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20.05.2011 · IWW-Abrufnummer 112049

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 07.02.2011 – 5 Sa 891/10

1. Eine Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nach § 108 Abs. 2 SGB VII kommt nicht in Betracht, wenn unabhängig von der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII kein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch des Arbeitnehmers besteht.

2. Auch während einer Arbeitsunfähigkeit kann Urlaub gewährt werden; europäisches Recht steht der Geltendmachung von Urlaub während der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 10.09.2009 - C - 277/08).


Tenor:

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ab 01.10.2010

30 Tage Urlaub des Jahres 2010 zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 13/14 und die Beklagte 1/14.

4. Die Revision wird zugelassen bezogen auf die Urlaubsansprüche des Klägers; im Übrigen nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz bzw. Schmerzensgeldansprüche des Klägers wegen Öldämpfen im Cockpit, die Beschäftigung des Klägers am Boden bzw. eine entsprechende Vertragsänderung sowie um Urlaubsansprüche des Klägers.

Der am 15.12.1973 geborenen Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 03.03.2003 (Bl. 23 - 25 d. A.) als Pilot für die Beklagte, eine Luftfahrtgesellschaft tätig. Der Kläger wurde zunächst auf dem Flugmuster Canadair 200/700 eingesetzt.

Ab März 2005 wechselte der Kläger freiwillig auf das Flugmuster AVRO der Herstellerfirma B , dass im Wesentlichen baugleich war mit dem Flugzeugmuster BAe 146.

In dem Flotteninfo 3/2004 (Blatt 614 f. d. A.) wurde beschrieben, dass auf einem Flug nach Oslo mit diesem Flugzeugmuster ein Vorfall mit beißendem intensiven Geruch im Cockpit aufgetreten war. Als Ursache wurde verbranntes Öl vermutet. In dem Flotteninfo hieß es dazu weiter: "Im approach klagte der FO über einsetzende Kopfschrmerzen, die am Boden wieder abklangen."

Im Flotteninfo 03/2006 wurde über einen Smoke-in-Cabin-Vorfall berichtet. Dazu hieß es (Blatt 621 d. A.):

"Nach der Landung stellten wir die Luftversorgung der Air Conditioning Packs wieder auf APU-Air um, erneut entwickelte sich Qualm, wir schalten die Klimaanlage wieder aus und rollten zur Parkposition."

Im Jahr 2007 war der Kläger in der 2. Jahreshälfte insgesamt 5 Monate arbeitsunfähig krank.

In der Arbeitsausschusssitzung der Beklagten vom 13.03.2007 (Protokoll Bl. 607 ff. d. A.) wurden unter Punkt 5.1 die Thematik "Ölgeruch im Flugzeug" thematisiert. Dazu hieß es im Protokoll (Bl. 608 d. A.):

"Durch die PV wurde berichtet, dass in letzter Zeit 5 flight reports eingegangen sind, in denen zu Ölgeruch im Flugzeug, v. a. ARJ berichtet wird Hr. J berichtete weiterhin über Messergebnisse aus England, in denen Vorfälle auf der BAE 146 untersucht wurden; diese Ergebnisse wurden während einer Tagung in London vorgestellt. Herr J wird hierzu zur nächsten ASA referieren und diese Untersuchungen vorstellen. Die Forderung der PV zu Messungen bezüglich dieser Ölgerüche ist leider nicht so einfach umsetzbar. Ölgerüche sind keine planbaren Ereignisse, die messbar bzw. messtechnisch erfassbar sind. RP/C wird sich jedoch bei der BGF und PX zu den Möglichkeiten informieren."

Ab dem 19.01.2008 arbeitete der Kläger wieder. Mit e-mail vom 13.02.2008 (Bl. 623 f. d. A.) beschwerte sich der ebenfalls für die Beklagte als Pilot tätige Herr A darüber, dass man sich der von den Öldämpfen ausgehenden Gesundheitsgefahren für alle Flugzeuginsassen nicht bewusst sei und regte eine Stellungnahme seitens des Flugbetriebs an. Hierzu hatte Herr T einen Flight Report erstellt (Bl. 624 d. A.), in welchem darauf hingewiesen wurde, dass man auf dem Flugzeugmuster AVRO hin und wieder mit schlechter Qualität der Atemluft im Cockpit und/oder der Kabine konfrontiert sei. Der Oil Smell rühre von Motor oder APU-Öl her, welches aufgrund eines Defekts, eines schadhaften oder verbrauchten Filters oder schlichtweg wegen einer Fehlbedienung in den Flugzeuginnenraum gelangt sei. In dem Flight Report vertrat Herr Ti die Auffassung, dass von der Kontaminierung der Atemluft mit dem von der Beklagten verwendeten Öl eine nicht zu vernachlässigende Gesundheitsgefahr für Besatzung und Passagiere ausgehe, und machte deutlich, dass er eine Diskussion des Themas innerhalb des Flugbetriebs für unumgänglich halte.

Mit Ausgabedatum Februar 2008 gab die Herstellerfirma, die B eine Herstellerinformation über den Flugzeugmustertyp heraus, welche in Abschnitt 3 auch Ausführungen zur Notwendigkeit medizinischer Tests bei entsprechenden Vorfällen enthielt (Bl. 570 ff. d. A., Bl. 578 d. A.).

Vom 05.03.2008 bis zum 16.04.2008 befand sich der Kläger in einer Kur.

Für das in dem Flugzeugmuster AVRO verwendete Triebwerksöl gab die Firma E am 04.07.2008 ein EG Sicherheitsdatenblatt heraus (Bl. 468 ff. d. A.), in welchem ausgeführt wurde, dass sich das Öl bei erhöhten Temperaturen oder Feuer zersetze und reizendes und/oder gesundheitsschädliches Gas abgebe.

Ab dem 12.07.2008 bis zunächst zum 28.12.2008 wurde der Kläger vom zuständigen Bundesamt für fluguntauglich erklärt.

Mit Beschwerde-mail vom 13.07.2008 (Bl. 625 f. d. A.) beschwerte sich Herr T gegenüber dem für die Flugsicherheit Verantwortlichen Herrn Z darüber, dass seine Anregungen hinsichtlich der Kontaminierung der Atemluft mit Ölgerüchen nicht aufgegriffen worden seien. Hierauf antwortete Herr Z mit mail vom 16.07.2008 (Bl. 627 d. A.) in welcher er ausführte, dass in den letzten Monaten vielfältige Aktivitäten stattgefunden hätten, die sich mit der durchaus als schwerwiegend erkannten Problematik der "Bad Air Quality" auf der A -Flotte beschäftigt hätten. Dabei wolle er nicht verleugnen, dass es in den verschiedenen Bereichen des Unternehmens unterschiedliche Ansichten zu diesem Thema gegeben habe und gäbe, ebenso würde er sich wünschen, dass die Umsetzung mancher Maßnahmen zügiger umgesetzt werden könne, doch seien dies Erscheinungen, die in einem gewachsenen Unternehmen nicht zu vermeiden seien.

In der Arbeitsausschusssitzung vom 12.08.2008 (Protokoll Bl. 609 f. d. A.) wurde zum Thema Cabin Air Quality festgehalten, dass die Herstellerfirma nach wie vor an der Einführung eines elektronischen Filters arbeite, welcher eine hervorragende Kabinenluftqualität garantieren solle.

Nach seinen Angaben hat der Kläger erstmals im Januar 2009 von dem sogenannten Aero-Toxic-Syndrom erfahren.

Seit März 2009 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben.

In dem ärztlichen Attest des U vom 26.05.2009 (Bl. 643 d. A.) hieß es, dass die Gesundheitsbeschwerden des Klägers im Einklang mit einer berufsbedingten Erkrankung im Zusammenhang mit der Exposition an Dämpfe/Gase aus der Verbrennung von Flugzeugkraftstoff insbesondere beim Fliegen mit BAE 146 Flugzeugen stünden. Infolge dessen werde von weiteren Flügen mit der BAE 146 abgeraten. Das Fliegen mit anderen Flugzeugtypen sei akzeptabel.

