02.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122773
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 08.02.2012 – 6 Sa 422/11
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 08.02.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 18.08.2011 - 2 Ca 342 c/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger trat am 1. Januar 2010 als Oberbauleiter mit einem Bruttomonatsgehalt von 4.500,00 EUR in die Dienste der Beklagten. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Anstellungsvertrag vom 6. November 2009 zugrunde (Anlage 1 = Bl. 3 ff. d. A.).
Die Beklagte ist ein Bauträgerunternehmen. Sie beschäftigt regelmäßig weniger als 10 Arbeitnehmer.
Die Beklagte hat dem Kläger am 18. November 2010 ein Kündigungsschreiben vom selben Tag (Anlage 2 = Bl. 6 d. A.) übermittelt. Darin ist dem Kläger die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen worden. Auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine arbeitgeberseitige Kündigung vom 12. November 2010 hat sich die Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht mehr berufen.
Der Kläger hat sich gegen die Kündigung vom 18. November 2010 zunächst mit der Begründung gewandt, ein wichtiger Grund zur Kündigung liege nicht vor. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2011 (Bl. 42 ff. d. A.) hat der Kläger erstmals geltend gemacht, dass die Unterschrift auf dem Kündigungsschreiben unter Zuhilfenahme eines Computers in das Kündigungsschreiben eingefügt worden sei. Herr H. habe nicht eigenhändig unterschrieben.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten erklärte Kündigung vom 18. November 2010 nicht aufgelöst worden ist und
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung vom 18. November 2010 habe das Arbeitsverhältnis beendet. Der Kläger hätte die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung innerhalb von drei Wochen geltend machen müssen. Da er dies nicht getan habe, sei sein jetziger Einwand, die Kündigung sei formunwirksam, verspätet. Die Beklagte hat behauptet, aus den ihren Prozessbevollmächtigten vorliegenden Unterlagen könne nicht geschlossen werden, dass der Vorstand der Beklagten die Kündigung nicht unterzeichnet habe. Im Übrigen liege ein wichtiger Grund zum Ausspruch der Kündigung vor. Der Kläger habe unberechtigt Fliesen aus dem Betrieb der Beklagten weggeschafft und bei sich eingebaut.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte habe die Kündigung vom 18. November 2010 nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form ausgesprochen. Der Kläger habe vorgetragen, dass die Unterschrift in das Kündigungsschreiben vom 18. November 2010 unter Zuhilfenahme eines Computers eingefügt worden sei. Dazu habe sich die Beklagte nicht hinreichend erklärt. Eine unter Zuhilfenahme eines Computers eingefügte Unterschrift sei aber keine Originalunterschrift und erfülle deshalb das Schriftformerfordernis des § 126 Abs. 1 BGB nicht. Der Kläger habe diesen Mangel außerhalb der dreiwöchigen Geltendmachungsfrist des § 4 Satz 1 KSchG geltend machen können, da § 4 KSchG nur die schriftliche Kündigung, also die gemäß § 126 Abs. 1 BGB ordnungsgemäß zustande gekommene Kündigung, betreffe. Außerdem sei die Kündigungserklärung wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Ein nichtiges Rechtsgeschäft sei von vornherein unwirksam. Die Rechtsunwirksamkeit eines Rechtsgeschäftes könne - bis zu den Grenzen der Verwirkung - jederzeit geltend gemacht werden.
Angesichts der mittlerweile zweiten fristlosen Kündigung bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers an der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Gegen das ihr am 4. Oktober 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 2. November 2011 Berufung eingelegt und diese am 5. Dezember 2011 (Montag) begründet.
Die Beklagte rügt, der Vortrag des Klägers zur Formunwirksamkeit sei nicht hinreichend substantiiert. Der Kläger hätte das Original des Kündigungsschreibens vom 18. November 2011 vorlegen müssen. Er habe im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht aber nur eine Kopie des Kündigungsschreibens vorgelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster - 2 Ca 342 c/11 - vom 18. August 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, die Beklagte habe die von ihm behauptete Unterzeichnung des Kündigungsschreibens per Computer nicht wirksam bestritten. In der Berufung stelle sich die Beklagte sogar auf den Standpunkt, den Klägervortrag zur Computerunterschrift nicht mit Nichtwissen bestritten zu haben.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c) ArbGG statthaft und form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1. Die Kündigung vom 18. November 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet.
a) Die Kündigung entspricht nicht der gesetzlichen Form der §§ 623, 126 Abs. 1 BGB und ist deshalb nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverh ältnissen durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Nach § 126 Abs. 1 BGB muss die Urkunde (hier das Kündigungsschreiben) von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet sein, wenn durch das Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben ist. Die Unterzeichnung des Kündigungsschreibens lediglich mit einer Computerunterschrift genügt nicht den Anforderungen des § 126 Abs. 1 BGB (Hessisches LAG 26.10.2007 - 10 Sa 961/06 -).
b) Davon, dass das Kündigungsschreiben vom 18.11.2011 nur eine Computerunterschrift trägt, ist das Arbeitsgericht zu Recht ausgegangen.
