22.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121566
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 22.09.2011 – L 2 AL 63/07
1. Einigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren durch Vergleich über die Höhe des dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts, so ist die BA im Hinblick auf die Berechnung des Insolvenzgelds an den Vergleich nicht gebunden. Insoweit kann die Rechtsprechung des BSG zur Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Urteile (vgl. für die Berechnung des Konkursausfallgelds das Urteil des BSG vom 9. Mai 1995 - 10 RAr 5/94) entsprechend herangezogen werden.
2. Hat der Arbeitnehmer im Insolvenzgeldzeitraum durch den Einsatz seiner Arbeitskraft bei einem anderen Arbeitgeber Arbeitsentgelt erzielt, während sich der alte Arbeitgeber im Annahmeverzug befand, ist für die Anrechnung nach § 615 BGB im Rahmen der Insolvenzgeldberechnung der Nettobetrag zu berücksichtigen.
L 2 AL 63/07
Tenor:
Die Berufung und die Klage werden abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Insolvenzgeld umstritten.
Der am ... 1960 geborene Kläger war ab Anfang Februar 2002 als Heizungsmonteur bei der Firma E. Q., Sanitär - Heizung - Lüftung (= Firma Q.) in H. beschäftigt; er war dort der einzige Arbeitnehmer. Firmeninhaber war Herr Dipl.-Ing. (FH) E. Q., der selbst in der Firma mitarbeitete. Vereinbart waren in einem schriftlichen Arbeitsvertrag eine regelmäßige Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich und ein Stundenlohn von 9,50 EUR. Am 8. September 2003 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Halle eine Zahlungsklage gegen seinen Arbeitgeber und bezifferte den Anspruch auf ihm zustehendes, bisher vorenthaltenes Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis zum 30. Juni 2003 mit insgesamt 6.362,42 EUR netto. Im Hinblick auf den Zahlungsverzug des Arbeitgebers machte der Kläger ab dem 25. August 2003 im Arbeitsverhältnis von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch und verrichtete keine Arbeit für seinen bisherigen Arbeitgeber mehr. Ab dem 15. September 2003 arbeitete der Kläger für einen anderen Arbeitgeber. Dort erzielte der Kläger im Monat September 2003 einen Nettoverdienst in Höhe von 526,37 EUR (für die Zeit ab dem 15. des Monats) und im Monat Oktober 2003 einen Nettoarbeitsverdienst in Höhe von 1.002,05 EUR.
Der (alte) Arbeitgeber sprach gegenüber dem Kläger eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. Oktober 2003 aus, gegen die der Kläger sich nicht wandte. Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2004 erweiterte der Kläger im arbeitsgerichtlichen Klageverfahren seine Zahlungsklage auf das Entgelt für die Zeit von Anfang Juli 2003 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Das arbeitsgerichtliche Verfahren endete am 30. Januar 2004 durch gerichtlichen Vergleich mit dem Inhalt:
"1. Der Beklagte zahlt an den Kläger für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis ein- schließlich 31. Juli 2003 weitere 2.796 EUR netto.
2. Der Beklagte zahlt an den Kläger für den Monat August 2003 den sich aus 1.596 EUR brutto ergebenden Nettobetrag.
3. Der Beklagte zahlt an den Kläger für die Zeit vom 01. September 2003 bis einschließlich 12. Oktober 2003 den sich aus 2.050 EUR brutto ergebenden Nettobetrag.
4. Der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger für die Monate August, September und Oktober 2003 entsprechende Lohnabrechnungen zu erteilen.
5. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt sowie sämtliche gegenseitigen finanziellen Ansprüche abgegolten."
Wegen der näheren Einzelheiten zum arbeitsgerichtlichen Verfahren wird auf die beigezogene Akte des Arbeitsgerichts Halle (Aktenzeichen 7 Ca 3066/03) verwiesen.
In der Folgezeit versuchte der Kläger zunächst erfolglos aus der vollstreckbaren Ausfertigung des arbeitsgerichtlichen Vergleichs beim ehemaligen Arbeitgeber zu vollstrecken. In einem im Rahmen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 der Zivilprozessordnung (ZPO) erstellten Vermögensverzeichnis gab der ehemalige Arbeitgeber Herr Q. am 25. November 2004 auf dem Ergänzungsblatt für Gewerbetreibende an: Er führe weiter Installationsarbeiten aus und zwar verschiedene Kleinaufträge im Wert von jeweils 30 EUR bis 50 EUR von unterschiedlichen Privatkunden. Er arbeite dabei auf telefonischen Abruf der Kunden. Für die Erledigung größerer Aufträge fehle ihm die Kreditwürdigkeit. Im Monat verdiene er ca. 700,00 bis 800,00 EUR brutto.