In einem Bericht der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) vom 10.06.2009 hieß treffend der Erkrankung des Herrn T , dass Herr T angegeben habe, dass er bei den 68 Arbeitstagen von September 2007 bis November 2008 bei ca. 16 - 17 Flügen Ölgerüche wahrgenommen habe (Bl. 629 d. A.).

Auf eine e-mail-Anfrage des Herrn T vom 25.11.2009 antwortete die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), dass bezüglich des Eindringens von Öldämpfen aus einem Triebwerk bzw. APU über die Luftversorgungssysteme in den Flugzeuginnenraum alle Störungen mit einer hohen akut potenziellen oder vorhandenen Sicherheitsreduzierung im Flugbetrieb der BFU zu melden seien, wenn sie möglicherweise als schwere Störung klassifiziert werden könnten (Bl. 663 d. A.).

Im Flotteninfo 01/2010 (Bl. 460 ff. d. A., Blatt 463 d. A.) hieß es zum Thema Kabinenluftqualität, dass man seit Jahren versuche, das Problemfeld Luftqualität an Bord der A nachhaltig zu verbessern. Dennoch komme es immer wieder zu TecLog-Einträgen und AOG`s aufgrund von Smell-Events unterschiedlicher Art.

In dem Befundbericht der deutschen Rentenversicherung vom 12.01.2010 (Bl. 637 ff. d. A.) hieß es, dass für den Kläger auf absehbare Zeit Einstellungen in seinem Beruf nicht mehr möglich seien.

Der Kläger hat ein sozialversicherungsrechtliches Verfahren bei seiner Berufsgenossenschaft eingeleitet mit dem Ziel, die Anerkennung eines Versicherungsfalles und die Anerkennung einer berufsbedingten Erkrankung zu erreichen.

Aus der von ihm abgeschlossenen Fluguntauglichkeitsversicherung erhält der Kläger monatlich etwa 2.300,00 -.

Der Kläger hat vorgetragen, seine Erkrankungen seien durch die Öldämpfe im Cockpit des Flugzeugmusters A verursacht. Die gesundheitlichen Beschwerden hätten zur Fluguntauglichkeit geführt. Die Beklagte sei den Empfehlungen des Flugzeugherstellers und des Herstellers des verwendeten Öls nicht gefolgt, habe erforderliche Gefährdungsbeurteilungen unterlassen und die Mitarbeiter nicht über bestehende Gesundheitsrisiken informiert. Aufgrund der Fürsorgepflicht sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger am Boden zu beschäftigen. Ihm stehe auch noch der Jahresurlaub zu.

Mit seiner Klage hat der Kläger zuletzt in erster Instanz beantragt,

Die Beklagte zu verurteilen, ihm Schadensersatz zu leisten wegen des Fortkommensschadens der wegen des Verlusts der Flugtauglichkeit eingetreten ist und noch eintreten wird und Schmerzensgeld zu leisten in Höhe von mindestens 100.000,00 - dessen exakte Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird;

die Beklagte zu verurteilen, ihn tatsächlich mit zumutbarer Arbeit am Boden zu beschäftigen,

ihm für das Kalenderjahr 2009 den tarifvertraglich geschuldeten Erholungsurlaub zu gewähren,

Für den Fall des Unterliegens mit dem Beschäftigungsantrag :

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages für ein Arbeitsverhältnis am Boden mit Wirkung ab 01.06.2010 zu unterbreiten mit der Maßgabe, dass dem Kläger eine Tätigkeit im Sinne der höchsten Vergütungsgruppe des zurzeit geltenden Vergütungsvertrages Boden übertragen wird.

Für den Fall des Unterliegens mit dem Urlaubsantrag:

ihm 30 Urlaubstage, beginnend ab 01. Juni 2010 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, alle erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben, um gesundheitliche Schäden von den Flugzeugbesatzungen abzuwenden.

Durch Urteil vom 26.05.2010 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Dabei sei das Verfahren nicht nach § 108 Abs. 2 SGB VII auszusetzten gewesen. Denn Ansprüche seien unabhängig davon, ob es sich um einen Versicherungsfall handele oder nicht, nicht gegeben. Denn der Kläger habe weder anspruchsbegründende Pflichtverletzungen der Beklagten darzulegen vermocht noch einen kausal hierauf beruhenden Schaden.

Es sei nicht erkennbar, welche Verhaltensschutz- oder Garantenpflichten im Zusammenhang Öldämpfen im Cockpit verletzt worden seien sollten. Insbesondere könnten die vom Kläger herausgestrichenen fehlenden Unterrichtungen der Beklagten nicht als Pflichtverletzungen gewertet werden. Es sei auch nicht erkennbar, dass die seit 2007 aufgetretenen Phasen der Fluguntauglichkeit kausal auf Pflichtverletzungen der Beklagten zurückführbar seien. Der Kläger könne auch nicht die Unterbreitung eines Änderungsvertragsangebotes mit einer Beschäftigung am Boden verlangen. Dies sei arbeitsvertraglich nicht geschuldet, zudem sei der Kläger derzeit arbeitsunfähig. Der Kläger könne schließlich nicht die Gewährung von Erholungsurlaub für das Jahr 2009 beanspruchen. Der hierauf gerichtete Hauptantrag sei hinsichtlich zeitlicher Lage und Dauer des Urlaubs zu unbestimmt und daher unzulässig. Der Hilfsantrag des Klägers sei schon aufgrund der auf unbestimmte Zeit fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers derzeit unbegründet.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung einlegen und begründen lassen.

Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, er sei seit geraumer Zeit aufgrund einer aus seiner Sicht feststehenden Kausalität, nämlich dem gesundheitsschädlichen Einfluss der an seinem Arbeitsplatz einwirkenden Giftstoffen, arbeitsunfähig erkrankt. Diese Arbeitsunfähigkeit habe mittlerweile zu einer dauernden Fluguntauglichkeit im luftverkehrsrechtlichen Sinne geführt, sodass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, Verkehrsflugzeuge zu führen und somit seinen erlernten Beruf auszuüben. Der Kläger ist der Auffassung, dass eine vorsätzliche Schädigung seiner Gesundheit durch die Beklagte deshalb vorliege, weil die technischen Rahmenbedingungen und die gesundheitsgefährdende Situation am Arbeitsplatz des Klägers im Cockpit seit langem bekannt gewesen sei. Dennoch habe die Beklagte es unterlassen, eine ordnungsgemäße Gefährdungsanalyse des Arbeitsplatzes des Klägers durchzuführen und habe im Gegenteil alle Hinweise des Klägers, aber auch Hinweise anderer Arbeitnehmer der Beklagten, zum Beispiel des Arbeitnehmers A , ignoriert und den Kläger weiterhin verpflichtet, auf einem gesundheitsgefährlichen Arbeitsplatz seinen Flugdienst zu verrichten. Daneben habe der Kläger auch durch die Fluguntauglichkeit einen erheblichen psychischen und persönlichkeitsrechtlichen Schaden im Sinne von § 253 BGB erlitten. Die Beklagte habe vom Kläger und von weiteren Arbeitnehmern eine Vielzahl von Meldungen über Fume-Events und Gesundheitsstörungen erhalten, doch weder auf diese Meldungen reagiert, noch den Kläger oder andere Besatzungsmitglieder über die empfohlenen medizinischen Untersuchungen in Kenntnis gesetzt. Auch die geforderten Meldungen an den Flugzeughersteller habe die Beklagte nach Kenntnis des Klägers in keinem Fall vorgenommen. Obwohl die Beklagte aus Berichten von Flugbesatzungen gewusst habe, dass beim Eindringen von Öldämpfen ins Flugzeug oder in Einzelfällen Sauerstoffmasken verwendet worden seien, habe die Beklagte es unterlassen, den Gebrauch der Sauerstoffmasken für diese Fälle verbindlich vorzuschreiben. Sie habe stattdessen den Eindruck erweckt, dass es bei diesen regelmäßigen Vorfällen jeweils nur um Geruchsbelästigungen gegangen sei. Die Hinweise des Flugzeugherstellers, insbesondere zur Durchführung medizinischer Tests im Falle von Öldämpfen, seien nicht beachtet worden.

