08.02.2012
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 27.10.2011 – 10 Sa 309/11
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. März 2011, Az.: 7 Ca 1569/10, teilweise abgeändert und die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 85 % und die Beklagte 15 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 17.09.2010.
Der Kläger (geb. am 07.06.1970, verheiratet, ein Kind) wurde ab 01.09.2007 von der A. als Leiter der Abteilung Einkauf zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 5.533,00 eingestellt. Am 18.12.2007 wurde ihm Handlungsvollmacht erteilt. Sein unmittelbarer Vorgesetzter war der Finanzdirektor. Dem Kläger selbst waren drei Sachbearbeiterinnen, u.a. Frau Z., unterstellt. Zum 01.05.2010 ist das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte, die neue Betriebsgesellschaft des A., übergegangen. Die Beklagte beschäftigt rund 500 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.
Einige Arbeitnehmer der Beklagten haben aufgrund ihrer Arbeitsverträge Anspruch auf Gestellung eines Dienstwagens auch zur Privatnutzung. In diesem Fall trägt die Beklagte alle Kosten, die für den Pkw anfallen (u.a. Versicherung, Steuer, Leasingrate, Treibstoff). Die Arbeitnehmer haben den geldwerten Vorteil zu versteuern. Den anderen Arbeitnehmern räumt die Beklagte - vor dem 01.05.2010 die A. - die Möglichkeit ein, ein Fahrzeug zu einem vergünstigten Preis zu leasen. In diesem Fall müssen die Arbeitnehmer alle Fahrzeugkosten selbst zahlen. Die Abwicklung erfolgt über die Abteilung Einkauf, die der Kläger leitete.
Für beide Modelle (Dienstwagengestellung oder Mitarbeiterleasing) sind unterschiedliche Musterverträge hinterlegt, die mit den entsprechenden Daten zu ergänzen und vom Mitarbeiter sowie von Vertretungsberechtigten der Beklagten zu unterzeichnen sind. In der Formularvereinbarung zum Mitarbeiterleasing (Bl. 47/48 d.A.) ist u.a. folgendes geregelt:
"§ 1
Die A. überlässt dem Arbeitnehmer ab dem X im Wege des Überlassungsvertrags das Leasingfahrzeug, Typ X, amtliches Kennzeichen X, zur uneingeschränkten dienstlichen und privaten Nutzung.
...
§ 3
Als Ausgleich für die Überlassung des Fahrzeuges verpflichtet sich der Arbeitnehmer, zur Übernahme der monatlichen Leasingraten für das Fahrzeug in Höhe von € X inkl. gesetzlicher Mehrwertsteuer, beginnend mit dem Monat X. Die monatlichen Leasingraten werden direkt vom Arbeitnehmer an die X.-Leasing gezahlt. Darüber hinaus wird eine Verwaltungskostenpauschale in Höhe von € 200,00 zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer mit Bereitstellung des Fahrzeugs fällig und von der A. berechnet.
§ 4
Der Arbeitnehmer trägt sämtliche für das Fahrzeug anfallende Kosten, insbesondere die für das Fahrzeug anfallenden Kosten einer von der A. abzuschließenden Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung. Die anfallende Kfz-Steuer hat der Arbeitnehmer selbst zu tragen.
..."
Der Kläger hatte keinen vertraglichen Anspruch auf Gestellung eines Dienstwagens zur Privatnutzung. Er bestellte sich im Jahr 2010 ein Leasingfahrzeug der Marke X., das er noch vor dem Betriebsübergang am 21.04.2010 übernahm. Halterin des Fahrzeugs ist die A.. Eine schriftliche Vereinbarung zum Mitarbeiterleasing schloss der Kläger nicht. Er zahlte jedoch die monatlichen Leasingraten direkt an die X.-Leasing GmbH. Eine Einzugsermächtigung von seinem Privatkonto für die Kfz-Steuer und die Kfz-Versicherung erteilte er nicht.
