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14.09.2012 · IWW-Abrufnummer 122646

Landgericht Fulda: Urteil vom 29.03.2012 – 16 Js 6742/10 – 1 KLs

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


16 Js 6742/10 – 1 KLs

LANDGERICHT FULDA

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
#
In der Strafsache XXX

w e g e n fahrlässiger Körperverletzung u. a.,

hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Fulda in der Hauptverhandlung vom 15., 16., 20., 23. und 29.03.2012, an der teilgenommen haben:

XXX

am 29. März 2012

f ü r R e c h t e r k a n n t :

Der Angeklagte ist schuldig, vorsätzlich entgegen § 14 Satz 2 des Gesetzes über Medizinprodukte Medizinprodukte betrieben zu haben in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen.

Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

Gegen den Angeklagten wird ein auf die Ausübung von Operationen beschränktes Berufsverbot für die Dauer von 2 Jahren angeordnet.

Er hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen.

G r ü n d e :

I.
Der jetzt e……. Jahre alte Angeklagte wuchs in ……. auf, wo er auch zur Schule ging. Nach seinem Abitur nahm er das Studium der Medizin in ……… auf. Nach erfolgreichem Absolvieren der Staatsexamina spezialisierte er sich auf dem Gebiet der Orthopädie und ist seit vielen Jahren Facharzt für Orthopädie. Nachdem er zunächst in verschiedenen Kliniken – unter anderem für 2 Jahre in …… – als Orthopäde angestellt war, eröffnete er im Dezember 1992 sein eigenes ambulantes OP-Zentrum (AOZ) im …………. Hier führte er neben der gewöhnlichen Sprechstunde auch ambulante orthopädische Operationen durch. Drei solcher Operationen am 19.04.2010 sind Gegenstand des hiesigen Strafverfahrens.
Der Angeklagte ist seit dem Jahre ……. verheiratet und hat…… Kinder, denen gegenüber er nicht mehr unterhaltspflichtig ist. Über einen nennenswerten Gewinn aus seiner selbständigen Arbeit verfügt er eigenen Angaben zufolge derzeit nicht. Schulden bestehen in Höhe von etwa ………. EUR, resultierend aus Investitionen für sein ambulantes OP-Zentrum.
Der Angeklagte ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er mit Urteil des Amtsgerichts Fulda vom 29.04.2008 (Az.:………), rechtskräftig seit 10.09.2009, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100,00 EUR verurteilt. Jenem Urteil sind folgende Feststellungen zur Person des Angeklagten sowie zum Sachverhalt zu entnehmen:
„Der Angeklagte, Facharzt für Orthopädie, ist verheiratet und einem Kind noch zum Unterhalt verpflichtet. Die Einkommensverhältnisse des Angeklagten sind nicht bekannt. Die Ehefrau des Angeklagten hat als Angestellte in der Praxis ihres Ehemannes eigenes Einkommen. Der Angeklagte ist bisher noch nicht bestraft worden.
Der Zeuge und Nebenkläger N.N. verletzte sich am 29.09.2005, als er nach Beendigung seiner Arbeit auf dem Weg nach Hause mit einem Fahrrad stürzte. Bei dem Sturz schlug er mit dem gebeugten rechten Knie auf den Boden auf. Wegen der Verletzung des rechten Knies suchte der Zeuge N.N. zunächst seinen Hausarzt auf, der ihn an den Angeklagten als Durchgangsarzt überwies. Am 10.10.2005 stellte sich der Zeuge N.N. mit einem Röntgenbefund des rechten Kniegelenkes vom 04.10.2005 bei dem Angeklagten vor. Bei dieser Untersuchung hielt der Angeklagte in dem Durchgangsarztbericht als Erstdiagnose fest: Kontusion und Verdacht auf Distorsion rechtes Knie. Die Erstversorgung bestand in der Anlegung eines Zinkleimverbandes am rechten Knie. Bei der vereinbarten Wiedervorstellung am 12.10.2005 wurde von dem Angeklagten eine arthroskopische Abklärung der Verletzung für notwendig erachtet. Der Angeklagte erläuterte dem Zeugen N.N. anhand eines von ihm auf einem Blatt Papier skizzierten Kniegelenkes den vorzunehmenden Eingriff. Die von dem Angeklagten bei dieser Erläuterung gefertigte Skizze zeigt ein linkes Kniegelenk, was von dem Zeugen N.N.nicht erkannt wurde. