23.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113116
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 04.07.2011 – 4 UF 96/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
I.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 11.03.2011 - 11 F 253/09 - wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin, ihr zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
III.
Dem Antragsgegner wird zur Rechtsverteidigung im vorliegenden Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ratenfrei unter Beiordnung der Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei T., H., L-C., D. in U. bewilligt.
Gründe
I.
Die gemäß §§ 621e, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - befristete Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Familiengericht mit überzeugender Begründung den Antrag der Antragstellerin, ihr die alleinige elterliche Sorge für die Bereiche Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und schulische Angelegenheiten für das Kind V. F., geboren am 23.10.2003, zu übertragen, zurückgewiesen.
Auf vorliegendes Verfahren findet gemäß Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG noch altes Verfahrensrecht nach den Vorschriften des FGG bzw. der ZPO in der Fassung bis zum 31.08.2009 Anwendung, da vorliegendes Verfahren vor dem 1.09.2009 eingeleitet worden ist.
Die insoweit zulässige befristete Beschwerde nach § 621e ZPO hat indes in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Übertragung der Teilbereiche der elterlichen Sorge wie von der Antragstellerin beantragt liegen nicht vor. Leben die Eltern - wie vorliegend - getrennt, so ist auf Antrag einem Elternteil die elterliche Sorge insgesamt oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen, wenn der andere Elternteil dem Antrag zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung oder wenn nach § 1671 Abs. 2 Ziffer 2 BGB die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller - hier die Kindesmutter - dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
Da der Kindesvater dem Antrag der Kindesmutter nicht zugestimmt hat, käme vorliegend allenfalls eine Übertragung der begehrten Teilbereiche der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter nach § 1671 Abs. 2 Ziffer 2 BGB in Betracht. Es kann aber nicht festgestellt werden, dass die Übertragung der von der Antragstellerin genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge auf sie alleine kindeswohldienlich ist. Letztlich ist davon auszugehen, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn beide Elternteile auch nach der Trennung noch Verantwortung für ihre gemeinsamen Kinder tragen. Dies entspricht zum Einen der elterlichen Verantwortung und zum Anderen auch dem Kindeswohl, weil hierdurch das Kind am anschaulichsten erfährt, dass auch der Elternteil, bei dem es nicht seinen Aufenthaltsort hat, Sorge für seine Entwicklung trägt.
Nur dann, wenn gravierende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die getrenntlebenden Elternteile nicht über die wesentlichen Belange ihrer Kinder einigen können und auch nicht bereit sind, unter Zuhilfenahme Dritter gemeinsam zum Wohle des Kindes zu handeln, kommt unter Kindeswohlgesichtspunkten eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den antragstellenden Elternteil in Betracht. So liegen die Verhältnisse vorliegend indes nicht. Allein der von der Kindesmutter genannte Umstand, dass der Kindesvater sich in der Vergangenheit wenig um das bei ihr lebende Kind gekümmert habe, rechtfertigt noch keine Entziehung der von der Kindesmutter beantragten Teilbereiche der elterliche Sorge.
Dies gilt insbesondere, soweit es das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft. Hier hat der Kindesvater eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er in keiner Weise in Zweifel zieht, dass das gemeinsame Kind Torben der beteiligten Kindeseltern in der Betreuung der Kindesmutter verbleiben soll. Insoweit besteht schon kein Regelungsbedürfnis. Gerade hier zeigt sich, dass der Kindesvater durchaus gewillt ist, auf die Belange seines Kindes einzugehen. Warum die Kindesmutter gleichwohl eine gerichtliche Regelung insoweit begehrt, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist das Verhalten der Kindesmutter symptomatisch, als auch hinsichtlich der weiteren Teilbereiche der elterliche Sorge keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass der Kindesvater nicht bereit ist, in wesentlichen Fragen der Kinderbetreuung und -erziehung einvernehmlich mitzuwirken. So weist das Familiengericht bereits darauf hin, dass zwar zwischen den Kindeseltern erhebliche Konflikte bestehen, die die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge immer wieder behindert haben, sich aber auf der anderen Seite in der Vergangenheit immer wieder gezeigt hat, dass es trotz der Schwierigkeiten keinerlei konkrete Begebenheiten gegeben hat, in denen der Kindesvater an einer erforderlichen Sorgerechtsentscheidung nicht mitgewirkt hat und die Kindesmutter nicht handlungsfähig gewesen ist. Auch hier sei die Kindesmutter nochmals darauf verwiesen, dass ein bloßes Desinteresse eines Elternteils nicht ausreicht, ihm die elterliche Sorge zu entziehen, wenn in den konkreten Fällen, in denen die Zustimmung des Elternteils zu fordern ist, eine solche auch erreicht werden kann.
Gegen eine Übertragung des Sorgerechts in den genannten Teilbereichen auf die Kindesmutter spricht auch der Umstand, dass die Kindesmutter durchaus damit einverstanden ist, dass das gemeinsame Kind W. beim Kindesvater lebt. Sie gesteht dem Kindesvater damit - auch wenn ihr Vortrag im vorliegenden Sorgerechtsverfahren an sich dagegen steht - in tatsächlicher Hinsicht durchaus genügend Verantwortungsbewusstsein zu, die Betreuung und Erziehung des Sohnes W. eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Es erscheint dem Senat widersprüchlich, wenn die Kindesmutter zum Einen durchaus bereit ist, dem Kindesvater die Betreuung des Sohnes W. einzuräumen, andererseits aber meint, ihm das Verantwortungsbewusstsein für den Sohn V. absprechen zu müssen.
Abschließend sei angemerkt, dass die Kindesmutter konkret nichts dazu vorgetragen hat, inwieweit zu befürchten ist, dass der Kindesvater in Fragen der Gesundheitsfürsorge und schulischer Angelegenheiten von wesentlicher Bedeutung nicht gewillt ist, mitzuwirken. Dabei sei die Kindesmutter daran erinnert, dass in Fragen des alltäglichen Lebens es dem Elternteil obliegt, Entscheidungen zu treffen, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Hierzu zählen auch Fragen des täglichen schulischen Lebens. Hier mag es wünschenswert sein, wenn sich der Kindesvater auch in diesen Bereichen engagiert. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Kindesvater in räumlicher Hinsicht relativ weit entfernt vom Wohnort des Sohnes V. wohnt, so dass der tägliche Kontakt zur Schule sinnvoller Weise über die Mutter erfolgen sollte. Von daher kann es auch nicht als Desinteresse gewertet werden, wenn der Kindesvater sich zum Beispiel nicht an der Auseinandersetzung um die Gruppeneinteilung der neuen Schulklasse auf der weiterführenden Schule beteiligt hat.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Kontakt der Kinder zum Kindesvater nicht so schlecht sein kann, wenn zumindest der Sohn W. sich nunmehr dafür entschieden hat, beim Kindesvater leben zu wollen.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 €.
II.
Im Hinblick auf die Erfolglosigkeit der Beschwerde konnte der Antragsgegnerin keine Prozesskostenhilfe für das von ihr eingeleitete Beschwerdeverfahren bewilligt werden (§§ 114, 115 ZPO).
III.
Dagegen war dem Antragsgegner gemäß §§ 114, 115, 119 ZPO die beantragte ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei T. pp. zu bewilligen.