07.04.2003 · IWW-Abrufnummer 030363
WISO SteuerBrief 07/2002 Seite 11-13
So vermeiden Sie die Steuerschädlichkeit
Der Abschluss eines langfristigen Kapital bildenden Lebens- oder Rentenversicherungsvertrags dient der privaten Vorsorge des Steuerpflichtigen wie auch seiner Angehörigen. Der Gesetzgeber belohnt diese Eigeninitiative durch die Abzugsfähigkeit der laufenden Prämien als Sonderausgaben (jedoch nur bis zu bestimmten Höchstgrenzen) und mit der Steuerfreiheit der aus den Sparanteilen der Versicherung erwirtschafteten Zinsen (bei Rentenversicherungen aber nur, soweit ein Kapitalwahlrecht besteht und ausgeübt wird; ansonsten sind die in den laufenden Renten enthaltenen Ertragsanteile steuerpflichtig).
Diese Vergünstigungen werden allerdings in bestimmten Fällen nicht gewährt, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu Finanzierungen eingesetzt werden, deren Zinsen Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Dadurch sollen aus Sicht des Fiskus unerwünschte Mitnahmeeffekte – Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei gleichzeitiger Steuerfreiheit der Kapitalerträge – ausgeschlossen werden. Im folgenden Beitrag zeigt Dr. Andreas Wegner, Berenburg Consult G.m.b.H, Tochter der Berenberg Bank, Hamburg, welche Fälle davon betroffen sind, und unter welchen Voraussetzungen der Einsatz von Versicherungsansprüchen zur Finanzierung steuerschädlich ist.
Begriff der "Steuerschädlichkeit“
Die Beiträge zu bestimmten Kapital bildenden Versicherungen können nicht mehr im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag
- während der Dauer des Vertrags
- im Erlebensfall
- zur Tilgung oder Sicherung eines Darlehens verwendet werden,
- dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (steuerschädliche Verwendung, § 10 Absatz 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz [EStG]).
Mit dem Abzugsverbot verbunden ist ein wirtschaftlich meist bedeutsamerer Verlust: Die Kapitalerträge aus der Versicherung müssen versteuert werden.
Voraussetzung der "Steuerschädlichkeit“ im Einzelnen
1. Betroffene Versicherungen
Folgende Kapital bildende Versicherungstypen werden steuerlich als Vorsorge-Instrument gefördert und können daher steuerschädlich verwendet werden (§ 10 Absatz 1 Nummer 2b EStG):
- Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht (Förderung nur durch Sonderausgabenabzug);
- Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgeübt werden kann;
- Kapitallebensversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.
Beachten Sie: "Laufende Beitragsleistungen“ liegen vor, wenn min-destens fünf Jahresbeiträge (gegebenenfalls aus einem Prämiendepot) gezahlt werden. Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag sind somit bereits von Haus aus nicht steuerbegünstigt.
Fondsgebundene Lebensversicherungen berechtigen zwar nicht zum Sonderausgabenabzug. Deren Kapitalerträge sind jedoch steuerbefreit (§ 20 Absatz 1 Nummer 6 Satz 4 EStG).
Direktversicherungen sind zwar typische (steuerbegünstigte) Kapitallebens- bzw. Rentenversicherungen: Der Arbeitgeber schließt als Versicherungsnehmer eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers ab, der bezugsberechtigte Person ist (§ 4 b EStG). Direktversicherungen sind aber ausdrücklich von der Gefahr der Steuerschädlichkeit ausgenommen (§ 10 Absatz 2 Satz 2b EStG).
Reine Risikolebensversicherungen ohne Sparanteil berechtigen zwar ebenfalls zum Sonderausgabenabzug, können aber von einer steuerschädlichen Verwendung nicht betroffen sein, da sie im Erlebensfall keine Ansprüche garantieren (reine Absicherung des Todesfallrisikos).
2. Darlehenssicherung oder -tilgung im Erlebensfall
Eine steuerschädliche Verwendung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag während dessen Dauer setzt voraus, dass diese im Erlebensfall der Sicherung oder Tilgung eines Darlehens dienen. Der Begriff des Darlehens ist relativ weit zu verstehen: Hierunter fallen sowohl langfristige Festdarlehen als auch kurzfristige Kontokorrentdarlehen, zum Beispiel auch das Girokonto im Überziehungsfall. Auch ein Policendarlehen gilt als Darlehen im steuerlichen Sinn.
