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15.06.2011 · IWW-Abrufnummer 112256

Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.02.2011 – 1 K 3351/08 E

1) Übt ein Steuerpflichtiger mehrere Tätigkeiten aus, so bestimmt sich der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nach deren qualitativem Schwerpunkt. Das Gesamtbild der Tätigkeiten wird dabei durch den Hauptberuf geprägt, wenn dieser inhaltlich mit einer Nebentätigkeit verbunden ist und die Haupttätigkeit weit überwiegt.
2) Der qualitative Mittelpunkt eines Lehrers und nebenberuflichen Schriftstellers liegt in der Schule und damit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers.


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 1. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22.02.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand
Streitig ist die Begrenzung der Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Streitjahr 2002.
Die Kläger werden im Streitjahr als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist als Berufsschullehrer nichtselbständig tätig. Daneben ist er als Schriftsteller freiberuflich tätig. Insbesondere ist er der Mitverfasser sehr erfolgreicher Schulbücher.
Die Kläger machten in der Einkommensteuererklärung 2002 bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit i.S.d. § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) Aufwendungen in Höhe von 3.659,61 Euro für zwei Arbeitszimmer als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte berücksichtigte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung durch Bescheid vom 9.7.2003 nur Betriebsausgaben in Höhe von insgesamt 1.250 Euro. Die Einkommensteuerfestsetzung erging hinsichtlich der Kosten der Arbeitszimmer gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig.
Die Kläger haben am 22.7.2003 Einspruch eingelegt und im Einspruchsverfahren auf die Begründung des für das Jahr 1997 bereits anhängigen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beim BFH verwiesen. Das Einspruchsverfahren hinsichtlich des Streitjahres ist deshalb zum Ruhen gebracht worden.
Im Verfahren hinsichtlich der Geltendmachung von Aufwendungen für die Arbeitszimmer in 1997 hat der BFH durch Entscheidung vom 16.12.2004 (IV R 19/03) das Klage abweisende Urteil des erkennenden Senats vom 29.5.2001 (1 K 2681/00 E) aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen. Zwar bildeten die beiden Räume, so der BFH in dieser Entscheidung, auf Grund ihrer identischen Nutzung als Büroräume eine funktionale Einheit und seien daher als ein Objekt i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG a.F. anzusehen. Ob dieses eine Arbeitszimmer aber den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten bilde, sei vom Finanzgericht Münster auf der Basis von Grundsätzen getroffen worden, die nicht mehr ganz der damals gültigen Rechtsprechung des BFH entsprochen hätten. Gehe der Steuerpflichtige mehreren Tätigkeiten nach, sei der Mittelpunkt anhand einer Gesamtbetrachtung aller von ihm ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. Es bedürfe zunächst der Bestimmung des jeweiligen Betätigungsmittelpunktes der einzelnen beruflichen und betrieblichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen, um dann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit werde durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert. Dabei sei jede nichtselbständige Vollzeitbeschäftigung eines Steuerpflichtigen in diesem Zusammenhang als Haupttätigkeit anzusehen.
Durch Urteil vom 8.5.2007 (1 K 458/05 E) wies der erkennende Senat erneut zu Ungunsten des Klägers die Klage ab, da er nach Würdigung der Gesamtumstände davon ausging, dass die Haupttätigkeit des Klägers die Lehrtätigkeit sei, und deren Mittelpunkt außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers liege. Dadurch werde regelmäßig indiziert, dass auch der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit nicht im Arbeitszimmer liege. Der Vortrag von Tatsachen und Beweismitteln, aus denen sich ein anderer Mittelpunkt der Gesamttätigkeit ergebe, sei nicht gelungen. Selbst bei Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung zum Mittelpunkt bei mehreren selbständigen Tätigkeiten entfielen nach dem Vortrag des Klägers nur 540 Stunden auf die Verlagsarbeit, 1.540 Stunden aber auf den Bereich der Lehrtätigkeit, so dass der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit nicht im Arbeitszimmer liege. Dem entspräche es auch, dass der Kläger in 1997 den überwiegenden Teil seiner Einnahmen, nämlich 77,3%, aus der Lehrtätigkeit bezogen habe.
