28.06.2011 · IWW-Abrufnummer 114023
Finanzgericht München: Urteil vom 23.03.2011 – 4 K 1008/08
1. Der Entrichtungsschuldner ist zur Anfechtung einer Versicherungsteueranmeldung auch dann befugt, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung der Höhe nach den Angaben und der Steuerberechnung durch den anmeldenden Entrichtungsschuldner entsprochen hat.
2. Ein vor Erhebung der Klage (außergerichtlich) eingelegter Einspruch steht der zeitlich nachfolgenden Sprungklage nicht entgegen; vielmehr hat sich der außergerichtliche Rechtsbehelf hierdurch in ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren gewandelt.
3. Ein Rückversicherungsverhältnis setzt begrifflich das Bestehen eines weiteren, gleichsam vorgreiflichen Versicherungsverhältnisses voraus. Die Steuerbefreiung für Rückversicherungen nach § 4 Nr. 1 VersStG soll also eine mehrfache Besteuerung desselben Interesses des Versicherers vermeiden, auch wenn der Begriff der Rückversicherung keinesfalls die Steuerpflicht des Erstversicherungsverhältnisses voraussetzt.
4. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG kann nur auf diejenigen Versicherungsverhältnisse Anwendung finden, die im versicherungsrechtlichen Verständnis auch als Rückversicherung typisiert werden können.
5. Trotz ihrer innerhalb der Versicherungsbranche üblichen Produktbezeichnung handelt es sich bei einer Bürgschafts- oder Kautionsversicherung nicht um ein Versicherungsverhältnis i. S. d. § 1 Abs. 1 VersStG, sondern um eine Dienstleistung, deren rechtlicher Gehalt mit dem Avalgeschäft der Kreditinstitute vergleichbar ist. Eine Kautionsrückversicherung ist daher nicht als Rückversicherung i. S. d. § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …, der Richterin am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … und … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2011
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zahlung einer Prämie für die Rückdeckung einer so genannten Kautionsversicherung von der Versicherungsteuer befreit ist.
Die Klägerin schloss mit der X – einem Unternehmen der Y Versicherungsgruppe – einen von letzterer am 16. Januar 2008 gegengezeichneten, in englischer Sprache abgefassten und im Original als „Surety Excess of Loss” bezeichneten Vertrag, durch den sie für die Dauer vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2008 Risiken absicherte, die sich für die X aus dem Geschäftsbereich ihres unter der Unternehmensbezeichnung XX auftretenden Geschäftszweigs ergaben. Im Einzelnen verpflichtete sich die Klägerin, innerhalb der vereinbarten betragsmäßigen Grenzen und unter Berücksichtigung des Selbstbehalts der X diejenigen Vermögensschäden zu übernehmen, die letzterer als endgültiger Verlust („Ultimate Net Loss”) innerhalb des vereinbarten zeitlichen Rahmens aus den durch die XX abgeschlossenen, so genannten Kautionsversicherungen, die auch als Bürgschaftsversicherungen bezeichnet werden, entstehen würden (vgl. Chapter III General Conditions, Article 2 des Vertrags vom 16. Januar 2008). Ausweislich der von der Klägerin dem Gericht vorgelegten Werbepräsentation der XX sowie der „Allgemeinen Vertragsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung” handelte es sich bei den in Rede stehenden Kautionsversicherungen um Verträge, die mit Werkunternehmern, vornehmlich im Bau- und im Maschinenbaugewerbe, abgeschlossen wurden. Durch diese Verträge verpflichtete sich die XX den gewerblichen Werkunternehmern gegen Zahlung einer Prämie zur Übernahme von Bürgschaften, die dazu dienen sollten, die werkvertraglich den Auftraggebern zu erbringenden Kautionen oder Garantien abzusichern. Nach den für die Bürgschafts- oder Kautionsversicherung der XX geltenden vertraglichen Konditionen waren die als Versicherungsnehmer bezeichneten Vertragspartner verpflichtet, die Inanspruchnahme der XX aus den übernommenen Bürgschaften möglichst zu vermeiden bzw. die XX spätestens in diesem Zeitpunkt im Innenverhältnis von ihrer Bürgschaftsverpflichtung freizustellen (vgl. Nr. 4 Satz 1 der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung”). Für den Fall der Inanspruchnahme der XX aus einer der übernommenen Bürgschaften waren die als Versicherungsnehmer bezeichneten Werkunternehmer verpflichtet, der XX unverzüglich sämtliche etwa geleisteten Bürgschaftszahlungen nebst Kosten zu erstatten (vgl. Nr. 4 Satz 4 der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung”).
