21.03.2013
Finanzgericht München: Urteil vom 07.03.2012 – 4 K 826/09
1. Ein Sachverständigengutachten eignet sich nur für den Nachweis eines gegenüber der gesetzlich typisierten Ertragswertfeststellung niedrigeren gemeinen Werts gem. § 146 Abs. 7 BewG, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist.
2. Macht ein Gutachter seine Kenntnisse und Erfahrungen zur Grundlage für ein Verkehrswertgutachten, welches dem Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dient, müssen die Erfahrungswerte mit nachprüfbaren Vergleichswerten belegt und auf diese Weise für Dritte plausibel gemacht werden. Das Gericht muss sicher sein können, dass das Gutachten den objektiv nachprüfbar wahrscheinlichsten gemeinen Wert ermittelt.
3. Das Ertragswertverfahren ist für die Bewertung bebauter Grundstücke für Produktions- und Dienstleistungszwecke sachgerecht.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In der Streitsache
hat der 4. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richters am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … und die Richterin am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2012
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits, einschließlich des Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof, tragen die Kläger.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtszug.
Die Kläger sind Erben nach der am 31. Oktober 2003 verstorbenen Frau X Y. Im Rahmen des Erbfalls ging ein Anteil von ein Halb am Grundstück Z., S-Str. 30 auf die Kläger über.
Auf Veranlassung des für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts führte der Beklagte (FA) eine Bedarfsbewertung nach §§ 138 ff. des Bewertungsgesetzes (BewG) im Wege des Ertragswertverfahrens nach § 146 BewG auf den 31. Oktober 2003 durch.
Der den Mindestwert (§ 146 Abs. 6 BewG) übersteigende Grundstückswert im Ertragswertverfahren wurde nach § 146 Abs. 2 bis 5 BewG ausgehend von einer durchschnittlichen Jahresmiete von … EUR mit … EUR ermittelt.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 31. Oktober 2003 stellte das FA den Wert der wirtschaftlichen Einheit S-Str. 30 in Z. auf einen Wert von … EUR fest und rechnete diesen Wert den Klägern entsprechend ihren Anteilen am Erwerb mit jeweils … EUR zu.
Mit dem Einspruch beantragten die Kläger den Ansatz eines geringeren gemeinen Werts nach § 146 Abs. 7 BewG. Zu dessen Nachweis legten die Kläger ein Verkehrswertgutachten vor, in dem ein Ertragswert von … EUR und ein Sachwert von … EUR ausgewiesen wird. Der Verkehrswert wurde mit … EUR festgestellt.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2005 bildete das FA den Mittelwert aus Ertragswert und Sachwert des vorgenannten Gutachtens und setzte den Grundbesitzwert auf diesen Wert herab. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Diese Entscheidung wurde vom erkennenden Senat in seiner damaligen Besetzung im ersten Rechtszug mit Urteil vom 1. August 2007 4 K 4260/05 (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2007, 1746) bestätigt. Auf den Wortlaut dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ließ der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 9. April 2008 II B 52/07 (n.v.) die Revision zu und hob mit Urteil vom 3. Dezember 2008 II R 19/08 (BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403) das Urteil des Senats auf. Gleichzeitig verwies er die Sache an das Finanzgericht München zurück.
Zur Begründung führte der BFH aus, es sei nicht sachgerecht, den Verkehrswert schematisch durch Mittelung von Ertrags- und Sachwert zu bestimmen. Die Sache sei nicht spruchreif. Das von den Klägern vorgelegte Gutachten genüge den Anforderungen an den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht.
Zwar habe der Sachverständige die Ermittlung des Verkehrswerts anhand des Ertragswerts grundsätzlich zutreffend begründet. Es fehle aber die Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt wie § 7 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung – WertV–) sie für alle Bewertungsverfahren vorsehe. Unter „Lage auf dem Grundstücksmarkt” sei dabei gemäß § 3 Abs. 3 WertV die Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag (Besteuerungszeitpunkt) für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände zu verstehen. Hervorzuheben sei, dass danach die Maßgeblichkeit der Umstände nicht nur aus der Sicht der Nachfrager und deren Ertragserwartungen, sondern auch aus der Sicht der Anbieter zu beurteilen sei. Dieser letzte Schritt jeder Grundstücksbewertung – und zwar auch nach der WertV – sei im Streitfall unterblieben.
Zum Liegenschaftszinssatz, der bislang mit 6 v.H. als Hilfswert gemäß Nr. 3.5.4 Abs. 2 Satz 4 der Wertermittlungsrichtlinien 2002 vom 20. Dezember 2002 (Bundesanzeiger Nr. 238a) angesetzt worden sei, fehle die Angabe, ob ein veröffentlichter Liegenschaftszinssatz nicht vorhanden oder ein marktüblicher Liegenschaftszinssatz nicht feststellbar gewesen sei. Weiter sei erklärungsbedürftig, weshalb bei den Bewirtschaftungskosten an die oberste Grenze des „entsprechend heutigen Mietverträgen” Üblichen gegangen worden sei.