Die Beklagte beabsichtigte, sich vom Kläger zu trennen. Am 07.09.2010 fand zwischen den Parteien ein Gespräch statt, in dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 unter Freistellung von der Arbeitspflicht im Raum stand. In den Tagen nach diesem Gespräch fragte der Kläger bei Frau Y., der Teamleiterin Personalwesen, nach, wann er den X. abgeben soll.
Mit Schreiben vom 15.09.2010 (Bl.42/43 d.A.) hörten Frau Y. und Herr W., der Bereichsleiter Kunden-Service, den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Klägers an. Sie verwendeten Briefpapier der beklagten A. und unterzeichneten "Mit freundlichen Grüßen - A. - Personalabteilung". Das Anhörungsschreiben hat folgenden Wortlaut:
"... im Zuge der Ausarbeitung einer Abwicklungsvereinbarung, die wir mit Herrn C. im Anschluss an die ursprünglich beabsichtigte ordentliche Kündigung zum 31.12.2010 schließen wollten, ist ein Sachverhalt bekannt geworden, der uns veranlasst, das Arbeitsverhältnis zwischen der A. und Herrn C. aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos und lediglich hilfsweise bzw. ersatzweise fristgerecht zu kündigen. ...
Herr C. hat sich im April 2010 im Rahmen eines Privatleasingangebots einen Pkw ausgesucht und bestellt. Alle Kosten, die für dieses Fahrzeug anfallen, sind somit von Herrn C. privat zu tragen (Leasing-Rate, Kfz-Steuer, Versicherung etc.). Denn Herr C. hatte im Arbeitsvertrag keine Zusage für einen Dienstwagen erhalten. Dennoch hat Herr C. seine Mitarbeiterin Frau Z. angewiesen, ihm eine Einzugsermächtigung der A. für das Finanzamt zur Zahlung der Kfz-Steuer auszufüllen und mit zu unterschreiben. Des Weiteren hat Herr C. sein Fahrzeug der Firmen-Pkw-Versicherung gemeldet, so dass auch dieser Betrag vom Arbeitgeber getragen wurde. Herr C. hatte keinerlei Berechtigung diese Kosten freizugeben, da es sich um sein privates Auto handelte.
Herr C. hat sich damit einen Vorteil erschlichen, der ihm nicht zusteht. Er hat, obwohl ihm bekannt war, dass über das Privatleasing schriftliche Vereinbarungen abgeschlossen werden, in seinem eigenen Fall darauf verzichtet. Er hat, obwohl ihm arbeitsvertraglich kein Anspruch auf ein Dienstfahrzeug zusteht, die Kfz-Versicherung und Kfz-Steuer nicht selbst getragen, sondern aktiv dafür gesorgt, dass die A. mit den Kosten belastet wird. Er hat dazu eine ihm unterstellte Mitarbeiterin angewiesen, eine Einzugsermächtigung mit zu unterzeichnen. Dieses Verhalten erachten wir als besonders verwerflich, weil diese Mitarbeiterin von ihm in die Selbstbegünstigung mit hineingezogen wurde. Dieser Sachverhalt ist uns am 13.09.2010 bekannt geworden. ..."