Der BFH hat eine gegen dieses Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 19.12.2007 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 19.5.2008 bat der Kläger um Erlass einer Einspruchsentscheidung für das Streitjahr gebeten. Der Beklagte wies darauf hin durch Entscheidung vom 30.7.2008 den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück und verwies insbesondere auf die Würdigung des FG Münsters im zweiten Urteil für das Jahr 1997.
Die Kläger haben am 2.9.2008 Klage eingelegt. Sie behaupten, dass der Kläger im Streitjahr insgesamt 590 Stunden für die Arbeiten als Schriftsteller im Arbeitszimmer verbracht hätte. Weitere 74 Stunden seien an anderen Orten zu erledigen gewesen. Für die Tätigkeit als Lehrer habe der Kläger 1016 Stunden in der Berufsschule und 600 Stunden im Arbeitszimmer verbracht. Weitere 71,5 Stunden seien im Streitjahr an anderen Orten für diese Tätigkeit ausgeübt worden. Insoweit verweisen die Kläger auf die mit Schriftsatz vom 24.11.2009 eingereichten Anlagen (Bl. 60f. d. GA), die ihre Schätzungen im Einzelnen darlegen. Im Gegensatz zu der Ansicht des Senats im Verfahren 1 K 458/05 E sei eine indizielle Bedeutung oder Wirkung der Haupttätigkeit nicht entscheidend. Vielmehr sei eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, für die alle Tätigkeiten im Arbeitszimmer von denen außerhalb des Arbeitszimmers abzugrenzen seien. Im vorliegenden Fall würden 50,61% der Gesamttätigkeit im Arbeitszimmer zu veranschlagen sein. Deshalb sei dieses der qualitative Mittelpunkt der Gesamttätigkeit und ein unbegrenzter Abzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer möglich. Dem entspräche auch eine Aufteilung der Einnahmen. 57,2% der Einnahmen würden im Arbeitszimmer generiert (Bl. 2 d. GA). Eine Aufteilung der qualitativ relevanten Tätigkeiten nach dem Ort der Tätigkeit käme zu dem Ergebnis, dass dieser zu 66,7% im Arbeitszimmer liege.
Die Rechtsprechung des IV. Senats im Verfahren zum Jahr 1997 widerspreche der Ansicht des an sich zuständigen VI. Senats. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die Aufteilung nach Haupt- und Nebentätigkeit und der indiziellen Wirkung der Haupttätigkeit für die Nebentätigkeit. Zu beachten sei auch, dass der BMF in seinem Schreiben vom 3.4.2007 eine Unterscheidung nach Haupt- und Nebentätigkeiten hinsichtlich der Frage nach dem qualitativen Mittelpunkt nicht mache.
Die Rechtsprechung des IV. Senats verstößt nach Ansicht der Klägerseite weiter gegen den Gleichheitsgrundsatz wie auch gegen das Diskriminierungsverbot von Nebentätigkeiten nach geltendem EU-Recht.
Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerfestsetzung 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.7.2008 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von 1.555,30 Euro bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit berücksichtigt werden,
im Unterliegensfall,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die vom Kläger vorgenommenen Berechnungen nicht geeignet seien, den qualitativen Mittelpunkt der Gesamttätigkeit des Klägers im Arbeitszimmer zu verorten. Zu beachten sei, dass zwar die Möglichkeit des Nachweises bestünde, dass die Gesamttätigkeit im Arbeitszimmer liege. Doch sei hierbei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung, nicht aber die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen abzustellen. Die Zuordnung sei angreifbar und zeige letztlich nur die Quantität, aber nicht die Qualität der Verteilung der Tätigkeiten. So seien die Zeiten der Vor- und Nachbereitung auf die Lehrertätigkeit Teil der Sicherstellung der Qualität der Wissensvermittlung als Lehrer. Der qualitative Mittelpunkt dieser gesamten Tätigkeit als Lehrer liege aber in der Schule. Die schriftstellerische Tätigkeit des Klägers sei dagegen sowohl vom Zeitaufwand wie auch im Verhältnis der Einkünfte zueinander von geringerer Bedeutung.
Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage am 25.9.2009 mit den Beteiligten erörtert. In der Folge hat er die bereits angesprochene Aufstellung der Zeitanteile (Bl. 60 d. GA) eingereicht. Diese umfasst nach Angaben des Klägers auch Pausenzeiten in der Schule. Der Kläger ist gebeten worden, die Zeiten für An- und Abfahrt zur Schule wie auch ggf. zu den Tätigkeiten an anderen Orten darzulegen. Er hat eine Aufstellung hinsichtlich der An- und Abfahren zur Schule mit Schreiben vom 15.2.2011 vorgelegt. Dabei vertritt der Kläger die Ansicht, dass diese Fahrten auf die Zeiten in der Berufsschule und das Arbeitszimmer aufzuteilen sind, da die Arbeit als Lehrer im Arbeitszimmer weitergehe. Außerdem seien Zeiten als Autor im Rahmen der Ermittlung des Zeitanteils im Arbeitszimmer zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Im vorliegenden Fall sind die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer auf den von der Beklagtenseite anerkannten Betrag von 1.250 Euro beschränkt. Ein Abzug darüber hinaus ist nicht möglich, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 HS. 2 EStG i.d.F. VZ 2002).
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dürfen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. für das Streitjahr 2002, obwohl Betriebsausgaben vom Charakter her, den Gewinn nicht mindern. Diese Beschränkung gilt gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.d.F. für das Streitjahr 2002 auch in dem Fall, dass diese Aufwendungen als Werbungskosten zu qualifizieren sind. Insoweit kann hier zunächst dahinstehen, bei welchen Einkünften die geltend gemachten Aufwendungen Berücksichtigung finden, da allein die Einkommensteuerfestsetzung mit der Klage angreifbar ist.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dürfen allerdings gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG, ggf. i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG, dann als Erwerbsaufwendungen, also Betriebsausgaben oder Werbungskosten, abgezogen werden, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit umfasst oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Der Abzug ist in beiden Fällen aber auf den Betrag von 1.250 Euro gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG beschränkt. Ein Abzug in dieser Höhe – betragsmäßig unstreitig nachgewiesen – ist hier schon deshalb zu gewähren, weil dem Kläger als Lehrer für seine diesbezügliche berufliche Tätigkeit ein Arbeitsplatz in der Schule nicht zur Verfügung steht. Ein Abzug darüber hinaus ist möglich, wenn ein häusliches Arbeitszimmer der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Nur in einem solchen Fall wäre ein unbeschränkter Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG i.d.F. Streitjahr 2002 möglich gewesen.
Das Arbeitszimmer bildet im vorliegenden Fall, zumindest auch im Streitjahr 2002, nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers. Der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit des Klägers liegt eindeutig außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers.
Im vorliegenden Fall sind die beiden Räume als ein Arbeitszimmer i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG anzusehen, was zwischen den Parteien unstreitig ist und für 1997 auch vom BFH für den gleichen Sachverhalt bestätigt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 16.12.2004 IV R 19/03, BFH/NV 2005, 463).
Werden mehrere Tätigkeiten ausgeübt, so ist der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit anhand einer Gesamtbetrachtung aller vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. Dabei sind zunächst die jeweiligen Betätigungsmittelpunkte der einzelnen beruflichen und betrieblichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen und so dann auf dieser Grundlage der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Dabei ist jeweils zu berücksichtigen, dass der Schwerpunktbegriff qualitativ zu ermitteln ist und nicht quantitativ (BFH-Urteil vom 8.2.2003 VI R 27/02, BStBl II 2004, 771 und BFH-Urteil vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl II 2005, 212 im ersten Rechtszug des Klageverfahrens hinsichtlich des Streitjahres 1997). Der IV. Senat verweist im Urteil vom 16.12.2004 (IV R 19/03, BStBl II 2005, 212) ausdrücklich darauf hin, dass zumindest dann dieses Gesamtbild der Tätigkeiten durch den Hauptberuf geprägt wird, wenn dieser inhaltlich mit der Nebentätigkeit verbunden ist und die Haupttätigkeit weit überwiege. Ausdrücklich hat der IV. Senat im Urteil vom 16.12.2004 (a.a.O.) auch dargelegt, dass sich aufgrund des Wortlautes der Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. bis VZ 2006 eine Einzelbetrachtung der jeweiligen Betätigungen verbietet, da es gerade darum gehe, alle Tätigkeiten in ihrer Gesamtheit zu erfassen. Der jeweilige Betätigungsmittelpunkt der einzelnen beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen sei zu ermitteln, um sodann auf dieser Grundlage den qualitativen Schwerpunkt der Gesamttätigkeit zu ermitteln. Damit bringt der IV. Senat klar zum Ausdruck, dass eine qualitative Wertung nach der Ermittlung des Mittelpunkts der Einzeltätigkeiten in Bezug auf den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit zu erfolgen hat.