Für den o.g. Vertrag vereinnahmte die Klägerin am 28. Januar 2008 ein Entgelt in Höhe von 247.725 EUR netto zuzüglich eines Betrags von 47.067,75 EUR für die Versicherungsteuer. Den Steuerbetrag erklärte sie gegenüber dem seinerzeit sachlich und örtlich zuständigen Finanzamt Y (… im weiteren Finanzamt genannt) durch Abgabe einer auf den 11. Februar 2008 datierten und dem Finanzamt mit Frühleerungsstempel vom 14. Februar 2008 zugegangenen Versicherungsteuer-Anmeldung für den Anmeldungszeitraum Januar 2008. Die Klägerin entsprach dadurch der gegenüber der früheren Rechtsanwendungspraxis ab dem 1. Januar 2008 geänderten Rechtsauffassung der Steuerverwaltung, der zufolge so genannte Kautionsrückversicherungen nicht von der Versicherungsteuer befreit sein sollten (vgl. Bundesministerium der Finanzen – BMF – Schreiben vom 17. Juli 2007 IV C 2 – S 6400/07/0002, BStBl I 2007, 570). Zeitgleich am 11. Februar 2008 legte die Klägerin beim Finanzamt gegen ihre Versicherungsteuer-Anmeldung mit der Begründung Einspruch ein, die Kautionsrückversicherung wäre wie jede andere Rückversicherung von der Versicherungsteuer befreit. Im Anschluss daran erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 12. März 2008 die vorliegende und ausdrücklich als Sprungklage bezeichnete Klage, die zunächst mit Frühleerungsstempel vom 13. März 2008 beim Finanzamt und schließlich am 20. März 2008 bei Gericht einging. Das Finanzamt als ursprünglich beklagte Behörde stimmte der Sprungklage mit Schriftsatz vom 18. März 2008 zu. Die Änderung der Vorschrift des § 7a des Versicherungsteuergesetzes (VersStG) durch Gesetz vom 10. August 2009 (BGBl I 2009, 2702), der zufolge die Verwaltungszuständigkeit für die Versicherungsteuer mit Wirkung zum 1. Juli 2010 auf das Bundeszentralamt für Steuern überging, führte zu einem Beklagtenwechsel.
Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor:
Die Sprungklage sei trotz des zuvor eingelegten Einspruchs zulässig, weil es möglich sein müsse, innerhalb der für Einspruch und Sprungklage identischen Rechtsmittelfrist vom außergerichtlichen Rechtsbehelf auf die Klage überzugehen. Die Klage sei auch in der Sache begründet, weil die wegen der vereinnahmten Versicherungsentgelte für die Kautionsrückversicherung für den Anmeldungszeitraum Januar 2008 erfolgte Versicherungsteuerfestsetzung rechtswidrig sei. Die Zahlung des Versicherungsentgelts für die im Streit stehende Kautionsrückversicherung sei wegen § 4 Nr. 1 VersStG von der Besteuerung auszunehmen gewesen. Zum einen bestehe kein Zweifel daran, dass es sich bei der Kautionsrückversicherung zwischen der Klägerin und der XX um ein steuerbares Versicherungsverhältnis im Sinn des § 1 Abs. 1 VersStG gehandelt habe. Die Klägerin habe das für die XX bestehende Risiko, aus deren Kautionsversicherungen in Anspruch genommen zu werden, in dem vertraglich vereinbarten Rahmen übernommen. In Anlehnung an die Auslegung des versicherungsaufsichtsrechtlichen Begriffs des Versicherungsgeschäfts durch die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) handle es sich hierbei um ein Versicherungsverhältnis. Zum anderen erfülle die hier im Streit stehende Rückversicherung der Kautionsversicherungen die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rückversicherung im Sinn der Steuerbefreiungsvorschrift. Entgegen der Rechtsansicht der Steuerverwaltung setze der Begriff der Rückversicherung kein Erstversicherungsverhältnis voraus. Unter einer Rückversicherung sei die Weitergabe eines Risikos durch ein Versicherungsunternehmen an ein anderes zu verstehen. Im Übrigen kenne das Versicherungsteuerrecht den Begriff der Erstversicherung nicht. Es könne somit eigentlich dahin gestellt bleiben, ob es sich bei einer Kautionsversicherung versicherungsrechtlich um ein Versicherungsverhältnis handelt. Aber selbst wenn ein Erstversicherungsverhältnis als tatbestandliche Voraussetzung einer Rückversicherung anzunehmen wäre, lägen die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Streitfall vor. Der Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersStG, die die vertragliche Verpflichtung eines Versicherers, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des VersStG ausnimmt, sei gerade zu entnehmen, dass ein solcher Vertrag grundsätzlich ein Versicherungsverhältnis im Sinn des § 1 Abs. 1 VersStG begründe. Wäre dies nämlich nicht der Fall, hätte es mangels Steuerbarkeit des Rechtsverhältnisses der Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersStG überhaupt nicht bedurft. Das Bürgschaftsverhältnis zwischen dem Kautionsversicherer und dem Werkauftragsgeber als Gläubiger des Kautions- oder Garantieanspruchs sei vielmehr strikt von dem zwischen dem Versicherer und dem Werkunternehmer bestehenden Rechtsverhältnis der Kautionsversicherung zu trennen. Letzteres sichere das Risiko des Werkauftragsgebers, seine Rechte aus der Kaution oder Garantie infolge einer möglichen Insolvenz des Werkunternehmers zu verlieren. Der Kautionsversicherung liege somit eine für Versicherungsverhältnisse typische Wagnisübernahme zugrunde. Die Kautionsversicherung stelle ein echtes Versicherungsverhältnis dar, das jedoch kraft Gesetzes von der Besteuerung nach dem VersStG ausgenommen sei. Die Frage, ob das (rückversicherte) Hauptversicherungsverhältnis dem VersStG unterliegt oder gar versicherungsteuerpflichtig sei, sei für den Begriff der Rückversicherung im Sinn der Steuerbefreiungsvorschrift ohnehin nicht von Belang. Die Kautionsversicherung sei auch nicht mit dem Bürgschaftsoder Avalgeschäft der Kreditinstitute zu vergleichen. Letztere verlangten vom Darlehensschuldner in der Regel Sicherheiten, die in dessen Kreditlinie eingerechnet würden. Dies sei beim Kautionsversicherungsgeschäft gerade nicht der Fall. Die entgegen jahrelanger anderweitiger Verwaltungspraxis im Jahr 2007 geänderte Rechtsansicht der Steuerverwaltung widerspreche auch europäischem Recht. Im europarechtlichen Sinn sei unter Rückversicherung „die Tätigkeit der Übernahme von Risiken, die von einem Versicherungsunternehmen oder einem anderen Rückversicherungsunternehmen abgegeben werden”, zu verstehen (Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a) der Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 98/78/EG und 2002/83/EG – RL 2005/68/EG –). Auf diese Definition nehme auch das Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG) Bezug. Die vorgenannten Kriterien seien im Streitfall erfüllt. Nicht zuletzt werde die Rechtsansicht der Klägerin auch durch die Rechtsprechung in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geteilt. So habe das London Tribunal Centre in seiner in Kopie vorgelegten Entscheidung über die öffentliche Sitzung vom 21. Oktober 2004 – in der Streitsache Travellers Casualty & Surety u.a. gegen The Commissioners of Customs and Excise – wegen der Frage nach der Befreiung der Rückversicherung einer Bürgschaftsversicherung (surety of bonds) von der britischen Versicherungsprämiensteuer (insurance premium tax) die Steuerfreiheit im Hinblick auf die Geschäftsusancen in der Versicherungsbranche und die Zugehörigkeit dieser Geschäftsart zu dieser Branche bejaht. Eine hiervon abweichende Rechtsansicht bei der Auslegung des nationalen Rechts würde im europäischen Vergleich zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen in der Rückversicherungsbranche führen.