Mit Schreiben vom 17.09.2010, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, vorsorglich ordentlich. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 27.09.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Außerdem verlangte er die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, der frühere Finanzdirektor der A., Herr U., habe ihm Anfang 2009 in Aussicht gestellt, dass beim Auslaufen des Mitarbeiterleasingvertrages für den X., den er damals fuhr, eine Dienstwagenvereinbarung getroffen werden könnte. Nachdem Herr U. aus dem Unternehmen ausgeschieden sei, habe er sich wegen der Dienstwagenproblematik an den damaligen Personalleiter, Herrn T., gewandt. Herr T. habe ihm erklärt, dass er das Thema mit seinem neuen Chef besprechen solle. Sein neuer Vorgesetzter, Herr W., habe diverse Terminswünsche abschlägig beschieden und erst im Juli 2010 mit ihm ein Gespräch geführt. Er, der Kläger, habe ihm seine Kalkulation für das Mitarbeiterleasing und das Dienstwagenmodell offengelegt. Herr W. habe das Gespräch mit der Zusage beendet, sein Anliegen zu prüfen und alsbald auf ihn zuzukommen. Bis zum Ausspruch der Kündigung habe er von Herrn W. keine Antwort auf die Frage erhalten, ob ihm das Fahrzeug als Dienstwagen oder im Rahmen des Mitarbeiterleasings zur Verfügung gestellt werde. Bis zur Kündigung habe die Beklagte keinen Cent für den X. gezahlt und dementsprechend auch keine Kosten weiterberechnet. Lediglich aufgrund der noch nicht geklärten Frage, ob der X. als Dienstwagen oder wiederum nur im Mitarbeiterleasing überlassen werde, sei die Vereinbarung über die Kfz-Nutzung nicht unterzeichnet worden. Wenn es zur Einigung gekommen wäre, wäre der eine oder andere Vertrag ausgefertigt worden. Dass die Beklagte diese Entscheidung nicht getroffen habe, könne ihm nicht angelastet werden.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 17.09.2010 beendet wird,
die Beklagte zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.03.2011 vorgetragen, die Kfz-Steuer in Höhe von € 365,00 sei am 01.06.2010 per Lastschrift von einem Konto der A. abgebucht worden, die ihr den Betrag weiter belastet habe. Die Kfz-Versicherungsprämie in Höhe von jeweils € 246,25 pro Quartal 2010 sei auf gleiche Weise von ihr gezahlt worden.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.03.2011 (dort Seite 3-7 = Bl. 100 -104 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.03.2011 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die fristlose Kündigung vom 17.09.2010 sei unwirksam, weil die Beklagte die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht nachgewiesen habe. Sie habe im Schriftsatz vom 28.10.2010 ausgeführt, die zuständige Mitarbeiterin der Personalabteilung habe nach dem 10.09.2010 von den Kündigungsgründen Kenntnis erlangt. Als Beweis hierfür habe sie das Anhörungsschreiben an den Betriebsrat vom 15.09.2010 vorgelegt. In diesem Schreiben heiße es, der Sachverhalt sei am 13.09.2010 bekannt geworden. Im Schriftsatz vom 17.02.2011 habe die Beklagte ohne Beweisantritt vorgetragen, die Pflichtverletzungen hätten sich "Anfang September" herausgestellt. Auch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 17.09.2010 sei nicht gerechtfertigt. Die Kündigungsvorwürfe bezögen sich auf Belastungen der Beklagten mit Kosten der Kfz-Versicherung und der Kfz-Steuer für den vom Kläger im April 2010 übernommenen X.. Hinsichtlich der Kfz-Versicherung fehle es an der Darlegung eines kündigungsrelevanten Fehlverhaltens. Die Kfz-Versicherung werde über die A. abgeschlossen, die im Außenverhältnis Versicherungsnehmerin sei. Der Kläger habe zu seiner Rechtfertigung vorgetragen, dass bei den bisherigen Fahrzeugen eine Weiterberechnung der zunächst von der A. getragenen Kosten an ihn erfolgt sei. Hierzu hätte die Beklagte weitergehend vortragen müssen. Soweit es um den konkreten Vorwurf gehe, der Kläger habe seine Mitarbeiterin Z. angewiesen bzw. "gebeten", eine Einzugsermächtigung zu Lasten der Beklagten (bzw. der A.) auszufüllen und ihn auf diese Weise zu begünstigen, fehle es an einer widerspruchsfreien Darlegung des Kündigungsgrundes. Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 23.03.2011 sei verspätet und deshalb bei der Entscheidungsfindung nicht zu berücksichtigen. Wegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 8 bis 13 des erstinstanzlichen Urteils vom 24.03.2011 (Bl. 105-110 d.A.) Bezug genommen.
Das genannte Urteil ist der Beklagten am 06.05.2011 zugestellt worden. Sie hat mit am 03.06.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz teilweise Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 08.08.2011 verlängerten Begründungsfrist am 05.08.2011 begründet. Die Verurteilung auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat sie nicht angegriffen.