Die Beklagte habe ihre Aufklärungs- und Informationspflichten gröblich verletzt. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt die von Gesetz und Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geforderte Gefährdungsanalyse durchgeführt.

Im Jahre 2009 habe der Kläger dann zwar seine Flugtauglichkeit wieder erworben, aber die medizinische Lizenz sei nun mit deutlichen Einschränkungen erteilt worden. Wegen und nach seiner 6-Monate andauernden Erholungsphase, in der der auf dem streitgegenständlichen Flugzeugmuster nicht mehr eingesetzt worden sei, seien nach Arbeitsbeginn alle Beschwerden schneller und stärker als jemals zuvor zurückgekommen (Bl. 381 d. A.).

Mit seiner Klage verlange der Kläger Schadensersatz als Fortkkommensschaden sowie ein angemessenes Schmerzensgeld. Hinsichtlich des Fortkommensschadens sei eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO angezeigt.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei der Anspruch des Klägers auf Erholungsurlaub für das Jahr 2009 begründet. Zwar sei der Kläger nunmehr fluguntauglich, nicht jedoch absolut erwerbsunfähig, denn er sei ohne Weiteres in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten am Boden auszuüben.

Rechtsfehlerhaft habe das Arbeitsgericht die Antragstellung des Klägers auf Beschäftigung am Boden abschlägig geschieden. Die Anforderungen im Hinblick auf die Konkretisierung eines Beschäftigungsantrages dürften nicht überspitzt werden.

Zudem stehe der Kläger auf dem Standpunkt, dass nicht er die Vortrags- und Beweislast dafür habe, dass im Unternehmen am Boden freie Arbeitsplätze vorhanden seien.

Deswegen müsse ihm die Beklagte auch Auskunft über Freibeschäftigungsmöglichkeiten am Boden und deren Einsatzbedingungen mitteilen.

Mit Schriftsatz vom 17.12.2010 hat der Kläger des Weiteren vorgetragen, dass dann, wenn eine Vorsätzlichkeit des Handels der Beklagten nicht bejaht werde, der Rechtsstreit jedenfalls gemäß § 108 SGB VII ausgesetzt werden müsse.

Bezüglich des Urlaubsanspruchs sei nach deutschem Recht keine gesetzliche Bestimmung im Bundesurlaubsgesetz erkennbar, nach der ein nicht einsetzbarer Arbeitnehmer, wie der Kläger, der wegen Fehlen der Flugtauglichkeit seine Arbeitsverpflichtung nicht wahrnehmen könne, nicht dennoch bezahlten Urlaub in Anspruch nehmen könne. § 9 des Bundesurlaubsgesetzes regele lediglich, dass dann wenn ein Arbeitnehmer Initiativ werde und eine Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Zeugnis nachweise, die Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet würden. Auch ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer könne daher seinen Urlaubsanspruch geltend machen.

Der Kläger beantragt unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln 9 Ca 7005/09 vom 26.05.2010

Die Beklagte zu verurteilen, ihm Schadensersatz zu leisten wegen des Fortkommensschadens der wegen des Verlusts der Flugtauglichkeit eingetreten ist und noch eintreten wird und Schmerzensgeld zu leisten in Höhe von mindestens 100.000,00 -, dessen exakte Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird;

Die Beklagte zu verurteilen, ihn tatsächlich mit zumutbarer Arbeit am Boden zu beschäftigen,

Ihm für das Kalenderjahr 2009 den tarifvertraglich geschuldeten Erholungsurlaub zu gewähren,

Für den Fall des Unterliegens mit dem Beschäftigungsantrag:

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages für ein Arbeitsverhältnis am Boden mit Wirkung ab 01.06.2010 zu unterbreiten mit der Maßgabe, dass dem Kläger eine Tätigkeit im Sinne der höchsten Vergütungsgruppe des z. Zt. Geltenden Vergütungsvertrages Boden übertragen wird.

5. Für den Fall des Unterliegens mit dem Urlaubsantrag ihm 30 Urlaubstage beginnend ab 01.06.2010 zu gewähren.

Der Kläger beantragt ferner im Wege der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz

6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der aus der vorsätzlichen Verletzung der Hinweis- und Informationspflichten im Hinblick auf die Gefährdungen an dem Arbeitsplatz des Klägers entstanden sind oder entstehen werden (Bl. 398, 399 d. A.),

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages nach Maßgabe der von ihr üblicherweise verwendeten Arbeitsbedingungen für Bodenbeschäftigte zu machen, das Wirkung ab dem 01.06.2010 hat und dem Kläger Aufgaben überträgt, die er nach einer Einarbeitungszeit und gegebenenfalls nach entsprechender Umschulung wahrnehmen kann (Bl. 404 d. A.).

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft über freie Beschäftigungsmöglichkeiten am Boden und die dortigen Arbeits- und Einsatzbedingungen seit dem zu erteilen (Bl. 416 d. A.).

9. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger Auskunft darüber zu erteilen, welche Arbeitnehmer bei der Beklagten am Boden beschäftigt werden, mit Arbeitsaufgaben, die auch der Kläger wahrnehmen könnte und die noch keinen gesetzlichen Kündigungsschutz haben und äußerst hilfsweise, wie der soziale Besitzstand von am Boden beschäftigten Arbeitnehmern im oben genannten Sinne ist, die keinen gesonderten Kündigungsschutz nach Spezialgesetzen genießen (Bl. 421 d. A.).

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte beruft sich darauf, es bestehe der Verdacht, dass es sich bei dem Kläger um einen "Trittbrettfahrer" handele, der versuche, sich durch das vorliegende Gerichtsverfahren auf Kosten der Beklagten finanzielle Vorteile zu verschaffen. Der Kläger habe kein einziges Mal ein Flugzeug wegen Oil Smell abgelehnt, wozu er verpflichtet gewesen wäre, wenn Ölgeruch bestanden hätte. Der Kläger habe in zahlreichen Gesprächen mit seinen Vorgesetzten über seine Krankheitszeiten kein einziges Mal erwähnt, dass er Ölgeruch im Flugzeug bemerkt habe. Erst nach Einleitung des Gerichtsverfahrens durch seinen Kollegen Herrn A T behaupte der Kläger, Öil Smell erlebt zu haben. Sowohl in der Klageschrift als auch in weiteren Schriftsätzen seien wortgleich Passagen übernommen worden, die offensichtlich mit dem vorliegenden Verfahren nichts zu tun hätten, sondern aus dem Verfahren des Mitarbeiters T stammten.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Berufung sei bereits unzulässig. Denn der Kläger habe sich nicht hinreichend mit dem Inhalt und der Argumentation der arbeitsgerichtlichen Entscheidung auseinandergesetzt. Unzulässig sei insbesondere die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung. Die Klageerweiterungen seien auch nicht sachdienlich. Der Kläger führe insoweit gänzlich neuen Prozessstoff ein, obwohl ihm dies bereits auch erstinstanzlich möglich gewesen sei.

Im Einzelnen stehe dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nicht zu. Einen Gesundheitsschaden habe der Kläger nicht nachgewiesen. Ebenso wenig habe der Kläger eine konkrete Pflichtverletzung der Beklagten und eine entsprechende Kausalität vorzutragen vermocht. Meldepflichten habe die Beklagte nicht verletzt und die Gefährdungsbeurteilungen ordnungsgemäß durchgeführt. In jedem Fall sei ein Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII gegeben, da die Beklagte nicht vorsätzlich gehandelt und vorsätzlich einen Schaden verursacht habe.

