24.01.2012
Finanzgericht Köln: Urteil vom 12.08.2008 – 9 K 1039/06
1) Soweit ein Rechtsbehelf gegen einen - von der Vollziehung ausgesetzten - Schenkungsteuerbescheid endgültig keinen Erfolg hat, sind Aussetzungszinsen gemäß § 237 Abs. 1 AO unabhängig davon festzusetzen, aus welchem Grund der Rechtsbehelf keinen Erfolg hatte.
2) Die Festsetzung von Aussetzungszinsen erfolgt grundsätzlich unabhängig von einem etwaigen Fehlverhalten der Finanzbehörde.
3) Danach steht der - im Einspruchsverfahren gemäß § 126 AO geheilte - Verstoß der Finanzbehörde gegen das Anhörungsgebot gemäß § 91 AO der Festsetzung von Aussetzungszinsen nicht entgegen.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Senat in der Sitzung vom 12.08.2008 in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … aufgrund mündlicher Verhandlung
für Recht erkannt:
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte wegen einer der Klägerin antragsgemäß gewährten Aussetzung der Vollziehung eines mit dem Einspruch angefochtenen Schenkungsteuerbescheids zu Recht Zinsen nach §§ 237 ff der Abgabenordnung 1977 (AO) festgesetzt hat.
Der Onkel der Klägerin, Herr A, hatte dieser mit notariellem Vertrag vom 13. März 2003 (Urk.-Nr. … des in C amtsansässigen Notars B) das Eigentum an sechs in C, D-Straße …, belegenen Wohnungseigentumseinheiten nebst drei Kfz-Stellplätzen übertragen. Als Gegenleistung hierfür hatte die Klägerin sich zur Übernahme der auf diesem Grundbesitz lastenden Darlehensverbindlichkeiten i.H. von insgesamt 369.708,51 EUR verpflichtet. Tatsächlich valutierten diese ausweislich einer Bestätigung der Stadtsparkasse C vom 16. Juli 2003 zum Stichtag noch i.H. von 367.578 EUR. Die Bedarfswerte für die der Klägerin übereigneten Grundstücke hatte der Beklagte als zuständiges Belegenheitsfinanzamt zum Stichtag auf insgesamt 490.000 EUR festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Wertermittlung wird auf die Mitteilungen über die gesonderte Feststellung der Grundbesitzwerte für Zwecke der Schenkungsteuer vom 28. Oktober 2003 Bezug genommen.
In einer separaten Anlage zu ihrer am 4. Juli 2003 bei dem Beklagten eingereichten Schenkungsteuererklärung hatte die Klägerin die im Einzelnen ausgewiesenen Einheitswerte der sechs Eigentumswohnungen mit insgesamt 85.384 EUR beziffert und hierzu ergänzend ausgeführt, die übernommenen Vermögensgegenstände hätten keine höheren Verkehrswerte als ihre sich aus dem 2. Abschnitt des 3. Teils des Bewertungsgesetzes (BewG) ergebenden Steuerwerte. Außerdem hatte sie ohne Beibringung entsprechender Belege diverse mit der Grundstücksübertragung zusammenhängende „Kosten und Gebühren” i.H. von insgesamt geschätzten 13.500 EUR sowie Grunderwerbsteuer i.H. von 12.940 EUR als Abzugsposten geltend gemacht.
