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27.01.2012

Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 26.09.2011 – 16 TaBV 105/11

1. Bei einer Störung oder Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber steht dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zu.

2. Der Begriff der Behinderung nach § 78 S. 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er erfasst auch Maßnahmen, durch welche die Ausübung der Überwachungspflicht nach § 80 Abs. 1, § 89 Abs. 2 bis 5, 96 BetrVG beeinträchtigt wird.

3. § 80 Abs. 2 BetrVG enthält keine abschließende Regelung dahin, dass sich der Betriebsrat allein über den Arbeitgeber die notwendigen Informationen beschaffen kann. Es kann auch ein Zugangsrecht zum Arbeitsplatz in Betracht kommen. Dieses besteht, um eine Kommunikation zwischen dem Betriebsrat und den dort beschäftigten Mitarbeitern (einschließlich der Vorgesetzten) zu ermöglichen. Soweit diese Kommunikation der Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats dient, ist sie Bestandteil der Betriebsratstätigkeit und darf nicht behindert werden. Die Vertraulichkeit der zwischen dem Betriebsrat und den Beschäftigten geführten Gespräche ist für jede Betriebsratstätigkeit unverzichtbar. Hiermit ist es unvereinbar, wenn der Arbeitgeber in einer E-Mail verlangt, dass Anfragen des Betriebsrats an Mitarbeiter und Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie bzw. cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden, Antworten von Mitarbeitern und Vorgesetzten schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie bzw. cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden, Vorgaben des Betriebsrats bei Anfragen an Mitarbeiter und Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie bzw. cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden.


Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 4.5.2011 - 2 BV 25/10 abgeändert:

Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, entsprechend der Mail des Herrn J, Direktor Produktion, vom 6.9.2010, zu verlangen, dass

a) Anfragen des Betriebsrats an Mitarbeiter oder Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und diese Anfragen in Kopie bzw. "cc" der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden,

b) Antworten von Mitarbeitern oder Vorgesetzten auf Fragen des Betriebsrats schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie bzw. "cc der der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden,

c) Vorgaben des Betriebsrats bei Anfragen an Mitarbeiter oder Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und diese Anfragen in Kopie bzw. "cc" der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats wegen Störung der Betriebsratstätigkeit durch den Arbeitgeber.

Bei dem Arbeitgeber handelt es sich um ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung von Vakuumssystemen befasst und in dem circa 560 Mitarbeiter beschäftigt sind. In dem Unternehmen ist ein Betriebsrat gebildet, der aus 11 Mitgliedern besteht.

Am 6.9.2010 sandte der Produktionsleiter des Arbeitgebers an die im Verteiler namentlich genannten Mitarbeiter und Vorgesetzten unter dem Betreff "Informationsabwicklung" eine E-Mail mit folgendem Inhalt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, dass ich persönlich eine konstruktive, lösungsorientierte Betriebsratsarbeit grundsätzlich unterstütze.

In letzter Zeit stelle ich jedoch immer öfter fest, dass seitens des Betriebsrates bei Vorgesetzten der Fertigung Informationen platziert oder eingeholt werden beziehungsweise Prozesse angestoßen werden, welche üblicherweise über die Bereichsleitung abgewickelt werden sollten.

Da durch oben genannte Vorgehensweise ein gewisses Potenzial an Unsicherheiten und Interpretationsmöglichkeiten entstehen kann, möchte ich Sie zukünftig um folgende Vorgehensweise bitten:

Wenn Informationen eingefordert werden, verlangen Sie bitte eine schriftliche Anforderung mit cc. Bereichsleitung. Die Antworten welche Sie senden geben Sie bitte auch cc. Bereichsleitung.

Sollten seitens des Betriebsrats Vorgaben gemacht werden, fordern Sie diese bitte auch schriftlich mit cc. Bereichsleitung an.

Allgemein möchte ich darauf hinweisen, dass Anweisungen vom Betriebsrat nicht gegeben werden können. Hierzu gibt es im Unternehmen eine Aufbauorganisation/Weisungsbefugnis.

Ich möchte auf keinen Fall falsch verstanden werden und Aufgaben des Betriebsrats be- oder verhindern. Mein Ziel ist es, dass Informationen, gegebenenfalls vervollständigt, weitergegeben werden, so dass bei späteren Diskussionen oder Entscheidungen möglichst nichts falsch interpretiert wird.