Schließlich sei auch der Abschlag vom Bodenwert wegen der Bebauung des Grundstücks nicht ausreichend begründet. Ein derartiger Abschlag sei nur möglich, wenn er sich objektivierbar und grundstücksbezogen begründen lasse, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe. Er werde etwa dann in Betracht kommen, wenn sich die bau(planungs)rechtlichen Vorgaben für das Grundstück wegen der vorhandenen Bebauung nicht voll ausnutzen ließen oder im Bewertungszeitpunkt die nach außen hervorgetretene Absicht bestanden habe, zur Wiedererlangung der Entscheidungsfreiheit über die Art der Bebauung bauliche Veränderungen –z.B. einen Abbruch– vorzunehmen.
Der BFH führte weiter aus, die Sache sei an das Finanzgericht zurückzuverweisen, um den Klägern die Gelegenheit zu geben, das Gutachten in den vorgenannten Punkten nachzubessern. Sollte die Nachbesserung hinsichtlich der Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt scheitern, wäre der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht geführt. Sollte der Abschlag vom Bodenwert nicht ausreichend begründet werden, wäre der vorgenommene Abschlag zu streichen.
Die Kläger legten mit Schreiben vom 30. April 2009 die Stellungnahme des Gutachters vor.
Der Gutachter führt zu Punkt a) Marktanpassung aus, nach Festlegung des Wertermittlungsverfahrens für das Bewertungsobjekt entscheide der Sachverständige, ob nach Ermittlung des Sachwertes-, Ertragswertes- oder Vergleichswertes weitere Zu- oder Abschläge im Rahmen der Verkehrswertfindung erforderlich seien oder nicht. Gründe hierfür könnten sein verbleibende Rechte oder Belastungen, die Lage auf dem Grundstücksmarkt, lagebezogene Bindungen, nicht kalkulierbare Ungewissheiten (Boden) sowie Übergrößen/Solitäre. Mit anderen Worten stelle sich die Frage, ob ein geordneter Geschäftsverkehr wie in der Definition des Verkehrswertes möglich sei oder nicht. Im vorliegenden Fall seien keine den Verkehrswert beeinträchtigenden Rechte, Belastungen oder nicht kalkulierbare Ungewissheiten gegeben bzw. bekannt. Lagebezogene Bindungen, also die vorhandene Bebauung und somit nicht mehr gegebene Plandungsfreiheit seien bereits bei der Bodenwertfindung ebenso berücksichtigt wie die eingeschränkte Zufahrtsmöglichkeit und die Kommunbebauung. Ein Solitär sei nicht gegeben, es handele sich um ein standardmäßiges Gebäude für Produktionsund Dienstleistungen. Der Immobilienmarkt verlaufe ruhig und ausgeglichen. Der Gutachter zieht das Fazit, dass nach der Ermittlung des Ertragswertes keine den Verkehrswert bestimmenden Korrekturen mehr erforderlich seien und alle wertbildenden Faktoren bereits berücksichtigt worden seien, so dass der Satz im Gutachten Ziff. 7 („unter Berücksichtigung aller oben angegebenen Kriterien wird der Verkehrswert aus dem Ertragswert ohne weitere Rundungen geschätzt mit”) richtig und ausreichend sei.
Zu Punkt b) Liegenschaftszins führt der Gutachter aus, die in der WertR angegebenen Richtlinien für den Liegenschaftszins seien Hilfswerte mit Schwankungen nach oben und unten. So gebe der Jahresbericht 2002 der Landeshauptstadt Z. die Spanne an für allgemeine Büro- und Geschäftshäuser von 4,4 % bis 6,2 %; für Büro- und Geschäftshäuser ohne Denkmalschutz von 4,8 % bis 6,2 %, wobei keine 1 a-Geschäftslagen berücksichtigt seien. Im vorliegenden Fall sei der Liegenschaftszins objekt- und lagebezogen mit 6 % aus sachverständiger Sicht als angemessen gewertet.
Zu Punkt c) Abschlag vom Bodenwert führt der Gutachter aus, im Gutachten Ziff. 5.1, Grundstück, würden im Rahmen der Bodenwertfindung die Nachteile, die ein bebautes Grundstück gegenüber einem unbebauten Grundstück habe, ausführlich beschrieben. Es fehle die Planungsfreiheit, die Erweiterungsfreiheit und die persönliche Entfaltungsmöglichkeit. Kleinere Umbauten oder individuelle Änderungen seien – wenn sie überhaupt möglich seien – immer teuer. Die Höhe dieses für die somit vorgegebenen Einschränkungen vorzunehmenden Abschlages sei vom Sachverständigen aufgrund seiner Erfahrung zu schätzen, hierfür gebe es weder Tabellen oder sonstige definierte Parameter. Die Stadt Z., d.h., der Gutachterausschuss habe früher die sog. Klammerwerte gehabt, also Werte, die sich auf Grundstücke mit älterer bzw. alter Bebauung bezogen hätte, der Abschlag sei hier immer 40 % gewesen. Im vorliegenden Fall sei durch die Art der Bebauung, die Konzeption und die nunmehr vorgegebene Grundrissgestaltung sowie die Verbindung von Produktion und Verwaltung ein Ansatz von 15 % aus sachverständiger Sicht als angemessen gewertet.