Wegen dieser Zuwendung setzte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2004 ausgehend von einem nach den Grundsätzen der gemischten Schenkung ermittelten Erwerbswert von 302.333 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) – zum 8. März 2004 fällig gestellte – Schenkungsteuer i.H. von 61.520 EUR gegen die Klägerin fest. Dabei legte er der Steuerberechnung als Verkehrswert des übertragenen Grundbesitzes im Wege der Schätzung (§ 162 AO) das Doppelte der festgestellten Bedarfswerte i.H. von insgesamt 981.000 EUR zugrunde. Gleichzeitig wies er in der Anlage zum Bescheid darauf hin, dass ein anderer Wertansatz nur in Betracht komme, wenn dieser z.B. durch ein Gutachten nachgewiesen werde. Des weiteren wich der Beklagte von den Erklärungsangaben der Klägerin insoweit ab, als er die erwerbsmindernd geltend gemachte Grunderwerbsteuer i.H. von 12.940 EUR unberücksichtigt ließ und von den mit 13.500 EUR geschätzten sonstigen „Kosten und Gebühren” lediglich einen Teilbetrag i.H. von 7.000 EUR ohne Belege anerkannte. Zugleich forderte er die Klägerin auf, die tatsächlich entstandenen Aufwendungen innerhalb von vier Wochen nach Erhalt des Bescheids nachzuweisen.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 18. Februar 2004 Einspruch ein und beantragte, die Vollziehung des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids in Höhe eines Betrags von 60.116 EUR auszusetzen. Zur Begründung trug ihr Prozessbevollmächtigter im Wesentlichen vor: Die der Steuerberechnung zugrunde liegende Schätzung der Grundstücksverkehrswerte mit dem Zweifachen der Steuerwerte sei willkürlich und entbehre jeglicher sachlichen und objektiven Grundlage. Zudem habe der Beklagte verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem er ohne die nach § 91 AO erforderliche vorherige Anhörung der Klägerin von den in ihrer Steuererklärung angegebenen Werten abgewichen sei. Unter Berücksichtigung der im Einzelnen dargelegten Herstellungskosten sei der Verkehrswert der Immobilien mit 385.596,32 EUR in die Steuerberechnung einzubeziehen. Außerdem ergäben sich nach den mittlerweile vorliegenden Rechnungen Notarkosten i.H. von 1.774,07 EUR, Gerichtsgebühren für Grundbuchänderungen i.H. von 702 EUR, Steuerberatungskosten i.H. von 2.910,67 EUR und die ebenfalls zu den Erwerbskosten gehörende Grunderwerbsteuer i.H. von 12.940 EUR, insgesamt also erwerbsmindernd zu berücksichtigender Aufwand i.H. von 18.326,74 EUR.
Unter dem 2. März 2004 setzte der Beklagte die Vollziehung des angefochtenen Bescheids in dem begehrten Umfang ab dem Fälligkeitszeitpunkt bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Einspruch bzw. einer anderweitigen Verfahrensbeendigung aus. Die Aussetzungsverfügung schloss mit dem Hinweis, dass Beträge, für die Vollziehungsaussetzung bewilligt worden sei, insoweit gemäß § 237 AO zu verzinsen seien, als der Einspruch im Hauptsacheverfahren endgültig keinen Erfolg habe. Mit Erörterungsschreiben vom selben Tage teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ferner mit, dass seiner Berechnung des Verkehrswerts nicht gefolgt und ein niedrigerer Wert nur durch ein entsprechendes Gutachten nachgewiesen werden könne. Außerdem bekräftigte der Beklagte nochmals seine Auffassung, dass eine steuermindernde Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer ausscheide.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter gleichzeitigem Hinweis darauf, dass wegen des gerügten Anhörungsmangels (§ 91 AO) Aussetzungszinsen nicht festgesetzt werden dürften, Auszüge aus einem Verkehrswertgutachten (des Sachverständigen E vom 30. April 2004) beigebracht hatte, ermäßigte der Beklagte – dem darin ausgewiesenen Wert i.H. von 564.000 EUR folgend – mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 26. Januar 2005 die Schenkungsteuer auf 26.520 EUR. Die geltend gemachte Grunderwerbsteuer berücksichtigte er dabei nicht und Erwerbsnebenkosten mangels Einreichung der wiederholt angemahnten Belege nur i.H. von 4.220 EUR. Außerdem teilte er der Klägerin mit, dass die Aussetzung der Vollziehung zum 1. März 2005 ende, und forderte sie auf, den Differenzbetrag von 25.116 EUR (= 26.520 EUR abzgl. nicht von der Vollziehung ausgesetzter 1.404 EUR) bis zu dem genannten Zeitpunkt zu entrichten. Dies geschah am 25. Februar 2005.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2006 setzte der Beklagte ausgehend von einem für die Laufzeit vom 8. März 2004 bis zum 25. Februar 2005 zu verzinsenden Betrag i.H. von 25.100 EUR gemäß §§ 237 ff AO Aussetzungszinsen i.H. von 1.380 EUR gegen die Klägerin fest. Als Rechtsgrund der Zinsfestsetzung führte er die teilweise Erfolglosigkeit des den Schenkungsteuerbescheid vom 5. Februar 2004 betreffenden Rechtsbehelfsverfahrens an.
