15.05.2012
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 16.02.2012 – 4 K 1130/10
- Bei Ausschüttungen nach entgeltlicher Veräußerung des Dividendenanspruchs an einen Dritten ist eine Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 KStG durchzuführen, wenn der Erwerber lediglich als Finanzierungsgesellschaft auftritt, die den Dividendenanspruch vorfinanziert.
- Für die Entstehung der Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 S. 1 KStG ist es aus steuersystematischen Gründen nicht von Belang, dass sich die Besteuerung bei der Anteilseignerin im Einzelfall nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG (in der Fassung der Streitjahre), sondern wegen der Vereinnahmung nur eines Kaufpreises aus Anlass der Abtretung des Dividendenanspruchs vor Fassung des Ausschüttungsbeschlusses nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG richtet.
- An wen die Körperschaft die Gewinnausschüttung auf Anweisung des Anteilseigners auszahlt spielt für die Auslösung der Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 KStG keine Rolle.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) für den Fall einer Ausschüttung nach entgeltlicher Veräußerung des Dividendenanspruchs an einen Dritten. Die Klägerin ist eine vormals unter der Firmenbezeichnung ,X eG' in A ansässige Genossenschaft, die seit Verlegung ihres Sitzes nach B zum 01.12.2005 im Handelsregister des Amtsgerichts B unter der Registernummer GnR 1 eingetragen ist. Im Streitjahr hatte die Klägerin 9.432 Mitglieder. Bis zum 31.12.2005 entsprach ihr Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr. Vom 01.01.2006 bis zum 30.06.2006 wurde ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet. Mit Wirkung zum 01.01.2005 hatte die Klägerin ihr operatives Bankgeschäft auf die im Handelsregister des Amtsgerichts B unter GnR 2 eingetragene Y-eG ausgegliedert. An dieser war die Klägerin im Jahre 2005 aufgrund von 29.790 Genossenschaftsanteilen zu 26,12% kapitalmäßig beteiligt.
Mit „Kauf- und Abtretungsvertrag” vom 18.05.2006 veräußerte die Klägerin mit sofortiger Wirkung einen gegenüber der Y-eG bestehenden „Ausschüttungsauszahlungsanspruch” in Höhe von 540.105,28 Euro an die in C ansässige Firma B-GmbH, wofür die B-GmbH der Klägerin einen zum 18.05.2006 (d.h. sofort) fälligen Kaufpreis von 537.984,96 Euro zu zahlen hatte. Gesellschaftsrechtliche Beteiligungsverhältnisse zwischen der B-GmbH auf der einen sowie der Klägerin und der Y-eG auf der anderen Seite bestanden nicht. Zum Rechtsgrund des Ausschüttungsauszahlungsanspruchs wurde in der Präambel zum Kauf- und Abtretungsvertrag ausgeführt, dass der Aufsichtsrat und der Vorstand der Y-eG am 23.03.2006 beschlossen hätten, vorzuschlagen, den sich aus dem Jahresabschluss für 2005 ergebenden Bilanzgewinn für die Ausschüttung einer Dividende von 18,20 Euro pro Genossenschaftsanteil zu verwenden. Sofern die Generalversammlung der Y-eG diesem Vorschlag zustimme und einen entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss fasse, stünde der Klägerin für 2005 ein Ausschüttungsauszahlungsanspruch in Höhe von 540.105,28 Euro zu. Der Anspruch sei voraussichtlich am 20.06.2006 fällig und werde schon jetzt an die B-GmbH verkauft und abgetreten. Die Klägerin garantierte der B-GmbH im Vertrag, entsprechend ihren Genossenschaftsanteilen in der Generalversammlung für die vorgeschlagene Ausschüttung zu stimmen. Eine weitergehende Garantie bezüglich der angenommenen Höhe der erwarteten Ausschüttungen gab sie im Vertrag dagegen nicht ab.
Am 18.05.2006 zeigte die B-GmbH die Abtretung der Y-eG an, überwies den Kaufpreis von 537.984,96 Euro vereinbarungsgemäß auf das Konto der Klägerin und stellte dieser eine Steuerbescheinigung über Kapitalerträge wegen „Kaufpreiszahlung für die Veräußerung des zukünftigen Dividendenanspruchs gegenüber der Y-eG (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG)” unter Ausweis anrechenbarer Kapitalertragsteuer von 107.596,99 Euro und Solidaritätszuschlag von 5.917,83 Euro aus. Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto sowie eine Inanspruchnahme von Körperschaftsteuerguthabens der B-GmbH wurden mit jeweils 0,- Euro bescheinigt. Auf die Kopie der Steuerbescheinigung vom 18.05.2006 wird Bezug genommen. Auf den gemäß Vorschlag gefassten Gewinnverwendungsbeschluss ihrer Generalversammlung überwies die Y-eG die Dividende von 540.105,28 Euro am 20.06.2006 an die B-GmbH. Die Ausschüttung auf die von der Klägerin gehaltenen Genossenschaftsanteile löste bei der Y-eG eine Minderung des Körperschaftsteuerguthabens und der Körperschaftsteuer in Höhe von 90.017,- Euro aus.