Die Klägerin beantragt,
die sich aus der Versicherungsteuer-Anmeldung vom 11. Februar 2008 für den Anmeldungszeitraum Januar 2008 ergebende und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Festsetzung der Versicherungsteuer aufzuheben,
hilfsweise für den Fall der Klageabweisung die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Nach seiner Ansicht sei die Festsetzung der Versicherungsteuer im Streitfall rechtmäßig. Es sei weder vom derzeitigen Beklagten noch von seiner Vorgängerbehörde jemals bestritten worden, dass es sich bei der in Rede stehenden, so genannten Kautionsrückversicherung zwischen der Klägerin und der XX um ein dem VersStG unterliegendes Versicherungsverhältnis handle. Entscheidungserheblich sei allein die im Streitfall zu verneinende Frage nach der Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift für Rückversicherungen. Insbesondere könne von der Klägerin nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden, dass eine Rückversicherung im Sinn des Versicherungsrechts schon rein begrifflich das Bestehen eines Erst- oder Hauptversicherungsverhältnisses voraussetzt. Schließlich könne nicht jeder Versicherungsvertrag nur deshalb als Rückversicherung zu bezeichnen sein, weil er zwischen zwei Versicherungsunternehmen abgeschlossen worden ist. Unter Rückversicherung sei nur ein solches Versicherungsverhältnis zu verstehen, durch das ein typisches versicherungsrechtliches Risiko eines Versicherungsunternehmens an ein anderes weitergegeben werde. Im Übrigen sei die versicherungsvertragsrechtliche Rechtsnatur von Kautionsversicherungen im Streitfall nicht von Belang, da solche durch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersStG ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Besteuerung ausgenommen sind. Die Versicherung eines Risikos aus einem Vertragsverhältnis, das kein Versicherungsverhältnis im Sinn des VersStG ist, könne somit auch nicht als Rückversicherung angesehen werden. Das Geschäft mit Kautionsversicherungen sei vielmehr mit dem Avalgeschäft der Kreditinstitute vergleichbar. In beiden Fällen handle es sich nicht um Versicherungsverhältnisse.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, insbesondere auf den Vertragstext der Kautionsrückversicherung vom 16. Januar 2008, auf die Präsentationsunterlagen der XX zur Kautionsversicherung, auf die „Allgemeinen Vertragsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung”, auf die die Klägerin betreffenden Verwaltungsakte sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. März 2011 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1.) Die Klage ist fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.
a) Gegenstand der Klage ist die sich aus der Versicherungsteuer-Anmeldung vom 11. Februar 2008 für den Anmeldungszeitraum Januar 2008 ergebende Festsetzung der Versicherungsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 VersStG, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Satz 1 der Abgabenordnung – AO –). Als zur Anmeldung und Abführung der durch die Vereinnahmung steuerpflichtiger Versicherungsentgelte entstehenden Versicherungsteuer verpflichtete Entrichtungsschuldnerin (§ 167 Abs. 1 Satz 1AO, § 8 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 VersStG), ist die Klägerin auch zu deren Anfechtung mittels Klage befugt gewesen. Dies hat – wie im Streitfall – auch dann zu gelten, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung der Höhe nach den Angaben und der Steuerberechnung durch den anmeldenden Entrichtungsschuldner entsprochen hat (Seer in Tipke/Kruse AO § 168 Rdnr. 14). Der Klägerin als Entrichtungsschuldnerin muss schließlich die Befugnis zugestanden werden, eine bereits anfänglich oder auch erst nachträglich für rechtswidrig gehaltene Steuerfestsetzung anzufechten.
b) Die Klage ist auch ohne vollständig durchgeführtes Vorverfahren im Sinn des § 44 Abs. 1 FGO als Sprungklage zulässig, weil der (ursprüngliche) Beklagte innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist von einem Monat der vorzeitigen Klageerhebung zugestimmt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der durch die Klägerin bereits vor Erhebung der Klage (außergerichtlich) eingelegte Einspruch (§ 347 AO) hat der zeitlich nachfolgenden Sprungklage nicht entgegen gestanden. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass sich der außergerichtliche Rechtsbehelf hierdurch in ein gerichtliches Rechtsschutzverfahren gewandelt hat (so auch Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 11. Dezember 1980 IV R 123/76, BFHE 132, 436, BStBl II 1981, 365 und Beschluss vom 28. August 1973 VII B 39/72, BFHE 110, 179, BStBl II 1973, 852).