Weiterhin ist es mein Ziel, über Probleme beziehungsweise Vorgehensweisen frühzeitig informiert zu sein.

Für weitere Informationen beziehungsweise Diskussionen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

J

Director Production"

Mit Anwaltsschreiben vom 24.9.2010 forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber auf, die in der E-Mail vom 8.9.2010 enthaltene Anweisung rückgängig zu machen, Blatt 10 bis 12 der Akten. Dies lehnte der Arbeitgeber unter dem 5.10.2010 ab, Blatt 13 bis 16 der Akten.

Mit seinem am 9.11.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat der Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit geltend gemacht.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die E-Mail vom 8.9.2010 stelle eine Behinderung der Betriebsratsarbeit gemäß § 78 BetrVG dar. Insbesondere in § 80 Abs. 2 BetrVG werde das dem Betriebsrat zustehende Informationsrecht zur Aufgabenwahrnehmung formuliert. Hierfür müsse es ihm möglich sein, sich ohne Kontrolle durch Dritte ungefiltert Informationen zu beschaffen. Der Betriebsrat könne jede ihm zugängliche Informationsquelle nutzen, auch Gespräche mit Arbeitnehmern an ihrem Arbeitsplatz. Es bleibe dem Betriebsrat überlassen, ob er die Informationen mündlich oder schriftlich einhole. Die in der E-Mail vom 8.9.2010 enthaltene Anordnung behindere die Informationsbeschaffung des Betriebsrats. Jeder der im Betreff genannten Vorgesetzten/Mitarbeiter werde es sich überlegen, ob überhaupt und welche Fragen er wie beantworte, wenn er dies schriftlich formulieren müsse und die Korrespondenz über die Bereichsleitung laufe.

Der Betriebsrat hat beantragt,

dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen entsprechend der Mail des Herrn J, Director Production, vom 6.9.2010 zu verlangen, dass

a) Anfragen des Betriebsrates an Mitarbeiter oder Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und diese Anfragen in Kopie beziehungsweise cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden,

b) Antworten von Mitarbeitern oder Vorgesetzten auf Fragen des Betriebsrats schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie beziehungsweise cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden,