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterschrieb der Zeuge eine Einverständniserklärung mit dem Inhalt, dass er in einer ihm verständlichen Form über den vorgesehenen Eingriff Kniespiegelung links aufgeklärt worden ist und dass er mit dem vorgesehenen Eingriff einverstanden ist. Der gefertigte Nachschaubericht für diese Vorstellung vom 12.10.2005 befasst sich alleine mit den Komplikationen des rechten Knies. Eine Behandlungsnotwendigkeit des linken Knies ist nicht erwähnt. Am 14.10.2005 erfolgte eine weitere Nachuntersuchung. Bei dieser Nachuntersuchung wurde, ohne dass eine Behandlung des linken Knies angesprochen wurde, eine arthroskopische Abklärung und gegebenenfalls Sanierung für den 24.10.2005 vorgesehen. Der Eingriff sollte durchgeführt werden in den Praxisräumen des Angeklagten. Der Angeklagte vermittelte den Zeugen für den 19.10.2005 zu einem Aufklärungsgespräch bei dem Schmerz- und Palliativzentrum in Fulda, deren Ärzte die Narkose bei dem Eingriff vornehmen sollten. Am 19.10.2005 wurde der Zeuge bei den Anästhesieärzten vorstellig. Er wurde von dem Anästhesisten N.N. befragt und aufgeklärt. Auf Angaben des Angeklagten wurde in dem Protokoll als geplanter Eingriff festgehalten: ASK re Knie am 24.10. Bei dieser Aufklärung war somit nur von einem Eingriff im rechten Knie die Rede. Der Eingriff erfolgte dann wie vorgesehen am 24.10.2005 in der Praxis des Angeklagten. Die Narkose besorgte der Anästhesist N.N.. Der Angeklagte nahm den arthroskopischen Eingriff am linken Knie vor, ohne dass für dieses Knie eine Röntgenaufnahme gefertigt worden wäre. Die einzig vorliegenden Röntgenaufnahmen betrafen das rechte Knie. Auch eine Betrachtung dieser vorliegenden Röntgenaufnahmen erfolgte vor dem Eingriff nicht. Als der Zeuge N.N. aus der Narkose erwachte, erkannte er alsbald, dass der Eingriff an dem falschen Kniegelenk vorgenommen worden war. Dies brachte er gegenüber dem Narkosearzt N.N. ebenso sofort zum Ausdruck, wie dann später gegenüber dem Angeklagten und seiner Ehefrau, als er nach Hause gebracht worden war. Der Zeuge N.N. informierte seine Ehefrau, die Zeugin N.N., über die fehlgeschlagene Operation. Am nächsten Tag meldete die Zeugin N.N. den Vorfall der Krankenkasse, der BARMER Ersatzkasse in Fulda. In einem Fragebogen, der dem Zeugen N.N .von der BARMER Ersatzkasse übersandt worden war, führte der Zeuge am 28.10.2005 aus, dass eine Operation am falschen Bein vorgenommen worden sei. Nach dem Eingriff vom 24.10.2005 war der Zeuge N.N. trotz des fehlgeschlagenen Eingriffs noch mehrmals zur Nachbehandlung in der Praxis des Angeklagten, der dann auch einen arthroskopischen Eingriff in das rechte Knie ins Auge fasste. Das beschädigte Vertrauen zum Angeklagten ließ den Zeugen N.N. jedoch dann anderweitig Hilfe in Anspruch nehmen. Der Eingriff vom 24.10.2005 in das linke Kniegelenk sowie die unterbliebene Behandlung des lädierten rechten Knies verursachten dem Zeugen Tauchel lang anhaltende massive Schmerzen und Beeinträchtigungen, die Arbeitsunfähigkeit verursachten und Rehabilitationsmaßnahmen notwendig machten. Noch im Dezember 2005 meldete der Zeuge Tauchel über seine Rechtsanwälte Schadensersatzforderungen an. Auf diese Anmeldung reagierte der Angeklagte mit der Geltendmachung von Forderungen gegen den Zeugen wegen eines nicht wahrgenommenen Behandlungstermins.“