Ausführungen zur Höhe der Bewirtschaftungskosten enthält die ergänzende Stellungnahme nicht.
Nachdem das FA in einer Stellungnahme vom 15. Juni 2009 darauf hingewiesen hatte, dass nach seiner Auffassung das Gutachten trotz der ergänzenden Stellungnahme nicht schlüssig sei, erging gegen die Kläger am 20. Januar 2010 eine Aufklärungsanordnung gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), in der ihnen aufgegeben wurde,
die Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag (Besteuerungszeitpunkt) für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände nicht nur aus der Sicht der Nachfrage und deren Ertragserwartungen, sondern auch aus der Sicht der Anbieter zu beurteilen,
anzugeben, ob ein veröffentlichter Liegenschaftszins nicht vorhanden oder ein marktüblicher Liegenschaftszins nicht feststellbar gewesen sei,
detailliert und nachvollziehbar zu erläutern, weshalb bei den Bewirtschaftungskosten an die oberste Grenze des „entsprechend heutigen Mietverträgen” üblichen gegangen worden sei, und
den vorgenommenen Abschlag vom Bodenwert objektivierbar und grundstücksbezogen zu begründen, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe. Einzugehen sei in diesem Zusammenhang auf die Beschränkung der Kläger hinsichtlich der bau(planungs)rechtlichen Vorgaben für das Grundstück durch vorhandene Bebauung bzw. auf die im Bewertungszeitpunkt nach außen hervorgetretene Absicht der Kläger, zur Wiedererlangung der Entscheidungsfreiheit über die Art der Bebauung bauliche Veränderungen – z. B. einen Abbruch – vorzunehmen.
Hierauf antwortete der Klägervertreter mit Schreiben vom 13. Februar 2010 dahingehend, das Grundstück sei im Jahr 2007 veräußert worden. Bis zum Verkauf sei noch ein Teil des Instandhaltungsrückstands behoben worden. Zur Untermauerung des im Gutachten ermittelten Verkehrswerts werde daher folgende Rechnung angestellt:
Verkaufspreis | EUR |
Veräußerungskosten | EUR |
Nettoerlös | EUR |
Instandhaltungskosten (2005 bis 2007) | EUR |
Gesamt | EUR |
Wert laut Gutachten | EUR |
Mit Schreiben vom 4. April 2010 reichten die Kläger eine Stellungnahme des Gutachters vom 8. März 2010 zu der gerichtlichen Anordnung vom 20. Januar 2010 ein. Hierin führt der Sachverständige aus, es entspreche der gängigen Praxis, dass der Sachverständige im Rahmen der Gutachtenerstellung plausible Unterstellungen und Annahmen treffe, die er auf Grund seiner besonderen Sachkunde auf das spezielle Bewertungsobjekt abzustellen habe. Der im Gutachten festgestellte Wert sei vom Sachverständigen als objekt- und zeitbezogen angemessen gewertet worden. Die nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten seien in Relation zum bestehenden Mietniveau zu sehen. Sei das Mietniveau hoch, sei der prozentuale Anteil der Nebenkosten niedrig, sei das Mietniveau niedrig, sei der prozentuale Anteil hoch, da die Fixkosten im wesentlichen unverändert blieben. Im vorliegenden Fall betrage die Durchschnittsmiete 4,45 EUR/qm, sei also als niedrig einzustufen; dagegen seien die Verwaltungskosten gleichbleibend, die Instandhaltungskosten objekt- und nutzungsbezogen hoch und das Mietausfallwagnis objekt- und marktbezogen sehr hoch. Fazit: Die nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten müssten sich in diesem Fall an der obersten Grenze der als Durchschnitt angegebenen Spanne bewegen, sie objektbezogen eher noch übersteigen. Hinsichtlich des Abschlags vom Bodenwert führt der Gutachter aus, allein für die Tatsache, dass ein Grundstück nicht mehr baureif sei, sei ein Abschlag vorzunehmen. Die Höhe des im einzelnen vorzunehmenden Abschlags für die Bebauung sei vom Sachverständigen aufgrund seiner besonderen Sachkunde vorzunehmen. Die WertR und die Literatur allgemein gäben hier keine prozentual bestimmten Abschläge vor, da sie objektbezogen in jedem Fall auf die vorhandenen Verhältnisse abzustimmen seien und zwar unabhängig von der lagebezogenen Anpassung des Bewertungsobjektes und den marktbedingten Wertungen. Im vorliegenden Fall nicht extra erwähnt sei die Tatsache, dass der Richtwert auf hG (höherwertiges Gewerbe) abgestimmt sei, hier aber eine Mischung aus Verwaltungsgebäude (hG) und Produktionsflächen (G) vorliege, dass das Gebäude nicht umfahren werden könne und dass bei Belegung der ausgewiesenen Stellplätze eine Beschickung der rückwärtigen Produktionshallen praktisch nicht mehr gegeben sei; insoweit werde der im Gutachten gewählte Abschlag als an der unteren Grenze gewertet. Für den Fall der im Bewertungszeitpunkt nach außen hervorgetretenen Absicht der Kläger, zur Wiedererlangung der Entscheidungsfreiheit über die Art der Bebauung bauliche Veränderungen, z. B. einen Abbruch vorzunehmen, führt der Gutachter aus, dieser Fall des Liquidationswerts sei in der Vorbereitung des Gutachtens auch gerechnet, ergebnisbedingt aber nicht abgedruckt worden. Bei der Berechnung des Liquidationswerts habe sich ein Wert von ….EUR ergeben, also ein gegenüber dem im Gutachten festgestellten Verkehrswert geringerer Wert.