Zur Frage des Urlaubsanspruchs hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20.12.2010 ergänzend vorgetragen, dass nach deutschem Recht nach ihrer Ansicht die Gewährung von Urlaub während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen sei. Die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen Schultz-Hoff führe nicht zur Notwendigkeit, eine Änderung der nationalen Rechtsprechung vorzunehmen. Der Urlaubszweck werde verfehlt, wenn Urlaub gewährt würde, während der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt sei. Er könne sich dann weder von der Arbeit erholen, da er vorher nicht gearbeitet habe, noch Entspannung und Freizeit genießen, da er krank sei. Eine Rechtsprechungsänderung würde zu der unerwünschten Konsequenz führen, dass sich Urlaub und Erkrankung nicht mehr gegenseitig ausschlössen, wie dies bisher in § 9 BUrlG festgeschrieben sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die umfangreichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist weitgehend unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Anträge auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie die Anträge auf Beschäftigung am Boden und auf Angebotserteilung auf Abschluss eines Arbeitsvertrages am Boden zurückgewiesen. Auch die diesbezüglich klageerweiternd in der Berufungsinstanz gestellten Anträge sind weder zulässig noch begründet.

Erfolgreich ist die Berufung des Klägers allein insoweit, als es um die Gewährung des Urlaubs für das Jahr 2010 ab dem 01.06.2010 geht.

Der Klageantrag zu 1., mit dem der Kläger unbeziffert Schadensersatz wegen eines sogenannten Fortkommensschadens begehrt sowie ein angemessenes Schmerzensgeld, konnten keinen Erfolg haben.

Soweit der Kläger einen unbezifferten Schadensersatzanspruch geltend macht, fehlt es bereits an der Zulässigkeit des Antrages. Denn bei Klagen auf Leistung einer Geldzahlung gehört es zur Bestimmtheit des Antrages im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, einen konkreten Betrag anzugeben. In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger nicht auf § 287 BGB berufen. Denn auch im Anwendungsbereich des § 287 ZPO bedarf es grundsätzlich eines bezifferten Leistungsantrages (s. Zöller/Greger Zivilprozessordnung, 27. Auflage, § 287 ZPO Randnummer 5). Selbst wenn hiervon im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden, ist es erforderlich, in der Klagebegründung die Berechnung bzw. die Schätzungsgrundlagen umfassend darzulegen und die Größenordnung, zum Beispiel in Form eines Mindestbetrages, anzugeben (s. Zöller/Greger Zivilprozessordnung , 27. Auflage, § 253 ZPO Randnummer 14).

An allem fehlt es im vorliegenden Fall. Hinzu kommt der Umstand, dass der Kläger aus der von ihm abgeschlossenen Fluguntauglichkeitsversicherung eine monatliche Leistung von etwa 2.300,00 - erhält, wie er in der Berufungsverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zu Protokoll gegeben hat. Angesichts dieses Umstandes sowie angesichts der nicht geklärten Frage, ob und welche Tätigkeiten der Kläger zukünftig ausüben kann, fehlen jedenfalls verlässliche Anhaltspunkte für eine Fortkommensschadensberechnung, sodass eine Anwendung des § 287 ZPO nicht möglich ist.

Unabhängig hiervon ist weder der Schadensersatz noch der Schmerzensgeldanspruch des Klägers begründet.

Der Kläger stützt seine diesbezüglichen Ansprüche darauf, dass die Beklagte vorsätzlich Pflichten verletzt und ihn gesundheitlich geschädigt habe. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden.

Dabei kann zugunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Beklagte das Problem der Ölverunreinigung der Kabinenluft nicht in jeder Hinsicht ordnungsgemäß behandelt hat und insoweit Anhaltspunkte für Pflichtverletzungen durchaus gegeben sind. Die Schlussfolgerung der Beklagten, eine Gesundheitsgefährdung durch Ölgeruch im Cockpit bestehe nicht, steht jedenfalls im Widerspruch zu den Bewertungen, die die Arbeitsschutzverantwortlichen der Beklagten abgegeben haben. Beispielhaft sei darauf verwiesen, dass in der Antwort-mail des Herrn Z vom 16.07.2008 festgestellt wird, dass vielfältige Aktivitäten stattgefunden hätten, die sich mit der "durchaus als schwerwiegend erkannten Problematik der Bad Air Quality" beschäftigten. In jener mail heißt es zudem, dass zu wünschen gewesen wäre, dass die Umsetzung mancher Maßnahmen zügiger erfolgt wäre. Insbesondere seitdem der Bericht des Piloten Andreas T vom 13.02.2008 vorlag, bestand für die Beklagte aller Anlass, mit Hochdruck an einer Problemlösung zu arbeiten. Dabei war in dieser mail bereits beschrieben, welche denkbaren Ursachen für das Auftauchen der Kabinenluftverunreinigung in Betracht kamen, nämlich technisch defekte, schadhafte oder verbrauchte Filter oder Fehlbedienung. Letztere hingen damit zusammen, dass die eingesetzten Labyrinthdichtungen konstruktionsbedingt verzögert reagierten, sodass unbedingt eine Wartezeit zwischen dem APU-Start und dem Aufschalten der APU-Bleed eingehalten werden musste.

In dem Flotteinfo 1/2010 wird ausgeführt, dass man mit zahlreichen Modefikationen und Verfahren seit Jahren versuche, das Problemfeld Luftqualität an Bord nachhaltig zu verbessern. Aus dem Flotteninfo geht weiter hervor, dass sich seit Dezember 2009 eine Taskforce mit diesem Thema intensiver beschäftigt. In diesem Flotteninfo wird dann auch eindringlich darauf hingewiesen, dass die Wartezeit zwischen APU-Start und Aufschalten der APU-Bleed eingehalten werden müsse.

All dies unterstreicht, dass es sich entgegen dem Vortrag der Beklagtenseite um ein ernsthaftes Problem handelte. Deutlich wird daran zudem, dass eine Reihe von Maßnahmen, beispielsweise die Einsetzung einer Taskforce, die hervorgehobenen Hinweise auf die Notwendigkeit, eine Wartezeit einzuhalten, wie auch die Sensibilisierung, bei Smell Events Sauerstoffmasken zu benutzen, schon deutlich früher hätten erfolgen können. Denn bereits nach der mail des Herrn T und der Antwort des Herrn Z im Jahr 2008 für ein präventives Handeln gegeben, zumal es schon in der Antwort-mail des Herrn Z hieß, dass man sich eine zügigere Umsetzung mancher Maßnahmen wünsche.

Selbst wenn man in diesem Zusammenhang folglich von Pflichtverletzungen der Beklagten ausgeht, mangelt es jedoch an allen weiteren Voraussetzungen, die für einen Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegeben seien müssten.

Es ist bereits nicht feststellbar, dass Pflichtverletzungen der Beklagten in diesem Zusammenhang zu einem Gesundheitsschaden des Klägers geführt haben könnten. Es ist bereits nicht erkennbar, dass der Kläger von der Verunreinigung der Kabinenluft durch Öl überhaupt betroffen war. Vom Kläger ist kein einziger konkreter Vorfall vorgetragen worden, indem er einen Oil Smell Event gemeldet hätte oder gar die Benutzung eines Flugzeuges wegen Ölgeruchs abgelehnt hätte. Der Kläger hat zudem in der Berufungsverhandlung unstreitig gestellt, dass die Service Information Leaflet in den Flugzeugen jeweils im Cockpit auslagen (Bl. 595 und 596 d. A.), sodass dem Kläger die notwendigen Informationen dazu einschließlich des Hinweises auf gegebenenfalls notwendig werdende medizinische Tests vorlagen. Gleichwohl hat der Kläger keinen konkreten Vorfall datumsmäßig benennen können, für den er einen Smell Event gemeldet oder sich wenigstens gegenüber seinen Vorgesetzten über einen solchen Vorfall geäußert hat. Berücksichtigt man zusätzlich, dass solche Smell Events nicht ständig aufgetreten sind, sondern nach Aussage des Piloten Herrn T vor der Berufsgenossenschaft (Bericht der Berufsgenossenschaft vom 10.06.2009/ Bl. 628 ff. d. A.) an 68 Arbeitstagen und 3 oder 4 Flugstrecken pro Tag insgesamt bei ca. 16 - 17 Flügen Ölgerüche aufgetreten sind, so ergibt sich, dass nur etwa jeder 15. Flug betroffen gewesen sein soll (68 x 3,5 = 238 Flüge, davon 16 oder 17 betroffen).

