01.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120912
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 13.12.2011 – 6 K 6181/08
1. Eine erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 ff. GewStG ist zu versagen, da durch die entgeltliche Einspeisung des mit Hilfe einer Solaranlage erzeugten Stroms in das allgemeine Stromnetz eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird.
2. Auf den Umfang der gewerblichen Tätigkeit kommt es für die Gewerbesteuerkürzung nicht an. Auch eine nur einen Monat oder nur geringfügig ausgeübte gewerbliche Tätigkeit sowie die Tatsache, dass nur an einen Netzbetreiber geliefert wird, steht der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG für den gesamten Erhebungszeitraum entgegen.
3. Die Stromerzeugung und -einspeisung stellen auch keine Nebengeschäfte dar, die dem Begriff der Grundstücksverwaltung zuzurechnen und deshalb für die Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung unschädlich sind.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 6. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … die Richterin am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … und …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand:
Streitig ist die erweiterte Gewerbesteuerkürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. Gewerbesteuergesetz – GewStG –.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines mit A's… bebauten Grundstücks in …. Sie vermietet die A's… an Gewerbetreibende. Zudem ist sie Eigentümerin weiterer vermieteter Wohn- und Gewerbeimmobilien.
Auf den Dächern der A's… ließ die Klägerin zwei Photovoltaikanlagen installieren. Eine 180 kw-Anlage wurde im Dezember 2003 an die Klägerin übergeben. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf … EUR. Eine 30 kw-Anlage wurde im Dezember 2004 angeschafft. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf ca. … EUR. Zudem aktivierte die Klägerin im Dezember 2004 Solarmodule mit Anschaffungskosten von …EUR. Diese Module wurden im Jahr 2005 weiterveräußert. Der mit den Photovoltaikanlagen produzierte Strom wurde nicht für den Betrieb der A's… genutzt, sondern gegen Vergütung in das allgemeine Stromnetz eingespeist.
Der Beklagte setzte den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß mit Bescheiden vom … Februar 2006 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung mit … EUR für 2003 und mit 0,– EUR für 2004 fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO –.
Im Jahr 2007 führte der Beklagte eine Außenprüfung bei der Klägerin durch, die u. a. auch die Streitjahre umfasste. Die Außenprüfer stellten sich auf den Standpunkt, dass der Betrieb der Photovoltaikanlagen keine mit der Vermietungstätigkeit unmittelbar zusammenhängende Nebentätigkeit sei. Es liege eine Tätigkeit mit gewerblichem Charakter vor. Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. GewStG sei deshalb nicht zu gewähren.
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am … März 2008 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Gewerbesteuermessbescheide, in denen er die Gewerbesteuermessbeträge mit … EUR für 2003 und mit … EUR für 2004 festsetzte.
Dagegen richteten sich die Einsprüche der Klägerin vom 24. April 2008, die sie jedoch nicht begründete und die der Beklagte mit einer Einspruchsentscheidung vom … August 2008 als unbegründet zurückwies.
Mit ihrer am … August 2008 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Aberkennung der erweiterten Kürzung. Sie ist der Meinung, dass die Photovoltaikanlagen nicht zu gewerblichen Einkünften führen würden, da der erzeugte Strom nur an einen Netzbetreiber geliefert werde. Es fehle damit an der notwendigen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Zudem handele es sich lediglich um eine Nebentätigkeit der Vermietung. Nach Ablauf der vorgesehenen Zeit der Einspeisung sei eine Eigennutzung des produzierten Stromes vorgesehen. Nach dem Zweck der Vorschrift sei der Begriff der Ausschließlichkeit einschränkend auszulegen. Im Jahr 2003 seien mit der Photovoltaikanlage keine Erträge erzielt worden. Im Jahr 2004 habe die Einspeisevergütung weniger als 5 % der gesamten Einnahmen ausgemacht.
Der Berichterstatter hat die Klage mit einem der Klägerin am … Oktober 2011 zugestellten Gerichtsbescheid vom 4. Oktober 2011 abgewiesen, und die Klägerin hat mit einem am … November 2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz mündliche Verhandlung beantragt.
Die Klägerin beantragt,
die geänderten Gewerbesteuermessbescheide für 2003 und 2004 vom … März 2008 und die Einspruchsentscheidung vom … August 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest, wonach die erweiterte Kürzung zu versagen ist. Die Erzeugung und Einspeisung von Strom stellten eine gewerbliche Tätigkeit dar. Die Vorschrift sehe keine Ausnahmen wegen Geringfügigkeit vor. Es liege keine unschädliche Nebentätigkeit vor.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Die geänderten Gewerbesteuermessbescheide vom … März 2008 und die Einspruchsentscheidung vom … August 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. GewStG für beide Streitjahre zu Recht versagt.
1. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, an Stelle der Kürzung gemäß Satz 1 der Vorschrift (= 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden Grundbesitzes) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Begünstigt sind nur die Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes (Vermögensverwaltung). Zweck der sog. erweiterten Kürzung ist es, die Erträge aus der bloßen Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes der kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften von der Gewerbesteuer aus Gründen der Gleichbehandlung mit Steuerpflichtigen freizustellen, die nur Grundstücksverwaltung betreiben (dazu Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. April 2000 VIII R 68/98, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 192, 100, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2001, 359, m.w.N.).
Der persönliche Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung ist jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich” ausüben muss bzw. daneben nur die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens bzw. die Errichtung und Veräußerung bestimmter Wohngebäude (§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG) betreiben darf; eine Tätigkeit außerhalb des ausdrücklich angeführten „erlaubten” Bereichs führt zum Ausschluss der Begünstigung.
2. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Sätze 2 ff. GewStG nicht, da sie mit der Produktion von Solarstrom und dessen entgeltlicher Einspeisung in das allgemeine Stromnetz eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
a) Die Produktion von Strom mit Hilfe von Solaranlagen sowie die entgeltliche Einspeisung des produzierten Stroms in das Stromnetz erfüllen die Tatbestandsvoraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne von § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz – EStG –. Steuerpflichtige, die Photovoltaikanlagen betreiben und damit Strom erzeugen, erzielen hieraus – unter der hier nicht zweifelhaften Voraussetzung der Gewinnerzielungsabsicht – in Höhe der vom Netzbetreiber gewährten Vergütung Einnahmen aus einer gewerblichen Betätigung im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG (vgl. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 22. September 2010 – 2 K 282/07, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2010, 2102; vgl. auch BFH-Urteil vom 15. September 2010 X R 22/08, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2011, 238). Durch den mit dem Energieversorger geschlossenen Einspeisevertrag hat sich die Klägerin zur Stromlieferung mit der Photovoltaikanlage verpflichtet. Hierfür stand ihr das vertraglich vereinbarte Entgelt zu.
Der Annahme einer gewerblichen Tätigkeit steht dabei entgegen der Auffassung der Klägerin der Umstand nicht entgegen, dass sie den Strom nur an einen einzigen Netzbetreiber geliefert hat; denn damit nimmt sie bereits am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil. Dass sie lediglich einen Abnehmer hat, ist allein der gegenwärtigen technischen und vertraglichen Struktur der Energieverteilung geschuldet. Entscheidend ist, dass die Klägerin den Strom dem allgemeinen Strommarkt zur Verfügung gestellt hat.
Auch der Umstand, dass die Klägerin im Streitjahr 2003 nach eigenem Bekunden noch keine Einnahmen aus der Einspeisung des produzierten Solarstromes erzielte, steht der Annahme einer gewerblichen Tätigkeit nicht entgegen, da die fehlenden Einnahmen allein darauf zurückzuführen waren, dass die Photovoltaikanlage erst im Dezember 2003 an die Klägerin übergeben worden ist. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit der Klägerin auch im Streitjahre 2003 bereits darauf gerichtet war, zukünftig Erträge aus der Einspeisung des produzierten Stromes zu generieren. Zudem stellt der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG allein auf die vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten und nicht auf seine Einnahmen ab.
b) Die Stromerzeugung und -einspeisung stellen auch keine Nebengeschäfte dar, die dem Begriff der Grundstücksverwaltung zuzurechnen und deshalb für die Inanspruchnahme der erweiterten Gewerbesteuerkürzung unschädlich sind. Derartige Nebengeschäfte liegen nur vor, wenn sie der Grundstücksnutzung und -verwaltung im eigentlichen Sinne dienen und als „zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden” können (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2002 I R 24/01, BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355). Hierzu zählt insbesondere der Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und von notwendigen Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem (BFH-Urteil vom 14. Juni 2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl. II 2005, 778). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, da der Betrieb der Photovoltaikanlagen nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb der A's… steht. Anders wäre womöglich zu entscheiden, wenn der produzierte Strom für den Energiebedarf der A's… verwendet würde. Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor; der Vortrag der Klägerin, wonach nach Beendigung der Einspeisevereinbarung mit dem Netzbetreiber ein Eigenverbrauch beabsichtigt sei, kann für die Streitjahre, in denen das noch nicht der Fall war, die erweiterte Kürzung nicht herbeiführen.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin steht auch eine nur geringfügige gewerbliche Tätigkeit der erweiterten Kürzung entgegen. Indem § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG – abweichend von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, aber auch z.B. von der in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG enthaltenen, kürzungsschädlichen Einschränkung – die Ausschließlichkeit der begünstigten sowie der im Einzelnen aufgeführten nicht begünstigten, aber erlaubten Tätigkeiten verlangt, belässt die Vorschrift insofern keine Auslegungsspielräume. Ausnahmen wegen Geringfügigkeit sind auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Vergünstigung zu gelangen. Er kann daher den Regelungszweck der rechtsformunabhängigen Freistellung der grundbesitzverwaltenden Tätigkeit auf solche Steuersubjekte beschränken, die ihre Geschäftstätigkeit auf diesen Bereich konzentrieren (siehe BFH-Urteile vom 19. Oktober 2010 I R 67/09, BFHE 232, 194, BStBl. II 2011, 367; vom 17. Mai 2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 69 f., 72).
Davon abgesehen ist die mit den Photovoltaikanlagen im Zusammenhang stehende gewerbliche Tätigkeit schon im Hinblick auf die erheblichen Anschaffungskosten nicht geringfügig. Es kommt deshalb wiederum nicht darauf an, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden im Jahr 2003 gar keine Vergütungen aus der Stromeinspeisung erhalten hat und die Vergütungen im Jahr 2004 sich auf 5 % der Gesamteinnahmen beliefen. Für 2003 weist der Senat zudem darauf hin, dass der Begriff der Ausschließlichkeit auch in zeitlicher Hinsicht erfordert, dass die Klägerin während des gesamten Erhebungszeitraumes auf gewerbliche Tätigkeiten verzichtet. Auch eine nur im Dezember ausgeübte schädliche Tätigkeit schließt die erweiterte Kürzung für den gesamten Erhebungszeitraum aus.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.