Den hiergegen gerichteten Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Rechtsbehelfsentscheidung vom 6. Februar 2006, auf deren Inhalt wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Hierzu führte er im Wesentlichen aus:
Der Unterschiedsbetrag zwischen dem ausgesetzten und dem aufgrund der bestandskräftigen Festsetzung laut Einspruchsentscheidung geschuldeten Betrag sei gemäß § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ohne Rücksicht auf den Grund für die Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs zu verzinsen. Daraus folge, dass sich die Aussetzungszinsen im Streitfall nicht auf die Höhe der Grundstücksverkehrswerte bezögen, da dem Einspruch insoweit stattgegeben worden, der Rechtsbehelf also insoweit erfolgreich gewesen sei. Im Übrigen sei der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs eindeutig nicht verletzt worden. Er, der Beklagte, habe sich lediglich an die klaren, auch dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannten Anweisungen in R 17 Abs. 6 Satz 4 der Erbschaftsteuerrichtlinien 2003 (ErbStR) gehalten. Danach sei ohne Nachweis eines anderen Werts der Verkehrswert mit dem Doppelten des Bedarfswerts anzusetzen. Zudem sei die Steuerfestsetzung wegen der zulässigerweise einem weiteren Erörterungsverfahren vorbehaltenen Ermittlungen sowohl vorläufig als auch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen. Dabei seien die Wertansätze in den Erläuterungen begründet worden. Ungeachtet dessen seien die Abweichungen von der Steuererklärung gar nicht ursächlich für das Einspruchsverfahren und die Aussetzung der Vollziehung gewesen. Das Rechtsbehelfsverfahren sei auch wegen der teilweisen Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Erwerbsnebenkosten geführt worden. Die Aussetzung der Vollziehung sei der Klägerin sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach antragsgemäß unter Zugrundelegung der dem Antrag beigefügten Berechnungen ihres Prozessbevollmächtigten gewährt worden.
Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr außergerichtliches Begehren weiter. Zur Begründung trägt ihr Prozessbevollmächtigter im Wesentlichen vor:
Der Beklagte habe den angefochtenen Bescheid über Aussetzungszinsen i.H. von 1.380 EUR erlassen, obwohl er – der Prozessbevollmächtigte der Klägerin – ihn wiederholt auf den Verfahrensverstoß gegen § 91 Abs. 1 AO sowie die daraus resultierenden Rechtsfolgen, vor allem die Unzulässigkeit der Zinsfestsetzung und Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB – i.V.m. Art. 34 des Grundgesetzes – GG –) hingewiesen habe. Dabei sei besonders zu erwähnen, dass der Beklagte mit Schreiben vom 20. Juni 2005 den gerügten Anhörungsmangel ausdrücklich eingeräumt habe. Allein durch diesen Verfahrensverstoß sei der streitige Aussetzungszinsbetrag angefallen und ein mit erheblichen Kosten für die Klägerin verbundenes Einspruchsverfahren erforderlich geworden. Derartige Kosten zu vermeiden, sei indes gerade der Sinn des § 91 Abs. 1 AO. Es sei unzweifelhaft, dass die Aussetzungszinsen vermieden worden wären, wenn die Klägerin vor Erlass des Schenkungsteuerbescheids vom 5. Februar 2004 angehört worden wäre, weil dann das Gutachten bereits im Bescheid hätte berücksichtigt werden können. Schließlich sei allein die Höhe der Grundstücksverkehrswerte entscheidend gewesen für die Höhe der Schenkungsteuer von 26.520 EUR bzw. die der Verzinsung zugrunde liegende Wertdifferenz von 25.100 EUR. Der gerügte Anhörungsmangel sei auch nicht geheilt worden. Eine Heilung sei gemäß § 127 AO nur möglich, wenn alle Rechtsfolgen der Pflichtverletzung geheilt würden, also auch auf die Festsetzung von Aussetzungszinsen verzichtet werde. Das Recht auf Gehör i.S. des § 91 AO sei ein rechtsstaatlicher Grundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) und das wichtigste Recht der Beteiligten im Verfahren. Die Frage, ob ein Verstoß gegen § 91 AO hier vorliege, dürfe daher nicht dahin gestellt bleiben. Es sei eindeutig erkennbar, dass der Beklagte willkürlich gehandelt habe, indem er die Schenkungsteuer zunächst auf der Basis willkürlich hoch geschätzter Grundbesitzverkehrswerte festgesetzt habe, dies wohl vor dem Hintergrund der Überlegung, dass er, wenn Einspruch und Aussetzungsantrag nur zum Teil Erfolg hätten, zumindest Zinsen i.H. von 6 v.H. auf den Differenzbetrag kassieren könne. Bei welcher Bank bekomme man sonst 0,5 % Zinsen monatlich (= 6 % p.a.)?