2.) Die Klage ist jedoch unbegründet.
a) Die Bezahlung des Entgelts für den von der Klägerin mit der X abgeschlossenen Vertrag vom 16. Januar 2008 unterliegt der Versicherungsteuer.
Versicherungsteuerrechtlicher Besteuerungstatbestand ist gemäß § 1 Abs. 1 VersStG die Zahlung des Versicherungsentgelts auf Grund eines durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenen Versicherungsverhältnisses. Unter Versicherungsverhältnis sind das Verhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers zum Versicherer und seine Wirkungen zu verstehen (BFH-Urteil vom 20. April 1977 II R 36/76, BFHE 122, 352, BStBl II 1977, 688). Da weder das VersStG noch das Versicherungsvertragsrecht (VVG) oder das Versicherungsaufsichtsrecht (VAG) eine Legaldefinition des Begriffs des Versicherungsverhältnisses enthalten, lässt sich dieser nur anhand der Rechtswirkungen eines Versicherungsverhältnisses umschreiben. Das allgemeine Versicherungsrecht ist für das Versicherungsteuerrecht auch nur insoweit maßgebend, als das VersStG nichts anderes erkennen lässt. Die besonderen Voraussetzungen des VVG und des VAG gelten nicht ohne weiteres für das Versicherungsteuerrecht (BFH-Urteil vom 29. November 2006 II R 78/04, BFH/NV 2007, 513 m.w.N.).
Nach Ansicht der älteren Literatur ist eine Versicherung im Sinn des VersStG dann anzunehmen, wenn sich der Versicherer verpflichtet, für den ungewissen Fall des Eintritts eines nachteiligen Ereignisses eine Vermögensleistung zu erbringen (vgl. Wunschel/Kostboth VersStG 1937, § 1 S. 44). Im Fall eines sich aus einem Versicherungsvertrag ergebenden Versicherungsverhältnisses lassen sich dessen Merkmale aus den Hauptpflichten der Vertragsparteien ableiten. Danach ist der Versicherer verpflichtet, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalls zu erbringen hat (§ 1 Satz 1 VVG), wogegen der Versicherungsnehmer die vereinbarte Prämie zu bezahlen hat (§ 1 Satz 2 VVG). Einschränkend bleibt festzustellen, dass ein Versicherungsverhältnis im versicherungsteuerrechtlichen Sinn weder einen durchsetzbaren Rechtsanspruch des Versicherungsnehmers voraussetzt (vgl. Gambke/Flick VersStG 4. Auflage 1966, § 1 S. 94/95), noch sich zwingend aus einem Versicherungsvertrag zu ergeben braucht (vgl. § 1 Abs. 1 VersStG). In diesem Fall ist das Versicherungsverhältnis dadurch gekennzeichnet, dass der Versicherer tatsächlich oder kraft Gesetzes ein bestimmtes Risiko absichert und der Versicherte hierfür eine Prämie entrichtet. Wesentliches Merkmal für ein Versicherungsverhältnis ist somit in jedem Fall das Vorhandensein eines vom Versicherer entgeltlich übernommenen Wagnisses (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2009 II R 44/07, BFHE 228, 285, BStBl II 2010, 1097). Das Wagnis besteht hierbei im Risiko des Eintritts eines Ereignisses, das zu einem Haftungs-, Schadens- oder anderweitigen Verpflichtungsfall beim Versicherungsnehmer führt. Im Einzelfall kann es sich um ein zufälliges oder auch infolge des Verschuldens des Versicherungsnehmers oder eines Dritten eingetretenes Ereignis handeln. Bei Eintritt des Versicherungsfalls, d.h. Realisierung des versicherten Risikos, trägt bzw. übernimmt der Versicherer im Ergebnis die materiellen, insbesondere finanziellen Folgen, die sich hieraus für den Versicherungsnehmer ergeben. Ein Rückgriffsanspruch des leistenden Versicherers gegen den Versicherungsnehmer ist im Allgemeinen nur vorgesehen, wenn der Versicherungsfall durch den Versicherungsnehmer selbst in vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Weise verursacht worden ist (vgl. etwa zur Schadensversicherung: § 81 VVG).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich, dass durch den Vertrag der Klägerin mit der X vom 16. Januar 2008 ein Versicherungsverhältnis im o.g. Sinn begründet worden ist, wovon die Beteiligten im Übrigen ja auch übereinstimmend ausgehen. Die – in diesem Fall vertragliche – Verpflichtung der Klägerin, in dem dargestellten Umfang die der X aus dem Bereich der so genannten Bürgschafts- oder Kautionsversicherungen der XX entstehenden Vermögensschäden zu übernehmen, kennzeichnet das Versicherungsverhältnis zwischen der Klägerin und der X als Schadensversicherung. Das durch die Klägerin versicherte Risiko hat darin bestanden, dass die X aus den unter der Geschäftsbezeichnung XX abgegebenen Bürgschaften in Anspruch genommen worden und mit ihren für diesen Fall vertraglich oder gesetzlich bestehenden Rückgriffsansprüchen (vgl. auch § 774 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –) wegen einer etwaigen Insolvenz ihrer Vertragspartner aus den so genannten Bürgschafts- oder Kautionsversicherungen ausgefallen wäre (vgl. Vertrag vom 16. Januar 2008 unter „Chapter III General Conditions Article 2, Reinsurer`s Liability”). Der infolge der Insolvenz ihrer Geschäftspartner für die X etwa entstandene Vermögensschaden wäre dann in dem vertraglich vereinbarten zeitlichen und betragsmäßigen Rahmen durch die Klägerin versichert gewesen. Die Vereinnahmung des vertraglichen Versicherungsentgelts durch die Klägerin hat demnach den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 1 VersStG ausgelöst.
