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21.04.2011

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 08.10.2010 – 6 Sa 936/10

Technisch-handwerkliche Fachkenntnisse sind auch dann als prägend für die Tätigkeit eines Angestellten anzusehen, wenn diese nicht für sämtliche den eingruppierungsrelevanten Arbeitsvorgang ausfüllenden Einzelaufgaben erforderlich sind.


In dem Rechtsstreit

pp

hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Kammer 6,

auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2010

durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht C. als Vorsitzenden

sowie die ehrenamtlichen Richter K. und Z.

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03.03.2010 - 60 Ca 18157/09 - geändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist ausgebildeter Elektroinstallateur. Er steht seit dem 31. Oktober 1988 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land. Dieses bestimmt sich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden und ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft der Länder jeweils geltenden Fassung.

Mit Vertrag vom 4. Dezember 2000 vereinbarten die Parteien, dass der zuvor als sog. Eismeister tätig gewesene Kläger ab dem 15. dieses Monats als Angestellter im Büro- und sonstigen Innendienst auf unbestimmte Zeit weiter beschäftigt werden und dass er in VergGr IVb der Anlage 1a BAT eingruppiert sein sollte. Anlass für diese Vereinbarung war, dem Kläger die Leitung eines Eisstadions zu übertragen. Gemäß der dieser Stelle zu Grunde liegenden Beschreibung des Aufgabenkreises (BAK) vom 30. Juni 1998 (Abl. Bl. 11-18 d.A.) waren dem Kläger zwei Maschinenmeister mit VergGr Vb BAT und zwei Verwaltungsangestellte mit VergGr VII BAT sowie drei Maschinisten, zwei Eishobelfahrer, vier Kunsteisbahnwarte und zwei Reinigerinnen mit den entsprechenden Lohngruppen für Arbeiter unterstellt.

Mit Schreiben vom 30. September 2009 (Abl. Bl. 20-23 d.A.) teilte der Beklagte dem Kläger mit, eine Überprüfung seiner Eingruppierung habe ergeben, dass sein Aufgabenkreis richtigerweise nach VergGr Vb Fallgruppe 1 Teil II Abschnitt Q der Anlage 1a zum BAT zu bewerten sei. Im Rahmen dieser Eingruppierung habe er Anspruch auf eine allgemeine Zulage und eine Meisterzulage. Die sich ergebene Differenz zur bislang gezahlten Vergütung von derzeit monatlich 239,54 € brutto, werde für die Zeit ab März 2009 zurückgefordert.

Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet sei, dem Kläger auch ab März 2009 Vergütung nach VergGr IVb BAT zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die gesamte Tätigkeit des Klägers bilde als Leitungsfunktion einen großen Arbeitsvorgang. Dieser stelle sich in prägender Weise und schwerpunktmäßig als Verwaltungstätigkeit dar, sodass der Allgemeine Teil (Teil I) der Anlage 1a zum BAT Anwendung finde. Die Tätigkeit des Klägers zeichne sich dadurch aus, dass er eine dem Publikumsverkehr geöffnete Einrichtung leite mit der Besonderheit, dass er neben der zeitlich überwiegenden Verwaltungstätigkeit (Organisation- und Durchführung von Veranstaltungen, Kontakt zu Dritten, Repräsentation des Bezirks, Werbung und Information, Personalverwaltung) auch noch in einem geringen Umfang von 30 % die technische Aufsicht über das ihm überstellte technische Personal ausübe und ggf. auch selbst tätig werde. Damit sei die Aufgabe des Klägers durch Managementtätigkeiten geprägt. Die Leitung der Einrichtung gehe über eine bloße Aufsichtstätigkeit hinaus.

