14.03.2013
Finanzgericht Nürnberg: Gerichtsbescheid vom 17.12.2012 – 2 K 1825/12
Die Unterbrechung eines gerichtlichen Verfahrens durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 240 ZPO endet, wenn die streitige Forderung zur Insolvenztabelle festgestellt wird.
Tatbestand
Der Kläger ist mit Beschluss des Amtsgerichts 1 vom 10.05.2012 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der C. bestellt worden; dieses Insolvenzverfahren dauert noch an.
Frau C. hatte am 29.06.2011 Klage vor dem Finanzgericht Nürnberg gegen das beklagte Finanzamt wegen des Umsatzsteuerbescheides für 2007 vom 17.09.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.06.2011 erhoben.
Das Finanzamt hat mit Schreiben an das Gericht vom 03.08.2012 mitgeteilt, dass die im Klageverfahren streitigen Forderungen widerspruchslos zur Tabelle angemeldet worden sind und mittlerweile festgestellt seien.
Daraufhin hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass mit der widerspruchslosen Eintragung der streitigen Forderungen in die Tabelle die Unterbrechung des Gerichtsverfahrens durch die Insolvenz der Frau C. beendet und der Rechtstreit in der Hauptsache beendet wurde.
Der Kläger hat mit Schreiben an das Gericht vom 30.08.2012 „informatorisch” mitgeteilt, dass „in Folge der Feststellung der streitgegenständlichen Forderungen des Finanzamts zur Insolvenztabelle der Rechtstreit materiell-rechtlich beendet” sei. Eine weitergehende Erklärung könne er jedoch wegen der Gefahr, durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens Masseverbindlichkeiten auszulösen, nicht abgeben.
Ausweislich eines beglaubigten Auszugs aus der Insolvenztabelle zum Verfahren Az.: xxx/12 beim Amtsgericht 1 (Verfahren der Frau C.) wurde von angemeldeten Forderungen des Finanzamts in Höhe von 17.133,53 € diese in Höhe von 16.303,48 € festgestellt; der Rest wurde bestritten. Dieser Widerspruch bezieht sich ausweislich der Bemerkungen auf einen laufenden Erlassantrag hinsichtlich von Säumniszuschlägen. Solch ein Widerspruch der Frau C. oder anderen Insolvenzgläubigern wurde nicht eingetragen.
Gründe
Die Klage ist unzulässig.
1. Über die Klage ist trotz des fortdauernden Insolvenzverfahrens zu entscheiden, da die Verfahrensunterbrechung gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 Zivilprozessordnung (ZPO) durch die widerspruchslose Feststellung beendet wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 23.06.2008 VIII B 12/08, BFH/NV 2008, 1691). Der Kläger ist kraft seines Amtes als Insolvenzverwalter der früheren Klägerin an dem Prozess beteiligt worden (vgl. BFH-Beschluss vom 10.11.2010 IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649).
2. Da die Eintragung der auf dem angefochtenen Umsatzsteuerbescheid beruhenden Umsatzsteuersteuerforderung in die Insolvenztabelle mangels Widerspruchs des Insolvenzverwalters und der Insolvenzgläubiger wie ein rechtskräftiges Urteil wirkt (§ 178 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Insolvenzordnung - InsO) und auch der Schuldner der Feststellung zur Insolvenztabelle – wie hier – nicht widersprochen hat (vgl. §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 184, 201, 257 InsO), trat bezüglich des hiesigen Rechtsstreits die Erledigung der Hauptsache ein (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23.06.2008 VIII B 12/08, BFH/NV 2008, 1691 und vom 10.11.2010 IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649 und IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650; s. auch Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 240 Rz. 13; Thürmer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 74 FGO, Rz. 135). Die ausweislich des Tabellenauszugs bestrittenen Säumniszuschläge waren nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens.
Mit der materiellen Erledigung der Hauptsache ist die Klage aufgrund des nunmehr fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.11.2010 IV B 11/09, BFH/NV 2011, 649 und IV B 18/09, BFH/NV 2011, 650).
3. Entgegen BFH-Beschluss vom 17.07.2012 X S 24/12, BFH/NV 2012, 1638 besteht keine Gefahr, dass durch die Fortsetzung des Verfahrens eine Masseverbindlichkeit begründet werden könnte, denn gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Gerichtskostengesetz wird die Verfahrensgebühr für ein Verfahren (auch) vor den Finanzgerichten bereits bei Beginn des Verfahrens fällig. Aus Teil 6 Hauptabschnitt 1 des Kostenverzeichnisses ergibt sich zudem, dass sich die Verfahrensgebühr in Laufe des Verfahrens zwar ermäßigen, nicht aber erhöhen kann. Daraus folgt zwingend, dass bei der Fortsetzung eines Gerichtsverfahrens noch in laufender Insolvenz, welches durch den Insolvenzschuldner noch vor der Insolvenzeröffnung begonnen wurde, die Kosten des Gerichts zur Tabelle anzumelden sind.