Die Kläger beantragen,
den Grundstückswert unter Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheides vom 20. Mai 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2009 auf … EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt es aus, der im Ertragswertverfahren anzuwendende Liegenschaftszinssatz beinhalte im Regelfall bereits die Anpassung des zu ermittelnden Werts an die Lage auf dem Grundstücksmarkt (Nr. 3.5.4 WertR 2002). Soweit ein Abschlag vom Bodenwert wegen fehlender Planungsfreiheit vorgenommen werde, sei der Liegenschaftszinssatz entsprechend nach unten anzupassen, da der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich der Landeshauptstadt die Liegenschaftszinssätze ohne Bebauungsabschlag ableite. Es sei nicht nachvollziehbar, ob diese notwendige Anpassung des Liegenschaftszinssatzes an den vom Gutachter vorgenommenen Bebauungsabschlag erfolgt sei. Zur Frage der Bewirtschaftungskosten führt das FA aus, im gewerblichen Bereich sei es durchaus üblich und zivilrechtlich zulässig, Instandhaltungskosten vollständig auf die Mieter umzulegen. Eine diesbezügliche Darstellung der zum Besteuerungszeitpunkt bestehenden Mietverhältnisse fehle im Gutachten. Ohne Begründung einen Ansatz an der Obergrenze anzunehmen und zugleich einen Pauschalabschlag von 25 % bzw. rd. … EUR für Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen abzuziehen erscheine fragwürdig und stelle im Ergebnis eine Doppelberücksichtigung des laut Gutachten überwiegend im Rückgebäude bestehenden Sanierungsaufwandes dar. Ebenso sei der Ansatz der nachhaltig erzielbaren Miete im Gutachten nicht näher erläutert. Daher sei auch nicht nachvollziehbar, ob die nachhaltige Miete zutreffend nach Durchführung der zuvor genannten Modernisierungsmaßnahmen herangezogen worden sei oder ob eine Doppelberücksichtigung dieses Aufwandes durch Ansatz einer moder-nisierungsaufwandbedingten geringeren Miete erfolgt sei. Ein Mietansatz von durchschnittlich 4,45 EUR/qm monatlich für ein in Z. belegenes Objekt lege die Vermutung nahe, dass sich der Mietansatz auf den tatsächlichen, also nach Angaben sanierungsbedürftigen Zustand der Gebäude beziehe. Außerdem verlange Nr. 3.5.1 WertR 2002 eine Darstellung der vereinbarten als auch der nachhaltig erzielbaren Miete. Abweichungen zwischen diesen beiden Größen seien nach § 19 WertV zu berücksichtigen. Die bloße Aussage, die vereinbarten Mieten seien zum Bewertungsstichtag nach Ansicht des Gutachters nicht mehr durchsetzbar, werde dem nicht gerecht.
Das FA trägt weiter vor, das Grundstück sei nach Aktenlage im August 2007 veräußert worden. Der Kaufpreis habe jedoch … EUR betragen. Dieser Kaufpreis sei als Vergleichswert nicht geeignet, da er mehr als drei Jahre nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommen sei. Da sich bereits die Bodenrichtwerte im Gebiet des zu bewertenden Grundstücks im Zeitraum zwischen dem Besteuerungszeitpunkt (Bodenrichtwerte 2002 und 2004 jeweils 650 EUR/qm) und der Veräußerung (Bodenrichtwerte 2006 und 2008 jeweils 550 EUR/qm) verändert hätten, lägen die Voraussetzungen für die Anwendung der BFH-Rechtsprechung, nach der ein Kaufpreis außerhalb der Jahresfrist ausnahmsweise als Verkehrswertnachweis dienen könne, nicht vor. Außerdem fehle im Gutachten der Zuschlag nach § 19 WertV für die laut Gutachten über den nachhaltig erzielbaren Mieten liegenden tatsächlich erzielten Mieten. Dieser fehlende Zuschlag sei abhängig von der Laufzeit der zum Besteuerungszeitpunkt bestehenden Mietverträge; auch deshalb könne der mehr als drei Jahre später erzielte Kaufpreis nicht zur Plausibilitätsprüfung des Gutachtens dienen. Schließlich seien von den Klägern bis zur Veräußerung Kosten zur Beseitigung des Instandhaltungsrückstaus von rd. … EUR aufgewendet worden. Im Gutachten hingegen würden hierfür pauschal 25 % bzw. … EUR, also fast der dreifache Wert, abgezogen. Ein geringerer gemeiner Wert sei von den Klägern daher weder durch das Gutachten noch durch den später erzielten Kaufpreis nachgewiesen worden.
Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens und der richterlichen Überprüfung durch den erkennenden Senat ist der Bescheid vom 20. Mai 2005 über die Feststellung des Grundbesitzwerts in der geänderten Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27. Oktober 2005 und mithin die Feststellung eines Grundbesitzwerts von … EUR.
1. Umfasst das als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 (ErbStG) der Erbschaftsteuer unterliegende Nachlassvermögen – wie im Streitfall – auch Grundbesitz im Sinn des § 19 des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 (BewG), so ist dessen Wert bei Ermittlung der erbschaftsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 ErbStG). Der Grundbesitzwert ist gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 138 ff BewG zu ermitteln und wegen § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG – wie im Streitfall in Gestalt des hier klagegegenständlichen Bescheids vom 6. Juli 1999 erfolgt – gesondert festzustellen (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH– vom 2. Dezember 2003 II B 76/03, BFHE 203, 507, BStBl II 2004, 204). Die durch § 37 Abs. 1 ErbStG bestimmte rückwirkende Anwendung der erbschaftsteuergesetzlichen Vorschriften des am 24. Dezember 1996 in Kraft getretenen Jahressteuergesetzes 1997 auf Erwerbsvorgänge ab 1. Januar 1996 – und somit auch auf den Streitfall – begegnet nach bundesrichterlicher Rechtsprechung auch keinen rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH- Urteil vom 20. Oktober 2004 II R 74/00, BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99). Das gleiche gilt für die durch § 152 BewG bestimmte rückwirkende Anwendung der bewertungsgesetzlichen Vorschriften ab 1. Januar 1996 (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 II R 41/03, juris).
Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer Grundstückswert zwingend dann festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG typisierend ermittelte Wert ist. Unter dem gemeinen Wert ist der Verkehrswert zu verstehen, der durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG). Bei der Nachweisoption handelt es sich um eine spezielle Beweislastregel, die den allgemeinen Regeln des finanzgerichtlichen Verfahrensrechts vorgeht (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259).
2. Das FA hat die Vorschriften des § 146 Abs. 2 bis 6 BewG rechtsfehlerfrei angewendet.
Das streitbefangene Grundstück ist ersichtlich als bebautes Grundstück im Sinn des § 146 Abs. 1 BewG zu bewerten gewesen. Die hiernach anzuwendenden Vorschriften, insbesondere des § 146 Abs. 2 bis 6 BewG hat der Beklagte beachtet. Der Beklagte hat zu Recht den nach § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG typisierenden Ertragswert zugrunde gelegt, weil die Gebäude auf dem Grundstück überwiegend fremdvermietet waren. Nach § 146 Abs. 2 BewG besteht der Wert eines bebauten Grundstücks im 12,5fachen der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitraum erzielten Jahresmiete. Soweit Teile des bebauten Grundstücks eigengenutzt waren, ist die übliche Miete anzusetzen (§ 146 Abs. 3 BewG). Abgezogen werden nach § 146 Abs. 4 BewG die Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes. Die Höhe der im Feststellungsbescheid bezeichneten Jahresmiete von ….EUR ist in Absprache mit dem Klägervertreter erfolgt und wurde von den Klägern nicht angegriffen. Auch gegen die vom FA nach Maßgabe der Vorschriften des § 146 Abs. 2 Satz 1 mit Abs. 4 BewG ermittelte altersbedingte Wertminderung werden von den Klägern weder Einwendungen erhoben, noch sind Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung derselben aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich.
3. Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts ist nicht geführt.
Der durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen T. vom 13. Mai 2005 und der Ergänzungen hierzu vom 15. April 2009 und vom 8. März 2010 unternommene Versuch des Nachweises eines gegenüber der gesetzlich typisierten Ertragswertfeststellung niedrigeren gemeinen Werts ist den Klägern nicht gelungen.
a) Mangels eines tatsächlich zeitnah erzielten Kaufpreises kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2003 II R 27/02, BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179). Bei letzterem handelt es sich um ein Privatgutachten und somit um substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1993 IV R 33/92, BFH/NV 1993, 739). Ein solches Gutachten muss inhaltlich richtig sein und den allgemein anerkannten Grundsätzen der Wertermittlung genügen, wie sie insbesondere in der seit 1. Juli 2010 geltenden Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmoWertV) bzw. der auf den Streitfall anzuwendenden Vorgängervorschriften der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (WertV) enthalten sind (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 9. September 2009 II B 69/09, BFH/NV 2009, 1972). Die Finanzbehörde darf von einem derart gutachterlich ermittelten gemeinen Wert nicht ohne Weiteres abweichen; dies setzt allerdings eine überzeugende Begründung des Gutachterwerts voraus (BFH-Urteil vom 3. Dezember 2008 II R 19/08, BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403).