Diese Rechtsprechung des IV. Senats ist auch, anders als von Klägerseite angenommen, in der Folge von anderen Senaten des BFH bestätigt worden. So hat der VI. Senat des BFH in einem Beschluss vom 13.3.2007 (VI B 96/06, BFH/NV 2007, 1131) nicht nur auf das Urteil des IV. Senats vom 16.12.2004 (a.a.O) verwiesen, sondern unabhängig davon die Ansicht vertreten, dass der Umstand, dass eine der Einkunftsarten eine Vollerwerbstätigkeit darstelle, bei der sich der Erwerbsmittelpunkt nicht im häuslichen Arbeitszimmer befunden hat, Indiz dafür sei, das das Arbeitszimmer auch nicht der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde. In der Entscheidung vom 20.4.2010 (VI B 150/09, BFH/NV 2010, 1434) verweist der VI. Senat auf die Entscheidung vom 13.3.2007 und stellt klar, dass der rechtliche Maßstab, nach dem der Schwerpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer zu beurteilen sei, nicht der zeitliche Anteil der Tätigkeit im Arbeitszimmer (dort mehr als 50%) sei. Entscheidend sei der inhaltliche und damit qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen. Der zeitliche und damit quantitative Schwerpunkt der Tätigkeit habe lediglich indizielle Bedeutung. Auf diese Grundsätze verweist auch der VIII. Senat in seiner Entscheidung vom 13.4.2010 (VIII R 27/08, BFH/NV 2010, 2038).
Diese Rechtsprechung des BFH verstößt weder gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz noch gegen EU-Recht.
So steht es dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis im Massenverfahren zu, die betriebliche und berufliche Veranlassung der Nutzung eines Arbeitszimmers an qualitative und nicht quantitative Voraussetzungen zu binden. Hierauf weist das BVerfG in seinem Beschluss vom 6.7.2010 (2 BvL 13/09, NJW 2643, Tz. 50) ausdrücklich hin. Der Senat vermag aber auch insoweit keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz zu erkennen, als im konkreten Fall der Abzug der Aufwendungen aufgrund der Haupttätigkeit des Klägers als Lehrer auf 1.250 Euro beschränkt ist, dies bei einem Schriftsteller im Hauptberuf aber nicht der Fall wäre. Anders als der nicht hauptberuflich tätige Schriftsteller hat der hauptberuflich tätige Schriftsteller nämlich keine Kompensationsmöglichkeiten von Aufwendungen bei Haupt- und Nebentätigkeit. In seinem Fall liegt auch – was zumindest typisierend zu berücksichtigen ist – keine Abgrenzungsproblematik zwischen Haupt- und Nebentätigkeit im Arbeitszimmer vor.
Der Senat vermag nicht erkennen, inwieweit die BFH-Rechtsprechung wie auch die Ausformulierung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG idF VZ 2002 gegen EU-Recht verstößt. Soweit die Klägerseite auf die Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 (ABl L 303 v. 2.12.2000, 16) abstellt, verkennt sie, dass eine Diskriminierung des Klägers aufgrund persönlicher Merkmale (Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Ausrichtung) wie in Art. 1 der Richtlinie dargestellt nicht vorliegt. Darüber hinaus ist diese Richtlinie, die grundsätzlich keine unmittelbare Rechtswirkung zwischen dem Steuerpflichtigem und dem Staat zur Folge hat (vgl. insoweit: EuGH-Vorlage des BAG vom 16.10.2008 7 AZR 253/07 (A), DB 2009, 850 mwN.), im Streitjahr 2002 noch nicht umzusetzen gewesen (Art. 18 der Richtlinie).