b) Die Prämienzahlung für die mit Vertrag vom 16. Januar 2008 abgeschlossene Schadensversicherung ist entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch nicht von der Versicherungsteuer befreit.
Die der Besteuerung unterliegende Zahlung eines Versicherungsentgeltes ist grundsätzlich steuerpflichtig, soweit nicht ausdrücklich eine der in § 4 VersStG genannten Steuerbefreiungsvorschriften Anwendung findet. Im Streitfall liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungsteuer, insbesondere in Bezug auf die hier allein umstrittene Frage der Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 1 VersStG, nicht vor. Gemäß § 4 Nr. 1 VersStG ist die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Rückversicherung steuerbefreit. Die vorgenannte Befreiungsvorschrift besteht dabei nicht erst seit der Fassung des VersStG vom 24. Juli 1959 (BGBl I 1959, 540), sondern ist bereits an dieser Stelle im VersStG vom 9. Juli 1937 (RGBl I 1937, 793) enthalten gewesen und letztendlich aus dem durch das Reichsgesetz über Änderungen im Finanzwesen vom 8. April 1922 eingeführten VersStG 1922 übernommen worden (vgl. § 8 Nr. 2 VersStG 1922, RGBl I 1922, 335, 400 ff). Die zwischen der Klägerin und der X abgeschlossene Schadensversicherung ist aus folgenden Gründen jedoch keine Rückversicherung in dem genannten Sinn:
aa) Der Begriff der Rückversicherung wird durch die Vorschriften des VersStG nicht weiter erläutert. Der Senat hat indessen keine Bedenken, die im Bereich des allgemeinen Versicherungsrechts herausgebildeten Merkmale einer Rückversicherung auch auf das Versicherungsteuerrecht zu übertragen (vgl. Wunschel/Kostboth a.a.O. § 4 S. 104). Die Rückversicherung findet in § 209 VVG ohne Nennung von Tatbestandsmerkmalen nur dahingehend Erwähnung, dass auf sie die Vorschriften des VVG als nicht anwendbar erklärt werden. Lediglich der durch das Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 22. November 2007 (BGBl I 2007, 2631) mit Wirkung zum 1. Januar 2008 aufgehobenen Vorschrift des § 779 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) in der bis dahin geltenden Fassung über die Versicherung der Gefahren in der Seeschifffahrt hat seinerzeit eine Legaldefinition der Rückversicherung entnommen werden können. Danach ist hierunter die Versicherung einer von einem (anderen) Versicherer übernommenen Gefahr zu verstehen gewesen. Diese Definition kann auch nach Aufhebung der früheren Vorschrift des § 779 Abs. 1 HGB noch als allgemein gültig angesehen werden. Das Rückversicherungsverhältnis besteht somit immer zwischen zwei Versicherungsunternehmen, wobei der Rückversicherer im Verhältnis zu dem rückversicherten Versicherungsunternehmen diejenige Gefahr vollständig oder teilweise übernimmt, die bereits Gegenstand der Absicherung im Rechtsverhältnis des rückversicherten Versicherungsunternehmen zu dessen Vertragspartner ist (vgl. Klimke in Prölss/Martin VVG 28. Auflage 2010, § 209 Rz. 3; Muschner in Rüffer/Halbach/Schimikowski VVG Handkommentar 1. Auflage 2009, Rdnr. 2). Hierdurch ist bereits angedeutet, dass – entgegen der Rechtsansicht der Klägerin – eine Rückversicherung begrifflich das Bestehen eines weiteren, gleichsam vorgreiflichen Versicherungsverhältnisses voraussetzt. Teilweise wird ausdrücklich vom Erfordernis einer so genannten Erstversicherung gesprochen (Muschner in Rüffer/Halbach/Schimikowski a.a.O.; Materne/Diehl in Halm/Engelbrecht/Krahe Handbuch des Fachanwalts Versicherungsrecht 3. Auflage 2008, 38. Kapitel Rdnr. 32; Fahr in Fahr/Kaulbach/Bähr VAG 4. Auflage 2007, § 105 Rdnr. 18). Bereits der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) hat dieses Rechtsverständnis zugrunde gelegen, wobei die Rückversicherung noch als „mittelbare” Versicherung und die Erstversicherung als „Hauptversicherung” bezeichnet worden ist (vgl. RFH-Urteil vom 6. September 1933 II A 139/33, RFHE 34, 72).