Gegen dieses ihm am 31. März 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. April 2010 eingelegte und am 21. Juni 2010 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung des Beklagten. Er meint, das Arbeitsgericht habe den einheitlichen Arbeitsvorgang unzulässigerweise in verschiedene Teile aufgespaltet. Die Leitung eines Eisstadions habe primär zum Ziel, eine reibungslose Funktion der Anlage mit ihren technischen Einrichtungen zu gewährleisten. Dafür sei es unerlässlich, dass der Kläger die erforderlichen handwerklichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitze. Diese seien in der übrigen Bezirksverwaltung gerade nicht vorhanden, wie unter Nr. 4 der BAK vermerkt sei. Selbst wenn man den tätigkeitsspezifischen Charakter nach Zeitanteilen feststellen dürfte, erreichten die Verrichtungen, für deren Erledigung handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten unerlässlich seien, mehr als 50 % der Arbeitszeit des Klägers.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt den Angriffen der Berufung entgegen und weist darauf hin, in den Bereichen Ton-, Beleuchtungs-, Heizungs- und Sanitärtechnik über kein spezielles Fachwissen zu verfügen. Im Falle einer Rückgruppierung würde er weniger verdienen als ihm unterstellte Mitarbeiter, sodass auch die systematische Auslegung dagegen spreche, dass die Vergütung des Leiters eines Eisstadions spezialtariflich geregelt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf Berufungsbegründung und -erwiderung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist begründet.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.1 Da sich der Beklagte berühmt, dem Kläger für die Zeit ab März 2009 nur noch Vergütung nach VergGr Vb BAT zu schulden, hat dieser ein rechtliches Interesse daran, einen weitergehenden Vergütungsanspruch als Teil seines Arbeitsverhältnisses alsbald durch richterliche Entscheidung feststellen zu lassen (§§ 256 Abs. 1, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG).

1.2 Der Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger weiterhin Vergütung nach VergGr IVb BAT zu zahlen. Dies hat er mit seinem Schreiben vom 30. September 2009 unter Wahrung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 BAT auch bereits für die Zeit ab März 2009 geltend gemacht.

1.2.1 Ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr IVb BAT ergibt sich nicht aus dem Arbeitsvertrag des Klägers vom 4. Dezember 2000. Soweit diese Vergütungsgruppe dort in § 5 genannt ist, hat der Beklagte damit lediglich seine Pflicht aus § 22 Abs. 3 BAT erfüllt, wie sich aus dessen Angabe als Klammerzusatz ergibt.

Ohne anspruchsbegründende Wirkung ist auch die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrags, wonach der Kläger ab 15. Dezember 2000 als Angestellter im Büro- und sonstigen Innendienst weiterbeschäftigt wird. Auch dies war lediglich Ausdruck einer entsprechenden rechtlichen Einordnung der nach dem übereinstimmen Willen der Parteien vom Kläger ab diesem Zeitpunkt übernommenen Leitung des Eisstadions und hatte keine konstitutive Wirkung.

1.2.2 Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat und auch von beiden Parteien in Abweichung von der BAK vom 30. Juni 1998 übereinstimmend so gesehen wird, stellt die Tätigkeit des Klägers als Leiter eines Eisstadions einen einzigen, großen Arbeitsvorgang i.S.d. Protokollnotiz Nr. 1 zu § 22 Abs. 2 BAT dar. Dieser entspricht nicht den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr IVb BAT.

1.2.2.1 Der Beklagte hat schlüssig dargetan, dass der Angabe der VergGr IVb BAT im Arbeitsvertrag des Klägers die irrige Annahme zu Grunde gelegen hatte, die Leitung des Eisstadions stelle sich als Verwaltungstätigkeit dar, weshalb für die Eingruppierung der Allgemeine Teil (Teil I) der Anlage 1a zum BAT angewandt worden sei. Damit hat er den prozessualen Anforderungen im Falle einer sog. korrigierenden Rückgruppierung (dazu BAG, Urteil vom 17.05.2000 - 4 AZR 232/99 - AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 18 zu II b aa der Gründe) Genüge getan.