Von einer Verunreinigung der Kabinenluft gerade in den Fällen, in denen der Kläger geflogen ist, kann daher angesichts des Umstandes, dass er selbst in keinem einzigen Fall konkrete Beschwerde geführt hat, nicht ausgegangen werden.

Es kommt hinzu, dass auch keine zureichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch mögliche - wenige - Verunreinigungsfälle die Gesundheit des Klägers geschädigt geworden ist. Dabei muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass der Kläger ohnehin nur einen kürzeren Zeitraum mit dem Flugmuster A durchgehend geflogen ist, nämlich ab 2005 bis zur ersten Jahreshälfte 2007. In der zweiten Jahreshälfte 2007 war der Kläger fünf Monat arbeitsunfähig, im ersten Halbjahr 2008 in Kur, im zweiten Halbjahr 2008 durchgehend fluguntauglich und seit 2009 ebenfalls fluguntauglich. Eine gesundheitliche Schädigung wäre aber umso eher wahrscheinlich, je häufiger und je länger ein Arbeitnehmer den schädlichen Expositionen durch Ölgerüche ausgesetzt gewesen wäre. Dies kann beim Kläger aufgrund dessen nur kurzfristigen Einsatzes auf dem Flugmuster A nicht festgestellt werden.

Es mangelt weiterhin an einer Kausalität zwischen möglichen Pflichtverletzungen und dem vom Kläger behaupteten Schaden. Wie dargestellt, können die Pflichtverletzungen der Beklagten erst an die gegebenenfalls verzögerte Reaktion und auf die Beschwerde des Herrn T im Februar 2008 angeknüpft werden. Nach diesem Zeitpunkt ist der Kläger jedoch als Pilot aufgrund Kur, Urlaub, Fluguntauglichkeit und Arbeitsunfähigkeit nur noch an wenigen Tagen zum Einsatz gekommen. Pflichtverletzungen der Beklagten können daher nicht ursächlich für die vom Kläger behauptete Gesundheitsschädigung geworden sein.

Schließlich mangelt es an dem nach § 104 SGB VII erforderlichen Vorsatz. Dabei muss nicht nur die Verletzungshandlung, sondern auch der schädigende Erfolg vom Vorsatz erfasst sein. Dies folgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG aus dem Zweck der Vorschriften der §§ 104 SGB VII, § 105 SGB VII. Der Unternehmer und der Arbeitskollege sollen zur Erhaltung des Betriebsfriedens von ihrer Haftung nur in den Fällen nicht freigestellt sein, in denen sie den die Versichertengemeinschaft belastenden Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt haben. Das Versicherungsrecht soll die Haftungsfreistellung nur versagen, wenn die mit dem Unfallversicherungsschutz zusammenhängende Freistellung von der Haftung nicht mehr hinnehmbar erscheint (s. BAG Urteil vom 10.10.2002 - 8 AZR 103/02, NJW 2003, S. 1890).

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte vorsätzlich dem Kläger einen Gesundheitsschaden hat beibringen wollen, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.

Damit mangelt es an allen Voraussetzungen, die für einen Schadensersatz oder Schmerzensgeldanspruch wegen vorsätzlichen Handelns gegeben sein müssten.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Rechtsstreit nicht nach § 108 Abs. 2 SGB VII ausgesetzt. Die vom Kläger im Berufungsverfahren hilfsweise begehrte Aussetzung kam nicht in Betracht.

Die Aussetzungspflicht nach § 108 Abs. 2 SGB VII dient der Durchsetzung der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind die Zivilgerichte an eine sozialrechtliche oder sozialgerichtliche Entscheidung darüber gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist. Die Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII ist folglich nicht unbeschränkt. Sie erstreckt sich darauf, ob ein Versicherungsfall vorliegt (s. BAG Urteil vom 14.12.2006 - 8 AZR 628/05, NZA 2007, S. 262).

Gebunden sind die Ordentlichen und die Arbeitsgerichte ferner an die Feststellung, in welchem Umfang der Geschädigte Leistungen der Unfallversicherungen erhält, welche Leistungsarten er also in welcher Höhe und für welche Dauer beanspruchen kann (s. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Auflage 2011, § 108 SGB VII Randnummer 2).

Nicht gebunden sind die Gerichte an die übrigen Feststellungen eines sozial rechtlichen oder sozial gerichtlichen Verfahrens, insbesondere sind sie in ihrer Beurteilung der durch den Versicherungsfall eingetretenen Schadensfolgen frei (s. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht 11. Auflage 2011 § 108 SGB VII Randnummer 4).

Im vorliegenden Fall besteht unabhängig von einer möglichen Bindungswirkung kein vom Kläger geltend gemachter Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch, sodass eine Aussetzung nicht in Betracht kommt.

Denn soweit ein Versicherungsfall vorliegen sollte, scheitert der Anspruch jedenfalls daran, dass - wie dargelegt - kein Vorsatz in Bezug auf den vom Kläger behaupteten Schaden gegeben ist.

Soweit kein Versicherungsfall gegeben ist, scheitert der Anspruch daran, dass weder eine durch eine Pflichtverletzung der Beklagten herbeigeführte Gesundheitsbeschädigung des Klägers noch die Kausalität eines entsprechenden Handelns der Beklagten für den behaupteten Gesundheitsschaden des Klägers dargetan ist.

Unabhängig von einer möglichen Bindungswirkung besteht daher kein Schadensersatz- oder Schmerzensgeldanspruch des Klägers gegen die Beklagte.

Keinen Erfolg hatte die Berufung des Klägers auch hinsichtlich des Antrages zu 2., mit dem der Kläger die Verurteilung der Beklagten begehrt, ihn tatsächlich mit zumutbarer Arbeit am Boden zu beschäftigen. Der Antrag ist bereits unzulässig. Denn gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein bestimmter Antrag gestellt werden. Daran mangelt es im vorliegenden Fall. Denn es ist nicht erkennbar, auf welchem konkreten Arbeitsplatz der Kläger tatsächlich beschäftigt werden will.

Eine mögliche Verurteilung ist die Grundlage für die Zwangsvollstreckung. Deshalb muss der Antrag so ausreichend bestimmt sein, dass er zur Zwangsvollstreckung geeignet ist. Daran mangelt es, wenn die Beschäftigung in dem Antrag lediglich dahingehend umschrieben wird, dass sie am Boden erfolgen soll und dass sie zumutbar sein soll. Damit ist die Frage, womit der Kläger konkret beschäftigt werden will, gänzlich unbestimmt.

Der Antrag ist darüber hinaus auch unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht zu erkennen.

Auf § 84 SGB IX kann sich der Kläger in diesem Zusammenhang nicht berufen. § 84 Abs. 2 SGB IX verpflichtet den Arbeitgeber bei einem Beschäftigten, der länger als 6 Wochen unterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen ist, ein betriebliches Eingliederungsmanagement zu betreiben. Diese Vorschrift gilt nicht nur für schwerbehinderte sondern auch für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer (s. BAG Urteil vom 12.07.2007 - 2 AZR 716/06, NZA 2008, S. 173 ff.).

Nach dieser Vorschrift hat der Kläger zwar den Anspruch auf Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, nicht jedoch auf eine konkrete (welche?) Beschäftigung am Boden.

Auch aus der Fürsorgepflicht ist im vorliegenden Fall kein Anspruch abzuleiten. Denn dazu hätte es neben anderen Voraussetzungen eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes oder einer entsprechenden freien Arbeitskapazität bedurft, wofür der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet ist (s. BAG Urteil vom 27.08.2008 - 5 AZR 16/08, AP Nr. 124 zu BGB § 615). An einem solchen hinreichend spezifizierten Vortrag des Klägers fehlt es jedoch.