Die Klägerin hätte auf die Vollziehungsaussetzung auch nicht verzichten können. Grundbesitz könne nicht gleichgesetzt werden mit Geldvermögen. Die Klägerin hätte ihr laufendes Bankkonto überziehen müssen mit der Folge, dass für mindestens ein Jahr – so lange benötige das Finanzamt für die Einspruchsentscheidung – Überziehungszinsen i.H. von 15 bis 19 v.H. bei ihrem Kreditinstitut angefallen wären. Zudem hätte der Beklagte den überschüssigen Betrag von ca. 35.000 EUR nicht einmal mit 6 v.H. Zinsen, geschweige denn mit 15 bis 19 v.H. Überziehungszins erstattet. Schließlich liege der Höhepunkt dieser Kette darin, dass die Zinsen steuerlich nicht abziehbar seien.
Die Klägerin beantragt,
den Zinsbescheid vom 7. Juni 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2006 ersatzlos aufzuheben,
hilfsweise die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verzichtet auf eine Klageerwiderung und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2006.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist unbegründet.
1. Der angefochtene Bescheid über Aussetzungszinsen vom 7. Juni 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 6. Februar 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Insbesondere stand die Tatsache, dass der Beklagte die Klägerin vor Durchführung der Schenkungsteuerveranlagung vom 5. Februar 2004 nicht auf den von ihren Erklärungsangaben abweichenden Verkehrswertansatz und die teilweise Nichtberücksichtigung geltend gemachter Abzugsbeträge hingewiesen hatte, der Festsetzung von Aussetzungszinsen gemäß §§ 237, 238 der Abgabenordnung – AO – nicht entgegen.
a) Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen, und zwar vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, bis zu dem Tag, an dem die Aussetzung der Vollziehung endet (§ 237 Abs. 2 Satz 1 AO). Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs ausgesetzt worden, beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der Vollziehungsaussetzung beginnt (§ 237 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Zinsen betragen für jeden vollen Monat 0,5 v.H. (§ 238 Abs. 1 AO). Dabei wird der zu verzinsende Betrag gemäß § 238 Abs. 2 AO auf den nächsten durch 50 EUR teilbaren Betrag abgerundet.
aa) Ein Einspruch hat insoweit i.S. von § 237 Abs. 1 Satz 1 AO „endgültig keinen Erfolg”, als die Finanzbehörde dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft, der Steuerpflichtige also in dem Rechtsbehelfsverfahren unterlegen ist. Aus welchem Grund der Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten Steuer endgültig erfolglos bleibt, ist dabei ohne Bedeutung. Maßgebend ist der endgültig geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des Steuerbescheids ausgesetzt war. Richtet sich der Rechtsbehelf gegen einen Steuerbescheid, bei dem die Besteuerungsgrundlagen nicht selbständig anfechtbar sind (§ 157 Abs. 2 AO), kommt es demnach auf den betragsmäßigen Misserfolg an (Klein/Rüsken, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Auflage, § 237 Rz. 8).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte im Bescheid vom 7. Juni 2006 zu Recht einen Betrag i.H. von (abgerundet) 25.100 EUR verzinst. Die Klägerin hatte sich mit ihrem Einspruch sowohl gegen den von ihrer Erklärung abweichenden Ansatz der Immobilienverkehrswerte als auch gegen die Nichtberücksichtigung gezahlter Grunderwerbsteuer und sonstiger Erwerbsnebenkosten gewandt. Entsprechend dem betragsmäßigen Umfang der insoweit begehrten Änderungen hatte sie zugleich beantragt, die Vollziehung des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids i.H. eines Teilbetrags von 60.116 EUR auszusetzen. Diesem Antrag hatte der Beklagte mit Verfügung vom 2. März 2004 in vollem Umfang entsprochen. In seiner Rechtsbehelfsentscheidung vom 26. Januar 2005 hat er sodann den Einwendungen der Klägerin gegen die Verkehrswerte abgeholfen und den im Sachverständigengutachten vom 30. April 2004 bezifferten Immobilienwert von insgesamt 564.000 EUR übernommen mit der Folge, dass der Einspruch insoweit erfolgreich gewesen ist. „Endgültig keinen Erfolg” i.S. des § 237 Abs. 1 Satz 1 AO hatte der Einspruch der Klägerin hingegen, soweit der Beklagte die als Abzugsposten geltend gemachten Erwerbsnebenkosten weiterhin nur teilweise und die gezahlte Grunderwerbsteuer überhaupt nicht erwerbsmindernd berücksichtigt hat. Das Ausmaß des endgültigen Unterliegens der Klägerin beträgt daher entsprechend dem (nur) auf diesen Streitpunkt entfallenden Teil der Steuer (abgerundet) 25.100 EUR.
