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03.05.2011 · IWW-Abrufnummer 111362

Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 23.05.2010 – 4 U 196/09

Der Vorsitzende des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft kann nicht ohne entsprechende Willensbildung des Aufsichtsrats einen Rechtsanwalt damit beauftragen, für die AG gegen ein Urteil Berufunge inzulegen, welches in einem zwischen ihr und Mitgliedern ihres Vorstandes geführten Rechtsstreit ergangen ist. Die gleichwohl eingelegte Berufung ist unzulässig; der Rechtsanwalt hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, wenn er seine fehlende Legitimation kannte.


4 U 196/09

Tenor:
I. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 1. Dezember 2009 wird als unzulässig verworfen.

II. Die als Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten aufgetretenen Rechtsanwälte W... und Partner haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe
I. Die Verfügungsbeklagte betreibt in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft eine große Baufirma. In der Sitzung ihres Aufsichtsrats vom 26. Oktober 2009 wurde unter anderem darüber abgestimmt, ob die beiden Verfügungskläger, welche Mitglieder des 3-köpfigen Vorstandes der Verfügungsbeklagten waren, abberufen werden sollten. Bei der Abstimmung des 6-köpfigen Aufsichtsrates kam es zu einer Patt-Situation, weil die Zeugen und Aufsichtsräte B... H..., B... und Dr. B... gegen die Abberufung der Verfügungskläger stimmten. Gleichwohl stellte der Aufsichtsratsvorsitzende fest, dass die 3 Zeugen ihr Stimmrecht missbräuchlich ausgeübt hätten, ihre Stimmen deshalb bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht zu berücksichtigen seien und die Abberufung der Verfügungskläger als Vorstände der Verfügungsbeklagten beschlossen sei. Hintergrund war, dass von einzelnen Personen in den Organgremien der Verfügungsbeklagten den Verfügungsklägern der Vorwurf gemacht wurde, diese hätten im Rahmen der Bestrebungen der Verfügungsbeklagten, ihr Geschäftsfeld auf T... zu erweitern, gebilligt, dass der Mitarbeiter einer von der Verfügungsbeklagten beauftragten Firma den t... Bauminister durch Zahlung von 45.000,00 € bestochen habe, um den Einstieg der Verfügungsbeklagten auf dem t... Markt zu erleichtern; die Verfügungskläger stellen diesen Vorwurf in Abrede.

Die Verfügungskläger haben mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, den Widerruf ihrer Bestellung als Vorstandsmitglieder festzustellen oder zu vollziehen und sie daran zu hindern oder zu stören, ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglieder nachzukommen.

Gegen die antragsgemäß vom Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) am 6. November 2009 erlassene einstweilige Verfügung hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt und beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben. Durch das angefochtene Urteil, auf das zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird, hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die einstweilige Verfügung bestätigt.

Mit der namens der Verfügungsbeklagten eingelegten Berufung wird das Urteil in vollem Umfang bekämpft. Die Rechtsmittelbegründung rügt die Rechtsauffassung des Landgerichts, wobei im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen vertieft wird.

Für die Verfügungsbeklagte wird beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Antrag der Verfügungskläger auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungskläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das Rechtsmittel für unzulässig; im Übrigen verteidigen sie die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres dortigen Vorbringens.

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestands Bezug genommen.

II. Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil die Verfügungsbeklagte im Berufungsverfahren nicht ordnungsgemäß durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten ist.

1. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO muss sich die Partei vor den Oberlandesgerichten durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, welcher nach § 80 ZPO einer Vollmacht bedarf. Auf Rüge ist die Vollmacht nach § 88 Abs. 2 ZPO in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen (BGH Urteil vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01 - bei juris). Die Verfügungskläger haben bereits erstinstanzlich die fehlende Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten gerügt. Die Rüge ist berechtigt.

Die für die Verfügungsbeklagte aufgetretenen Prozessbevollmächtigten sind für das vom Senat zu prüfende Berufungsverfahren nicht wirksam mandatiert, weil sie lediglich vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Verfügungsbeklagten mit deren Vertretung im Rechtsstreit beauftragt wurden, ohne dass dazu ein entsprechender Beschluss des Aufsichtsrats vorliegt. Ihr Auftreten als anwaltliche Vertreter ist von der Verfügungsbeklagten auch nicht nachträglich i.S. von § 89 Abs. 2 ZPO genehmigt worden.

Gemäß § 112 AktG wird die Aktiengesellschaft bei Streitigkeiten gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich durch den Aufsichtsrat vertreten. Über die Frage, ob ein Prozess geführt wird und die Beauftragung eines Rechtsanwaltes entscheidet deshalb der Aufsichtsrat nach den allgemeinen Grundsätzen des § 108 Abs. 1 AktG durch Beschluss (vgl. BGH Urteil vom 16. Oktober 2006 II ZR 7/05 - bei juris -; Habersack in MünchKomm, AktG 3. Aufl. § 112 Rn. 21; Hüffer, AktG 8. Aufl. § 112 Rn. 4). Zwar war der Aufsichtsratsvorsitzende nach § 12 Nr. 2 der Satzung der Verfügungsbeklagten berechtigt, den Aufsichtsrat gegenüber Dritten zu vertreten. Das setzte aber eine Entschließung des Aufsichtsrates über die Rechtsverteidigung im vorliegenden Verfahren und über die Mandatierung von Prozessbevollmächtigten voraus. Der Aufsichtsratsvorsitzende durfte nur den Willen des Aufsichtsrates übermitteln, nicht selbst diesen Willen bilden (vgl. Hüffner aaO. Rdnr. 5, Kalss in MünchKomm aaO. § 107 Rn. 173, jew. m. w. N.). Ohne Beschlussfassung war der Aufsichtsratsvorsitzende Kraft Gesetzes allenfalls zur Vornahme von Hilfsgeschäften befugt, die im Rahmen seiner Tätigkeit anfielen, wie z.B. das Anmieten von Sitzungsräumen oder die Einholung von Rechtsrat (vgl. Fleischer GmbHR 2010, 449, 451). Da es sich bei der Entscheidung darüber, ob die Aktiengesellschaft einen Rechtsstreit führt, nicht um ein bloßes Hilfsgeschäft handelte, fehlte dem Aufsichtsratvorsitzenden die Vertretungsmacht, als er ohne Beschlussfassung des Aufsichtsrats einen Rechtsanwalt beauftragte, die Gesellschaft in dem vorliegenden Verfügungsverfahren zu vertreten. Eine - grundsätzlich mögliche - Genehmigung der Mandatierung (vgl. BGH Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07 -, und aaO.; Hopt/Roth AktG 4. Aufl. § 112 Rdn. 108) kommt nach Mitteilung der Verfügungsbeklagten im Berufungsverfahren wegen der im Aufsichtsrat bestehenden "Patt-Situation" nicht in Betracht.