1.2.2.2 Zur tariflichen Bewertung der Tätigkeit des Klägers sind nicht die Tätigkeitsmerkmale der jeweils ersten Fallgruppe des Allgemeinen Teils (Teil I) der Anlage 1a zum BAT heranzuziehen. Deren Anwendung kommt nach Nr. 1 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen nicht in Betracht, wenn für die Tätigkeit des Angestellten besondere Tätigkeitsmerkmale gelten. So verhält es sich im vorliegenden Fall, wo die besonderen Tätigkeitsmerkmale des Teils II Abschnitt Q heranzuziehen sind, wo unter anderem Meister erfasst werden. Diese lauten in VergGr IVb wie folgt:

1. Technische Angestellte mit besonders verantwortungsvoller Tätigkeit

a) als Schichtführer in großen thermischen Kraftwerken, großen Heizkraftwerken oder großen Müllverbrennungsanlagen, die außerhalb der regulären Tagesarbeitszeit für den gesamten Betrieb allein verantwortlich sind,

b) in großen E-Lastverteileranlagen, die in der Schicht für die Netzbetriebsführung allein verantwortlich sind,

c) als Leiter von großen und vielschichtig strukturierten Instandsetzungsbereichen

sowie sonstige technische Angestellte mit vergleichbarer Tätigkeit, die wegen der Schwierigkeit der Aufgaben und der Größe der Verantwortung ebenso zu bewerten ist, wie die Tätigkeiten nach Buchstaben a bis c. - Fußnote 1 -

(Hierzu Protokollnotizen Nrn. 1 und 2)

2. Technische Angestellte im Bereich des Bundesministers der V. ...

Protokollnotizen:

Nr. 1

Ein vielschichtig strukturierter Bereich liegt vor, wenn in diesem Bereich die Arbeit von mindestens drei Gewerken zu koordinieren ist und mindestens drei Gewerken jeweils Meister vorstehen. Gewerke sind Fachrichtungen im Sinne anerkannter Ausbildungsberufe, in denen die Meisterprüfung abgelegt werden kann.

Im Mehrschichtbetrieb ist es unschädlich, wenn in den mindestens drei Gewerken nicht in allen Schichten jeweils Meister im Sinne des Satzes 1 eingesetzt sind.

1.2.2.2.1 Die Abgrenzung zwischen Verwaltungstätigkeit und einer Tätigkeit, die ihrem Schwerpunkt nach technisch-handwerkliche Fachkenntnisse erfordert, kommt es darauf an, was für die jeweilige Tätigkeit prägend und tätigkeitsspezifisch ist. Technisch-handwerkliches Wissen und Können ist prägend, wenn ein Angestellter mit lediglich verwaltungsrechtlichen Kenntnissen die ihm übertragenen Aufgaben überhaupt nicht erledigen könnte (BAG, Urteil vom 30.01.1985 - 4 AZR 184/83 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 101 Bl. 692R und 693). Dass dem Angestellten im Rahmen seines Wirkungskreises auch Aufgaben mit administrativem und rechtlichem Charakter obliegen, ist unschädlich (BAG, Urteil vom 05.11.1986 - 4 AZR 639/85 - AP BAT 1975 §§ 22, 23 Nr. 127 Bl. 534).