Diese Rechtsauffassung wird auch durch das historische Motiv des Gesetzgebers für die Schaffung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG gestützt. Als ausschlaggebend für die Ausnahme von der Besteuerung ist angesehen worden, dass der Rückversicherung dieselben Interessen zugrunde liegen, die bei der Erstversicherung durch die Besteuerung der Versicherungsentgelte schon einmal steuerlich erfasst worden sind. Es soll also eine mehrfache Besteuerung desselben Interesses des Versicherers vermieden werden (vgl. Wunschel/Kostboth a.a.O. § 4 S. 104/105). Von Identität der versicherten Interessen kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Rückversicherung ihrerseits auf ein aus einem anderen Versicherungsverhältnis entstammendes Risiko bezieht (wohl a.A.: Gambke/Flick a.a.O. § 4 S. 150 ohne nähere Begründung). Im Ergebnis bleibt allerdings zu beachten, dass der Begriff der Rückversicherung keinesfalls die Steuerpflicht des Erstversicherungsverhältnisses voraussetzt (vgl. Wunschel/Kostboth a.a.O. § 4 S. 105; Gambke/Flick a.a.O. § 4 S. 151).
Der Hinweis der Klägerin, dass der V. Senat des BFH in früherer Rechtsprechung die Frage der Umsatzsteuerbefreiung der Rückdeckung von so genannten Bürgschaftsversicherungen durch ein Versicherungsunternehmen bejaht hat (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 1967 V 5/64, BFHE 89, 198, BStBl III 1967, 643), erbringt in Bezug auf die Frage nach dem begrifflichen Erfordernis einer Erstversicherung keine neue Erkenntnis, weil die Umsatzsteuerbefreiung – heute durch § 4 Nr. 10 Buchstabe a des Umsatzsteuergesetzes geregelt – für jede Art von Versicherungsverhältnis und nicht nur für Rückversicherungen gilt. Der Senat folgt auch nicht der Rechtsauffassung der Klägerin, aus der Vorschrift des § 104a Abs. 2 Nr. 3 VAG sei ein weiter gefasstes Verständnis des Rückversicherungsbegriffs zu entnehmen. Die bezeichnete Vorschrift verweist in Bezug auf den Begriff des Rückversicherungsunternehmens auf Art. 3 der Richtlinie 2005/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2005 über die Rückversicherung und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 98/78/EG und 2002/83/EG (RL 2005/68/EG, ABl. der EU vom 9. Dezember 2005, L 323/1). Insoweit kann die Begriffsbestimmung der „Rückversicherung” durch Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a) RL 2005/68/EG als maßgeblich angesehen werden, wonach hierunter die Tätigkeit der Übernahme von Risiken zu verstehen ist, die von einem anderen Versicherungsunternehmen oder einem anderen Rückversicherungsunternehmen abgegeben werden. Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Rechtsansicht der Klägerin, durch die Formulierung als „Übernahme von Risiken anderer Versicherungsunternehmen” sei zu entnehmen, dass es sich nicht zwingend um Risiken aus einem (Erst-)Versicherungsverhältnis handeln müsse, sondern auch anderweitige Risiken aus den Geschäftsbeziehungen eines Rückversicherungsunternehmens mit weiteren Versicherungsunternehmen umfasst sein könnten. Vielmehr sieht sich der Senat durch die Formulierung in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe a) RL 2005/68/EG darin bestätigt, dass die „Übernahme von Risiken anderer Versicherungsunternehmen” gerade die für eine Versicherung typischen Risiken, d.h. solche aus Versicherungsverhältnissen meint. Abgesehen davon regelt die RL 2005/68/EG den unternehmensrechtlichen Rahmen für die Aufnahme und Ausübung des selbständigen Rückversicherungsgeschäfts durch Rückversicherungsunternehmen innerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), gibt aber keineswegs ein für die – ohnehin EU-weit nicht harmonisierten – nationalen Versicherungssteuern verbindliches steuerrechtliches Rechtsverständnis vor (vgl. zu Versicherungssteuern in der EU: CEA Insurers of Europe „Indirect Taxation of Insurance Contracts in Europe, May 2010”, www.cea.eu/uploads/DocumentsLibrary/documents/1276679338 _taxation-2010.pdf).
Ob der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung des London Tribunal Centre vom 21. Oktober 2004 zur Besteuerung von Versicherungsprämien im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ein hiervon abweichendes und sich an den Geschäftsusancen und der Branchenüblichkeit so genannter „Kautionsrückversicherungen” orientierendes Rechtsverständnis zugrunde liegt, kann für die rechtliche Beurteilung der Frage nach der Anwendbarkeit des § 4 Nr. 1 VersStG nicht maßgeblich sein. Die Auslegung des versicherungsteuerrechtlichen Begriffs der Rückversicherung kann sich nur insoweit an den in der Rückversicherungsbranche vertriebenen Versicherungsprodukten orientieren, als nicht Geschäftstypen in den Unternehmensgegenstand integriert werden, die nicht mehr die Essentialia eines Rückversicherungsverhältnisses erfüllen. Mit anderen Worten kann nicht jedes Versicherungsverhältnis, das zwischen einem Rückversicherungsunternehmen und einem anderen Versicherungsunternehmen besteht, allein wegen des Unternehmensgegenstands des ersteren ungeachtet der weiteren versicherungsrechtlichen Voraussetzungen als Rückversicherung gelten und schon deshalb die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG beanspruchen. Darüber hinaus kann der Anwendungsbereich des Steuerbefreiungstatbestands nicht ohne weiteres durch die Erschließung neuer Geschäftsfelder eines Rückversicherungsunternehmens ausgedehnt werden. Mithin kann die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 VersStG nur auf diejenigen Versicherungsverhältnisse Anwendung finden, die im versicherungsrechtlichen Verständnis auch als Rückversicherung typisiert werden können. Aus den oben dargestellten Gründen setzt dies nach bislang geltendem Rechtsverständnis die Rückdeckung eines aus einem anderen Versicherungsverhältnis stammenden Risikos voraus, wie dies aktuell auch von der Steuerverwaltung vertreten wird (vgl. BMF-Schreiben vom 17. Juli 2007, a.a.O.). Die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG erfasst somit nicht in toto die Versicherungsgeschäfte eines Rückversicherungsunternehmens, sondern ausschließlich nur die Rückversicherungen selbst. Wenn die Klägerin wegen des möglicherweise unterschiedlichen Rechtsverständnisses innerhalb der EU die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen einwendet, so muss ihr entgegengehalten werden, dass deren Vermeidung nicht die Aufgabe des Gesetzesanwenders sondern des Gesetzgebers ist.
