24.06.2004 · IWW-Abrufnummer 041634
Bundesfinanzhof: Urteil vom 20.04.2004 – IX R 39/01
1. Bekundet jemand einem anderen gegenüber seine Bereitschaft, mit seinen persönlichen Beziehungen bei einer geschäftlichen Transaktion behilflich zu sein und erhält er dafür eine Provision, so ist dieses Verhalten nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
2. Auf eine Ermittlungspflichtverletzung des FA kann sich gegenüber einer Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht berufen, wer den Sachverhalt ganz bewusst falsch darlegt und bei dem FA daher einen Irrtum über einen tatsächlichen Geschehensablauf hervorruft.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bezog im Streitjahr (1992) als Geschäftsführerin einer GmbH u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Im Juli des Streitjahres stellte sie der X Lebensversicherungs-AG (im Folgenden: X) für ihre "Bemühungen im Zusammenhang Projekt ... vereinbarungsgemäß" 5 Mio. DM in Rechnung und erhielt diesen Betrag.
Damit hat es folgende Bewandtnis: X wollte ein bestimmtes Grundstück erwerben. Hiervon erfuhr die Klägerin durch den mit ihr eng befreundeten Rechtsberater der Versicherung (im Folgenden: R). Sie wiederum teilte R mit, eine Jugendfreundin des Vorstandsvorsitzenden der Grundstückseigentümerin zu sein. Diese Tatsache teilte R der mit dem Grundstückserwerb beauftragten Unternehmensberatungs-GmbH (im Folgenden: U) mit und zwar mit der Bemerkung, dass die Klägerin möglicherweise für den beabsichtigten Grundstückserwerb nützlich sein könne. X, hierüber durch U informiert, sagte der Klägerin ein "Betreuungshonorar" von 5 v.H. "im Erfolgsfalle" zu und bestätigte dies R mit Schriftsatz vom 12. November 1991. Die Klägerin akzeptierte dies.
Im Zusammenhang mit den Abschlussverhandlungen über den Grundstückskaufvertrag vereinbarten die Klägerin, U und X noch im November 1991, den Provisionssatz auf 5 Mio. DM festzuschreiben. X erwarb das Grundstück.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin neben weiteren, hier nicht streitigen Einkünften Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 70 842 DM (gegenüber 6 800 DM im Vorjahr). Das Formular war zu den Einkünften aus Leistungen im Erklärungsfeld nicht ausgefüllt, enthielt jedoch im Fragebereich nach Einkünften aus sonstigen Leistungen den Hinweis "(X entf.)". In ihrer Vermögensteuererklärung zum 1. Januar 1993 wies die Klägerin "Festgeld (X)" in Höhe von 5 038 541 DM aus.
Auf die Aufforderung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--), die Steigerung ihrer Zinseinnahmen zu erklären, legte die Klägerin dar, im Zusammenhang mit X sei es "1992 zu einem Vermögensanfall gekommen, der die erklärten Zinsen bei der Wiederanlage auslöste". Das FA veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß; der Einkommensteuerbescheid wurde bestandskräftig.
Das FA erfuhr erst später von den Umständen, die sich hinter dem "Vermögensanfall" verbargen und änderte nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung den Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), indem es die von der Klägerin vereinnahmte Provision der Einkommensteuer unterwarf.
Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin zunächst gegen die Berechtigung des FA zur Berichtigung des Einkommensteuerbescheides. Sie sei ihren Erklärungspflichten vollständig nachgekommen; das FA habe es versäumt, den Hintergrund des Vermögensanfalls aufzuklären. Zudem sei der Steuertatbestand nicht erfüllt. Sie habe keine Leistung erbracht und das Betreuungshonorar in reiner Spielerlaune akzeptiert.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1173 veröffentlichten Urteil ab.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Das FG habe seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpft und deshalb gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) verstoßen. Es habe die Aussage des Zeugen Y nicht bei seiner Entscheidung berücksichtigt.
Das FA sei zur Korrektur des Einkommensteuerbescheides nicht berechtigt gewesen. Es habe den Sachverhalt, um den es hier gehe, selbst ermitteln können und müssen. Sie, die Klägerin, habe nicht gegen ihre Mitwirkungspflichten verstoßen. Sie brauche nicht sämtliche im Streitjahr angefallenen Fakten undifferenziert offen zu legen, sondern könne bei der Auswahl der mitzuteilenden Umstände eine vertretbare Rechtsauffassung zugrunde legen. Es bestehe keine Verpflichtung, zweifelhafte Sachverhalte zu offenbaren. Auch habe ihre Mitteilung nicht etwa eine nicht steuerbare Einnahme aus einer Lebensversicherung suggeriert.
Der Zufluss selbst sei nicht steuerbar. Es seien dem Urteilssachverhalt keine Umstände zu entnehmen, die die Annahme einer Leistung rechtfertigten. Diese setze ein konkretes, zweckbestimmtes und realisiertes Verhalten voraus, das nicht allein an die Erwartungshaltung des Zahlungspflichtigen anknüpfe. Überdies fehle es an einem Leistungsaustausch.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und die geänderten Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
1. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das FG hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen und damit § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht verletzt. Es konnte unbeschadet der Aussage des Zeugen zu dem Ergebnis gelangen, die Klägerin habe gegenüber X den Eindruck erweckt, diese könne eine vermittlungsähnliche Leistung von ihr erwarten. Die in den Akten enthaltene Aussage des Zeugen, die Klägerin sei X von U "avisiert" worden, steht dazu nicht im Widerspruch.