bb) Da der Beklagte die Vollziehung des angefochtenen Schenkungsteuerbescheids ausweislich seiner Verfügung vom 2. März 2004 nicht rückwirkend zum Zeitpunkt des Rechtsbehelfseingangs (19. Februar 2004), sondern gemäß § 237 Abs. 2 Satz 2 AO erst mit Wirkung ab Fälligkeit (8. März 2004) bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ausgesetzt und die Klägerin den ausgesetzten Steuerbetrag bereits früher, nämlich am 25. Februar 2005, gezahlt hat, sind die mit Bescheid vom 7. Juni 2005 für insgesamt elf volle Monate festgesetzten Aussetzungszinsen i.H. von 1.380 EUR (= 11 × 0,5 × 25.100 EUR) fehlerfrei berechnet.
b) Der mithin sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zutreffenden Zinsfestsetzung steht der von der Klägerin behauptete Anhörungsmangel (§ 91 AO) weder unmittelbar noch unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen.
aa) Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 AO soll, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies gilt gemäß Satz 2 der Vorschrift insbesondere, wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen wesentlich abgewichen werden soll. Soweit aus dem Inhalt der dem Gericht vorliegenden Steuerakten ersichtlich, hat der Beklagte, ohne dies der Klägerin zuvor mitzuteilen, den Verkehrswert der ihr übertragenen Immobilien abweichend von den in der Steuererklärung angegeben Werten nach Maßgabe des R 17 Abs. 6 Satz 4 ErbStR mit dem Doppelten der förmlich festgestellten Bedarfswerte geschätzt. Außerdem hat er die Klägerin vor Erlass des erstmaligen Schenkungsteuerbescheids nicht darauf hingewiesen, dass er die unter Punkt C.1. des Vordrucks geltend gemachten, der Höhe nach von der Klägerin geschätzten Kosten und Gebühren ohne Nachweise nur i.H. eines Teilbetrags von 7.000 EUR sowie die Grunderwerbsteuer aus Rechtsgründen gar nicht erwerbsmindernd berücksichtigen wolle.
bb) Ob der Beklagte mit dieser Vorgehensweise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat, kann der Senat indes dahinstehen lassen. Denn ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 91 AO wäre, wenn und soweit er tatsächlich vorläge, jedenfalls im weiteren Verfahren gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO geheilt worden.
Nach § 126 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 AO ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 AO nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt wird. Dies ist im vorliegenden Fall unzweifelhaft geschehen, indem der Klägerin im Rahmen des der Steuerfestsetzung nachfolgenden Einspruchsverfahrens hinreichend Gelegenheit gegeben worden ist, sich zu dem von ihr beanstandeten Ansatz der Verkehrswerte sowie zu den nicht berücksichtigten Erwerbsnebenkosten zu äußern.
cc) Der gerügte Anhörungsmangel – sein Vorliegen unterstellt – würde sich darüber hinaus auch nicht dergestalt auswirken, dass der Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) an der Festsetzung von Aussetzungszinsen gehindert gewesen wäre.