Ansprüche aus Versicherungsverträgen dienen während deren Dauer im Erlebensfall der Tilgung/Sicherung eines Darlehens, wenn vor der Fälligkeit eine Tilgungs-/Sicherungsabrede zwischen Darlehensgeber und -nehmer getroffen worden ist. Diese kann beinhalten, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag bei Fälligkeit zur Tilgung eingesetzt oder bereits vorher abgetreten, verpfändet oder die Policen zur Sicherheit hinterlegt werden. Auch die Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts für den Todesfall gilt als "Dienen im Erlebensfall“. Bei Policendarlehen dienen die Ansprüche wegen der allgemeinen Versicherungsbedingungen in Höhe des Beleihungswerts "automatisch“ als Sicherheit, ohne dass es einer Abtretung/Sicherungsabrede bedarf.
Kein steuerschädliches "Dienen“ im Erlebensfall liegt vor, wenn
- eine Sicherungs-/Tilgungsabrede nur für den Todesfall getroffen wird oder
- nach Fälligkeit der Versicherung im Erlebensfall die Versicherungsleistung zur Darlehenstilgung verwendet wird, ohne dass vorher eine Tilgungs-/Sicherungsabrede getroffen worden ist oder
- nach Eintritt des Versicherungsfalls durch Tod des Versicherten die Versicherungsleistung zur Tilgung verwendet wird, ohne dass eine Sicherungsabrede für den Erlebensfall getroffen worden ist.
3. Betriebsausgaben oder Werbungskosten
Eine weitere Voraussetzung für eine eventuelle Steuerschädlichkeit ist, dass die Finanzierungskosten (Disagio und Schuldzinsen) steuerlich Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen – unabhängig davon, ob der Steuerpflichtige diese Kosten tatsächlich geltend macht bzw. ob sie sich letztendlich auf die Steuer auswirken.
Damit können nur Finanzierungen zur Steuerschädlichkeit führen, die sich im Bereich der steuerlich relevanten Einkunftsarten abspielen. Die Finanzierungskosten ausschließlich privat eingesetzter Darlehen (zum Beispiel für private Wohnungseinrichtung, Segelboot) können somit nicht zur Steuerschädlichkeit führen. Problematisch können Misch- bzw. Grenzfälle sein, die häufig auf den ersten Blick gar nicht als solche erkannt werden, wie zum Beispiel:
- Privater Pkw: Sobald der Pkw von einem Arbeitnehmer auch für die täglichen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird, sind die dadurch anteilig verursachten Fahrzeugkosten – also auch die Finanzierungskosten – als Werbungskosten abzugsfähig. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass die Werbungskosten nur pauschaliert in Höhe von 0,36 e bzw. 0,40 e pro Entfernungskilometer geltend gemacht werden können.
- Häusliches Arbeitszimmer: Befindet sich in der privat genutzten Immobilie auch ein steuerlich anzuerkennendes Arbeitszimmer, dann liegt eine Mitbenutzung der (privaten) Immobilie zur Erzielung von Einkünften vor. Folge: Die auf das Arbeitszimmer entfallenden Finanzierungskosten sind Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Das gilt selbst, wenn sich die Finanzierungskosten – wegen der beim Arbeitszimmer möglichen Begrenzung der abzugsfähigen Kosten auf 1.250 e pro Jahr – nicht Steuer mindernd auswirken. Selbst ein freiwilliger Verzicht auf den Ansatz des Arbeitszimmers bei der Steuer-Erklärung würde daran nichts ändern.
- Private Garage: Wird in der Garage des Privathauses der Privat-Pkw abgestellt, der auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt wird, gilt: Die anteiligen Finanzierungskosten der Garage sind als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.
Verschärft wird diese Mischfallproblematik durch spätere Nutzungsänderungen: Ein Arbeitszimmer wird erst nach einigen Jahren eingerichtet oder die Einliegerwohnung des Sohnes wird vermietet, nachdem dieser "aus dem Haus“ ist. In diesen Fällen gelangt jeweils eine ursprünglich im steuerirrelevanten Bereich befindliche Verwendung der Versicherungsansprüche plötzlich in die Sphäre der Einkünfte-Erzielung: Die Zinsen werden zu dem Grunde nach steuerlich abzugsfähigen Ausgaben und es droht die Gefahr der Steuerschädlichkeit.
Vorschau: Auch wenn die genannten Voraussetzungen für eine Steuerschädlichkeit erfüllt sind, gehen die Steuerprivilegien nicht automatisch verloren. In der nächsten Ausgabe lesen Sie, unter welchen Voraussetzungen die Tilgung bzw. Sicherung bestimmter Investitionsdarlehen und Betriebsmittelkredite steuerunschädlich sein kann, obwohl die Grundvoraussetzungen für eine Steuerschädlichkeit vorliegen.
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