Ergänzend und konkretisierend hat das Landgericht Fulda mit seinem die Berufung verwerfenden Urteil vom 02.09.2009 (Az.: ……………) folgende Feststellungen getroffen:
„Am 29.09.2005 verletzte sich der Zeuge und Nebenkläger N.N., als er nach Beendigung seiner Arbeit auf dem Weg nach Hause von einem Fahrrad stürzte. Bei dem Sturz schlug er mit dem gebeugten rechten Knie auf den Boden auf. Wegen der Verletzung des rechten Knies suchte der Zeuge N.N. zunächst seinen Hausarzt auf, der ihn an den Angeklagten als Durchgangsarzt überwies. Am 10.10.2005 stellte sich der Zeuge N.N. mit einem Röntgenbefund des rechten Kniegelenks vom 04.10.2005 erstmals bei dem Angeklagten vor. Bei dieser Untersuchung hielt der Angeklagte in dem Durchgangsbericht als Diagnose fest: „Kontusion und Verdacht auf Distorsion rechtes Knie“. Die Erstversorgung bestand in der Anlegung eines Zinkleimverbandes am rechten Knie und der Vereinbarung eines weiteren Vorstellungstermins für Mitte der Woche. Bei der Wiedervorstellung am 12.10.2005, zu welchem der Zeuge Röntgenaufnahmen des rechten Knies in 2 Ebenen mitbrachte, wurden von dem Angeklagten eine arthroskopische Abklärung der Verletzung und gegebenenfalls eine Sanierung empfohlen. Der Angeklagte erläuterte dem Zeugen N.N. anhand eines auf der Rückseite des Formulars einer Einverständniserklärung skizzierten Kniegelenkes den vorzunehmenden Eingriff. Hierbei skizzierte er irrtümlicherweise auf zwei Darstellungen jeweils ein linkes Kniegelenk, was von dem Zeugen N.N. nicht erkannt wurde. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterschrieb der Zeuge diese vom Angeklagten nunmehr auf der Vorderseite handschriftlich ausgefüllte Einverständnis-erklärung mit dem Inhalt, dass er sich mit dem vorgesehenen Eingriff: Kniespiegelung links mit Naht des Meniskus, einverstanden erklärt habe und er einer ihm verständlichen Form hierüber aufgeklärt worden sei. Auch hier hatte der Angeklagte irrtümlicherweise statt Kniespiegelung rechts eine Kniespiegelung links vermerkt. Der Zeuge N.N., der wegen der notwendig gewordenen Operation sehr aufgeregt und nervös war, bemerkte diesen Irrtum nicht und unterschrieb die Einverständniserklärung, ohne sich diese genau durchzulesen. Am 14.10.2005 erfolgte eine weitere Nachuntersuchung. Bei dieser Untersuchung wurde als Operationstermin der 24.10.2005 vereinbart. Der Angeklagte überwies den Zeugen wegen der Narkosevoruntersuchung in das Schmerz- und Palliativ-Zentrum Fulda, wo er am 19.10.2005 untersucht wurde. Hierbei gab der Zeuge N.N.als geplanten Eingriff eine Arthoskopie des rechten Kniegelenkes am 24.10.2005 an, was von dem die Untersuchung durchführenden Anästhesisten N.N., dokumentiert wurde.