In der am 13.07.2007 beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ,FA') abgegebenen Erklärung zur gesonderten Feststellung (…) des Körperschaftsteuerguthabens i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 4 KStG zum 30.06.2006 gab die Klägerin sowohl zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres als auch zum 30.06.2006 ein Körperschaftsteuerguthaben von 988.687,- Euro an. Angaben zu den Zeilen 29 und 30 des Erklärungsvordrucks (Zugang nach § 37 Abs. 3 Satz 1 oder Satz 4 KStG) machte sie dabei nicht. Auch in den Zeilen 76 und 77 der am 13.07.2007 mit dem Zusatz „Rumpfwirtschaftsjahr zum 30.06.2006” beim FA abgegebenen Körperschaftsteuererklärung 2006 (Minderung der Körperschaftsteuer nach § 37 Abs. 2 KStG u.a. / Erhöhung der Körperschaftsteuer nach § 37 Abs. 3 KStG u.a.) machte sie keine Angaben. Dem dabei für 2006 erklärten und im Übrigen zwischen den Beteiligten nicht streitigen zu versteuernden Einkommen von 22.050,- Euro lagen inländische Bezüge i.S.v. § 8b Abs. 1 KStG in Höhe von 537.985,- Euro und nicht abzugsfähige Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 5 KStG von 26.899,- Euro zu Grunde. Die bescheinigte Kapitalertragsteuer von (gerundet) 107.597,- Euro und den Solidaritätszuschlag von (gerundet) 5.918,- Euro machte die Klägerin auf der Anlage WA zur Körperschaftsteuererklärung zur Anrechnung geltend.
Das FA stellte den Bestand des erklärten Körperschaftsteuerguthabens zum 30.06.2006 mit Bescheid vom 13.08.2007 (wiederholt durch Bescheid vom 07.01.2008) erklärungsgemäß fest und verzichtete in den Bescheiden über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag für 2006 vom 13.08.2007 (wiederholt am 07.01.2008) auf den Ansatz eines Erhöhungsbetrages nach § 37 Abs. 3 KStG. Vom 18.06.2008 bis 14.11.2008 führte das seinerzeit hierfür zuständige Finanzamt B (Verwaltungsstelle B) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, die es mit Bericht vom (ohne Datum) abschloss. Darin vertrat die Betriebsprüfung die Auffassung, dass die B-GmbH bei der Abtretung des Ausschüttungsanspruchs lediglich als Finanzierungsgesellschaft aufgetreten sei. Sie habe die Ausschüttung der Y-eG vom 20.06.2006 durch Zahlung des Kaufpreises am 18.05.2006 für die Klägerin vorfinanziert, wofür sie von der Klägerin eine Provision in Höhe der Differenz zwischen Ausschüttungsbetrag und Kaufpreis (d.h. i.H.v. 2.120,32 Euro) erhalten habe. Wegen dieses bloßen Zwischenfinanzierungszwecks und da die Klägerin weiterhin Anteilseignerin der Y-eG gewesen sei, sei aus Anlass der Verwendung des Körperschaftsteuerguthabens bei der Y-eG allein bei der Klägerin in Höhe von 90.017,- Euro die Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 KStG vorzunehmen und der Bestand des Körperschaftsteuerguthabens der Klägerin um diesen Betrag zu erhöhen.