Die Beklagte trägt vor, sie habe die Kündigung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt. Sie habe bereits in der Klageerwiderung vom 28.10.2010 vorgetragen, die zuständige Mitarbeiterin der Personalabteilung, Frau Y., habe nach dem 10.09.2010 entdeckt, dass sich der Kläger Vergünstigungen eingeräumt habe. Der Kläger habe nach dem Personalgespräch vom 07.09.2010 bei Frau Y. nachgefragt, wann er den Pkw zurückgeben soll. Daraufhin habe sich Frau Y. am 13.09.2010 in der Abteilung Einkauf nach den Fahrzeugunterlagen erkundigt und das Nichtvorliegen einer Nutzungsvereinbarung festgestellt. Bei Sichtung der Unterlagen habe sie außerdem festgestellt, dass in der Einzugsermächtigung für das Finanzamt (Bl. 125 d.A.) die Kontonummer der A. angegeben worden sei. Sie habe daraufhin Frau Z. um eine Erklärung gebeten, warum hier nicht die private Kontonummer des Klägers aufgeführt worden sei. Frau Z. habe ihr geantwortet, der Kläger habe dies so gewollt. Da sie ihm direkt unterstellt gewesen sei, habe sie dies als Weisung angesehen und auch nicht weiter hinterfragt. Das Gleiche gelte für die Kfz-Versicherung. Sie habe den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört. Der Betriebsratsvorsitzende habe am 16.09.2010 per E-Mail mitgeteilt, dass es gegen die außerordentliche Kündigung keine Einwände gebe (Bl. 202 d.A.). Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beklagten vom 05.08.2011 (Bl. 172-179 d.A.) und vom 21.10.2011 (Bl. 198-201 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.03.2011, Az.: 7 Ca 1569/10, teilweise abzuändern und die Kündigungsschutzklage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 08.09.2011 (Bl. 187-190 d.A.), auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die Beklagte habe die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Alle Vorwürfe, die man ihm gegenüber erhebe, seien den Entscheidungsträgern der Beklagten viel länger bekannt gewesen, insbesondere hätten Herr W., Herr T. und Frau Z. über die Situation Bescheid gewusst. Die Kündigung sei auch in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung unwirksam. Die Beklagte habe unsubstantiiert behauptet, der Betriebsratsvorsitzende habe nach entsprechender Beschlussfassung am 16.09.2010 mitgeteilt, dass seitens des Betriebsrates auch gegen eine außerordentliche Kündigung keine Einwände bestünden. Es habe keine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung stattgefunden. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Es habe allenfalls eine vorläufige Meinungsbildung des Betriebsrates vorgelegen. Die Anhörung sei auch deshalb unwirksam, weil sie ausweislich des Inhalts des Anhörungsschreibens nicht durch seine Arbeitgeberin, sondern durch die A. erfolgt sei. Der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 21.10.2011 sei verspätet.
Ergänzend wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zu den Sitzungsniederschriften getroffenen Feststellungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach § 64 ArbGG an sich statthaft. Die Berufung wurde gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und auch inhaltlich ausreichend begründet. Gegen die erstinstanzliche Verurteilung auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses wendet sich die Berufung nicht.
II. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.09.2010 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb teilweise abzuändern.
1. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.09.2010 beruht auf einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Fall war es der Beklagten unzumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.12.2010 fortzusetzen.
Bereits unter Zugrundelegung der eigenen Ausführungen des Klägers in Verbindung mit dem unstreitigen Sachverhalt liegt zur Überzeugung der Berufungskammer eine schwere, die Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigende Pflichtverletzung des Klägers vor.