Der Kläger stellte am 21. Dezember 2004 bei der Beklagten einen Antrag auf die Zahlung von Insolvenzgeld für den Zeitraum 16. Juli 2003 bis 15. Oktober 2003. Auf eine Anfrage der Beklagten teilte der ehemalige Arbeitgeber des Klägers Herr Q. am 31. März 2005 mit, er habe die Betriebstätigkeit seiner Firma nicht eingestellt und er zahle auf die Forderung des Kl ägers nach wie vor Raten. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 31. März 2005 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Insolvenzereignis liege nicht vor. Hiergegen erhob der Kläger am 28. April 2005 Widerspruch. Auf Anfrage der Beklagten teilten die Rechtsanwälte des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers in einem Schreiben vom 17. Juni 2005 mit, auf die Forderung aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich seien zwischenzeitlich 1.200,00 EUR in Raten gezahlt worden, die Ratenzahlungen würden fortgeführt. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2005 als unbegründet zurück: Beim ehemaligen Arbeitgeber könne kein Insolvenzereignis festgestellt werden. Auf den ausstehenden Arbeitsentgeltanspruch seien schon ratenweise Zahlungen erfolgt und die Zahlungen würden auch noch fortgesetzt. Es sei kein Insolvenzverfahren anhängig.
Der Kläger hat am 25. August 2005 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Beklagte könne das Insolvenzereignis selbst herbeiführen, indem sie den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stelle. Dies sei ihr möglich, da dieses Recht mit Stellung des Insolvenzantrages durch den Arbeitnehmer auf die Beklagte übergehe. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Insolvenzgeld lägen vor. Der Arbeitgeber sei zahlungsunfähig und habe seine Betriebstätigkeit praktisch beendet, indem er nur noch auf Anruf Dritter arbeite und nicht mehr werbend am Markt tätig sei. Die Ablehnung der Beklagten verstoße gegen Art. 3 der Richtlinie 80/987/EWG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. Juni 2007 als unbegründet abgewiesen und ausgeführt: Die Ablehnung des Antrages auf Insolvenzgeld sei rechtmäßig erfolgt. Die Voraussetzungen für die Zahlung von Insolvenzgeld lägen nicht vor. Der Arbeitgeber habe seine Betriebstätigkeit nicht beendet. Auch sei die Beklagte nicht verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Außerdem habe die Beklagte nicht gegen die Richtlinie 80/987/EWG verstoßen. Die Richtlinie stelle es den Mitgliedstaaten frei, selbst den Zeitpunkt des Vorliegens eines Insolvenzereignisses zu bestimmen.
Gegen das ihm am 19. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. August 2007 (einem Montag), Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und zunächst seine im Klageverfahren vorgetragene Rechtsauffassung weiter verfolgt.
Das Amtsgericht Halle (Saale), Insolvenzgericht, hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2008 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers eröffnet. Dies hat der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 mitgeteilt. Diese wiederum haben die ihnen vorliegende Information mit einem Schriftsatz vom 16. Dezember 2008 in das Klageverfahren eingeführt. Der Insolvenzverwalter hat dem Kläger mit einer Insolvenzgeldbescheinigung vom 26. Januar 2009 für einen Insolvenzgeldzeitraum vom 16. Juli 2003 bis zum 15. Oktober 2003 noch nicht ausgezahltes Nettoarbeitsentgelt in einer Gesamthöhe von 3.083,69 EUR wie folgt bescheinigt: 549,21 EUR für die Zeit vom 16. Juli 2003 bis 31. Juli 2003, 1.078,50 EUR für die Zeit vom 1. August 2003 bis zum 31. August 2003, 1.010,15 EUR für die Zeit vom 1. September. 2003 bis 30. September 2003 und 445,83 für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 15. Oktober 2003. Dabei legte er die vom Arbeitgeber erstellte Entgeltabrechnung für Juli 2003 und für die restliche Zeit die sich aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ergebenden Beträge zugrunde. Mit Bescheid vom 9. Februar 2009 hat die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 16. Juli 2003 bis 15. Oktober 2003 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 2.111,49 EUR bewilligt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus: 549,21 EUR für die Zeit vom 16. Juli 2003 bis 31. Juli 2003, 1.078,50 EUR für die Zeit vom 1. August 2003 bis zum 31. August 2003 und 483,78 EUR für die Zeit vom 1. September 2003 bis 30. September 2003. Für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 15. Oktober 2003 setzte die Beklagte den Zahlbetrag mit "0 EUR" fest. Weiter führte die Beklagte in dem Bescheid aus, der sich ergebende Gesamtbetrag des Anspruchs sei wegen der Aufnahme der neuen Beschäftigung bei der Firma J. im