Das FA folgte der Rechtsauffassung der Betriebsprüfung und erließ am 19.12.2008 Bescheide über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen zur Körperschaftsteuer 2006, in denen es einen Erhöhungsbetrag nach § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG in Höhe von 90.017,- Euro ansetzte. Den Ansatz von inländischen Bezügen i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG i.H.v. 537.985,- Euro nebst nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben i.S.v. § 8b Abs. 5 KStG i.H.v. 26.899,- Euro ließ das FA unverändert. Ferner stellte es das Körperschaftsteuerguthaben mit Bescheid vom 19.12.2008 zum 30.06.2006 mit 1.078.704,- Euro fest. Gegen diese Bescheide legte die Klägerin am 20.01.2009 Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 als unbegründet zurückwies. Dabei schloss sich das FA der in einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 02.10.2009 niedergelegten und zwischen den obersten Finanzbehörden der Länder und dem Bundesministerium abgestimmten Rechtsauffassung an, wonach es für die Entstehung der Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG aus steuersystematischen Gründen nicht von Belang sei, dass sich die Besteuerung bei der Anteilseignerin im Einzelfall nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG (in der Fassung des Streitjahres), sondern (wegen der Vereinnahmung nur eines Kaufpreises aus Anlass der Abtretung des Dividendenanspruchs vor Fassung des Ausschüttungsbeschlusses) nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (in der Fassung des Streitjahres) richte, da in beiden Fällen die für § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG tatbestandsmäßige Vorschrift des § 8b Abs. 1 KStG einschlägig sei und die Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an die Stelle der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 EStG trete. An wen die Körperschaft die Gewinnausschüttung auf Anweisung des Anteilseigners auszahle, spiele für die Auslösung der Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 KStG keine Rolle (Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 26.08.2009, Bl. 14 ff. des Bandes Einspruch 2006).
Mit ihrer am 14.05.2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Sie ist der Ansicht, dass der vom FA vorgenommene Ansatz einer Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 KStG bei der Klägerin rechtswidrig sei. Es treffe zwar zu, dass sich die Besteuerung des von der Klägerin vereinnahmten Kaufpreises in für § 37 Abs. 3 KStG tatbestandsmäßiger Weise nach § 8b Abs. 1 KStG richte, da Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in dessen Satz 2 erwähnt würden. An der hier streitigen Konstellation sei jedoch besonders, dass es zu einer Minderung des Körperschaftsteuerguthabens bei der Y-eG i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG nicht bereits im Zeitpunkt der Zahlung des Kaufpreises am 18.05.2006, sondern erst bei Ausschüttung am 20.06.2006 gekommen sei. Die insoweit nur mittelbare Verbindung der Körperschaftsteuerminderung mit der Vereinnahmung des Kaufpreises durch die Klägerin reiche für die Auslösung der Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 KStG nicht aus (Verweis auf die Darstellung bei Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, § 37 Rn. 75). Es fehle an der notwendigen Identität der gewährten und vereinnahmten Bezüge. Mangels Anteilseignerstellung komme auch bei der B-GmbH eine Nachversteuerung nicht in Betracht. Dass eine Nachversteuerung damit insgesamt unterbleibe, sei angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts hinzunehmen.
Die Klägerin beantragt,
die Bescheide über Körperschaftsteuer 2006, Solidaritätszuschlag 2006, Zinsen zur Körperschaftsteuer 2006 und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2 und § 38 Abs. 1 KStG zum 30.06.2006 in Form der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 KStG in Höhe von 90.017,- Euro auf 0,- Euro herabgesetzt und das Körperschaftsteuerguthaben zum 30.06.2006 erklärungsgemäß mit 988.687,- Euro festgestellt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Der Wortlaut des § 37 Abs. 3 KStG stelle ausdrücklich allein auf „Bezüge” ab, die bei der Anteilseignerin nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleiben. Eine Einschränkung auf Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (alte Fassung) bzw. § 8b Abs. 1 Satz 5 KStG (aktuelle Fassung) sei gerade nicht erfolgt. Der Wortlaut der Regelung verlange auch keine zeitliche Verbindung zwischen Ausschüttung und Vereinnahmung des Veräußerungspreises. Die Gesetzessystematik erfordere eine Nachversteuerung gemäß § 37 Abs. 3 KStG bei der Anteilseignerin auch in dem Fall, dass der Dividendenanspruch zuvor abgetreten und stattdessen der Veräußerungspreis vereinnahmt werde. Andernfalls werde der Umstand, dass einerseits die Tochtergesellschaft in den Genuss einer Körperschaftsteuerminderung nach § 37 Abs. 2 KStG und andererseits der Anteilseigner in den Genuss der Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG komme, entgegen dem entsprechenden Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 KStG nicht neutralisiert.
Auf die dem Gericht vorgelegten Steuerakten wird ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Ferner wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 19.12.2008 sind in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.04.2010 insoweit rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, als das FA unter Berufung auf § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer und des Solidaritätszuschlags für 2006 eine Nachsteuer in Höhe von 90.017,- Euro zu Grunde gelegt und das zum 30.06.2006 festgestellte Körperschaftsteuerguthaben um den Betrag von 90.017,- Euro auf 1.078.704,- Euro erhöht hat. Die Tatbestandsvoraussetzungen der vom FA angewandten Vorschriften des § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG sind im Streitfall erfüllt.