Dem Landgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass wegen der für die Verfügungsbeklagte misslichen Situation entsprechend den Grundsätzen, welche für den Streit gelten, ob eine prozessunfähige Partei ordnungsgemäß vertreten ist (vgl. dazu BGH Urteil vom 23. Oktober 1963 - V ZR 146/57 -; 23. Februar 1990 - V ZR 188/88 - bei juris), die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten als wirksam bevollmächtigt zu gelten haben, um der Verfügungsbeklagten die Prozessführung zu ermöglichen. Diese Grundsätze gelten nur für den Fall der gesetzlichen Vertretung einer prozessunfähigen Partei, nicht aber für die Frage, ob eine Partei wirksam (gewillkürt) einen Prozessbevollmächtigten beauftragt hat. Im ersten Fall besteht das unvertretbare Risiko, dass die Partei - der Auffassung des Erstgerichts folgend, dass sie nicht ordnungsgemäß gesetzlich vertreten sei - sich im Berufungsverfahren von dem nach dem Erstgericht zur gesetzlichen Vertretung Berufenen vertreten lässt, das Berufungsgericht diese Auffassung jedoch nicht teilt, und das Rechtsmittel deshalb als unzulässig verwirft. Hält die Partei indes an ihrer Auffassung fest, besteht die Gefahr, dass das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts teilt und die Berufung (ebenfalls) als unzulässig verwirft. Dieses Risiko gebietet es, der prozessunfähigen Partei die Möglichkeit einzuräumen, die Streitfrage um ihre Prozessfähigkeit im Rechtsmittelverfahren auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung zur Austragung zu bringen. Eine solche Konfliktsituation besteht im Fall der gewillkürten Vertretung jedoch nicht, weil die Partei es in der Hand hat, ihre Prozessvollmacht durch eine anderweitige oder erneute Vollmacht ordnungsgemäß zu erteilen und so den Streit von vorneherein auszuräumen, ohne ein Risiko über die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels. Jedenfalls wenn - wie hier - die Frage bereits erstinstanzlich streitig war, fehlt die Notwendigkeit die zur wirksamen gesetzlichen Vertretung entwickelten Grundsätze auf die Frage der wirksamen Bestellung eines Prozessbevollmächtigten auszudehnen (BGH Urteil vom 8. Mai 1990 - VI ZR 321/89 - bei juris; Stein/Jonas/Bork ZPO 22. Aufl. § 88 Rn. 17; Musielak/Weth ZPO 7. Aufl. § 88 Rn. 11 m.w.N.).

Da die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten somit nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt sind und - wie ausgeführt - eine solche Vollmacht nach dem Vortrag der Verfügungsbeklagten auch nicht nachbringen können mit der Folge, dass die bisherige Prozessführung rückwirkend als genehmigt gelten würde (vgl. dazu BGH-Urteil vom 10. Januar 1995 - X ZB 11/94 - bei juris; Zöller/Vollkommer ZPO 28. Aufl. § 89 Rn. 9, 12), ist das eingelegte Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

2. Da die als Prozessbevollmächtigte der Verfügungsbeklagten aufgetretenen Rechtsanwälte das Rechtsmittel somit als vollmachtloser Vertreter eingelegt haben, sind ihnen - worauf mit Verfügung des Vorsitzenden vom 23. April 2010 hingewiesen worden ist - nach dem Veranlasserprinzip entsprechend §§ 91, 97 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen, weil sie im Bewusstsein ihrer fehlenden Legitimation gehandelt haben (vgl. BGH Beschluss vom 4. März 1993 - V ZB 5/93 - bei juris; Pfälz. OLG Zweibrücken OLGR 1999, 478, Schneider, RPfl. 1976, 229, 231, jeweils m.w.N.). Die Aufsichtsräte B... H...., B... und Dr. B... haben die Rechtsanwälte mit Telefax-Schreiben vom 23. Dezember 2009 - vor Rechtsmitteleinlegung - darauf hingewiesen, dass eine Beschlussfassung des Aufsichtsrates für die Mandatierung des Rechtsanwaltes nicht vorlag und der weiteren Prozessführung ausdrücklich widersprochen.

3. Diese Entscheidung ist nicht weiter anfechtbar (vgl. BGH V ZB 130/08 mit BGH V ZB 28/99, jeweils bei juris).

RechtsgebieteBGB, AktGVorschriften§ 705 BGB § 108 AktG § 112 AktG

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