Am 24.10.2005 wurde der Zeuge N.N. vom Angeklagten in dessen Praxis ambulant operiert. Bereits vor Betreten des OP-Saales durch den Angeklagten war die Vorbereitung des Zeugen N.N. für die Operation abgeschlossen. Der Zeuge N.N. war narkotisiert, entsprechend der Einwilligungserklärung war der Zeuge N.N. für eine Operation am linken Knie hergerichtet worden, somit war das rechte Knie mit einem Tuch zugedeckt, während der Bereich des linken Knies offen da lag. Der Angeklagte führte nunmehr eine Arthoskopie mit Refixation des Aussenmeniskus im linken Knie durch, wobei er zuvor noch auf die im Operationssaal hängende Einverständniserklärung und die auf der Rückseite angefertigte Skizze schaute. Dem Angeklagten fiel auch hierbei sein Irrtum nicht auf. Er hatte an diesem Tag mit dem Zeugen N.N. bis dato weder gesprochen noch ihn gesehen. Eine Kennzeichnung des rechten Knies, etwa mittels eines Filzstifts, war nicht erfolgt. Auch befanden sich im Operationssaal nicht die Röntgenbilder und die Befundberichte bezüglich des rechten Knies. Eine Betrachtung der im Computer gespeicherten Krankenunterlagen, wie Röntgenaufnahmen und Befundberichte erfolgte vor dem Eingriff nicht. Hätte der Angeklagte die vorliegenden Unterlagen vor der Operation eingesehen, der Computer stand in einem an den OP-Saal angrenzenden Nebenraum, wäre ihm sein Irrtum und die damit verbundene Verwechslung des rechten und linken Knies aufgefallen. Dies gilt umsomehr, als der Angeklagte vor der Operation mit dem Patienten nicht gesprochen hat und eine Kennzeichnung des zu operierenden Knies vor der Narkose nicht vorgenommen worden ist.
Als der Zeuge N.N. aus der Narkose erwachte, erkannte er alsbald, dass der Eingriff an dem falschen Kniegelenk vorgenommen worden war. Dies brachte er auch gegenüber dem Narkosearzt, dem Zeugen N.N. ebenso sofort zum Ausdruck, wie dann später gegenüber dem Angeklagten. Nach dem Eingriff vom 24.10.2005 war der Zeuge N.N. trotz des fehlgeschlagenen Eingriffs noch mehrmals zur Wundbehandlung in der Praxis des Angeklagten, der dann auch einen arthroskopischen Eingriff in das rechte Knie ins Auge fasste. Das beschädigte Vertrauen zum Angeklagten ließ den Zeugen N.N. jedoch dann anderweitig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Der Eingriff vom 24.10.2005 in das linke Kniegelenk sowie die unterbliebene Behandlung des lädierten rechten Knies verursachten bei dem Zeugen N.N. lang anhaltende massive Schmerzen und Beeinträchtigungen. Er war 16 Monate lang arbeitsunfähig krank geschrieben und befand sich ca. 13 Wochen in Reha. Sein rechtes Knie – bei dem in Wahrheit das Kreuzband gerissen ist – konnte bis heute wegen der Schädigung des linken Knies nicht operiert werden. Der Zeuge N.N. ist in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Er kann keinen Sport treiben, nicht länger laufen oder in die Hocke gehen. Noch im Dezember 2005 meldete der Zeuge N.N. über seine Rechtsanwälte Schadensersatzforderungen an. Auf diese Anmeldung reagierte der Angeklagte mit der gerichtlichen Geltendmachung von Forderungen gegen den Zeugen wegen eines nicht wahrgenommenen Behandlungstermins. Die entsprechende Zivilklage wurde jedoch abgewiesen.“
II.
Bereits am 30.07.2008 fand im Rahmen einer Routinekontrolle durch das Gesundheitsamt Fulda eine Begehung der Praxis des Angeklagten im …………………. statt. Hierbei wurden durch die Zeugin N.N., Fachärztin für Hygiene- und Umweltmedizin vom Kreisgesundheitsamt Fulda, folgende Mängel festgestellt:
1.) Der vorhandene Hygieneplan gem. § 36 IfSG ist zu aktualisieren und alle Mitarbeiter über dessen Inhalt zu informieren.
2.) Die Reinigungs-/Desinfektionspläne sind zu aktualisieren und das Personal zu unterweisen.
3.) Es sollte auf die Verwendung von Einmalgebinden (z. B. Medikamente, Desinfektionsmittel etc.) übergegangen werden.
4.) Das Personal ist über den sachgerechten Umgang mit Medizinprodukten (z. B. bei der Endoskop-Aufbereitung) zu informieren.