1.2.2.2.2. Seine Aufgabe als Leiter des Eisstadions vermag der Kläger nur aufgrund seiner technisch-handwerklichen Kenntnisse zu erfüllen. Er ist dafür gerade deshalb ausgewählt worden, weil er mit seiner Ausbildung als Elektroinstallateur und seiner langjährigen Beschäftigung als Eismeister über entsprechendes Wissen und Können verfügt. Dass daneben nach Nr. 11 Buchst. b der Anlage zu Ziff. 5 BAK zur Wahrnehmung der anfallenden technischen Aufgaben auch Fachkenntnisse auf einer ganzen Reihe weiterer technischer Gebiete verlangt werden, steht dem nicht entgegen. Handwerker mit einer Meisterprüfung oder einer gleichwertigen Prüfung (sog. Funktionsmeister) können nämlich auch Arbeiten in anderen Handwerken ausführen, wenn diese mit dem Leistungsspektrum ihres Handwerks zusammenhängen. Auch der Umstand, dass beim Kläger in zeitlicher Hinsicht Verwaltungstätigkeiten überwiegen, ist unschädlich, zumal solche Tätigkeiten auch zum Berufsbild eines Meisters gehören. Dabei sind die Fachkenntnisse des Klägers nicht nur für die unmittelbare Wahrnehmung technischer Aufgaben, sondern auch erforderlich, soweit er personenbezogene Führungsaufgaben wahrnimmt, Schadensmeldungen und Mängelberichte verfasst sowie Bestellungen und Reparaturen veranlasst. Dass der Kläger zugleich als Repräsentant der Bezirksverwaltung auftritt, wie es unter Nr. 4 BAK heißt, mag zwar das äußere Erscheinungsbild seiner Stellung prägen, ändert indessen nichts daran, dass diese tarifrechtlich aufgrund tätigkeitsspezifischer Betrachtung durch seine technisch-handwerklichen Fachkenntnisse geprägt ist.

Dem gefundenen Ergebnis entspricht es, dass auch ein Meister für Veranstaltungstechnik daran mitwirkt, Veranstaltungen aller Art kosten-, rechts- und sicherheitsbewusst zu planen und durchzuführen. Obgleich er dabei auch darauf zu achten hat, dass die künstlerischen Zielsetzungen bzw. die Vorstellungen der Kunden oder Auftraggeber aufgenommen und im organisatorischen und technischen Ablauf entsprechend umgesetzt werden. (www.berufenet.arbeitsagentur.de), bleibt seine Tätigkeit doch durch technisch-handwerkliche Fachkenntnisse geprägt.

1.2.2.3 Dass er die Voraussetzungen der VerGr. IVb Fallgruppe 1 Teil II Abschnitt Q der Anlage 1a zum BAT erfüllt, hat der Kläger zu Recht selbst nicht geltend gemacht. Der Kläger kann schon deshalb nicht als sonstiger technischer Angestellter mit vergleichbarer Tätigkeit angesehen werden, die wegen der Schwierigkeit der Aufgaben und der Größe der Verantwortung ebenso zu bewerten ist, wie die Tätigkeit nach Buchst. a-c, weil die einzige in Betracht kommende Tätigkeit als Leiter eines großen und vielschichtigen Instandsetzungsbereichs gem. Protokollnotiz Nr. 1 Abs. 1 voraussetzt, dass dieser aus mindestens drei von einem Meister geführten Gewerken besteht, was in dem vom Kläger geleiteten Eisstadion nicht der Fall ist.

1.2.2.4 Damit muss es dabei bleiben, dass der Kläger als Funktionsmeister lediglich Anspruch auf eine vom Beklagten im Rückgruppierungsschreiben zugestandene Vergütung nach VerGr. Vb Teil II Abschnitt Q der Anlage 1a zum BAT hat, ohne dass es dafür auf die genaue Fallgruppe ankommt. Dass er sich damit in derselben Vergütungsgruppe, wie die beiden ihm unterstellten Maschinenmeister wieder findet und er auch ohne den Arbeitsvertrag vom 4. Dezember 2000 nach Bewährung bereits entsprechend eingruppiert war, lässt entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf schließen, dass die Tarifvertragsparteien die Tätigkeit des Leiters eine Eisstadions nicht in Teil II Abschnitt Q geregelt haben, sondern erklärt sich aus dem konkreten Zuschnitt seines Aufgabenkreises.

2. Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen.

Die Kammer hat die Revision gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil sie der Frage grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat, ob technisch-handwerkliche Fachkenntnisse auch dann als prägend für die Tätigkeit eines Angestellten anzusehen sind, wenn diese nicht für sämtliche den eingruppierungsrelevanten Arbeitsvorgang ausfüllenden Einzelaufgaben erforderlich sind.

VorschriftenAbschnitt Q Teil II Anlage 1a zum BAT

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