18.08.2005 · IWW-Abrufnummer 052395
Bundesfinanzhof: Urteil vom 17.06.2005 – VI R 84/04
1. Der Erwerb eines Gebrauchtwagens vom Arbeitgeber führt beim Arbeitnehmer zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn der gezahlte Kaufpreis hinter dem nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bestimmenden Wert des Fahrzeugs zurückbleibt. Für den danach maßgeblichen üblichen Endpreis des Fahrzeugs ist nicht auf den Händlereinkaufspreis abzustellen, sondern auf den Preis, den das Fahrzeug unter Berücksichtigung der vereinbarten Nebenleistungen auf dem Gebrauchtwagenmarkt tatsächlich erzielen würde.
2. Wird zur Bestimmung des üblichen Endpreises eine Schätzung erforderlich, kann sich die Wertermittlung an den im Rechtsverkehr anerkannten Marktübersichten für gebrauchte PKW orientieren. Das Ergebnis dieser Schätzung ist in der Revision nur eingeschränkt überprüfbar.
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum Ende des Streitjahrs (1999) bei einer Genossenschaft als Vorstandsmitglied beschäftigt. Anlässlich seines bevorstehenden Ausscheidens erwarb er mit schriftlichem Kaufvertrag vom 3. Dezember 1999 von seiner Arbeitgeberin einen PKW, den er zuvor als Dienstwagen hatte nutzen können. Der Gestaltung des Kaufpreises von 13 340 DM (einschließlich Umsatzsteuer) lag eine Gebrauchtfahrzeugbewertung zugrunde, die der Kläger einen Monat zuvor bei dem damaligen Kfz-Lieferanten der Arbeitgeberin hatte erstellen lassen. Aus dieser Bewertung ergab sich für das betreffende Fahrzeug auf der Basis des Marktspiegels der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) ein Händlereinkaufswert von 11 700 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Der Kläger gab den PKW-Ankauf in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr nicht an und wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zunächst erklärungsgemäß veranlagt.
Später erfuhr das FA aufgrund einer bei der Arbeitgeberin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung von dem Sachverhalt. Es vertrat die Auffassung, dem Kläger sei durch den PKW-Ankauf ein noch als Arbeitslohn zu versteuernder geldwerter Vorteil von 3 660 DM zugeflossen, da das Fahrzeug nach der sog. "Schwacke-Liste" im Veräußerungszeitpunkt einen Händlerverkaufswert von 17 000 DM einschließlich Umsatzsteuer gehabt habe. Der an dessen Stelle zwischen dem Kläger und seiner Arbeitgeberin vereinbarte Händlereinkaufspreis sei für die einkommensteuerliche Bewertung des mit dem Ankauf verbundenen Sachbezugs nicht maßgeblich. Das FA änderte daher den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ab und erhöhte die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger T ätigkeit entsprechend.
Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die vom FA durchgeführte Schätzung des Fahrzeugwerts sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Der an der "Schwacke-Liste" orientierte Betrag gebe den maßgeblichen Marktwert des PKW zutreffend wieder, wenn hierfür --wie im Streitfall-- keine besseren Erkenntnisse, etwa in Gestalt zeitnaher Wertgutachten oder Kaufpreis-Erhebungen, zu gewinnen seien. Dabei sei zur Ermittlung des Sachbezugswerts weder auf den Händlereinkaufspreis noch --wegen des neben dem gewerblichen Gebrauchtwagenhandel bestehenden umfänglichen privaten Automarkts-- zwingend auf den Händlerverkaufspreis abzustellen. Indessen weise die einschlägige "Schwacke-Liste" für Fahrzeuge mit vergleichbarer Grundausstattung und Motorisierung und unter Berücksichtigung der vorhandenen Zusatzausrüstung und der Laufleistung einen Händlerverkaufswert von etwa 18 700 DM aus, hinter dem der vom FA angesetzte Sachbezugswert deutlich zurückbleibe. Durch diesen Abschlag werde der Unterschied zwischen den Vertragsbedingungen beim Ankauf vom Arbeitgeber und dem durch Mehrleistungen und Mehrbelastungen bedingten höheren Preis eines gewerblichen Kfz-Händlers hinreichend berücksichtigt. Umstände, die Rückschlüsse auf einen im Erwerbszeitpunkt geringeren Fahrzeugwert zuließen, habe der Kläger weder glaubhaft gemacht noch im Verfahren belegt.
Gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 596 veröffentlichte Urteil des FG hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Er beantragt, das vorinstanzliche Urteil und den (geänderten) Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA tritt der Revision entgegen.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der verbilligte Erwerb eines Dienstwagens vom Arbeitgeber zu einem Zufluss von Arbeitslohn führt, der vom Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Einnahme in Geldeswert zu versteuern ist. Der zugewendete Vorteil besteht dabei in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem konkreten Kaufpreis und dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort, den der Arbeitnehmer ansonsten zum Erwerb des Fahrzeugs hätte aufwenden müssen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 EStG). Endpreis im Sinne der gesetzlichen Regelung ist der Preis, der im allgemeinen Geschäftsverkehr von Letztverbrauchern für identische bzw. gleichartige Waren tatsächlich gezahlt wird (vgl. die Begründung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes --JStG-- 1996, BTDrucks 13/901, S. 132; R 31 Abs. 2 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR--; zustimmend die Literatur, vgl. z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 8 Rz. 36; Kirchhof, KompaktKommentar Einkommensteuergesetz, 5. Aufl., § 8 Rn. 47).
a) Maßgebliche Handelsstufe ist dabei in der Regel der Einzelhandel (vgl. Birk in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 8 EStG Anm. 60; Blümich/Glenk, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 8 EStG Rz. 93). Grundsätzlich wertbestimmend ist daher der Händlerverkaufspreis und nicht etwa der Betrag, den der Händler seinerseits zum Erwerb der Ware aufbringen muss.
b) Bei bereits gebrauchten Gegenständen, für die am Abgabeort neben einem gewerblichen (Einzel-)Handel auch ein Markt unter Privatleuten besteht, ist der maßgebliche Endpreis danach zu bestimmen, ob identische bzw. gleichartige Waren vom Endverbraucher üblicherweise --also in der Mehrzahl der Fälle-- von privaten oder von gewerblichen Anbietern angekauft werden. Denn üblicher Endpreis i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Preis, zu dem die häufigsten Umsätze am Markt getätigt werden (vgl. Blümich/Glenk, a.a.O., § 8 EStG Rz. 96; Pust in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 8 EStG Rn. 333). Auch bei der Veräußerung gebrauchter Kfz ist mithin nicht auf den Händlereinkaufspreis abzustellen, sondern auf den Preis, den das Kfz auf dem Gebrauchtwagenmarkt --gegebenenfalls einschließlich der Umsatzsteuer-- erzielen würde (Hartz/Meeßen/ Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: Kraftfahrzeugverkauf, Rz. 2; Stichwort: Sachbezüge, Rz. 45). Auf diesen Preis kann auch der Umfang der vom Verkäufer übernommenen Nebenleistungen (etwa die Einräumung einer Garantie einerseits oder der Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen andererseits) Einfluss haben.
c) Zur Ermittlung des konkreten Endpreises für die in Rede stehende Ware oder Dienstleistung ist im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens zunächst der Arbeitgeber des Steuerpflichtigen verpflichtet. Der insoweit geforderte Aufwand ist indessen durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip begrenzt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230), so dass der übliche Endpreis erforderlichenfalls unter Berücksichtigung aller für die Preisbildung bedeutsamen Umstände zu schätzen ist (vgl. BFH-Urteile vom 15. Dezember 1978 VI R 36/77, BFHE 127, 26, BStBl II 1979, 629; vom 26. Juli 2001 VI R 122/98, BFHE 196, 165, BStBl II 2001, 844; Birk in HHR, § 8 EStG Anm. 61).