Ein Sachverständigengutachten kann nur dann als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts im Sinn des § 146 Abs. 7 BewG dienen, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist. Diesen Voraussetzungen genügt die im Gutachten vom 13. Mai 2005 enthaltene Wertermittlung auch unter Berücksichtigung der Ergänzungen vom 15. April 2009 und vom 8. März 2010 nicht.
b) Der Senat folgt den Ausführungen im Gutachten vom 13. Mai 2005 insoweit, als der Sachverständige das Ertragswertverfahren für die Wertermittlung gewählt hat, weil dieses Verfahren für die Bewertung bebauter Grundstücke für Produktions- und Dienstleistungszwecke sachgerecht ist (Simon/Kleiber, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 8. Aufl., 2004, Rz 1.147). Es fehlt aber – worauf der BFH in seiner Entscheidung in BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403 hingewiesen hat – die Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt, wie § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV sie für alle Bewertungsverfahren vorsieht (vgl. zur Angleichung des Ertragswerts an den Verkehrswert Simon/Kleiber, a.a.O., 7. Aufl., 1996, Rz 4.17). Unter „Lage auf dem Grundstücksmarkt” ist dabei gemäß § 3 Abs. 3 WertV die Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag (Besteuerungszeitpunkt) für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände zu verstehen. Hervorzuheben ist, dass danach die Maßgeblichkeit der Umstände nicht nur aus der Sicht der Nachfrager und deren Ertragserwartungen, sondern auch aus der Sicht der Anbieter zu beurteilen ist. Dieser letzte Schritt jeder Grundstücksbewertung –und zwar auch nach der WertV– ist im Streitfall unterblieben.
Mit den Ausführungen des Gutachters in der Ergänzung vom 15. April 2009, die im Gutachten Ziff. 7 gemachte Aussage („unter Berücksichtigung aller oben angegebenen Kriterien wird der Verkehrswert aus dem Ertragswert ohne weitere Rundungen geschätzt mit”) sei richtig und ausreichend, wird der Verzicht auf die vom BFH angesprochene weitergehende Marktanpassung aus Anbietersicht nicht ausreichend begründet. Auch die Aussage in der Ergänzung vom 8. März 2010 („Der Sachverständige bestimmt den Wert einer Immobilie. Weder das Verhalten des Verkäufers – Eigentümer oder Makler – noch das Verhalten des Käufers bestimmen den Wert, sie haben aber mit Sicherheit Einfluss auf den Preis.”) genügt den Forderungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 WertV nicht.
Jedoch hätte für eine Beurteilung der Maßgeblichkeit der Umstände aus der Sicht der Anbieter im Streitfall umso mehr Anlass bestanden, als das Grundstück im Z. innenstadtnah gelegen ist und über eine überdurchschnittlich gute Verkehrsanbindung verfügt. So beträgt die Entfernung zu einer Autobahn-Anschlussstelle nur rd. 400 m, außerdem befinden sind eine S-Bahn- und eine U-Bahn-Haltestelle in fußläufiger Entfernung und eine Bus-Haltestelle „praktisch direkt vor der Haustür”. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Sachverständige bei der Ermittlung des Ertragswerts unter Ziff. 6 des Gutachtens die Lukrativität der derzeitigen Vermietung bestätigt, weil „es sich hier um einzelne Altverträge handelt, die unter Wertung der heutigen konjunkturellen Lage und des Standortes nicht mehr durchsetzbar” seien. Es ist nicht anzunehmen, dass die Kläger bei Verkaufsverhandlungen mit potentiellen Erwerbern nicht mit den vorgenannten Lage- und „Overrent”-Vorteilen des streitbefangenen Grundstücks gegenüber anderen Grundstücken argumentieren würden. Auch das Gutachten bezeichnet die Geschäftslage als „sehr gut” und die Verkehrsanbindung als „hervorragend”.
c) Grundsätzlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn ein Gutachter seine Kenntnisse und Erfahrungen zur Grundlage für ein Verkehrswertgutachten macht. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Verkehrswertgutachten, wird es zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts erstellt, von nicht sachkundigen Dritten wie z.B. der Finanzbehörde oder dem Finanzgericht nachvollzogen werden können muss. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der Sachverständige, was im Gutachten vom 13. Mai 2005 und den Ergänzungen hierzu vom 15. April 2009 und vom 8. März 2010 unterblieben ist, seine Erfahrungswerte mit nachprüfbaren Vergleichswerten belegt und auf diese Weise für Dritte plausibel macht. Juristischer Hintergrund dieser Forderung ist nicht zuletzt, dass es sich bei dem Verkehrswert-Gutachten um Parteivorbringen handelt, weshalb das Gericht ausschließen können muss, dass das Gutachten nicht (nur) den aus der Sicht des Auftraggebers des Gutachtens unter Besteuerungsgesichtspunkten subjektiv zutreffenden, sondern den objektiv nachprüfbar wahrscheinlichsten gemeinen Wert ermittelt.