Erhält eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaft, deren Leistungen bei den Empfängern zu den Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG gehören, Bezüge, die nach § 8b Abs. 1 KStG bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben und die bei der leistenden Körperschaft zu einer Minderung der Körperschaftsteuer nach § 37 Abs. 2 Satz 3 KStG geführt haben, so erhöhen sich nach § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG bei ihr die Körperschaftsteuer und das Körperschaftsteuerguthaben i.S.d. § 37 Abs. 1 KStG um den Betrag der Minderung der Körperschaftsteuer bei der leistenden Körperschaft. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bleiben Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG bei der Ermittlung des Einkommens der nach § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft außer Ansatz. Nach § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (in der vom 09.12.2004 bis zum 12.12.2006 geltenden Fassung, vgl. § 8b Abs. 1 Satz 5 KStG in der aktuellen Fassung) sind Bezüge in diesem Sinne auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und aus sonstigen Ansprüchen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sowie Einnahmen aus der Abtretung von Dividendenansprüchen oder sonstigen Ansprüchen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (in der vom 22.12.2005 bis zum 30.11.2006 geltenden Fassung) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen durch den Inhaber des Stammrechts, wenn die dazugehörigen Aktien oder sonstigen Anteile nicht mitveräußert werden (Satz 1), wobei die Besteuerung an die Stelle der Besteuerung nach Absatz 1 tritt (Satz 2). Dies gilt nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG sinngemäß für Einnahmen aus der Abtretung von Dividendenansprüchen oder sonstigen Ansprüchen im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn die dazugehörigen Anteilsrechte nicht in einzelnen Wertpapieren verbrieft sind.
Dies berücksichtigend hat die Y-eG am 20.06.2006 eine Dividende ausgeschüttet, die nicht der als Anteilseignerin bezugsberechtigten Klägerin, sondern der B-GmbH zugeflossen ist, die insoweit Einnahmen i.H.v. 540.105,28 Euro aus der Einziehung einer abgetretenen Forderung erzielt hat. Anhaltspunkte dafür, dass das wirtschaftliche Eigentum an dem zukünftigen Auszahlungsanspruch nicht auf die B-GmbH übergegangen sein könnte, sind nicht ersichtlich. Die B-GmbH hat das wirtschaftliche Risiko der Realisierung der Forderung im Zeitpunkt der Abtretung übernommen. Eine Garantie bestand seitens der Klägerin nur in Bezug auf deren Stimmrechtsausübung in der Generalversammlung. Das FA hat nicht dargetan und auch keine Feststellungen dazu getroffen, dass zwischen der Klägerin und der B-GmbH z.B. eine Zusatzvereinbarung („side letter”) dahingehend bestand, dass die Klägerin die Höhe der beabsichtigten Ausschüttung garantierte und das Geschäfts rückabgewickelt wird, wenn die Generalversammlung dem Vorschlag des Vorstands nicht zustimmt. Mithin hat die Klägerin mit der Vereinnahmung des Kaufpreises am 18.05.2006 keine Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern Einnahmen i.S.v. §§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, 20 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG (jeweils in der Fassung des Streitjahres) i.H.v. 537.984,96 Euro erzielt. Die auf die Anteile der Klägerin entfallende und der B-GmbH zugeflossene Ausschüttung hat bei der Y-eG gleichwohl zutreffend zu einer Körperschaftsteuerminderung nach § 37 Abs. 2 Satz 3 KStG i.H.v. 90.017,- Euro geführt.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin war bei der Klägerin aus Anlass der bei der Y-eG eingetretenen Körperschaftsteuerminderung eine Nachversteuerung nach § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG vorzunehmen. In der Literatur ist die Behandlung der hier streitigen Konstellation umstritten. Während vereinzelt auf die vom FA zu Grunde gelegte (abgestimmte, aber nicht allgemein veröffentlichte) Verwaltungsauffassung Bezug genommen wird (Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, KStG, Stand 03/2010, § 37 Rn. 75), vertritt ein größerer Teil der Literatur die Auffassung, dass eine Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 KStG nicht ausgelöst wird, weil die Veräußerung von Dividendenansprüchen selbst keine Realisierung des Körperschaftsteuerguthabens auslöse, sondern dies erst durch die zeitlich nachfolgende Ausschüttung bewirkt werde (Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, Stand 05/2006, § 37 Rn. 30c; Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Auflage 2009, § 37 Rn. 117; Thurmayer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG / KStG, Stand 07/2005, § 37 KStG Anm. 71; generell gegen die Einbeziehung nur mittelbar vereinnahmter Dividendenbezüge auch Binnewies in Streck, KStG, 7. Auflage 2008, § 37 Rn. 64).