bb) Die so genannten Bürgschafts- oder Kautionsversicherungen der XX sind unter Berücksichtigung der unter Nr. 2 Buchstabe a dargestellten Merkmale keine Versicherungsverhältnisse im Sinn des § 1 Abs. 1 VersStG und stellen deshalb keine „Erstversicherungen” in Bezug auf die zwischen der Klägerin und der X mit Vertrag vom 16. Januar 2008 abgeschlossene Schadensversicherung dar.
Ausweislich der dem Gericht vorgelegten Werbepräsentation der XX sowie der von letzterer verwendeten „Allgemeinen Vertragsbedingungen zur Bürgschaftsversicherung” ist Gegenstand einer Bürgschafts- oder Kautionsversicherung eine Vereinbarung mit dem jeweiligen Vertragspartner, durch die sich die X gegen Zahlung eines Entgelts zur Übernahme von Bürgschaften für Garantie- oder Kautionsverpflichtungen des Versicherungskunden beispielsweise aus Werkverträgen in der Baubranche gegenüber seinen Auftraggebern bereit erklärt. Die vertragliche Hauptleistungsverpflichtung der X aus der Bürgschafts- oder Kautionsversicherungsvereinbarung besteht somit allein in der Gewährung einer Sicherheitsleistung bei Abruf durch ihren Vertragspartner, nicht hingegen in der endgültigen Übernahme der materiellen Folgen eines Schadenseintritts durch die Inanspruchnahme aus den gewährten Bürgschaften. Die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft soll – wie oben ausgeführt – durch die dargestellte Freistellungsverpflichtung des Vertragspartners gegenüber der XX gerade vermieden bzw., falls dies nicht mehr möglich sein sollte, durch Ersatz sämtlicher hierdurch entstandener Aufwendungen wieder ausgeglichen werden. Der Unterschied zu einem Versicherungsverhältnis wird hieraus deutlich. Die XX übernimmt in der Bürgschafts- oder Kautionsversicherung weder rechtsgeschäftlich gegenüber ihren Vertragspartnern in verbindlicher und endgültiger Weise die finanziellen Lasten einer Bürgschaftsinanspruchnahme im Sinn eines „Schadloshaltens” ihres Vertragspartners, noch sichert sie diesen gegen seine eigene Insolvenz ab. Zugegebenermaßen trifft die XX zwar das Risiko der Insolvenz ihres Vertragspartners, d.h. das Risiko des Ausfalls ihres Rückgriffsanspruchs gegen diesen. Dieses Risiko ist jedoch ein übliches Gläubigerrisiko und kein versicherungstypisches Wagnis. Nicht jede vertragliche Verpflichtung zur Gewährung einer Sicherheitsleistung stellt ein Versicherungsverhältnis dar, auch wenn sie mit einem Ausfallrisiko behaftet ist. Insoweit ist auch die Bezugnahme der Klägerin auf die versicherungsaufsichtsrechtliche Rechtsprechung des BVerwG, insbesondere auf dessen Verständnis eines Versicherungsgeschäfts wenig behilflich. Ein solches ist nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung anzunehmen, „wenn gegen Entgelt für den Fall eines ungewissen Ereignisses bestimmte Leistungen übernommen werden, wobei das übernommene Risiko auf eine Vielzahl durch die gleiche Gefahr bedrohter Personen verteilt wird und der Risikoübernahme eine auf dem Gesetz der großen Zahl beruhende Kalkulation zugrunde liegt” (vgl. BVerwG-Urteil vom 12. Mai 1992, 1 A 126/89, BVerwGE 90, 168). Die XX ist zwar im Fall der etwaigen Bürgschaftsinanspruchnahme zum einen dem Gläubiger gegenüber, d.h. dem Auftraggeber des Werkvertrags, aufgrund der Bürgschaftserklärung und zum anderen ihrem Vertragspartner gegenüber aus dem Bürgschafts- oder Kautionsversicherungsvertrag heraus zur Erfüllung des Bürgschaftsversprechens verpflichtet. Dies stellt aber keine endgültige Leistungsübernahme im Verhältnis zu ihrem so genannten Versicherungsnehmer dar.