aa) Der vorgenannten Forderung kommt der Gutachter bei der Bestimmung der „nachhaltig erzielbaren Miete” nicht nach. Der Sachverständige führt unter Ziff. 6 des Gutachtens vom 13. Mai 2005 lediglich aus, die hier vorgenommene Ertragswertberechnung stütze sich im wesentlichen nicht auf die vorgelegten Mieten des Mietbestandes, sondern auf derzeit nachhaltig erzielbare Mieten. Die derzeitig erzielte Miete könne nicht als nachhaltig gewertet werden, da es sich hier um einzelne Altverträge handle, die unter Wertung der heutigen konjunkturellen Lage und des Standortes nicht mehr durchsetzbar seien. Die Mieten würden „korrigiert und zeitbezogen” angesetzt. Eine nähere, insbesondere zahlenmäßige Begründung der Einzelheiten enthält das Gutachten ebenso wenig wie Erläuterungen zu dem vom Gutachter angewendeten Korrektur- und Zeitfaktor.
bb) Überdies hätte der Gutachter ausgehend von einer im Zeitpunkt des Bewertungsstichtags überdurchschnittlich rentierlichen Vermietung diese sog. Overrent-Situation durch einen Zuschlag nach § 19 WertV berücksichtigen müssen, was nicht erfolgt ist und worauf das FA in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2009 zurecht hinweist. Mangels Angabe der Laufzeiten und Kündigungsfristen der bestehenden Mietverhältnisse ist es dem Senat nicht möglich, die voraussichtliche Dauer der Overrent-Situation und damit die Frage zu beurteilen, ob auf einen Overrent-Zuschlag im Streitfall ggf. verzichtet werden könnte.
cc) Auch die Ausführungen des Gutachters zur prozentualen Höhe der Bewirtschaftungskosten sind in ihrer Allgemeinheit nicht überzeugend und außerdem in Ermangelung von Einzelheiten nicht plausibel. Zwar trifft grundsätzlich die vom Gutachter angestellte Überlegung zu, bei niedriger Miete würden sich die nicht umlagefähigen Bewirtschaftungskosten an der oberen Grenze des Üblichen bewegen und diese ggf. sogar übersteigen. Jedoch hat der Gutachter die Bewirtschaftungskosten entgegen der Forderung in Ziff. 3.5.2 WertR 2002 nicht getrennt nach einzelnen Positionen (Abschreibung, Betriebskosten, Verwaltungskosten, Instandhaltungskosten, Mietausfallwagnis) angesetzt. Wenn dies dem Gutachter, aus welchen Gründen auch immer, nicht möglich war, hätte er sein Abweichen von den Forderungen der WertR 2002 begründen müssen.
dd) Desweiteren ist auch der Abschlag vom Bodenwert wegen der Bebauung des Grundstücks nicht hinreichend plausibel begründet. Hierfür ist die pauschale Aussage nicht ausreichend, allein für die Tatsache, dass ein Grundstück nicht mehr baureif sei, sei ein Abschlag vorzunehmen. Denn in Fachkreisen ist umstritten, ob der Bodenrichtwert für bebaute Grundstücke durch einen so genannten Bebauungsabschlag zu mindern ist, nachdem über die Höhe der Bodenrichtwertminderungen keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, weshalb sich nicht feststellen lässt, welchen Anteil am Kaufpreis des Gesamtgrundstücks der Käufer dem Grund und Boden üblicherweise beimisst (Simon/Kleiber, a.a.O., 8. Aufl., Rz 3.7). Auch Aussagen darüber, inwieweit sich die vorhandene Bebauung auf die Ausnutzung der bau(planungs)rechtlichen Vorgaben für das Grundstück ausgewirkt hätte, enthält das Gutachten nicht. Im übrigen sind Grundlage für die Festsetzung der Bodenrichtwerte die in einem bestimmten Gebiet tatsächlich erzielten Preise für Grundstücksverkäufe. Nachdem hierfür im Stadtgebiet Z. auch in Gewerbegebieten nahezu ausschließlich bebaute Grundstücke in Betracht kommen, erscheint es nicht angemessen, für den bloßen Umstand der bestehenden Bebauung von dem aufgrund des Bodenrichtwerts ermittelten Bodenwert einen zusätzlichen Abschlag vorzunehmen.
ee) Ebenfalls nicht verständlich ist, warum das Gutachten den im Rahmen der Bodenwertermittlung pauschal gefundenen Sofortaufwand für Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen von 25 % in voller Höhe und ohne nähere Begründung als Abschlag vom Ertragswert abzieht.
Zum einen liegt es nahe, den Sanierungs- und Modernisierungsbedarf auf unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen zurückzuführen. Insoweit jedoch fehlt in dem Gutachten eine Aussage dazu, ob der Instandhaltungsrückstand bereits beim Ansatz der (ebenfalls nicht näher erläuterten) nachhaltig erzielbaren Miete berücksichtigt worden ist oder nicht.
