderungsleistungen wie der X mit der Folge ausgeführt hat, dass zwischen der Klin. und dem X ein steuerschädliches Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 65 Nr. 3 AO bestand. Jedenfalls traten die Klin. und der X auf demselben räumlich beschränkten Markt, nämlich dem Transportmarkt in P-M, wie jeder anderer einnahmeorientierter, Transportleistungen anbietender Wettbewerber auf. Schlüssig hat die Klin. dargelegt, dass sie durch eine im Vergleich zur Besteuerung ihrer Transportleistungen unterschiedliche – niedrigere – Besteuerung der Transportleistungen des X Wettbewerbsnachteile erleidet. Es liegt auf der Hand, dass die im Wesentlichen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Nachfrager nach Transportleistungen der streitigen Art den Unternehmer beauftragen, der im Vergleich zur Konkurrenz einen niedrigeren Steuersatz berechnet, weil die Auftraggeber die USt-Belastung ihrerseits nicht auf die Bezieher ihrer Leistungen abwälzen können. Der Senat hat keine Gesichtspunkte festgestellt, wonach Zweifel an der Richtigkeit des Sachvortrags der Klin. zur Höhe ihres Wettbewerbsnachteils aufgrund unterschiedlicher Besteuerung der Transportleistungen berechtigt sein könnten.

Zwar werden in der Regel Rechte eines an dem betreffenden Steuerschuldverhältnis nicht beteiligten Dritten nicht verletzt, wenn ein Unternehmer – rechtswidrig – zu niedrig besteuert wird. Anderes gilt jedoch dann, wenn die zu niedrige Besteuerung gegen eine Norm verstößt, die nicht ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit, insbesondere im öffentlichen Interesse an der gesetzmäßigen Steuererhebung und Sicherung des Steueraufkommens erlassen wurde, sondern zumindest auch dem Schutz der Interessen einzelner an dem betreffenden Steuerverhältnis nicht beteiligter Dritter zu dienen bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BFH wie nach der Auffassung der Finanzverwaltung ( BMF-Schreiben vom 02.01.2008 , a.a.O., geändert durch BMF-Schreiben vom 22.12.2009 , a.a.O., § 30 AO Tz. 4.7.) sind z.B. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes in Verbindung mit §§ 64 bis 68 AO drittschützende Normen. Die Vorschriften schließen Steuervergünstigen wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke insoweit aus, als die Körperschaften wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, die keine Zweckbetriebe gemäß den §§ 65 bis 68 AO sind. Der Ausschluss dient nicht ausschließlich dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhöhung des Steueraufkommens. Wie die Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO zeigt, dienen die Vorschriften vielmehr dem Schutz der mit den Nichtzweckbetrieben konkurrierenden und steuerlich nicht begünstigten Betrieben (BFH-Urteil vom 15.10.1997, I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl 1998 II S. 63BFH-Beschluss vom 18.09.2007, I R 30/06, BFHE 219, 184, BStBl II 2008, 126; ferner BFH-Urteil vom 29.01.2009, V R 46/06, a.a.O.). Gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch hinsichtlich der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG in Verbindung mit §§ 65 bis 68 AO getroffenen Regelungen. Entscheidend ist, dass die hier möglicherweise einschlägige Vorschrift des § 65 Nr. 3 AO belegt, dass auch für Zwecke der Umsatzbesteuerung steuerlich nicht begünstigte Betriebe davor geschützt werden sollen, dass Mitbewerber, die aufgrund ihrer Zweckbestimmung grundsätzlich steuerlich begünstigt werden und damit steuerliche und in deren Folge Wettbewerbsvorteile für die Tätigkeiten erhalten, nicht hinsichtlich der Umsätze steuerbegünstigt werden sollen, die gerade nicht der Erfüllung ihrer die Steuerbegünstigung begründenden Zweckbestimmung dienen (vgl. BFH-Urteil vom 29.01.2009, V R 46/06, a.a.O.).

Das FA ist gehalten, der Klin. Auskunft über die steuerlichen Verhältnisses des X im Umfang des Urteilstenors zu erteilen, weil zur Erhebung einer Konkurrentenklage durch die Klin. es in diesem Umfang der Offenlegung der steuerlichen Verhältnisse des X bedarf. Das dem verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch entgegenstehende, ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Konkurrenten beschränkt den Anspruch auf Auskunft auf die Informationen, die für die Durchführung des Steuerverfahrens der Konkurrentenklage notwendig sind (Tipke-Kruse, Kommentar zur FGO, § 40 Rdn. 86; BMF-Schreiben vom 22.12.2009 , a.a.O., § 30 AO Tz. 4.7.). Für den Streitfall folgt daraus, dass die Klin. zur Durchsetzung ihrer Rechte im Rahmen einer eventuell nachfolgenden Konkurrentenklage (nur) wissen muss, ob das FA die vom X in 2004 und 2005 erzielten streitigen Umsätze mit dem Regelsteuersatz oder mit dem ermäßigten Steuersatz umsatzbesteuert hat, um gegen die nach ihrer Meinung unzutreffende Besteuerung des X vorgehen zu können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die außergerichtlichen Kosten des X sind nicht erstattungsfähig, weil er in der mündlichen Verhandlung keinen, ihn mit einem Kostenrisiko belastenden Antrag gestellt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war nach § 115 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 FGO zuzulassen.

RechtsgebieteGG, AOVorschriftenGG Art 12 Abs 1 AO § 30 Abs 4 Nr 1 i.V.m. Abs 2 Nr 1a

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