Insolvenzgeldzeitraum um 972,20 EUR gemindert worden. Der Kläger erklärte darauf hin auf Nachfrage des Gerichts, die nunmehr erfolgte Insolvenzgeldbewilligung erledige den Rechtsstreit nicht. Die vorgenommene Anrechnung des bei dem anderen Arbeitgeber erzielten Arbeitseinkommens auf den Insolvenzgeldanspruch nach § 615 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sei rechtswidrig. Im arbeitsgerichtlichen Vergleich hätten er und sein damaliger Arbeitgeber Q. sich geeinigt, für den Zeitraum vom 1. September 2003 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses den sich aus monatlich 2.500,00 EUR brutto ergebenden Nettobetrag zu zahlen. Damit seien auch etwaige Aufrechnungsansprüche des Arbeitgebers erloschen. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei ursprünglich für den Zeitraum bis Ende Juni 2003 Arbeitsentgelt auch für Überstunden eingeklagt worden. Die Berücksichtigung des ungeminderten Arbeitsentgelts in dem Vergleich für die Zeit ab der Aufnahme der neuen Beschäftigung sei im "Gegenzug" dafür erfolgt, dass er auf das für Überstunden zustehende Arbeitsentgelt verzichtet habe. Auf die Beklagte sei mit der Stellung des Insolvenzgeldantrags der entsprechende Arbeitsentgeltanspruch ohne zu berücksichtigende Gegenansprüche übergegangen. Ein etwaig bestehender Gegenanspruch wäre zudem verjährt. Auch ergebe sich der Arbeitsentgeltanspruch für den Zurückbehaltungszeitraum nicht (nur) aus § 615 Satz 2 BGB, sondern es finde auch § 11 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) Anwendung. Hier sei keine Anrechnung des vom Arbeitnehmer Ersparten vorgesehen. Auf den Insolvenzgeldanspruch seien auch keine nachträglichen Zahlungen des ehemaligen Arbeitgebers anzurechnen. Nach Abschluss des arbeitsgerichtlichen Vergleiches seien bisher insgesamt 2.300,00 EUR gezahlt worden. Diese Zahlungen seien auf die ältesten Forderungen anzurechnen und erreichten nicht einmal die Höhe des Betrages gemäß Ziffer 1 des Vergleiches (Ansprüche für die Zeit vom 1. Februar 2002 bis Ende Juli 2003).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 13. Juni 2007 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2005 und in der Fassung des Bescheides vom 9. Februar 2009 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 15. September 2003 bis 15. Oktober 2003 weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 972,20 EUR zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sei meint: Die Erzielung anderweitigen Arbeitseinkommens während des Zeitraums der Zurückbehaltung der Arbeitsleistung gegenüber dem im Zahlungsverzug befindlichen Arbeitgeber führe nicht bloß zu einer Aufrechnungslage, sondern hindere insoweit schon die Entstehung des Anspruchs.
Die Sozialgerichtsakte, die beigezogene Akte des Arbeitsgerichts Halle (Saale) und die Verwaltungsakten der Beklagten haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung zur Entscheidungsfindung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Auch die Klage gegen den erst während des laufenden Berufungsverfahrens erlassenen Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2009 ist nicht begründet.
Die Zulässigkeit der form- und fristgerecht am 20. Juli 2007 erhobenen Berufung ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung, da die Beschwer des Klägers den hiernach erforderlichen Beschwerdewert von 500 EUR übersteigt.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2005 und in der Fassung des Bescheides vom 9. Februar 2009. Der Bescheid vom 9. Februar 2009 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Gemäß §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG wird eine neuer Verwaltungsakt dann Gegenstand des Berufungsverfahrens, wenn er nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Beklagte lehnte mit dem Bescheid vom 31. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2005 die Zahlung von Insolvenzgeld ab. Mit Bescheid vom 9. Februar 2009, der nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils vom 13. Juni 2007 erging, änderte die Beklagte den angefochtenen Bescheid ab und bewilligte Insolvenzgeld, ohne dass diese Entscheidung auf einen neuen Insolvenzgeldantrag hin in einem neuen Verwaltungsverfahren erging. Weil sich dass SG nicht mit diesem Bescheid befassen konnte, liegt insofern eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG vor, mit der sich der für die Berufung zuständige Senat erstmals zu befassen hat.
Der Bescheid der Beklagen vom 31. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2005 und in der Fassung des Bescheides vom 9. Februar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Insolvenzgeldes, als es ihm die Beklagte bewilligt hat.