Es obliegt dem FG als Tatsacheninstanz, den gefundenen Wert im Wege tatrichterlicher Würdigung zu überprüfen und gegebenenfalls durch eine eigenständige Schätzung zu ersetzen. Dieser Wertansatz ist als Tatsachenwürdigung für das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindend, es sei denn, die Wertermittlung enthält einen Rechtsirrtum, verstößt gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze oder beruht auf einem Verfahrensmangel (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 127, 26, BStBl II 1979, 629; Crezelius, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 8 Rdnr. C 23).
2. Die Vorinstanz hat zu Recht angenommen, dass der zwischen dem Kläger und seiner (früheren) Arbeitgeberin vereinbarte und nach dem Händlereinkaufswert für den PKW bemessene Kaufpreis den üblichen Endpreis am Abgabeort im Bewertungszeitpunkt nicht zutreffend wiedergab. Die an seiner Stelle vom FG vorgenommene Wertermittlung ist aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
a) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die erforderliche Schätzung des üblichen Endpreises in Ermangelung zeitnaher Sachverständigengutachten und aussagekräftiger Kaufpreiserhebungen an den im Rechtsverkehr anerkannten Marktübersichten für den Wert gebrauchter PKW orientieren kann; hierzu zählt auch die so genannte "Schwacke-Liste" (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2001 V R 106/98, BFHE 196, 363, 369, BStBl II 2002, 551, 554). Dass derartige Marktübersichten zwangsläufig nur Richtwerte abbilden können, die durch die jeweilige Angebotslage vor Ort wie auch durch Erhaltungszustand und Abnutzung des konkret zu bewertenden Fahrzeugs noch Modifizierungen zu erfahren haben, stellt ihre Eignung als Schätzungsmaßstab nicht in Frage.
b) Unter Heranziehung dieser Schätzungsgrundlage hat das FG den konkreten Wert des Dienstwagens im Veräußerungszeitpunkt rechts- und verfahrensfehlerfrei ermittelt.
Zutreffend hat das FG von dem in der "Schwacke-Liste" angegebenen und unter Berücksichtigung von Fahrzeugausstattung und -laufleistung bemessenen Händlerverkaufspreis einen deutlichen Abschlag gemacht. Es hat damit dem Umstand in hinreichender Weise Rechnung getragen, dass am Abgabeort neben dem gewerblichen Gebrauchtwagenhandel auch ein nennenswerter privater Automarkt bestand, auf dem in der Regel für identische bzw. gleichartige Fahrzeuge nur ein geringerer Kaufpreis zu erzielen war, und dass der PKW-Ankauf des Klägers wegen des mit der Arbeitgeberin vereinbarten Gewährleistungsausschlusses mit einem Erwerb des Wagens von einem gewerblichen Händler nicht vergleichbar gewesen wäre.
Die Rüge des Klägers, das FG habe die "Schwacke-Liste" auf den Streitfall bloß undifferenziert angewandt und den gefundenen Wertansatz von 17 000 DM für das Fahrzeug nicht nachprüfbar erläutert, ist nicht berechtigt. Das angefochtene Urteil enthält hierzu umfangreiche Ausführungen. Die Wertermittlung des FG ist schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Sie trägt zudem dem realistischerweise anzunehmenden Wertverlust des PKW vom Tag der Erstzulassung bis zum Bewertungsstichtag hinreichend Rechnung.
c) Gegen die vom FG vorgenommene Schätzung kann der Kläger im Übrigen nicht anführen, eine nach Zustellung der vorinstanzlichen Entscheidung erfolgte Einzelbegutachtung des Fahrzeugs durch den Herausgeber der "Schwacke-Liste" habe --bezogen auf den Bewertungszeitpunkt-- einen erheblich niedrigeren Verkaufswert des PKW ergeben. Es handelt sich dabei um neuen Sachvortrag, der wegen der Bindung des BFH an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht berücksichtigt wird (vgl. etwa BFH-Urteile vom 26. Januar 2005 VI R 71/03, BFHE 208, 572, BStBl II 2005, 349; vom 17. Dezember 1997 X R 88/95, BFHE 185, 40, BStBl II 1998, 343; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 36).