Der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit wird im vorliegenden Fall durch die Haupttätigkeit des Klägers, nämlich seine Lehrtätigkeit außerhalb des Arbeitszimmers, indiziert. In der Rechtsprechung ist eindeutig geklärt, dass ein Lehrer den qualitativen Mittelpunkt seiner Tätigkeit in der Schule und damit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers hat (vgl. nur BVerfG-Urteil vom 7.12.1999 2 BvR 301/98, NJW 2000, 572, Tz. 42). Zwar ist der qualitative Mittelpunkt der schriftstellerischen Tätigkeit im Arbeitszimmer zu sehen, doch reicht dies nicht aus, im Rahmen der Gesamtschau auch den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit dort zu verorten.
Aus Sicht des Senats ist zum einen der zeitliche Anteil der Tätigkeit als Lehrer im Arbeitszimmer nicht geeignet, den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit in Verbindung mit der Tätigkeit als Schriftsteller dorthin zu verlagern. Vielmehr ist diese Tätigkeit als Teil der Lehrtätigkeit qualitativ als außerhalb des Arbeitszimmers anzusehen. Zum anderen kommt der schriftstellerischen Tätigkeit auch im Streitjahr nur eine nebenberufliche und damit qualitativ geringere Bedeutung zu. So sind die Einnahmen aus dieser Tätigkeit mit 29.951,94 Euro (ohne USt) im Vergleich zu den Gesamteinnahmen von 89.465,08 Euro deutlich geringer. Der Anteil von 33,5% dieser Einnahmen an den Gesamteinnahmen mag zwar im Vergleich zum Jahr 1997 erhöht worden sein, doch bewegen sie sich erkennbar nicht annähernd in der Höhe der Einnahmen aus der Tätigkeit als Lehrer. Auch ist der Zeitanteil der Tätigkeiten für Verlagsarbeiten mit 590 Stunden, vom Senat zugunsten der Klägerseite als richtig unterstellt, im Verhältnis zur Zeit der Betätigung als Lehrer in der Berufsschule, vom Kläger mit 1.016 Stunden (jeweils ohne Fahrtzeiten und auch ohne Pausenzeiten) angegeben, deutlich geringer. Sie beträgt lediglich 36,5% (590 Stunden/1.616 Stunden). Nicht berücksichtigt hat der Senat zugunsten des Klägers die Zeiten, die auf die Lehrtätigkeit außerhalb der Berufsschule entfallen.
Der Ansicht der Klägerseite, dass eine Schätzung der zeitlichen Anteile unabhängig vom qualitativen Schwerpunkt zu erfolgen hat, vermag der Senat auch aufgrund des bis zum VZ 2006 geltenden Gesetzeswortlautes des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht zu folgen. So hatte der Gesetzgeber für den vom Kläger dargelegten Fall der hohen quantitativen zeitlichen Nutzung einen Abzug von Aufwendungen für das Arbeitszimmer vorgesehen. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG sah allerdings vor, dass bei betrieblicher oder beruflicher Nutzung des Arbeitszimmers zu mehr als 50% der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit ein solcher Abzug der Aufwendungen als Betriebsausgaben gedeckelt auf den Betrag von 1.250 Euro möglich sein sollte. Ausgehend von den nicht überprüfbaren Zahlen des Klägers wäre hier eine solche Nutzung im Arbeitszimmer quantitativ auf ca. 51% der Gesamtzeit zu schätzen. Dies reicht im vorliegenden Fall nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG aber nur aus, um nach dieser bis zum VZ 2006 geltenden Abzugsalternative einen beschränkten Abzug von 1.250 Euro möglich zu machen. Ein solcher wird im vorliegenden Fall für das Streitjahr aber schon deshalb ermöglicht, weil dem Kläger als Lehrer ein anderer Arbeitsplatz in der Schule nicht zur Verfügung steht. Eine Verdopplung dieses Betrages von 1.250 Euro ist nicht vorgesehen (so BFH-Urteil vom 20.11.2003 IV R 30/03, BStBl II 2004, 775).
Gleichzeitig zeigt diese Hilfsüberlegung des Senats deutlich, dass zumindest in den Jahren bis zum VZ 2006 einschließlich eine rein quantitative Betrachtung der Zeitanteile im Arbeitszimmer nicht geeignet ist, den unbeschränkten Abzug von Erwerbsaufwendungen in Bezug auf ein häusliches Arbeitszimmer möglich zu machen.
Nach alledem ist die Klage auch für das Streitjahr 2002 abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht erkennbar.

VorschriftenEStG § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 6b Satz 3

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