Anspruch auf Insolvenzgeld haben Arbeitnehmer gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III), wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei (1.) Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, (2.) Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder (3.) vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger. Er war bis zum 15. Oktober 2003 als Heizungsmonteur bei der Firma Q. beschäftigt. Während des Bestehens dieses Arbeitsverhältnisses war der Kläger Arbeitnehmer im Sinne des § 183 SGB III. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des (ehemaligen) Arbeitgebers des Klägers mit Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale), Insolvenzgericht, vom 16. Oktober 2008 lag auch ein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs. 1 Nr. 1 SGB III vor. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist hier auch das maßgebliche Insolvenzereignis. Vorher war kein Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III eingetreten. Ein solches Insolvenzereignis liegt bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland vor, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bisher) nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Hier lässt sich keine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit der Firma Q. vor der Stellung des Insolvenzantrags feststellen. Eine vollständige Einstellung der Betriebstätigkeit liegt vor, wenn keine dem Betriebszweck dienenden Arbeiten mehr durch oder für den konkreten Arbeitgeber verrichtet werden. Ausgenommen sind nur reine Erhaltungs-, Abwicklungs- und Liquidationsarbeiten (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 5. Juni 1981 - 10/8b RAr 3/80 - SozR 4100 § 141b Nr. 19; Krodel in Niesel, Kommentar zum SGB III, 5. Auflage, § 183 Rn. 42). Hier hat der ehemalige Arbeitgeber des Klägers sowohl in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 25. November 2005 als auch schriftlich am 31. März 2005 gegenüber der Beklagten angegeben, die Betriebstätigkeit sei nicht eingestellt worden. Er hat ausgeführt, auf telefonische Aufträge von Kunden hin führe er selbst Installationsarbeiten aus. Dabei beschränke er sich auf Kleinaufträge, weil ihm für die Erledigung größerer Aufträge die Kreditwürdigkeit (wohl für die Beschaffung von Material usw. auf Vorkasse) fehle. Er verdiene dabei ca. 700,00 bis 800,00 EUR brutto im Monat. Angesichts der Tatsache, dass in der Firma Q. vor dem Ausscheiden des Klägers kein weiterer Arbeitnehmer beschäftigt war, ist die Weiterarbeit des Firmeninhabers selbst im aufgezeigten Umfang auch nicht nur als ganz marginal einzustufen. Unschädlich für die Annahme einer Betriebstätigkeit ist auch, dass Herr Q. nur auf telefonische Anfrage von Kunden tätig war und nicht mehr werbend am Markt auftrat. Bei einem eingeführten Handwerksbetrieb kann es nicht als ungewöhnlich angesehen werden, wenn bei vorhandenem Kundenstamm keine weitere Werbung zur Gewinnung neuer Kunden betrieben wird. Auch die Begrenzung des Auftragsvolumens aus betrieblichen Gründen ist nicht ungewöhnlich. Der angegebene Umfang des Verdienstes lässt auch auf eine regelmäßige und nicht nur ganz geringfügige Tätigkeit schließen.
Die Verneinung eines Insolvenztatbestandes nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGB III steht auch nicht im Widerspruch zu Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrecht. Maßgeblich ist insofern die Richtlinie 80/987/EWG vom 20. Oktober 1980 in der Fassung durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments vom 23. September 2002 (ABl L 270/19). Nach dem sich hieraus ergebenden maßgeblichen Gemeinschaftsrecht hat der Staat eine Garantie für nicht erfüllte Arbeitsentgeltansprüche für einen begrenzten Zeitraum zu übernehmen, der "vor und/oder gegebenenfalls nach einem von den Mitgliedsstaaten festgelegten Zeitpunkt liegt" (vgl. Artikel I Ziffer 3 der Richtlinie 2002/74/EG - hier zitiert nach dem Abdruck in Gagel, Kommentar zum SGB II und SGB III, Anhang 2 zu § 183). Die Festlegung des Insolvenzereignisses und auch die Anforderungen an die Feststellung des Ereignisses sind im Recht des jeweiligen Nationalstaates zu treffen, ohne dass das Gemeinschaftsrecht insoweit inhaltliche Vorgaben macht. Weil das Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Fälle erfasst, in denen kein Insolvenzantrag gestellt worden ist, bedarf es einer Abgrenzung zwischen dem Ausfall des Arbeitsentgelts aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers und eine bloßen Zahlungsunwilligkeit. Die vom Gesetzgeber aufgestellten Anforderungen sind vor diesem Hintergrund nicht als unverhältnismäßig und dem Sinn der staatlichen Ausfallgarantie zuwiderlaufend zu beurteilen.