Der Kläger hat sich am 21.04.2010 ein Leasingfahrzeug der Marke X. zur privaten Nutzung aushändigen lassen, ohne mit der A., der Halterin des Fahrzeugs, eine schriftliche Vereinbarung zum Mitarbeiterleasing abzuschließen und ohne eine Einzugsermächtigung von seinem Privatkonto für die Kfz-Steuer und -Versicherung zu erteilen. Als Leiter der Abteilung Einkauf war der Kläger für die Abwicklung der Fahrzeugüberlassung - entweder aufgrund Dienstwagengestellung oder aufgrund Mitarbeiterleasings - zuständig. Er hat seine Stellung ausgenutzt, um sich ein Leasingfahrzeug aushändigen zu lassen, ohne einen Nutzungsvertrag abzuschließen und eine Einzugsermächtigung für sein Privatkonto zu erteilen. Erschwerend kommt hinzu, dass er auf der Einzugsermächtigung für die Kfz-Steuer (Bl. 125 d.A.) die Bankverbindung der A. angegeben hat, obwohl er dazu verpflichtet war, seine eigene Kontonummer anzugeben. Diese Selbstbegünstigung stellt eine erhebliche arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Der Kläger hat durch sein Verhalten das Vermögen seines Arbeitsgebers unmittelbar vorsätzlich geschädigt oder doch gefährdet. Dabei kommt es nicht auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch.
Es ist unerheblich, dass der Kläger bei verschiedenen Personen wiederholt beantragt hat, ihm einen Dienstwagen zur Privatnutzung zu gewähren. Entscheidend ist, dass dem Kläger von keinem dieser Herren eine Zusage erteilt worden ist. Auch Herr W., der am 01.06.2010 bei der Beklagten eingetreten ist, hat sich lediglich dahin geäußert, dass er das Anliegen prüfen und dann auf den Kläger zukommen wolle. Da der Kläger keinen vertraglichen Anspruch auf einen Dienstwagen hatte, hätte er weiterhin am Mitarbeiterleasing teilnehmen müssen. Auch der Umstand, dass der Kläger eine gelbe Mappe auf den Schreibtisch des Herrn W. mit einer "Fahrzeugkalkulation" gelegt hat, vermag ihn nicht zu entlasten. Der Kläger konnte nicht ernsthaft annehmen, er sei berechtigt, das Fahrzeug ohne Abschluss eines Mitarbeiterleasingvertrags zu nutzen, bis eine hierzu befugte Person über seinen wiederholt gestellten Antrag, mit ihm einen Dienstwagenvertrag abzuschließen, eine definitive Entscheidung getroffen hat. Solange er noch keine Antwort auf seinen Wunsch erhalten hat, ihm einen X. als Dienstwagen zur Verfügung zu stellen, hätte der Kläger das Fahrzeug nicht nutzen dürfen, weil er keinen Mitarbeiterleasingvertrag abgeschlossen hat. Wenn ihm das Mitarbeiterleasing aufgrund seiner angestellten Kalkulation unlukrativ erschien, hätte sich der Kläger auf dem allgemeinen Kfz-Markt ein Fahrzeug beschaffen können. Er durfte jedoch seine Position als Leiter des Einkaufs nicht dazu missbrauchen, ein Leasingfahrzeug der A. ohne Nutzungsvereinbarung zu fahren.
Der Kläger kann sich auch nicht damit entlasten, dass der Beklagten noch keine Kosten entstanden seien. Sollte sich der Schaden im Kündigungszeitpunkt noch nicht realisiert haben, wäre jedenfalls von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung auszugehen. Es bedurfte deshalb keiner Beweisaufnahme über die Behauptung der Beklagten, die Kfz-Steuer in Höhe von € 365,00 sei am 01.06.2010 per Lastschrift von einem Konto der A. abgebucht worden, die ihr den Betrag weiterbelastet habe. Die Kfz-Versicherungsprämie in Höhe von € 246,25 pro Quartal 2010 sei auf gleiche Weise von ihr bezahlt worden. Ob das Arbeitsgericht dieses Vorbringen zu Recht als verspätet zurückgewiesen hat, kann dahinstehen. Es wäre nämlich Sache des Klägers gewesen, substantiiert vorzutragen, wann und in welcher Höhe er die Prämie für die Kfz-Versicherung und die Kfz-Steuer gezahlt hat.