c) Vorgaben des Betriebsrates bei Anfragen an Mitarbeiter oder Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie beziehungsweise cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, eine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit liege nicht vor. Der Betriebsrat berücksichtige nicht, dass die Informationspflicht aus § 80 BetrVG ausschließlich den Arbeitgeber verpflichte Auskünfte zu erteilen. Demzufolge könne er auch festlegen, wer Anfragen des Betriebsrates in welcher Form beantworte. Nur auf diese Weise könne der Arbeitgeber eine sachlich richtige Information des Betriebsrats sicherstellen. In der Wahl seiner Informationsmittel sei der Arbeitgeber frei. Der Betriebsrat habe auch nicht im einzelnen dargelegt, worin hier eine Behinderung seiner Arbeit gesehen werden könnte. Der Produktionsleiter habe in seiner E-Mail eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es ihm lediglich darum gehe möglicherweise unvollständige oder interpretationsfähige Angaben gegenüber dem Betriebsrat und hieraus entstehende Streitigkeiten zu vermeiden. Zu keinem Zeitpunkt habe der Produktionsleiter seine Mitarbeiter aufgefordert, Informationen nicht an den Betriebsrat weiterzugeben. Er habe lediglich wissen wollen, welche Informationen ausgetauscht werden. Es bleibe dem Betriebsrat unbenommen, im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen und sich durch deren Befragung die gewünschten Informationen zu beschaffen. Allerdings seien die Arbeitnehmer nicht verpflichtet, den Betriebsrat zu unterrichten; dies sei Aufgabe des Arbeitgebers.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Durch die E-Mail des Produktionsleiters werde die Betriebsratsarbeit nicht gemäß § 78 BetrVG behindert. Es fehle am Vorliegen einer konkreten Beeinträchtigung der Betriebsratstätigkeit. Der Vortrag des Betriebsrats, dass möglicherweise Mitarbeiter sich dann, wenn der Arbeitgeber eine Information des Schriftverkehrs mit dem Betriebsrat erhalte, nicht mehr trauen würden, unbedarft und ohne Vorbehalte dem Betriebsrat Informationen zukommen zu lassen, reiche nicht aus. Ferner habe der Produktionsleiter in der E-Mail klar zum Ausdruck gebracht, dass er den Betriebsrat nicht einschränken möchte. Schließlich richte sich die Informationspflicht des § 80 Abs. 2 BetrVG an den Arbeitgeber. Infolgedessen könne auch nur er festlegen, wer Anfragen des Betriebsrats in welcher Form beantworte. Darüber hinaus bestehe jederzeit die Möglichkeit für den Betriebsrat, Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen und sich durch deren Befragung die gewünschten Informationen zu verschaffen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 25. Mai 2011 zugestellt worden. Sie hat dagegen mit einem am 7.6.2010 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass eine Behinderung deshalb nicht vorliege, weil der Arbeitgeber mit der streitgegenständlichen E-Mail keine Einschränkung der Betriebsratsarbeit beabsichtigt habe. Hierauf komme es nicht an. § 78 BetrVG schütze den Betriebsrat umfassend und wirke bereits einer weniger einschneidenden Behinderung seiner Amtsausführung entgegen, als dies beispielsweise bei § 23 Abs. 3 BetrVG der Fall sei. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht Störers sei nicht erforderlich. Für den Betriebsrat sei die Kommunikation mit den Mitarbeitern Dreh- und Angelpunkt seiner Tätigkeit. Zwar könne der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG die Information des Arbeitgebers einholen. Er dürfe sich Informationen aber auch auf andere Weise beschaffen, insbesondere durch die Befragung von Arbeitnehmern und Vorgesetzten des Betriebs. Dies sei sowohl zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben nach § 80 BetrVG als auch im Zusammenhang mit der Ausübung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 BetrVG erforderlich. Im übrigen müsse der Betriebsrat bei jeder zu regelnden Materie die Stimmungslage im Betrieb und die Bedürfnisse der Mitarbeiter kennen und in Erfahrung bringen können. Hierfür sei es erforderlich, dass er ungefiltert und ohne Vorzensur durch den Arbeitgeber Informationen der Mitarbeiter/Vorgesetzten erhalte. Vorliegend habe der Arbeitgeber durch die genannte E-Mail versucht, eine generelle Reglementierung beziehungsweise Kontrolle dahingehend vorzunehmen, dass er Kenntnis von sämtlichen Anfragen des Betriebsrats an einen Teil der Mitarbeiter/Vorgesetzten sowie von deren Antworten erhalte. Es sei zu befürchten, dass der Betriebsrat keine Informationen mehr erhalte, wenn diese von seinen Gesprächspartnern schriftlich und zur Kenntnis des Arbeitgebers abgegeben werden müssten. Die Anordnung einer vorherigen Genehmigung von Auskünften durch den Arbeitgeber sei unzulässig. Jeder Arbeitnehmer sei berechtigt, dem Betriebsrat Informationen zu erteilen beziehungsweise sich mit einem Anliegen an diesen zu wenden. Die in der E-Mail getroffene Anordnung stelle eine Kontrolle der Betriebsratstätigkeit dar.

Der Betriebsrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 4.5.2011 -2 BV 25/10- abzuändern und

dem Arbeitgeber aufzugeben, es zu unterlassen entsprechend der Mail des Herrn J, Director Production, vom 6.9.2010 zu verlangen, dass

a) Anfragen des Betriebsrates an Mitarbeiter oder Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und diese Anfragen in Kopie beziehungsweise cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden,

b) Antworten von Mitarbeitern oder Vorgesetzten auf Fragen des Betriebsrats schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie beziehungsweise cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden,

c) Vorgaben des Betriebsrates bei Anfragen an Mitarbeiter oder Vorgesetzte schriftlich formuliert werden müssen und in Kopie beziehungsweise cc der Bereichsleitung zur Kenntnis übermittelt werden.