Ausgehend von dem genannten Insolvenzereignis liegt hier ein Insolvenzgeldzeitraum vom 16. Juli 2003 bis zum 15. Oktober 2003 vor, denn das Arbeitsverhältnis des Klägers und damit die Eigenschaft als Arbeitnehmer der Firma Q. endete am 15. Oktober 2003 infolge der unangefochtenen und auch nicht offensichtlich nichtigen Kündigung durch den Arbeitgeber. Im Zeitpunkt der Bewilligung des Insolvenzgeldes war der Anspruch auf Arbeitsentgelt auch noch nicht infolge Erfüllung erloschen. Mit der Zahlung von 2.300 EUR hat der Arbeitgeber bisher lediglich auf die unter Punkt 1 des Vergleiches zu zahlende Forderung von 2.796 EUR für die Zeit bis Ende Juli 2003 geleistet. Eine andere Zweckbestimmung, wonach auf die Forderungen für einen späteren Zeitraum geleistet werden sollte, hatte der Schuldner nicht getroffen. Deshalb gilt die "Tilgungsreihenfolge" des § 366 Abs. 2 BGB, wonach eine nicht zur vollständigen Tilgung ausreichende Leistung zunächst die ältere Schuld tilgt. Zudem gilt aus dem Schutzzweck des Insolvenzgelds heraus, dass Zahlungen des Arbeitgebers auf das Arbeitsentgelt zunächst vorrangig den Ansprüchen zuzurechnen sind, die vor dem Insolvenzgeldzeitraum liegen (Urteil des BSG vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 90/01 R - zitiert nach juris).
Die Beklagte hat das Insolvenzgeld mit Bescheid vom 9. Februar 2009 für den Insolvenzgeldzeitraum in der rechtmäßigen Höhe bewilligt. Gemäß § 185 Abs. 1 SGB III wird das Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts geleistet, das sich ergibt, wenn das auf die monatliche Beitragsbemessungsgrenze begrenzte Bruttoarbeitsentgelt um die gesetzlichen Abzüge gemindert wird. Zu den gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III zu Grunde zu legenden Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören gemäß § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Hiervon erfasst sind grundsätzlich auch die sich aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ergebenden Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. April 2008 - L 10 AL 37/07; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. November 2002 - L 8 AL 190/02 - jeweils zitiert nach juris). Die Beklagte hat bei der oben dargestellten Berechnung des Insolvenzgelds unter Zugrundelegung der vom Insolvenzverwalter bescheinigten Entgelte grundsätzlich zunächst für den Insolvenzgeldzeitraum die im Vergleich festgelegte Höhe des zustehenden Arbeitsentgelts berücksichtigt. Streitig ist deshalb nur, ob sie zu Recht von dem so errechneten Anspruch die im Insolvenzgeldzeitraum erzielten Arbeitsentgelte bei dem anderen Arbeitgeber anrechnen konnte. Dies war hier nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil eine solche Anrechnung für den Insolvenzgeldzeitraum in dem zwischen dem Kläger und seinem ehemaligen Arbeitgeber am 30. Januar 2004 vor dem Arbeitsgericht Halle abgeschlossenen Vergleich nicht erwähnt wird.
Grundsätzlich gilt die Dispositionsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien auch gegenüber dem Sozialleistungsträger. Die Bindungswirkung entfällt aber, wenn das im arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Arbeitsentgelt den Anspruch auf das tatsächlich im Insolvenzgeldzeitraum erarbeitete Arbeitsentgelt übersteigt. Zwar sind die Arbeitsvertragsparteien befugt, im arbeitsgerichtlichen Vergleich eine für den Arbeitnehmer günstige Vereinbarung zu treffen. Ihre Dispositionsbefugnis ist auch im Hinblick auf eine drohende Insolvenz des Arbeitgebers nicht eingeschränkt. Der Sozialleistungsträger ist jedoch an den Vergleich der Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf die Berechnung des Insolvenzgeldes nicht gebunden. Insoweit kann die Rechtsprechung zur Bindungswirkung arbeitsgerichtlicher Urteile entsprechend herangezogen werden. In einem Urteil zur Berechnung des Konkursausfallgeldes geht das BSG (Urteil vom 9. Mai 1995 - 10 RAr 5/94 - zitiert nach juris, Rn. 21 f.) davon aus, dass auch bei Vorliegen eines arbeitsgerichtlichen Urteils der Sozialleistungsträger nicht verpflichtet ist, die darin festgesetzte Höhe des Arbeitsentgeltes bei der Berechnung der Sozialleistung ohne eigene Prüfung zugrunde zu legen. Die im Urteil zugesprochenen Arbeitsentgelte stellten nur die Obergrenze dar, welche bei der Berechnung der Sozialleistung allenfalls berücksichtigt werden kann. Diese Grundsätze müssen auch für die Beurteilung der Ansprüche aus arbeitsgerichtlichen Vergleichen gelten. Denn es muss dem Sozialleistungsträger möglich sein, die im Vergleich vereinbarten Arbeitsentgelte zu überprüfen. Sonst wären einer Manipulation zu Ungunsten der Versichertengemeinschaft kaum Grenzen gesetzt (vgl. Urteil des