Keinen Erfolg hatte die Berufung ferner hinsichtlich des Klageantrages zu 4, mit dem der Kläger für den Fall des Unterliegens mit dem Beschäftigungsantrag beantragt hat, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages für ein Arbeitsverhältnis am Boden mit Wirkung ab 01.06.2010 zu unterbreiten mit der Maßgabe, dass dem Kläger eine Tätigkeit im Sinne der höchsten Vergütungsgruppe des zurzeit geltenden Vergütungstarifvertrages Boden übertragen wird. Auch dieser Antrag ist unzulässig. Denn es fehlt wiederum an einem ausreichend bestimmten Klageantrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da der Antrag keine genauen Angaben zum Inhalt der arbeitsvertraglich anzubietenden Arbeitsaufgabe macht, sondern selbst die Vergütungsgruppe nur ungenau und variabel mit den Worten "höchste Vergütungsgruppe des zurzeit geltenden Vergütungstarifvertrages Boden" umschreibt. Zu Recht hat das Arbeitsgericht zudem darauf hingewiesen, dass ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag fehlt, weil der Kläger nicht etwa die Annahme eines entsprechenden eigenen Angebots durch die Beklagte verlangt, sondern ein Angebot von ihr erwartet, sich selbst also offen halten will, ob es durch eine entsprechende Annahme seinerseits zu einem Änderungsvertrag kommt oder nicht.

Im Übrigen ist auch dieser Antrag unbegründet, da eine konkrete Anspruchsgrundlage nicht ersichtlich ist und zudem vom Kläger in keiner Weise dargetan ist, welche Arbeiten er aufgrund der von ihm vorgetragenen gesundheitlichen Einschränkungen überhaupt verrichtet werden könnte.

Unzulässig und im Übrigen unbegründet sind darüber hinaus die klageerweiternd in der Berufungsinstanz gestellten Anträge.

Die diesbezügliche Klageerweiterung scheitert bereits an § 533 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist eine Klageerweiterung in der Berufungsinstanz nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und die Klageerweiterung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der Klageerweiterung im Berufungsverfahren widersprochen. Die Klageerweiterung ist nach Auffassung der Kammer nicht sachdienlich. Zudem kann sie nicht auf die Tatsachengrundlage gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hätte. Denn mit den klageerweiternd gestellten Anträgen werden neue Tatsachen in das Verfahren eingeführt, die über den bisherigen Sach- und Streitstand des erstinstanzlichen Verfahrens hinausgehen. So wird mit dem Feststellungsantrag, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Schaden zu ersetzen, der aus vorsätzlicher Verletzung der Informationspflicht entstanden sei, der Schwerpunkt von den Handlungspflichten der Beklagten bei Oil Smell Events auf die Informationspflichten verlagert. Mit dem weiteren Antrag, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages für Bodenbeschäftigte mit Einarbeitung und gegebenenfalls nach Umschulung zu machen, findet eine Erweiterung auf die Notwendigkeit und Zumutbarkeit von Umschulungsmaßnahmen statt. Gänzlich neu sind darüber hinaus die Anträge, Auskunft über freie Beschäftigungsmöglichkeiten am Boden und Auskunft über am Boden beschäftigte Arbeitnehmer, die mit Aufgaben beschäftigt werden, die auch der Kläger wahrnehmen könnte, zu erteilen.

Die Klageerweiterung ist daher gemäß § 533 ZPO unzulässig.

Die Anträge sind im Übrigen unbegründet. Der Antrag, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Schaden zu ersetzen, der aus vorsätzlicher Verletzung der Informationspflichten entstanden sei (Bl. 398 d. A.) scheitert daran, dass eine Kausalität zwischen möglicher Informationspflichtverletzung und einem Gesundheitsschaden des Klägers nicht dargetan ist und zudem - wie bereits dargestellt - Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Pflichtverletzung nicht bestehen.

Der Antrag, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages für Bodenbeschäftigte mit Einarbeitung und gegebenenfalls Umschulung zu machen (Bl. 404 d. A.), kann keinen Erfolg haben, weil er nicht ausreichend bestimmt, das Rechtsschutzbedürfnis fehlt und keine Anspruchsgrundlage einschlägig ist.

Schließlich können die Auskunftsansprüche keinen Erfolg haben, denn insoweit ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Da zudem freie Stellen im Unternehmen der Beklagten ausgeschrieben werden und der Kläger sich auf verschiedene Stellen nach seinem Vortrag auch beworben hat, muss davon ausgegangen werden, dass ausreichende Informationsmöglichkeiten des Klägers bestehen und für einen gesonderten Auskunftsanspruch unter Berufung auf die Fürsorgepflicht und § 242 BGB kein Raum ist.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht schließlich den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Erholungsurlaub für das Jahr 2009 zurückgewiesen. Denn der hierauf gerichtete Antrag war in zeitlicher Lage und hinsichtlich der Dauer des gewünschten Urlaubs zu unbestimmt und daher gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig.

Erfolg hatte die Berufung lediglich hinsichtlich des Antrages des Klägers ihm den Urlaubsanspruch des Jahres 2010 in Höhe von 30 Urlaubstagen beginnend ab dem 01.06.2010 zu gewähren.

Dieser Antrag war ausreichend bestimmt genug. Denn da der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs die Konkretisierungsbefugnis bei der Erteilung des Urlaubs nach § 7 Abs. 1 BUrlG hat, sind auch Klagen statthaft, mit denen der Arbeitgeber zur Gewährung einer bestimmten Menge Urlaub zu einem nach Antragstellung liegenden Zeitpunkt verurteilt werden soll (s. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Dörner 11. Auflage 2011 § 7 BUrlG Randnummer 30; BAG Urteil vom 05.09.2002 - 9 AZR 355/01 NZA 2003, Seite 1400 ff.; BAG Urteil vom 21.02.1995 - 9 AZR 746/93, NZA 1995, Seite 1008 f.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben, denn der Kläger hat sowohl den Zeitpunkt, ab dem der Urlaub gewährt werden soll, nämlich den 01.06.2010, als auch die Dauer des verlangten Urlaubs, nämlich 30 Urlaubstage, in seinem Antrag angegeben.

Der Anspruch ist auch begründet. Trotz der fortbestehenden Fluguntauglichkeit hat der Kläger Anspruch auf die beantragte Urlaubsgewährung. Nach Auffassung der Kammer ist es angezeigt, angesichts der aktuellen Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs zum Urlaubsrecht (EuGH Urteil vom 20.01.2009 - C 350/06 und C 520/06) eine Änderung der nationalen Rechtsprechung auch im Hinblick auf die Frage vorzunehmen, ob Voraussetzung für einen Urlaubsanspruch die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers ist.

Nach der lange Jahre geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt der Anspruch auf Urlaubsgewährung voraus, dass der Urlaubsanspruch erfüllbar sein muss. Diese Voraussetzung wird als nicht gegeben angesehen, wenn der Arbeitnehmer während des beantragten Urlaubszeitraums arbeitsunfähig ist. Dabei wird die Arbeitsfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs gewertet (s. zuletzt BAG Urteil vom 04.05.2010 - 9 AZR 183/09, NZA 2010, Seite 1011 ff.).

Unter Anwendung dieser Auffassung könnte der Urlaubsgewährungsanspruch des Klägers im vorliegenden Fall - wovon das Arbeitsgericht zutreffend ausgeht - keinen Erfolg haben.

An dieser Auffassung kann jedoch im Hinblick auf die Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs zum Urlaubsrecht nicht festgehalten werden.

Die bisherige höchstrichterlich nationale Rechtsprechung beruhte auf zwei Säulen. Sie ging zum Einen davon aus, dass Urlaubsansprüche nur erfüllbar seien, wenn Arbeitsfähigkeit bestehe. Zum Anderen beruhte dieses durch die nationale Rechtsprechung gestaltete Urlaubsrecht auf der zweiten Säule, dass die Urlaubsansprüche, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubszeitraum und im Übertragungszeitraum nicht wieder arbeitsfähig wurde, ersatzlos entfielen.