Der Kläger hat sich unter Überschreitung seiner Handlungsvollmacht Vergünstigungen eingeräumt, auf die er keinen Anspruch hat. Dieses Verhalten war geeignet, dass für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen der Beklagten zu zerstören. Diese war auch nicht auf das mildere Mittel einer Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung zu verweisen. Zwar ist auch bei Störungen im Vertrauensbereich das Abmahnungserfordernis stets zu prüfen und eine Abmahnung jedenfalls dann vor Ausspruch der Kündigung erforderlich, wenn ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht und erwartet werden kann, dass das Vertrauen wiederhergestellt wird. Vorliegend war eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte - auch für den Kläger erkennbar - offensichtlich ausgeschlossen.
Die abschließende Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Beklagten aus. Ihr konnte bei Kündigungsausspruch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.12.2010 nicht zugemutet werden. Zu Gunsten des Klägers sprechen zwar seine Unterhaltspflichten gegenüber seiner Ehefrau und seinem Kind. Andererseits ist der 1970 geborene Kläger noch relativ jung, so dass seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt nicht altersbedingt beeinträchtigt sind. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat gerade einmal drei Jahre bestanden. Es war durch die aufgezeigten Pflichtwidrigkeiten des Klägers unerträglich belastet. Die für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensgrundlage war irreparabel zerstört. Zu Lasten des Klägers ist auch zu berücksichtigen, dass er seine Funktion als Leiter des Einkaufs missbraucht hat, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen.
2. Die Beklagte hat die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.
Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Im Ausgangspunkt zutreffend, hat das Arbeitsgericht angenommen, die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB treffe die Beklagte. Zutreffend hat es weiter ausgeführt, die Beklagte müsse ihre Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund substantiiert darlegen. Um den Zeitpunkt, in dem der Wissensstand des Kündigungsberechtigten ausreicht, bestimmen zu können, und um es dem Gekündigten zu ermöglichen, die behauptete Schilderung zu überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert zu bestreiten, muss der Kündigungsberechtigte die Umstände schildern, aus denen sich ergibt, wann und wodurch er von den maßgebenden Tatsachen erfahren hat (BAG Urteil vom 01.02.2007 - 2 AZR 333/06 - NZA 2007, 744).
Vorliegend hat die Beklagte substantiiert dargelegt, dass Frau Y., die Teamleiterin Personalwesen, am 13.09.2010 erstmals Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt hat. Die Kündigung ist dem Kläger am 17.09.2010 zugegangen und damit rechtzeitig.
Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass am 07.09.2010 ein Gespräch zwischen den Parteien stattgefunden habe, in dem eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 unter Freistellung bis dahin im Raum stand. In den Tagen nach dem Gespräch habe der Kläger Frau Y. angerufen und gefragt, wann er den X. abgeben soll. Daraufhin habe sich Frau Y. am 13.09.2010 in der Abteilung Einkauf nach den Fahrzeugunterlagen erkundigt und das Nichtvorliegen der Nutzungsvereinbarung festgestellt. Bei Sichtung der Unterlagen habe sie außerdem festgestellt, dass in der Einzugsermächtigung für das Finanzamt die Kontonummer der A. angegeben worden sei. Sie habe daraufhin Frau Z. um eine Erklärung gebeten, warum hier nicht die private Kontonummer des Klägers aufgeführt worden sei. Frau Z. habe ihr geantwortet, der Kläger habe dies so gewollt. Da sie ihm direkt unterstellt sei, habe sie dies als Weisung angesehen und auch nicht weiter hinterfragt. Das Gleiche gelte für die Kfz-Versicherung.