(1) Die Festsetzung und Erhebung von Aussetzungszinsen soll zum einen verhindern, dass durch Einsprüche und Anfechtungsklagen ohne ernsthafte Erfolgsaussichten, verbunden mit einer gleichwohl erlangten Aussetzung der Vollziehung, die Abgabenentrichtung zinslos hinausgeschoben wird. Zum anderen sollen der Zinsnachteil des Steuergläubigers, der den Abgabenbetrag nicht schon bei Fälligkeit, sondern erst nach Beendigung der Vollziehungsaussetzung erhält, und der Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 24. Juli 1979 VII R 67/76, BStBl II 1979 712, und vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BStBl II 1991, 498, 501, sowie Klein/Rüsken, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Auflage, § 237 Rz. 1). Insoweit dient die Vorschrift des § 237 AO ebenso wie die Vollverzinsung gemäß § 233 a AO dem Ausgleich der Zinsnachteile, die dem Steuergläubiger, aus welchen Gründen auch immer, objektiv entstehen (vgl. zu § 233 a AO z.B. BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446). Die Zinsen nach §§ 233 a, 237 AO sind weder Sanktion noch Druckmittel oder Strafe, sondern laufzeitabhängige Gegenleistung für eine mögliche Kapitalnutzung (BFH-Beschluss vom 2. September 1994 VII B 21/94, BFHE 175, 516). Die Entstehung des Zinsanspruchs ist infolgedessen unabhängig von den Ursachen und Begleitumständen des Einzelfalls. Auf ein eventuelles Fehlverhalten oder gar Verschulden des Steuerpflichtigen oder des Steuergläubigers kommt es grundsätzlich nicht an (BFH-Beschlüsse vom 30. Oktober 2001 X B 147/01, BFH/NV 2002, 505, und vom 19. Februar 1996 I B 86/95, BFH/NV 1996, 725, m.w.N., sowie Klein/Rüsken, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Auflage, § 237 Rz. 1 und 28).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Beurteilungskriterien durfte der Beklagte ungeachtet eines etwaigen, zumal geheilten Verstoßes gegen § 91 AO den angefochtenen Zinsbescheid nach Maßgabe der §§ 237, 238 AO erlassen, da – wie oben ausgeführt – die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung ausreicht, um den Zinsanspruch des Finanzamts zu begründen. Zwar kann die Festsetzung von Aussetzungszinsen ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn ein Steuerpflichtiger nachweislich keinen Liquiditätsvorteil erlangt hat (vgl. zu Nachzahlungszinsen gemäß § 233 a AO: BFH-Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93, BStBl II 1994, 81). Anhaltspunkte dafür, dass hier ein derartiger Ausnahmefall vorliegt, sind jedoch weder vorgetragen noch aus dem Akteninhalt ersichtlich. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ausführt, es werde völlig ignoriert, dass das Finanzamt nach Einreichung der Schenkungsteuererklärung „bis zu 7 Monate” habe verstreichen lassen, bevor es ihr den Schenkungsteuerbescheid erteilt habe, um sich sodann nach Übersendung des Verkehrswertgutachtens weitere sieben Monate Zeit für die Abfassung der Einspruchsentscheidung zu lassen, lässt ihr Vorbringen nicht erkennen, welche konkreten sachlichen Gesichtspunkte ihrer Meinung nach der Annahme eines Zinsvorteils entgegenstehen. Dies erschließt sich auch nicht unter Berücksichtigung ihres Vorwurfs, die Vorgehensweise des Beklagten sei willkürlich und beruhe auf taktischen Erwägungen, sowie ihrer Ausführungen zur Zinspflicht im Falle einer Erstattung oder Nachzahlung. Ihr zum letztgenannten Aspekt vorgebrachter Einwand, „im Falle der Nachzahlung” erfolge eine Verzinsung des „nachzuzahlenden Betrags”, übersieht sie zudem, dass die sogenannte Vollverzinsung nach § 233 a AO bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer von vornherein nicht eingreift (Klein/Rüsken, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Auflage, § 233a Rz. 6). Auch der Umstand, dass der Besteuerung ein ausschließlich aus Grundvermögen bestehender Erwerb zugrunde lag, ändert nichts an dem objektiv zugunsten der Klägerin eingetretenen Zinsvorteil. Denn ungeachtet der mangelnden Fungibilität von Immobilienvermögen und der daraus resultierenden Notwendigkeit, die Steuerzahlung entweder aus eigenen vorhandenen Mitteln oder – bei fehlender Liquidität – mit Hilfe eines Darlehens zu finanzieren, besteht der Vorteil des Steuerpflichtigen darin, dass er die gegen ihn festgesetzte Steuer aufgrund der Vollziehungsaussetzung nicht sofort, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt entrichten muss.