Die zweite Säule dieser Rechtsprechung ist durch das Urteil des EuGH vom 20.01.2009 (- C - 350/06 und C - 520/06 NJW 2009, Seite 495 ff.) zum Einsturz gebracht worden. Denn in jenem Urteil hat der Europäische Gerichtshof festgehalten, dass Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

Diesem neuen Ansatz ist das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 24.03.2009 - 9 AZR 983/07, NZA 2009 Seite 538 ff.) gefolgt. Die zweite Säule des Urlaubsrechts ist damit ersatzlos entfallen.

Vor diesem Hintergrund kann auch die erste Säule der bisherigen nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach die Urlaubsgewährung die Arbeitsfähigkeit voraussetzt, nicht aufrechterhalten werden.

Aus dem europäischen Recht kann eine solche Voraussetzung, nach der der Arbeitnehmer arbeitsfähig sein müsste, um Urlaub gewährt zu bekommen, nicht abgeleitet werden. In seiner Entscheidung vom 20.01.2009 hat der europäische Gerichtshof vielmehr ausdrücklich festgehalten, dass die Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, der sich im Krankheitsurlaub befindet, während des entsprechenden Zeitraums bezahlten Jahresurlaub nehmen kann (EuGH Urteil vom 20.01.2009 - C - 350/06 und C 520/06, NJW 2009, Seite 495 ff.). Der EuGH führt in jenem Urteil unter Randnummer 41 wörtlich aus:

"Daraus folgt, dass ein Mitgliedsstaat den mit der Richtlinie 2003/88/EG allen Arbeitnehmern unmittelbar verliehenen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub (Urteil BECTU, Randnummern 52 und 53) bei ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmern nicht von der Voraussetzung abhängig machen kann, dass sie während des von diesem Staat festgelegten Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet haben."

In Ziffer 31 des Urteils führt der EuGH wörtlich aus:

"Andererseits steht die Richtlinie 2003/88 auch einzelstaatlich Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, der sich im Krankheitsurlaub befindet, während des entsprechenden Zeitraums bezahlten Jahresurlaub nehmen kann."

Damit ist klargestellt, dass eine Parallelität von Arbeitsunfähigkeit - vom EuGH als Krankheitsurlaub bezeichnet - und Erholungsurlaub europarechtlich möglich ist. Andererseits hält es der europäische Gerichtshof mit europäischen Recht auch für vereinbar, wenn das nationale Recht vorsieht, dass Urlaub während einer Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, unter der Voraussetzung, dass der Urlaubsanspruch dann während eines anderen Zeitraums realisiert werden kann (s. Randnummer 29 des Urteils).

Das für die nationale Rechtsetzung beide Möglichkeiten bestehen, verdeutlicht auch das Urteil des EuGH vom 10.09.2009 - C - 277/08, NZA 2009, Seite 1133 ff.). Hier hat der EuGH unter Randnummer 25 ausgeführt:

"Wenn die Richtlinie 2003/88/EG somit auch einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten nicht entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, der sich im Krankheitsurlaub befindet, während des entsprechenden Zeitraums bezahlten Jahresurlaub nehmen kann (EuGH, NZA 2009 Urteil vom 20.01.2009 Randnummer 31) muss, wie aus Randnummer 22 des vorliegenden Urteils hervorgeht, diesem Arbeitnehmer der Jahresurlaub zu einer andern Zeit gewährt werden, wenn er während dieser Zeit des Krankheitsurlaubs keinen Jahresurlaub nehmen möchte."

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass europäische Rechtsvorschriften es nicht erfordern, die Urlaubsgewährung von einer tatsächlich bestehenden Arbeitsfähigkeit abhängig zu machen.

Gesetzliche Vorschriften des deutschen Rechts erfordern es nicht, den Urlaubsanspruch von der Arbeitsfähigkeit abhängig zu machen. Als einschlägige Norm kommt insoweit nur § 9 BUrlG in Betracht. Nach § 9 BUrlG werden, wenn ein Arbeitnehmer während eines bewilligten Urlaubs erkrankt, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.

Die Rechtsfolge, dass die Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerecht werden, tritt nur ein, wenn der Arbeitnehmer, der während des Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt, dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit anzeigt und durch ein ärztliches Zeugnis, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nachweist. Die Rechtsfolgen hängen also von einer entsprechenden Initiative des Arbeitnehmers ab. Aus § 9 BUrlG kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass ein Nebeneinander von Arbeitsunfähigkeit und Urlaubsgewährung nicht möglich wäre. Nur dann, wenn der Arbeitnehmer initiativ wird und seine Arbeitsunfähigkeit anzeigt und nachweist, tritt die Rechtsfolge der Nichtanrechnung ein.

So liegt es in der Hand des Arbeitnehmers, ob er es bei dem bewilligten Urlaub trotz zwischenzeitlich eingetretener Arbeitsunfähigkeit belässt, oder ob er die Arbeitsunfähigkeit anzeigt und nachweist und dadurch einen Anspruch auf Nachgewährung von Urlaub auslöst. Aus § 9 BUrlG kann daher keine gesetzliche Unvereinbarkeit von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit abgeleitet werden. Das Gesetz überantwortet vielmehr der autonomen Arbeitnehmerentscheidung die Beantwortung der Frage, ob es zu einem Gleichlauf von Urlaubs- und Arbeitsunfähigkeitszeiten kommen soll oder nicht.

§ 9 BUrlG liefert daher letztlich nur ein Argument für den Ansatz, die Urlaubsgewährung von dem Wunsch des Arbeitnehmers abhängig zu machen, unabhängig davon, ob er arbeitsfähig ist oder nicht.

An der nationalen Rechtsprechung, die für die Urlaubsgewährung die Arbeitsfähigkeit voraussetzt (s. BAG Urteil vom 08.02.1994- 9 AZR 332/92, NZA 1994, Seite 853 ff.; ebenso die Instanzengerichte, zum Beispiel LAG Köln Urteil vom 26.01.2009 - 5 Sa 944/08) ist angesichts der durch die EuGH -Rechtsprechung geänderten Rechtslage nicht festzuhalten.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung des BAG, wonach Voraussetzung für einen Urlaubsanspruch die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers war, begann mit der Entscheidung des BAG vom 28.01.1982 (BAG Urteil vom 28.01.1982 - 6 AZR 571/79, AP Nr. 11 zu § 3 BUrlG Rechtsmissbrauch). Mit dieser Entscheidung und der Folgeentscheidung vom 23.06.1983 (- 6 AZR 180/80, AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 14) wurde die Abkehr von der bis dahin geltenden Rechtsmissbrauchsrechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vollzogen.

Die vorher geltende Rechtsmissbrauchsrechtsprechung des BAG ging einerseits davon aus, dass ein Urlaubsverlangen dann rechtsmissbräuchlich sein konnte, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr nicht oder nichts nennenswert gearbeitet hatte (s. BAG Urteil vom 12.01.1967- 5 AZR 321/66, AP Bundesurlaubsgesetz § 3 Rechtsmissbrauch Nr. 4). Andererseits entfiel der Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsanspruch nicht deshalb, weil der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig war oder nach dauernder Arbeitsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war (s. BAG Urteil vom 06.06.1968 - 5 AZR 410/67 AP BUrlG § 3 Rechtsmissbrauch Nr. 5).

Daran wird deutlich, dass die frühere höchstrichterliche Rechtsprechung unter Geltung des Bundesurlaubsgesetzes davon ausgegangen ist, dass sich Arbeitsunfähigkeit und Urlaub nicht ausschließen. Die Rechtsprechungsänderung stieß zunächst auf erhebliche Kritik. Insbesondere wurde kritisiert, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs nunmehr davon abhängig gemacht werde, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig und arbeitsbereit sei (s. Trieschmann Anmerkung zu BAG Urteil vom 23.06.1983 - 6 AZR 180/80 in AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 14).