Dem gegenüber bringt der Kläger pauschal und ohne nähere Substantiierung vor, alle Vorwürfe, die man gegen ihn erhebe, seien den Entscheidungsträgern der Beklagten viel länger bekannt gewesen; insbesondere hätten Herr W., Herr T. und Frau Z. über die Situation Bescheid gewusst. Dieser Hinweis genügt nicht. Frau Z. ist bereits keine kündigungsberechtigte Entscheidungsträgerin der Beklagten, sondern eine (einfache) Sachbearbeiterin, die dem Kläger in der Abteilung Einkauf unterstellt war. Zum Kenntnisstand des früheren Personalleiters T. und des Bereichsleiters Kunden-Service W. hätte der Kläger gemäß § 138 Abs. 2 BGB die näheren Umstände der Kenntniserlangung substantiiert darlegen müssen. Diese Herren will der Kläger wiederholt gefragt haben, ob sie ihm einen Dienstwagen zur Privatnutzung zur Verfügung stellen. Dass und wann er den beiden Entscheidungsträgern konkret mitgeteilt hat, dass er sich bis zur Entscheidung über seinen Antrag die Freiheit herausnimmt, den X. zu nutzen, ohne eine Vereinbarung zum Mitarbeiterleasing abzuschließen und eine Einzugsermächtigung für sein Privatkonto für die Kfz-Steuer und -Versicherung zu erteilen, trägt der Kläger nicht vor. Mangels substantiierten Bestreitens ist der Vortrag der Beklagten, Frau Y. habe erstmals am 13.09.2010 über das Nichtvorliegen einer Nutzungsvereinbarung und einer Einzugsermächtigung für Kfz-Steuer und -Versicherung Kenntnis erlangt, als unstreitig zu behandeln.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.09.2010 nicht an einer fehlerhaften Betriebsratsanhörung, § 102 Abs. 1 BetrVG. Die Beklagte hat den Betriebsrat mit Schreiben vom 15.09.2010 ausreichend über den Kündigungsgrund informiert.
Die Betriebsratsanhörung ist nicht unwirksam, weil sie durch die A. - einen Nichtarbeitgeber - erfolgt wäre, wie der Kläger meint. Das Anhörungsschreiben ist auf Briefpapier der beklagten A. verfasst und von der Teamleiterin Personalwesen sowie dem Bereichsleiter Kundenservice der A. unterzeichnet worden. Es ist an den Betriebsrat der A. gerichtet. Dem Betriebsrat wird ausdrücklich mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, das Arbeitsverhältnis zwischen der A. und Herrn C. zu kündigen. Aus der Schlussformel "Mit freundlichen Grüßen - A. - Personalabteilung" kann der Kläger keine fehlerhafte Betriebsratsanhörung herleiten. Bei einer zwanglosen Betrachtung der Schlussformel handelt es sich um ein bloßes Schreibversehen. Es konnte für den Betriebsrat keinerlei Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger kündigen wollte und ihn deshalb anhört.
Schließlich ist die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, weil der Kläger behauptet, dass vor der Nachricht des Betriebsratsvorsitzenden vom 16.09.2010, der Betriebsrat erhebe gegen die außerordentliche Kündigung keine Einwände, keine ordnungsgemäße Betriebsratssitzung stattgefunden habe. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Es habe allenfalls eine vorläufige Meinungsbildung des Betriebsrates vorgelegen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, wirken sich auf das Anhörungsverfahren nach § 102 Abs. 1 BetrVG Mängel, die in den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Betriebsrats fallen, grundsätzlich selbst dann nicht aus, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder nach den Umständen vermuten kann, dass die Behandlung der Angelegenheit durch den Betriebsrat nicht fehlerfrei erfolgt ist (BAG Urteil vom 16.01.2003 - 2 AZR 707/01 - NZA 2003, 927; BAG Urteil vom 06.02.2005 - 2 AZR 316/04 - NZA 2006, 990). Solche Fehler gehen schon deshalb nicht zu Lasten des Arbeitgebers, weil er keine wirksamen rechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die Beschlussfassung des Betriebsrats hat. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn in Wahrheit keine Stellungnahme des Gremiums "Betriebsrat", sondern erkennbar nur eine persönliche Äußerung des Betriebsratsvorsitzenden vorliegt oder der Arbeitgeber den Fehler des Betriebsrats durch unsachgemäßes Verhalten selbst veranlasst hat. Dafür besteht vorliegend nicht der geringste Anhaltspunkt.
III. Der unterlegene Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind im Hinblick auf das Obsiegen des Klägers mit dem Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses nach § 92 Abs. 1 ZPO zu quoteln.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.