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin außerdem vorträgt, allein durch den gerügten Verfahrensmangel seien die streitigen Aussetzungszinsen angefallen und ein mit erheblichen Kosten verbundenes Einspruchsverfahren erforderlich geworden, vermag diese Argumentation schon deswegen nicht zu überzeugen, weil der angefochtene Schenkungsteuerbescheid vom 5. Februar 2004 gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen und daher jederzeit auch ohne Einlegung förmlicher Rechtsbehelfe nach § 164 Abs. 2 AO änderbar war. Zwar hätte die Klägerin bei Verzicht auf Einspruch und Aussetzungsantrag die festgesetzte Steuer (zunächst) zum Fälligkeitszeitpunkt entrichten müssen. Es wären aber weder Anwalts- bzw. Steuerberatergebühren für die Rechtsbehelfseinlegung noch Aussetzungszinsen entstanden. Für deren Entstehung kausal war mithin nicht – wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausführt – „alleine” der (behauptete) Verstoß des Beklagten gegen § 91 AO. Unmittelbar ursächlich war vielmehr die auf den freien Willensentschluss der Klägerin zurückgehende Tatsache, dass sie Aussetzung der Vollziehung beantragt hat und ihr diese auch gewährt worden ist.
Auch der weitere Einwand der Klägerin, § 91 AO diene „gerade” dazu, „solche Zinsen und Kosten der Einspruchsführung zu vermeiden”, rechtfertigt kein abweichendes Entscheidungsergebnis. Anknüpfungs- und Ausgangspunkt der gerichtlichen Überprüfung ist vorliegend die Frage, ob und inwieweit die Festsetzung der streitigen Aussetzungszinsen nach §§ 237 ff AO rechtmäßig ist und ob ihrer Zulässigkeit der behauptete Verstoß gegen § 91 AO entgegensteht. Zu prüfen ist daher im Streitfall nur, ob und inwiefern sich ein etwaiger Anhörungsmangel auf die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung auswirken würde. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es indes weniger auf den Normzweck des § 91 AO an als vielmehr auf die Rechtsfolgen seiner eventuellen Verletzung. Diesbezüglich sieht das Gesetz in § 126 AO jedoch ausdrücklich die Möglichkeit einer nachträglichen Beachtung der Verfahrensvorschrift (Heilung) vor mit der Folge, dass ihre ursprüngliche Verletzung „unbeachtlich” (§ 126 Abs. 1 AO) wird, d.h. vorbehaltlich der – hier nicht eingreifenden – Regelung in § 126 Abs. 3 AO ohne jede Auswirkung bleibt (Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, Kommentar, 17. Auflage, § 126 Bem. 2).
Schließlich verkennt die allein auf den abweichenden Verkehrswertansatz gestützte Argumentation der Klägerin, dass ein etwaiger Verstoß gegen § 91 AO hinsichtlich dieses Streitpunkts für die angefochtene Zinsfestsetzung nicht kausal geworden ist. Denn dem Bescheid vom 7. Juni 2005 liegt lediglich ein zu verzinsender Betrag i.H. von abgerundet 25.100 EUR zugrunde. Dieser Betrag entspricht – wie bereits im richterlichen Hinweisschreiben vom 2. Juli 2008 dargelegt – allein den steuerlichen Auswirkungen, die sich durch die (teilweise) Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Erwerbsnebenkosten und der Grunderwerbsteuer ergeben.
2. Soweit die Klägerin in dem gerügten Anhörungsmangel eine Amtspflichtverletzung sieht, aufgrund derer „unter Umständen zivilrechtlich Schadensersatz nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gefordert werden kann”, wäre ein dahingehendes Begehren nicht auf dem Finanzrechtsweg (§ 33 FGO), sondern vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (vgl. hierzu Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 6. Auflage, § 33 Rz. 30, Stichwort „Amtshaftung”).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 AO.
III. Die Revision war im Streitfall nicht zuzulassen, weil keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, weil höchstrichterlich bereits hinreichend geklärt ist, dass Aussetzungszinsen grundsätzlich unabhängig von einem etwaigen Fehlverhalten der Finanzbehörde festzusetzen sind.