Zwingende gesetzliche Gründe, Urlaubsansprüche bei Arbeitsunfähigkeit auszuschließen, bestanden daher nicht. Vielmehr war es Anliegen sowohl der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Rechtsmissbrauch wie auch der späteren Rechtsprechungsänderung, dass Anwachsen von Urlaubsansprüchen bei langanhaltender Arbeitsunfähigkeit zu begrenzen. Die frühere BAG Rechtsprechung suchte dazu als Weg das Instrument des Rechtsmissbrauchs, während die spätere Rechtsprechung des BAG auf den Verfall der Urlaubsansprüche nach Ende des Übertragungszeitraums bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit setzte.

Beide Ansätze sind mit dem nunmehr durch den europäischen Gerichtshof vorgegebene Rechtslage nicht mehr zu vereinbaren. Weder kann das Entstehen des Urlaubsanspruchs davon abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer im Kalenderjahr einen Mindestzeitraum gearbeitet hat, noch kann der Urlaubsanspruch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit durch Ablauf des Übertragungszeitraums wieder entfallen. Dann aber ist es folgerichtig, denn Ansatz der Unvereinbarkeit von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit aufzugeben.

Dass eine solche Unvereinbarkeit nicht besteht, ergibt sich auch aus tariflichen Regelungen, die das Bundesarbeitsgericht akzeptiert hat. So war nach § 51 BAT bis zur Änderung des Bundesangestelltentarifvertrages durch den 55. Änderungstarifvertrag vom 09.01.1987 der Arbeitgeber verpflichtet, dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer den restlichen Urlaub abzugelten, auch wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ausgeschieden war. Mit Urteil vom 08.03.1984 hat das BAG (- 6 AZR 560/83, AP Bundesurlaubsgesetz § 7 Abgeltung Nr. 16) trotz seiner zuvor vollzogenen Rechtsprechungsänderung diese Bestimmung für wirksam gehalten und festgestellt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 51 Abs. 1 BAT nicht davon abhänge, dass ein Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis arbeitsfähig sei.

Die für eine Aufrechterhaltung der Unvereinbarkeit von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit von der Beklagten genannten Argumente überzeugen nicht. Soweit darauf abgestellt wird, ein Arbeitnehmer, der bereits wegen Arbeitsunfähigkeit von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit sei, könne nicht aus einem zweiten Grund, dem Urlaub, noch einmal von der Arbeitspflicht befreit werden, so überzeugt dies nicht.

Denn auch in anderen Konstellationen sind doppelte Befreiungen möglich, ohne dass daraus die Konsequenz gezogen würde, dass Urlaub und ein gegebenenfalls vorhandener weiterer Befreiungsgrund sich ausschlössen. Wird zum Beispiel nach Erteilung des Urlaubs für denselben Zeitraum ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz ausgesprochen, entsteht kein Anspruch auf Nachgewährung des nicht realisierten Urlaubs (BAG Urteil vom 09.08.1994 - 9 AZR 384/92, NZA 1995, Seite 174).

Nicht durchgreifend ist auch der Hinweis darauf, die Aufgabe des Ansatzes der Unvereinbarkeit von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit führe zu einem Verstoß des Erholungszwecks des Urlaubs. Denn anerkannt ist, dass der Urlaubsanspruch ein gesetzlicher Anspruch ist, der nicht von einem konkreten Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers abhängt. In seiner Urlaubsgestaltung ist der Arbeitnehmer ohnehin autonom, sodass der Arbeitgeber keinerlei Anspruch darauf hätte, dass der Arbeitnehmer in der Zeit seines Urlaubs nur erholungsfördernde Aktivitäten ergreift.

Dem Gesetzeszweck entspricht es demgegenüber vielmehr, wenn durch die Aufgabe des Dogmas von der Unvereinbarkeit von Urlaub- und Arbeitsunfähigkeit gewährleistet ist, dass der Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr, unabhängig davon, ob er arbeitsunfähig ist oder nicht, bezahlten Erholungsurlaub in Anspruch nehmen kann. Denn das Bundesurlaubsgesetz bezweckt, wie anhand der in § 7 Abs. 3 BUrlG ausgesprochene Bindung des Urlaubs an das Kalenderjahr deutlich wird, dass jährlich Urlaub genommen und dieser nicht etwa aufgeschoben wird. Würde demgegenüber an der bisherigen Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs festgehalten, würde dies speziell bei Langzeiterkrankten zu einer vom Gesetz nicht gewollten Hortung von Urlaubsansprüchen führen.

Bei über mehrere Jahre sich hinziehenden Erkrankungen würde dies am Ende zu einem gehorteten Urlaubsanspruch führen, der leicht den Umfang eines halben Kalenderjahres oder mehr umfassen kann. Damit einhergehend sind für die Arbeitgeber erhebliche bilanzielle Probleme verbunden, weil die ausstehenden, und nicht erfüllten Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankungen bilanzmäßig erfasst und dafür Vorsorge getroffen werden muss. Die Aufsummierung von Urlaubsansprüchen entspricht daher weder dem Zweck des Bundesurlaubsgesetzes, noch den Interessen von Arbeitnehmer oder Arbeitgeber.

Zudem ist in Annahme nicht überzeugend, bei bestehender Arbeitsunfähigkeit könne ein parallel gewährter Urlaub nicht der Erholung dienen. Denn ein Urlaubsaufenthalt während einer Arbeitsunfähigkeit in einer heilungsfördernden Umgebung kann sehr wohl geeignet sein, die Heilung zu beschleunigen und zur Erholung beizutragen.

Wird die Möglichkeit eröffnet, auch während der Arbeitsunfähigkeit Urlaub zu nehmen und zu gewähren, ist die Bindung des Urlaubs an das Kalenderjahr wiederhergestellt. Der Arbeitnehmer ist in der Lage, trotz Arbeitsunfähigkeit Urlaub zu beantragen und bewilligt zu bekommen. Andererseits kann dann auch die Verfallregelung des § 7 Abs. 3 BUrlG angewandt werden. Wird der Urlaub, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist oder nicht, nicht innerhalb des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums genommen, verfällt er. Auf diese Weise ist eine Urlaubsnahme in jedem Kalenderjahr unabhängig von eventueller Arbeitsunfähigkeit möglich, andererseits aber ein Aufsummieren von Urlaubsansprüchen ausgeschlossen.

Dieser Ansatz vermeidet zudem die Zufallsungerechtigkeit, die nach der bisherigen Rechtsprechung darin liegt, dass der Fortbestand eines Urlaubsanspruchs eines erkrankten Arbeitnehmers davon abhängt, ob er auch während des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig bleibt, weil dann nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs der Urlaubsanspruch aufrechterhalten bleibt, oder ob er vor Ende des Übertragungszeitraums gesund wird und dadurch seinen Urlaubsanspruch bei nicht sofortiger fristgerechter Geltendmachung verlieren kann.

Die Urlaubsgewährung an einen arbeitsunfähigen Arbeitnehmer macht zudem gerade dann Sinn, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Arbeitnehmer zwar arbeitsunfähig für die bisher vertraglich vereinbarte Tätigkeit ist (im vorliegenden Fall Fluguntauglichkeit), die Parteien jedoch darüber streiten, ob trotz der gesundheitlichen Einschränkungen ein Arbeitseinsatz an anderer Stellt möglich wäre. Gerade bei einer Streitigkeit über die Reichweite einer Arbeitsunfähigkeit macht es Sinn, die vorbehaltlose Arbeitsbefreiung zu Urlaubszwecken zu erteilen und Urlaub gemäß § 7 BUrlG zu gewähren.

Aus Allem ergibt sich, dass an der Unvereinbarkeit von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit nicht festgehalten werden kann. Der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2010 in Höhe von 30 Urlaubstagen ist daher begründet.

Aus den dargestellten Gründen hatte die Berufung des Klägers zum ganz überwiegenden Teil keinen Erfolg; lediglich hinsichtlich des Urlaubsanspruchs das Jahr 2010 war die Berufung erfolgreich. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat hinsichtlich des Urlaubsanspruchs des Klägers für das Jahr 2010 die Revision für die Beklagtenseite zugelassen, da durch das Urteil von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG abgewichen wurde.

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