Auch durch eine Beteiligung des Insolvenzverwalters am Verfahren oder eine verfahrensbeendende Erklärung seinerseits ändert sich hieran nichts. Gemäß § 180 Abs. 2 InsO ändert sich bei einer Aufnahme des Verfahrens im Sinne der §§ 85, 86 InsO der Verfahrensgegenstand einer bereits anhängigen Klage (hier Anfechtung einer Steuerfestsetzung) zu einer gerichtlichen Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle. Dies bedeutet, dass Ziel einer Aufnahme im Sinne der §§ 85, 86 InsO die Herbeiführung einer Sachentscheidung ist. Das bedeutet auch, dass in Fällen wie diesem, in denen aufgrund der bereits erfolgten Feststellung zur Tabelle keine Sachentscheidung mehr möglich ist, ein Verfahren nicht mehr mit der Folge des § 51 Nr. 1 InsO aufgenommen werden kann; der verbliebene Rechtsstreit behandelt weder eine Streitigkeit über zum Insolvenzverfahren gehörendes Vermögen (§ 85 InsO), noch eine der in § 86 InsO genannten Konstellationen.
Zur Stützung dieses Ergebnisses kann auch § 86 Abs. 2 InsO herangezogenen werden. Wenn das Finanzamt eine Forderung zur Tabelle anmeldet, die – ggf. nach anfänglichem Bestreiten – widerspruchslos in der Tabelle festgestellt wird, handelt es sich i.d.R. um einen Prozess, der auf die Verringerung der Insolvenzmasse gerichtet ist, mithin um einen Passivprozess im Sinne des § 86 InsO (vgl. BFH-Urteil vom 07.03.2006 VII R 11/05, BStBl II 2006, 573,BFH-Beschluss vom 19.03.2009 X B 224/08, BFH/NV 2009, 1149). Aus Abs. 2 der Vorschrift ergibt sich, dass ein Insolvenzverwalter, der der Verwirklichung eines Anspruchs eines Insolvenzgläubigers nicht im Wege steht, dadurch keine neue Masseverbindlichkeit begründet. Ansonsten wäre der Insolvenzverwalter wider aller Vernunft gezwungen, Ansprüche gegen die Masse zu bestreiten, nur um weitere Masseforderungen nach Möglichkeit zu verhindern. Zwar gilt § 86 Abs. 2 InsO nur in den in Abs. 1 einzeln aufgezählten Fällen. Diese Begrenzung ergibt sich aber aus einer Begrenzung der überhaupt aufnehmbaren Passivprozesse. Der Grundgedanke hingegen, dass eine bevorzugte Befriedigung von Prozessgläubigern hinsichtlich der Prozesskosten (§ 53 InsO) – sogar wenn es in der Sache um eine bevorzugte Befriedigung geht (vgl. § 86 Abs. 1 Nr. 1-3 InsO) – nicht gerechtfertigt ist, wenn nur der bereits laufende Prozess schnellstmöglich beendet wird, lässt sich verallgemeinern.
Ein Insolvenzverwalter, der dem Tabelleneintrag einer Forderung des Finanzamts nicht widerspricht, erkennt die Forderung des Finanzamts ebenso sofort i.S.d. § 86 Abs. 2 InsO, nämlich noch während der Unterbrechung des gerichtlichen Verfahrens an. Danach aus der ordnungsgemäßen Beendigung des finanzgerichtlichen Verfahrens durch den Insolvenzverwalter eine Aufnahme des Verfahrens abzuleiten, die eine neue Masseverbindlichkeit begründet, scheint mit dem Grundgedanken des mit § 86 Abs. 2 InsO nicht vereinbar.
Zudem sei darauf hingewiesen, dass nur diese Auslegung es dem Insolvenzverwalter ermöglichte, das aussichtslose Verfahren kostensparend, mithin masseschonend durch eine Erledigungserklärung zu beenden.
Wie hingegen in dem Fall zu entscheiden ist, in dem der Insolvenzverwalter das Verfahren aktiv mit dem Ziel weiter betreibt, den angegriffenen Bescheid aufzuheben, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. Meinungsstand in InsO, Uhlenbruck/Berscheid, § 55 Rz. 18).
Ergänzend wird klar gestellt, dass obige Ausführungen selbstverständlich auch für den Fall gelten, dass der Insolvenzverwalter Antrag auf mündliche Verhandlung stellen sollte.
Die Kostenentscheidung folgt §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO. Aus der Nennung des Insolvenzverwalters in der Kostenentscheidung folgt nicht, dass die Gerichtskosten als Masseverbindlichkeit einzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 10.07.2002 I R 69/00, BFH/NV 2002, 1545).