2. Zutreffend hat das FG die Einnahmen der Klägerin aus der Provision der Besteuerung unterworfen.
a) Das Verhalten der Klägerin erfüllt den Tatbestand des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) schon deshalb, weil es Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages war (vgl. die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--; z.B. Urteil des Großen Senats vom 23. Juni 1964 GrS 1/64 S, BFHE 80, 73, BStBl III 1964, 500, und Urteil vom 18. Dezember 2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643, m.w.N.).
Das FG hat hierzu für den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellt: Die Klägerin hat durch die Vermittlung ihrer Botschaft an die Grundstücksinteressentin (oder den von dieser beauftragten Makler), der Vorstandsvorsitzende der Grundstückseigentümerin sei ein Jugendfreund von ihr und könne möglicherweise nützlich sein für den beabsichtigten Grundstückserwerb, bei dieser den Eindruck erweckt, sie könne eine vermittlungsähnliche Leistung erwarten. Nur hierfür war die Interessentin bereit, eine provisionsähnliche Vergütung zu zahlen.
In diesem Verhalten hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Leistung der Klägerin gesehen, die auch dann, wenn sie --wie hier-- einmalig erbracht wird, den Tatbestand des § 22 Nr. 3 EStG verwirklicht (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 1982 VIII R 73/79, BFHE 137, 251, BStBl II 1983, 201).
aa) Dabei hat die Klägerin bereits durch ihre Bereitschaft, mit ihren persönlichen Beziehungen für den Grundstückserwerb nützlich zu sein, eine Leistung erbracht. Ob sie überdies bei X den Eindruck erweckt hat, diese könne eine vermittlungsähnliche Leistung von ihr erwarten, ist danach ohne Bedeutung. Deshalb kann entgegen der Revision dahinstehen, ob schon das "Eindruck erwecken" als solches eine Leistung bildet, die --so das FG-- mit einem Gebaren verglichen werden kann, das mit Schmier- oder Bestechungsgeldern entgolten wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396; Schmidt/Wacker, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl., § 22 Rz. 132, m.w.N.).
bb) Die Leistung ist der Klägerin auch zuzurechnen. Ihr liegt entgegen der Revision ein willensgetragenes und zielgerichtetes Verhalten der Klägerin zugrunde. Sie selbst hat die Informationen übermittelt und war damit einverstanden, dass X dadurch die Möglichkeit erhielt, die Kenntnisse in den Vertragsverhandlungen mit der Grundstückseigentümerin "nutzbar zu machen". In welcher Funktion R die ihm mitgeteilte Bereitschaft an X weiterleitete, ob er als Vertreter der Klägerin, als solcher der Versicherung, ggf. in Verbindung mit U auftrat oder als Bote handelte, kann dahinstehen. Denn die Klägerin war damit einverstanden, dass gegenüber X als Adressatin eine entsprechende Erklärung abgegeben wurde. Selbst wenn bei dem persönlichen Gespräch mit R ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein der Klägerin (noch) nicht vorhanden war, so doch jedenfalls in dem Zeitpunkt, als sie das durch Schreiben vom 12. November 1991 zugesagte Betreuungshonorar akzeptierte und sich mit U und X über die Begrenzung der Provision auf 5 Mio. DM einigte.
Der hier gegebene Zusammenhang von Leistung und ausbedungener Provision markiert den Unterschied zur bloßen Teilnahme an einem Glücksspiel, die lediglich die "Chance" vermittelt, bei dem Spiel auch zu gewinnen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 14. Mai 1997 XI B 145/96, BFH/NV 1997, 658).
b) Das FA war auch berechtigt, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern. Danach sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
aa) Die Änderung eines Bescheides ist nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 2/01, BFHE 197, 526, m.w.N.).
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das FG die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift zutreffend bejaht; denn die Umstände der Provisionszahlung sind dem FA erst nach dem Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides bekannt geworden.
Unbeschadet einer Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA hat die Kl ägerin ihre Mitwirkungspflicht verletzt und kann der Änderung Treu und Glauben nicht entgegenhalten.
Insbesondere wegen der ungewöhnlichen Umstände hat --wie das FG zu Recht hervorhebt-- die um die steuerrechtliche Problematik wissende Klägerin sich nicht darauf beschränken dürfen, einen "Vermögensanfall" zu erklären. Es kommt entgegen der Revision nicht darauf an, ob und inwieweit die Klägerin ausgehend von dem in § 150 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 enthaltenen Gebot, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, verpflichtet ist, zweifelhafte Sachverhalte zu offenbaren (vgl. zur Wahrheitspflicht Trzaskalik in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 150 AO Rz. 17 und 18, m.w.N.). Sie hat nämlich --über die Darstellung des Sachverhalts als "Vermögensanfall" hinausgehend-- fälschlicherweise von einer "Wiederanlage" gesprochen. Diese Aussage konnte bei dem Erklärungsempfänger --dem FA-- den Irrtum hervorrufen, der Betrag sei bereits angelegt gewesen, z.B. als Lebensversicherung. Dabei war die Annahme einer Lebensversicherung entgegen der Auffassung der Revision für das FA keineswegs ausgeschlossen. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG sind nur die dort aufgeführten Versicherungen begünstigt (vgl. zu den danach nicht begünstigten Versicherungstypen Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10 EStG Rz. 237), und diese auch nur in begrenzter Höhe, so dass man aus den bisher eingereichten Steuererklärungen keine zwingenden Kenntnisse über das Bestehen oder Nichtbestehen von Lebensversicherungen hätte herleiten können.