BSG vom 9. Mai 1995 - 10 RAr 5/94 - zitiert nach juris Rn. 21 f.). Die Arbeitsvertragsparteien könnten die dem Arbeitnehmer zu zahlenden Arbeitsentgelte im arbeitsgerichtlichen Vergleich im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis abweichend von dem nach dem Arbeitsvertrag zustehenden besser bemessen, um dem Arbeitnehmer ein höheres Insolvenzgeld zu ermöglichen. Eine uneingeschränkte Bindung des Sozialleistungsträgers an den arbeitsgerichtlichen Vergleich folgt auch nicht aus § 46 Abs. 2 Satz 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) i.V.m. § 325 ZPO. Denn zum einen gilt § 325 ZPO nur für Urteile. Zum anderen würde eine Bindungswirkung dem Untersuchungsgrundsatz gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) widersprechen, wonach der Sozialleistungsträger den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln hat. Eine Bindung der Beklagten an die Festlegungen des Vergleichs ergibt sich auch nicht daraus, dass der im Vergleich geregelte Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt gemäß § 187 Satz 1 SGB III kraft Gesetzes mit der Beantragung des Insolvenzgeldes durch den Kläger am 21. Dezember 2004 auf sie übergegangen ist. Dieser gesetzliche Forderungsübergang ermöglicht dem Sozialleistungsträger nur, die übergegangenen Ansprüche selbst als Insolvenzforderungen beim Insolvenzverwalter anzumelden. Damit ist aber nicht geregelt, dass die Beklagte an die Festlegungen im vorgegangenen arbeitsgerichtlichen Vergleich gebunden ist. Nach § 187 Satz 1 SGB III gehen nur die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt über, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen. Soweit dies aber nicht der Fall ist, gehen die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt auch nicht auf den Sozialleistungsträger über. Letzlich ist es somit nicht zu beanstanden, dass die Beklage geprüft hat, in welchem Umfang die im dem arbeitsgerichtlichen Vergleich festgelegten Arbeitsentgeltansprüche für den Insolvenzgeldzeitraum der Anspruchsberechnung zugrunde zu legen sind.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte das Insolvenzgeld mit Bescheid vom 9. Februar 2009 in der rechtmäßigen Höhe bewilligt. Die im arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 30. Januar 2004 vereinbarten Arbeitsentgelte im Insolvenzgeldzeitraum vom 16. Juli 2003 bis zum 15. Oktober 2003 stellen die Obergrenze der für den Insolvenzgeldanspruch maßgeblichen Arbeitsentgelte dar. Diese Beträge sind mit dem tatsächlichen Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt abzugleichen, der diesem unabhängig von den Festlegungen des Vergleichs für den Insolvenzgeldzeitraum aus dem Arbeitsverhältnis zustand. Der Berechnung des Insolvenzgeldes ist dann der jeweils geringere Wert zugrunde zu legen.
Für die Bestimmung des tatsächlichen Anspruchs des Klägers ist zu berücksichtigen, dass er ab dem 25. August 2003 wegen offener Lohnforderungen von seinem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch gemacht hat und der ehemalige Arbeitgeber sich gemäß §§ 293 ff. BGB im Annahmeverzug befand. Während des Annahmeverzugs des Arbeitsgebers behielt der Kläger zwar gemäß § 615 Satz 1 BGB seinen Anspruch auf das vertragsgemäße Arbeitsentgelt. Er muss sich jedoch gemäß § 615 Satz 2 BGB das anrechnen lassen, was er "durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt". Im Falle des Klägers bedeutet dies, dass der erzielte Verdienst aus dem ab dem 15. September 2003 eingegangenen neuen Arbeitsverhältnis anzurechnen ist. Die spezielle Regelung in § 11 KSchG für die "Anrechnung auf entgangenen Zwischenverdienst" findet schon deshalb keine Anwendung, weil diese nur für das Arbeitsentgelt für Zeiträume gilt, in denen bei umstrittener Beendigung das Arbeitsverhältnis nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts fortbesteht. Eine solche Entscheidung liegt im Verhältnis des Klägers zu seinem ehemaligen Arbeitgeber nicht vor. Im Übrigen wäre auch nach dem Wortlaut des § 11 Nr. 1 KSchG das durch anderweitige Arbeit verdiente Arbeitsentgelt anzurechnen. Entgegen der Ansicht des Klägers kann einer Anrechnung gemäß § 615 Satz 2 BGB auch nicht eine Einrede der Verjährung entgegen stehen. Denn die Anrechnung ist kein "Anspruch", welcher gemäß § 194 Abs. 1 BGB der Verjährung unterliegt. Es bedarf auch keiner besonderen Erklärung. Die Anrechnung erfolgt vielmehr automatisch kraft Gesetzes. Die nach § 615 Satz 2 BGB gebotene Anrechnung anderweitigen Verdienstes hindert bereits die Entstehung des Anspruchs aus § 615 Satz 1 BGB und führt nicht bloß zu einer Aufrechnungslage (vgl. Urteil des BAG vom 22. November 2005 - 1 AZR 407/04, Rn. 27 - zitiert nach juris).