Der Arbeitgeber beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Zwar kritisiere der Betriebsrat zu Recht, dass für die Frage der Behinderung der Betriebsratsarbeit ein objektiver Maßstab anzulegen sei. Gleichwohl liege hier ein Verstoß gegen § 78 BetrVG nicht vor. Durch die E-Mail des Produktionsleiters sei die Betriebsratsarbeit nicht behindert worden. Der Betriebsrat müsse zur Begründung eines Anspruchs zunächst einmal die Norm benennen, aus der sich die vermeintliche Betriebsratsaufgabe ergibt und sodann unter deren Tatbestandsmerkmale subsumieren. Daran fehle es. Die Nennung verschiedener Normen des Betriebsverfassungsgesetzes reiche hierfür nicht aus. Der Betriebsrat lege keine konkreten Aufgaben dar, an deren Ausübung er gehindert worden sei. Der Betriebsrat meine, er könne sein Informationsrecht aus § 80 BetrVG bei jedem Mitarbeiter geltend machen. Dabei berücksichtige er nicht, dass Adressat der Informationspflicht ausschließlich der Arbeitgeber sei. Demzufolge könne auch der Arbeitgeber festlegen, wer Anfragen des Betriebsrats in welcher Form beantworte. Nur auf diese Weise könne der Arbeitgeber eine sachlich richtige Information sicherstellen. Der Produktionsleiter habe seine Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt aufgefordert, Informationen nicht an den Betriebsrat weiterzugeben. Er habe lediglich wissen wollen, welche Informationen ausgetauscht werden. Es bleibe dem Betriebsrat unbenommen, im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen und sich durch deren Befragung die gewünschten Informationen zu beschaffen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der Anhörungen Bezug genommen.

II. 1. Die Beschwerde ist statthaft, § 87 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 Arbeitsgerichtsgesetz.

2. Die Beschwerde ist begründet.

a) Der Antrag des Betriebsrats ist dahin auszulegen, dass mit "Mitarbeiter oder Vorgesetzte" diejenigen gemeint sind, an die die E-Mail vom 6.9.2010 ausweislich ihres Verteilers versandt wurde. Dies ergibt sich aus dem einleitenden Halbsatz "entsprechend der Mail des Herrn J, Director Production, vom 6.9.2010". Soweit im Klageantrag unter c) "Vorgaben des Betriebsrats" genannt werden, gibt dies eine entsprechende Formulierung des Arbeitgebers in der E-Mail vom 6.9.2010 wieder. Im hier gegebenen Zusammenhang sind darunter Vorgaben in Bezug auf die Einhaltung der in § 80 Abs. 1 Nr. 1 und § 89 Abs. 1 BetrVG genannten Vorschriften zu verstehen.

b) Dem Betriebsrat steht bei einer Störung oder Behinderung der Betriebsratsarbeit durch den Arbeitgeber ein Unterlassungsanspruch zu. Ein solcher Anspruch ist in § 78 S. 1 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt. Er folgt jedoch aus dem Zweck der Vorschrift, die Erfüllung von Betriebsratsaufgaben zu sichern und kann als selbstständig einklagbarer Nebenleistungsanspruch auch ohne ausdrückliche gesetzliche Normierung bestehen (Bundesarbeitsgericht 12.11.1997-7 ABR 14/97-AP Nr. 27 zu § 23 BetrVG 1972, Randnummer 14).

c) Das vom Betriebsrat beanstandete Verhalten des Arbeitgebers stellt eine Behinderung seiner Amtstätigkeit dar. Der Begriff der Behinderung nach § 78 S. 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er umfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit. Ein Verschulden oder eine Behinderungsabsicht des Störers ist dazu nicht erforderlich. Eine Behinderung kann auch bereits in Äußerungen des Arbeitgebers zur Betriebsratsarbeit und deren Folgen liegen (Bundesarbeitsgericht 12.11.1997-7 ABR 14/97-AP Nr. 27 zu § 23 BetrVG 1972, Randnummer 12). In der Literatur ist anerkannt, dass Maßnahmen, durch welche die Ausübung der Überwachungspflicht nach § 80 Abs. 1, § 89 Abs. 2 bis 5, § 96 BetrVG beeinträchtigt wird, eine Behinderung der Betriebsratsarbeit darstellen (Fitting, BetrVG, 25. Auflage, § 78 Randnummer 9; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 12. Auflage, § 78 Randnummer 14; Richardi, BetrVG, 12. Auflage, § 78 Randnummer 15; GK-BetrVG, 8. Auflage, § 78 Randnummer 27). § 80 Abs. 2 BetrVG gewährt dem Betriebsrat ein umfassendes, d.h. erschöpfendes Informationsrecht gegenüber dem Arbeitgeber, damit er gegenüber den Arbeitnehmern die ihm obliegende soziale Schutzfunktion erfüllen kann. § 80 Abs. 2 BetrVG enthält keine abschließende Regelung dahin, daß sich der Betriebsrat allein über den Arbeitgeber die notwendigen Informationen beschaffen kann. Es kann auch ein Zugangsrecht zum Arbeitsplatz in Betracht kommen. Der Zweck des Zugangs zum Arbeitsplatz und seinem Umfeld muß allerdings auf die Erfüllung der zugrunde liegenden Aufgaben bezogen sein (BAG 17.1.89 - 1 AZR 805/87 - AP Nr. 1 zu § 2 LPVG NW, Rn. 30). Das Recht des Betriebsrats auf Zugang zu den Arbeitsplätzen besteht, um eine Kommunikation zwischen dem Betriebsrat und den dort beschäftigten Mitarbeitern (einschließlich der Vorgesetzten) zu ermöglichen. Soweit diese Kommunikation der Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats dient, ist sie Bestandteil der Betriebsratstätigkeit und darf nicht durch Maßnahmen des Arbeitgebers behindert werden. Die Vertraulichkeit der zwischen dem Betriebsrat und den Beschäftigten geführten Gespräche ist für jede Betriebsratstätigkeit unverzichtbar. Wenn der angesprochene Mitarbeiter weiß oder auch nur befürchten muss, dass Gesprächsinhalte zur Kenntnis des Arbeitgebers gelangen, kann dies Auswirkungen auf seine Gesprächsbereitschaft haben. Es ist nicht auszuschließen, dass er befürchtet, ihm könnte hieraus ein Nachteil in seinem Arbeitsverhältnis drohen.