Dies ist auch der rechtliche Hintergrund für die schuldrechtliche Einordnung einer Bürgschafts- oder Kautionsversicherung als entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. §§ 675, 670 BGB) durch den IX. Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) in nunmehr ständiger Rechtsprechung (z.B. BGH-Urteile vom 18. November 2010 IX ZR 17/10, ZInsO 2010, 2391, vom 24. Juni 2010 IX ZR 199/09, ZIP 2010, 1453, vom 13. März 2008 IX ZR 14/07, ZIP 2008, 885, vom 18. Januar 2007 IX ZR 202/05, ZIP 2007, 543 und vom 6. Juli 2006 IX ZR 121/05, ZIP 2006, 1781). Trotz ihrer innerhalb der Versicherungsbranche üblichen Produktbezeichnung als Bürgschafts- oder Kautionsversicherung handelt es sich um eine Dienstleistung, deren rechtlicher Gehalt mit dem Avalgeschäft der Kreditinstitute vergleichbar ist. Der Senat folgt der vorgenannten zivilgerichtlichen Rechtsprechung, nicht hingegen den vereinzelten Meinungen in der Literatur, die der Bürgschaftsoder Kautionsversicherung die Funktion einer Versicherung zuzusprechen versuchen (Thomas/Dreher, VersR 2007, 731ff; Rind, VersR 2008, 1601ff) oder sie als eine Form der Kreditversicherung im weiteren Sinn einordnen (Schierenbeck, Bank- und Versicherungslexikon 2. Auflage 1994 Stichwort Kautionsversicherung).
Auch die Ausführungen von Gambke/Flick (a.a.O. § 2 S. 111), der Kautionsversicherungen unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzgebers zum VersStG 1922, insbesondere zu der bereits seinerzeit mit dem heute noch geltenden Wortlaut eingeführten Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersStG als Versicherungen im versicherungsrechtlichen Sinn behandelt sehen will, sind letztlich nicht überzeugend. Nach der besagten Vorschrift gilt ein Vertrag, durch den der Versicherer sich verpflichtet, für den Versicherungsnehmer Bürgschaft oder sonstige Sicherheit zu leisten, nicht als Versicherungsvertrag (im versicherungsteuerrechtlichen Sinn). Der legislatorische Hintergrund für § 2 Abs. 2 VersStG hatte in der – wohl auch heute noch aktuellen – Erkenntnis des Gesetzgebers des Jahres 1922 bestanden, dass die Gestellung von Sicherheiten auch zu den typischen Geschäften der Banken gehören, die weder der staatlichen Versicherungsaufsicht unterstanden haben, noch nach dem VersStG besteuert werden sollten (Gambke/Flick a.a.O.). Hieraus den Schluss zu ziehen, Kautionsversicherungen seien auch schon damals als Versicherungen erkannt und eingeordnet worden, ist jedoch nicht zwingend. Nach Ansicht des Senats ist vielmehr der Wille des damaligen und angesichts der Beibehaltung der Vorschrift auch des heutigen Gesetzgebers erkennbar, derlei Geschäfte der Versicherungsbranche jedenfalls nicht der Besteuerung nach dem VersStG zu unterwerfen. Damit kommt der Vorschrift des § 2 Abs. 2 VersStG lediglich eine klarstellende Bedeutung zu. Der Senat teilt die Rechtsansicht der Klägerin nicht, der Gesetzgeber hätte dadurch damals die Bürgschafts- oder Kautionsversicherung in einem ersten Schritt eindeutig dem versicherungsrechtlichen Begriff der Versicherung zuordnen und in einem zweiten Schritt, von der Besteuerung nach dem VersStG ausnehmen wollen. Nicht zuletzt hätte eine solche Gesetzesauslegung den Gesetzesanwender außerhalb des Versicherungsteuerrechts unnötigerweise vor augenfällige Schwierigkeiten gestellt, bestimmte Bankgeschäfte (Avale etc.) von Versicherungsverhältnissen abzugrenzen.
Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass der V. Senat des BFH in einem obiter dictum in seinem die Umsatzsteuerfreiheit einer so genannten Kautionsrückversicherung betreffenden Urteil vom 11. Mai 1967 (a.a.O.), die Rechtsansicht als rechtsirrig bezeichnet hat, eine Kautionsversicherung nicht dem Versicherungsrecht zuzuordnen. Mangels einer auch nur ansatzweisen Begründung dieser rechtlichen Aussage, vermag sich der erkennende Senat mit den damaligen rechtlichen Erwägungen des V. Senats des BFH nicht auseinander zu setzen. Bezeichnenderweise hat der V. Senat des BFH zu einem späteren Zeitpunkt in einer Entscheidung über die – im Ergebnis bejahend beantwortete – Frage nach der Umsatzsteuerpflicht der so genannten Kautionsversicherung eine eindeutige Klärung der versicherungsrechtlichen Einordnung der so genannten Kautionsversicherung vermieden (BFH-Urteil vom 13. Juli 1972 V R 33/68, BFHE 107, 60). Vielmehr nimmt die vorgenannte Entscheidung auf die bereits bei Einführung des § 2 Abs. 2 VersStG in der Fassung vom 8. April 1922 bestehenden Zweifel des Gesetzgebers hinsichtlich der zutreffenden versicherungsrechtlichen Einordnung Bezug. Auch den Ausführungen des II. Senats des BFH in einer älteren Entscheidung (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1969 II 103/63, BFHE 99, 60) lassen sich im Ergebnis nur Hinweise auf diesbezügliche Meinungen in der Literatur, nicht hingegen zweifelsfrei eine eigenständige rechtliche Positionierung entnehmen. Insoweit sieht sich der erkennende Senat nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des II. Senats des BFH.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4.) Die Revision zum BFH wird zugelassen, weil der Frage, ob eine so genannte Kautionsrückversicherung gemäß § 4 Nr. 1 VersStG von der Versicherungsteuer befreit ist, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Dies gilt vor allem im Hinblick auf die Frage nach dem Erfordernis eines Erstversicherungsverhältnisses für die Annahme einer Rückversicherung und die versicherungsteuerrechtliche Einordnung einer so genannten Bürgschafts- oder Kautionsversicherung.