Auf diese Anrechnung konnte der Arbeitgeber im arbeitsgerichtlichen Vergleich zum Nachteil der Beklagten auch nicht wirksam verzichten. Zwar ist grundsätzlich die Regelung des § 615 Satz 2 BGB abdingbar (vgl. BAG, Urteil vom 06. Februar 1964 - 5 AZR 93/63 - zitiert nach juris; Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 615 Rn. 86 ff.). Dies ergibt sich mittelbar aus § 619 BGB, wonach nur die Verpflichtungen aus §§ 617, 618 BGB nicht abdingbar sind. Die Versichertengemeinschaft würde jedoch unzulässig belastet, wenn die Beklagte das Insolvenzgeld ohne Berücksichtigung des im Insolvenzgeldzeitraum beim neuen Arbeitgeber erzielten Verdienstes berechnen müsste. Denn ein solcher Anspruch ginge über den Zweck des Insolvenzgeldes, den Arbeitnehmer für den Insolvenzgeldzeitraum vor dem Ausfall geschuldeten Arbeitsentgelts zu schützen, hinaus. In konkreten Fall kann dies letztlich aber offenbleiben. Denn materiellrechtlich lag auch nach dem Vortrag des Klägers kein einseitiger Verzicht seines ehemaligen Arbeitgebers auf die Anrechnung des aus dem anderweitigen Arbeitsverhältnis erzielten Arbeitsentgelts vor. Der Kläger hat vorgetragen, der Verzicht auf die Anrechnung sei als Teil des Vergleichs zu sehen. Er habe dafür auf noch offenes Arbeitsentgelt für Überstunden verzichtet. Bei einer solchen Konstellation liegt kein einseitiger Verzicht auf die Anrechnung vor. Eine sich aus der Anrechnung ergebende Minderung des Zahlbetrags für die Zeit vom 15. September 2003 (Aufnahme der anderweitigen Arbeit) bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bei der Firma Q. wird vorausgesetzt und im Rahmen des Vergleichs "überschlägig" mit den Forderungen auf Vergütung geleisteter Mehrarbeit "verrechnet". Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass mit dem Vergleich alle noch offenen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis ausgeglichen werden sollen. Wenn somit in diesem Rahmen im Hinblick auf andere offene Forderungen des Klägers der Arbeitslohn für die Zeit ab dem 15. September 2003 ohne Anrechnung des anderweitig erzielten Arbeitsentgelts gezahlt werden sollte, hindert dies nicht daran, den Arbeitsentgeltanspruch nur für den Insolvenzgeldzeitraum gesondert zu betrachten. Dabei ist zu beachten, dass die geleisteten Überstunden nach dem Vortrag des Klägers und auch nach der Forderungsspezifizierung in der Klageschrift im arbeitsgerichtlichen Verfahren in der Zeit vor Juli 2003 und folglich nicht in den Insolvenzgeldzeitraum fallen. Der Anspruch auf die vom Kläger geltend gemachte Überstundenvergütung hatte deshalb keine Relevanz für den Insolvenzgeldzeitraum. Denn für die Zuordnung der Arbeitsentgeltansprüche wegen Mehrarbeit gilt der "Grundsatz des Erarbeitens" (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 25. Juni 2002 - B 11 AL 90/01 R, Rn. 17 ff. - zitiert nach juris). Das heißt, der Anspruch auf Abgeltung der Mehrarbeit ist den Monaten zuzuordnen, in denen diese auch angefallen ist. Wertungsmäßig ist deshalb auch das Unterlassen der Anrechnung des anderweitigen Verdienstes, mit dem vergleichsweise die Bezahlung der Überstunden "abgegolten" werden sollte, nicht dem Insolvenzgeldzeitraum zuzurechnen. Insolvenzrechtlich ist insofern nur der dem Kläger für den Zeitraum vom 16. Juli 2003 bis zum 15. Oktober 2003 zustehende Anspruch auf Arbeitsentgelt bei Anrechnung des in diesem Zeitraum durch anderweitige Arbeit (bei einem anderen Arbeitgeber) erzielten Verdienstes relevant.