Durch die in der E-Mail des Produktionsleiters J vom 6.9.2010 getroffene Anordnung gegenüber dem Adressatenkreis der E-Mail, Anfragen beziehungsweise Vorgaben des Betriebsrats (nur noch) schriftlich mit cc Bereichsleitung entgegenzunehmen und die Antworten ebenfalls dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu geben wird die Betriebsratstätigkeit nach § 78 BetrVG behindert. In Bezug auf den im Verteiler der E-Mail genannten Personenkreis wird die vertrauliche Kommunikation mit dem Betriebsrat hinsichtlich der Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1, § 89 BetrVG beeinträchtigt. Der Betriebsrat ist berechtigt - unabhängig von der Auskunftspflicht des Arbeitgebers nach § 80 Abs. 2 BetrVG - Mitarbeiter und Vorgesetzte direkt in Bezug auf die genannten Aufgaben anzusprechen und um Informationen zu bitten. Die in der E-Mail vom 6.9.2010 enthaltene Verpflichtung der Gesprächspartner zur Weitergabe der Anfragen des Betriebsrats an den Arbeitgeber sowie zur Mitteilung der gegebenen Antworten an den Arbeitgeber erschwert die Informationsgewinnung des Betriebsrats. Das Verhalten des Arbeitgebers ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil es der Vermeidung von Missverständnissen dienen sollte. Die Kommunikation zwischen dem Betriebsrat und der Belegschaft, zu der auch Vorgesetzte gehören, ist in Bezug auf Vertraulichkeit gegenüber dem Arbeitgeber absolut zu schützen. Ansonsten ist die Interessenwahrnehmung durch den Betriebsrat in ihrem Kern verletzt. Auch wenn der Arbeitgeber möglichst früh wissen möchte, welche Informationen sich der Betriebsrat gerade verschafft, ist es im Hinblick auf die Vertraulichkeit der Informationsgewinnung hinzunehmen, dass Missverständnisse gegebenenfalls erst dann vom Arbeitgeber ausgeräumt werden können, wenn der Betriebsrat mit falsch verstandenen Informationen oder fehlerhaften Beurteilungen an ihn herantritt.

Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen, eine Organisationsanweisung zu erlassen, in der im einzelnen festgelegt wird, wer die arbeitgeberseitigen Ansprechpartner des Betriebsrats für welche Fragen sind und in welcher Form die Kommunikation zu erfolgen hat. Unabhängig hiervon ist der Betriebsrat jedoch -wie ausgeführt- zur Wahrnehmung seiner Aufgaben, insbesondere nach § 80 Abs. 1 BetrVG, befugt sämtliche Beschäftigten (Mitarbeiter und Vorgesetzte) an ihrem Arbeitsplatz aufzusuchen und in gegenüber dem Arbeitgeber vertraulichen Gesprächen Informationen einzuholen.

III. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsgerichtsgesetz.

VorschriftenBetrVG § 78, BetrVG § 80 Abs. 2

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