Der Kläger hat behauptet, die Unterschrift auf der Kündigung vom 18.11.2010 sei mit Hilfe eines Computers erstellt worden. Es handele sich nicht um die eigenhändige Unterschrift des Herrn H., sondern um eine hinterlegte (Schriftsatz vom 25.05.2011 = Bl. 42 f. d. A.).
Dazu hat die Beklagte in der ersten Instanz vorgetragen, die ihren Prozessbevollmächtigten vorliegenden Schriftstücke wiesen unterschiedliche Unterschriften des Herrn H. aus. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass Herr H. die streitgegenständliche Kündigung nicht unterzeichnet hat (Schriftsatz vom 28.06.2011 = Bl. 57 d. A.).
Damit hat die Beklagte den Vortrag des Klägers nicht in einer den Anforderungen des § 138 Abs. 2, 3 ZPO genügenden Art und Weise bestritten. Erst recht hat sie nicht positiv erklärt, Herr H. habe das streitgegenständliche Kündigungsschreiben eigenhändig unterschrieben. Nach § 138 Abs. 3 ZPO gelten jedoch Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, als zugestanden, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, den übrigen Erklärungen der Partei zu entnehmen ist. Die vagen Ausführungen der Beklagten zu den unterschiedlichen Unterschriften des Herrn H. lassen nicht den Schluss zu, dass sie bestreitet, dass das Kündigungsschreiben eine Computerunterschrift trägt. Das Arbeitsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Behauptung des Klägers, das streitgegenständliche Kündigungsschreiben sei nicht eigenhändig, sondern mit Hilfe eines Computers unterschrieben, als zugestanden gilt.
Soweit die Beklagte im zweiten Rechtszug rügt, der Kläger hätte zu dem Formmangel substantiierter vortragen und das Kündigungsschreiben vom 18. November 2010 im Original vorlegen müssen, überzeugt das nicht. Zum einen ergibt sich aus dem Protokoll der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht, dass der Kläger das Original des Kündigungsschreibens vom 18. November 2010 vorgelegt hat. Zum anderen ist seine erstinstanzliche Behauptung, die Kündigung sei mit Hilfe eines Computers und nicht eigenhändig von Herrn H. unterschrieben, hinreichend konkret. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, im Einzelnen vorzutragen, um was für eine Unterschrift es sich auf dem streitgegenständlichen Kündigungsschreiben handelt, und damit der klägerischen Behauptung entgegenzutreten, es sei eine Computerunterschrift. Hinzuweisen ist im Übrigen darauf, dass die Darlegungs- und Beweislast für die die Rechtswirksamkeit eines Rechtsgeschäfts ausmachenden Umstände und damit für die Einhaltung der Schriftform die Partei zu tragen hat, die Rechte aus diesem Rechtsgeschäft herleiten will (ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 626 BGB Rn. 17). Im vorliegenden Fall wäre es somit ohnehin Sache der Beklagten gewesen, Tatsachen vorzutragen, aus denen sich die Einhaltung der Schriftform ergibt.
c) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann der Arbeitnehmer die Nichtigkeit einer gemäß § 623 BGB formunwirksamen Kündigung auch außerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 KSchG geltend machen (vgl. BAG 09. 02.2006 - 6 AZR 283/05 - ; 28.06.2007 - 6 AZR 873/06 -; ErfK/Müller-Glöge 11. Aufl. § 623 BGB Rn. 14). Denn nach der zum 01.01.2004 in Kraft getretenen Fassung des § 4 KSchG entscheidet der Zugang der "schriftlichen" Kündigung über den Beginn der Klagefrist.
2. Über den allgemeinen Feststellungsantrag, den der Kläger in der Berufung zurückgenommen hat, musste nicht (mehr) entschieden werden. Das hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrags noch nicht formell rechtskräftige Urteil wird nach der (teilweisen) Klagerücknahme wirkungslos. Die Wirkungslosigkeit des Urteils muss nicht ausgesprochen werden (Zöller/Greger 28. Aufl. § 269 Rn. 17).
III. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der die Berufungskammer die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Formunwirksamkeit von Kündigungen zugrunde gelegt hat.