Die von der Beklagten gemäß § 615 Satz 2 BGB vorgenommene Anrechnung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Anzurechnen war das bei dem anderen Arbeitgeber erzielte Nettoentgelt. Auch wenn bei einer arbeitsrechtlichen Betrachtung eine Gegenüberstellung des im ersten Arbeitsverhältnis, in welchem der Annahmeverzug vorlag, zustehenden Bruttoentgelts mit dem im neuen Arbeitsverhältnis erzielten Bruttoentgelt zu erfolgen hat, gilt für die Anrechnung bei der Insolvenzgeldbewilligung etwas anderes. Wenn die zustehende Leistung aus dem Arbeitsförderungsrecht in Höhe des Nettoentgelts zu zahlen ist, ist auch das durch die anderweitige Verwendung der Dienste erzielte Arbeitsentgelt als Nettoentgelt zu berücksichtigen (vgl. für das Kurzarbeitergeld Urteil des BSG vom 17. März 1993 - 10 RAr 7/91- zitiert nach juris Rn. 21). Dies gilt dann auch bei der Berechnung des Insolvenzgelds, das gemäß § 185 Abs. 1 SGB III als Nettoentgelt gezahlt wird. Anzurechnen sind die im gesamten Zeitraum des Annahmeverzuges erzielten anderweitigen Verdienste (vgl. ständige Rspr. des BAG, u. a. Urteil vom 22. November 2005 - 1 AZR 407/04 - zitiert nach juris). Danach ist das in dem neuen Arbeitsverhältnis in der Zeit von dessen Beginn am 15. September 2003 bis zum Ende des Insolvenzgeldzeitraums am 15. Oktober 2003 insgesamt erzielte Nettoarbeitsentgelt auf das für diesen Zeitraum aus dem Arbeitsverhältnis des Klägerin bei der Firma Q. anzurechnen. Aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma Q. stand dem Kläger für den Insolvenzgeldzeitraum Arbeitsentgelt in Höhe von 984,57 EUR zu (1.010,15 geteilt durch 30 mal 16 = 538,75 EUR für die Zeit vom 15. bis zum 30. September 2003 und 445,83 EUR für die Zeit vom 1. bis zum 15. Oktober 2003). Aus dem neuen Arbeitsverhältnis hatte der Kläger in diesem Zeitraum 1.027,39 EUR erzielt (526,37 EUR die Zeit vom 15. bis zum 30 September 2003 und für die Zeit vom 1. bis zum 15. Oktober 2003 1.002,05 EUR geteilt durch 30 mal 15 = 501,02 EUR). Weil der Kläger somit im Insolvenzgeldzeitraum in dem neuen Arbeitsverhältnis mehr Arbeitsentgelt erzielte als ihm aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma Q. zustand, würde durch die Anrechnung der Insolvenzgeldanspruch in voller Höhe von 984,57 EUR entfallen. Die Beklagte hat aber nur einen Betrag von 972,20 EUR errechnet (zu den näheren Einzelheiten wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 4. Juli 2011 - Blatt 165 der Gerichtakten verwiesen) und angerechnet. Dadurch ist der Kläger nicht beschwert.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat die Beklagte auch im Hinblick auf die während des Berufungsverfahrens erfolgte Insolvenzgeldbewilligung keine außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Wie oben ausgeführt, lag ein für den Anspruch konstitutives Insolvenzereignis erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 16. Oktober 2008 vor. Die Beklagte hat hierauf angemessen und ohne schuldhaftes Zögern nach Einholung der Entgeltbescheinigung durch den Insolvenzverwalter vom 26. Januar 2009 mit dem Bescheid vom 9. Februar 2009 reagiert. Es kann auch zugunsten des Klägers nicht berücksichtigt werden, dass die Beklagte selbst nach dem mit der Stellung des Insolvenzgeldanspruchs erfolgten Übergang von Arbeitsentgeltansprüchen nach § 187 SGB III auf sie einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht hätte stellen können. Die Beklagte war nicht verpflichtet, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist Maßstab für die Frage, ob die Beklagte selbst einen Insolvenzgeldantrag stellt, nicht das mutmaßliche Interesse des betroffenen Arbeitnehmers, sondern alleine das Interesse der Versichertengemeinschaft daran, den Anspruch gegen den Arbeitgeber zur Kompensation der Aufwendungen für Insolvenzgeld im Insolvenzverfahren zumindest teilweise durchsetzen zu können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15. Dezember 1992 - 10 RAr 4/91 - SozR 3-4100 § 141b Nr. 5). Eine andere Bewertung kann gegebenenfalls dann geboten sein, wenn der betroffene Arbeitnehmer die Beklagte erfolglos gebeten hat, sie möge ihn bevollmächtigen, im eigenen Nahmen die übergegangenen Ansprüche gegen den Arbeitgeber durchzusetzen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor. Die konkret aufgeworfenen Rechtfragen sind - wie aufgezeigt- bereits höchstrichterlich geklärt.
Hinweise
rechtskräftig