Der Senat schließt sich der Verwaltungsauffassung an. Für die Sichtweise der Klägerin spricht zwar, dass der Gesetzeswortlaut auf den ersten Blick eine Auslegung zulässt, nach der eine sachliche Identität des Ereignisses, das bei der ausschüttenden Körperschaft eine Körperschaftsteuerminderung i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 3 KStG bewirkt hat, mit dem Ereignis, das beim Anteilseigner zu Bezügen i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG führt, zu fordern ist. Eine solche Auslegung könnte auf die gesetzliche Formulierung gestützt werden, nach der nur diejenigen „Bezüge” tatbestandsmäßig i.S.d. § 37 Abs. 3 Satz 1 KStG sein sollen, „die” bei der leistenden Körperschaft zu einer Minderung der Körperschaftsteuer geführt haben. Dies träfe nur für die Ausschüttung selbst zu. Eine solche Auslegung würde jedoch dem Umstand nicht gerecht, dass der Tatbestand des § 37 Abs. 3 KStG im Übrigen sprachlich im Passiv gefasst ist („erhält eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft…”), der dabei maßgebliche Rechtsbegriff des „Erhaltens” von Bezügen im Gesetz nicht weiter definiert ist und dieser insbesondere im Rahmen der einschlägigen Regelungen zur materiell-rechtlichen Qualifikation der Bezüge (d.h. insbesondere im Rahmen des § 20 EStG) keine Entsprechung findet. Der Begriff ist daher im Regelungsgefüge des § 37 Abs. 3 KStG autonom auszulegen.
Eine solche autonome Auslegung führt im Streitfall dazu, dass von einem „Erhalten” der die Körperschaftsteuerminderung auslösenden Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 3 KStG auch dann auszugehen ist, wenn die Ausschüttung einem Dritten zufließt und dieser dem nach § 37 Abs. 3 KStG nachsteuerpflichtigen Anteilseigner hierfür ein wirtschaftliches Surrogat (d.h. im Streitfall einen Kaufpreis für die Abtretung des Ausschüttungsauszahlungsanspruchs) zahlt. Auch in diesem Fall hat der Anteilseigner bei wirtschaftlicher Betrachtung diejenigen Bezüge „erhalten”, die die Körperschaftsteuerminderung bewirkt haben. Insoweit fordert der Tatbestand des § 37 Abs. 3 KStG keine unmittelbare Auskehrung der Dividende an den Anteilseigner der ausschüttenden Körperschaft. Diese Sichtweise wird auch dem Umstand gerecht, dass die Besteuerung des Kaufpreises nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG gemäß Satz 2 dieser Vorschrift „an die Stelle” der Besteuerung der Ausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tritt. Ein anderes Verständnis würde dem Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 KStG widersprechen, der eine Neutralisierung der Körperschaftsteuerminderung bezweckt, wenn die Bezüge beim Anteilseigner nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei sind. Dass die Vereinnahmung des Kaufpreises und die die Körperschaftsteuerminderung bewirkende Ausschüttung im Streitfall zeitlich auseinanderfallen, ist nicht von Belang, da sowohl die Nachsteuer nach § 37 Abs. 3 KStG i.V.m. §§ 30 Nr. 3, 31 Abs. 1 KStG als auch die Körperschaftsteuerminderung nach § 37 Abs. 2 Satz 3 KStG grundsätzlich in Bezug auf den jeweiligen Veranlagungszeitraum anzusetzen sind und es damit auf den konkreten Zeitpunkt des die Minderung auslösenden Ereignisses nur für die Zuordnung zu einem bestimmten Veranlagungszeitraum ankommt. Das zeitliche Auseinanderfallen ist damit jedenfalls dann unschädlich, wenn (wie im Streitfall) die Vereinnahmung des Kaufpreises und die Auslösung der Körperschaftsteuerminderung in denselben Veranlagungszeitraum fallen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die streitige Rechtsfrage betrifft trotz der zwischenzeitlichen Abschaffung der einschlägigen Regelung eine Vielzahl von gleich gelagerten Fällen.