Zum anderen führt die auch im Gutachten angewendete Praxis, die Instandsetzungs- oder Modernisierungskosten in der am Wertermittlungsstichtag entstehenden tatsächlichen Höhe vom Zeitwert (also von dem um die Alterswertminderung geminderten Gebäudenormalherstellungskosten) abzuziehen, zu falschen Ergebnissen. Ein derartiges Vorgehen übervorteilt den Verkäufer, denn für die Kosten der zu erneuernden Bauteile wurde bereits ein Anteil bei der Alterswertminderung berücksichtigt, mit der Folge, dass für diese Bauteile höhere Kosten abgezogen werden, als sie überhaupt bei der Erneuerung unter Berücksichtigung unrentierlicher Reparaturkosten anfallen (Simon/Kleiber, a.a.O., 8. Aufl., Rz 4.423).
Im übrigen kann der Senat mangels genauerer Angaben und wegen der bereits oben angesprochenen fehlenden Aufteilung der Bewirtschaftungskosten nicht beurteilen, inwieweit sich der im Gutachten angenommene Instandhaltungsrückstand auch auf die Höhe der vom Gutachter angenommenen Bewirtschaftungskosten ausgewirkt hat.
Gegen die Plausibilität der Höhe des vom Gutachter angenommenen Sofortaufwands für Sanierung und Modernisierung von … EUR sprechen schließlich auch die von den Klägern tatsächlich bis zum Verkauf im Jahr 2007 zur Beseitigung des behaupteten Instandhaltungsrückstands lediglich aufgewendeten Instandhaltungskosten in Höhe von insgesamt … EUR.
Die fehlende Transparenz der Wertermittlung des Gutachtens in diesem Punkt führt dazu, dass der vorgenommene Abschlag für Instandhaltungskosten nicht anerkannt werden kann.
d) Zusammenfassend ist festzustellen, dass allein aufgrund des Punkts „Fehlende Plausibilität des Sofortaufwands für Sanierung und Modernisierung” und des deshalb zu streichenden Abschlags der vom Sachverständigen ermittelte Verkehrswert aufgrund des Gutachtens nur in Höhe von … EUR als geführt angesehen werden könnte, also in Höhe eines Werts, der bereits höher ist als der vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellte Grundbesitzwert von … EUR.
Selbst wenn der Abschlag für Instandhaltungskosten nicht vollständig abgelehnt und der von den Klägern in den Jahren 2005 bis 2007 für Instandhaltungsmaßnahmen aufgewendete
Betrag in Höhe von … EUR als Sofortaufwand zugelassen würde, ergäbe sich folgende Berechnung:
Wert laut Gutachten | … EUR |
plus nicht plausible Instandhaltungskosten (… EUR ./. … EUR) | +… EUR |
Gesamt | … EUR |
In allen soeben dargestellten Berechnungen noch nicht berücksichtigt ist darüber hinaus das Fehlen des im Streitfall gebotenen werterhöhenden Overrent-Zuschlags nach § 19 WertV.
Nachdem sämtliche Vergleichsberechnungen zu höheren Werten führen als der vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellte Grundbesitzwert von … EUR, verbleibt es zugunsten der Kläger bei letzterem. Eine Verschlechterung der Rechtsposition der Kläger verbietet sich aufgrund der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens (vgl. Gräber/-Stapperfend, FGO, 7. Aufl., 2010, § 96 Rz. 7).
4. Die von den Klägern im Schreiben vom 13. Februar 2010 unter Berücksichtigung des Verkaufs im Jahr 2007 angestellte Vergleichsrechnung – auf der auch der klägerische Antrag in der mündlichen Verhandlung basiert – kann den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts i. S. des § 146 Abs. 7 BewG durch ein Sachverständigengutachten nicht ersetzen.
Die Berechnung der Kläger ignoriert außerdem die Tatsache, dass der für das Grundstück geltende Bodenrichtwert zum Zeitpunkt der Veräußerung im August 2007 um 100 EUR niedriger war als am Stichtag. Bei einer Grundstücksgröße von 1 938 qm ergibt dies auf den Stichtag bezogen einen Mehrwert des Grundstücks von … EUR. Dies führt mit dem von den Klägern für zutreffend gehaltenen Wert von … EUR zu einer Gesamtsumme von … EUR. Dieser Wert spricht eher für die Richtigkeit des in der Einspruchsentscheidung festgestellten Werts von … EUR, zumal – wie sich aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ergibt – bei der Berechnung des von den Klägern für zutreffend gehaltenen Werts von … EUR ein Sofortaufwand in Höhe von … EUR berücksichtigt worden ist.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Kläger haben hierbei auch die Kosten des Verfahrens vor dem BFH zu tragen, weil sich die Kostenentscheidung nach dem endgültigen Maß des Obsiegens und Unterliegens richtet (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO 7. Aufl. 2010, § 143 Rz. 23).