5.) Gem. MPBetreibV § 4 (1) (3) ist ein Sachkenntnislehrgang bzw. Fachkundelehrgang von mit der Aufbereitung Betrauten vorzuweisen.
6.) Einstufung der Medizinproduktegruppen in Risikoklassen gem. MPG/RKI
7.) Der Autoclav MES 336-1, ED der Firma MMM München ist hygienisch zu überprüfen und die Validierbarkeit nachzuweisen.
8.) Funktionsfähigkeit/-sicherheit/-überprüfbarkeit des Reinigungs- und Desinfektionsgerätes (RDG) muss erfolgen.
9.) Leiter von Einrichtungen für ambulantes Operieren haben gem. § 23 IfSG eine Surveillance bestimmter Indikatoroperationen (z. B. u. a. nach arhtroskopischen Kniegelenkseingriffen) vorzunehmen.
10.) Praxisreinigung soll gem. Robert-Koch-Institut (RKI)-Richtlinie durchgeführt werden.
11.) Praxiswäsche soll gem. RKI-Richtlinie gereinigt und gelagert werden.
12.) Wiederinbetriebnahme der raumlufttechnischen (RLT)-Anlage ist zu überprüfen.
13.) Handwaschplätze sind gem. RKI-Richtlinie und BRG 250/TRBA 250 auszustatten.
14.) Rein-Unrein-Raumbedingungen sind einzuhalten (z. Zt. erfolgt räumliche Veränderung).
15.) Die Praxis-/OP-Räumlichkeiten werden von niedergelassenen Augenärzten genutzt. Hier ist sicherzustellen, dass die Hygienestandards eingehalten sind. Ein Hygieneplan, einschl. Desinfektions-/Reinigungsplan sowie Aufbereitung der Instrumente soll dem Praxisinhaber vorgelegt werden.
16.) Gleiches gilt für die Kollegen der Anästhesie.
17.) Das GNO soll dem Praxisinhaber den auf die Räumlichkeiten bezogenen Hygieneplan vorlegen.
Um eine Rückmeldung des Angeklagten binnen 6 Wochen wurde gebeten.
Mit Schreiben vom 18.09.2008 an das Kreisgesundheitsamt Fulda nahm der Angeklagte auf die angesprochenen Punkte wie folgt Bezug:
1.) Der Hygieneplan ist am 15.09. aktualisiert und von dem hier tätigen Personal nach Kenntnisnahme unterzeichnet worden.
2.) Mit gleichem Datum wurden die Desinfektionspläne in Anlehnung an die Vorschriften und Regeln der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst- und Wohlfahrtspflege sowie des § 36 IfSG zur Kenntnis genommen und unterzeichnet.
3.) Die Desinfektionsmittel wurden entsprechend dem Verbrauch bei der Neuanforderung als Einmalgebinde angefordert.
4.) Die Aktualisierung der Arbeitsanweisung für Instrumentenaufbereitung wurde am 09. und am 21.04.2008 als zur Kenntnis genommen gegengezeichnet.
5.) Die Zertifizierung der Sachkundelehrgänge gem. § 4 (3) der Medizinproduktebetreiberverordnung für die Instandhaltung von Medizinprodukten in der ärztlichen Praxis vom 10.02.2006, 29.01.2005 und 11.11.2005 liegen vor.
6.) Die Einstufung der Medizinprodukte in die entsprechenden Risikoklassen wurde im Medizinproduktebuch aktualisiert.
7.) Die hygienische Überprüfung mit dem Nachweis der Validierbarkeit ist für November/Dezember 2008 bei der dann fälligen Wartung vorgesehen.
8.) Die Funktionsfähigkeit/-sicherheit/-überprüfbarkeit des RDG erfolgt
9.) Eine Surveillance gem. § 23 IfSG bestimmter Indikatoroperationen wird für arthroskopische Knieoperationen durchgeführt.
10.) + 11.) Praxisreinigung und Reinigung der Praxiswäsche sowie Lagerung derselben erfolgt entsprechend den RKI-Richtlinien.
12.) Wegen der Wiederinbetriebnahme der RLT-Anlage ist die Herstellerfirma um Kostenvoranschlag gebeten worden.
13.) An den Handwaschplätzen sind entsprechend der RKI-Richtlinie dort Seifenspender vorgesehen, wo sie noch nicht an der Wand angebracht sind.
14.) Bei der Begehung begonnene Umlagerung in einen reinen und einen unreinen Raum ist erfolgt.
15.) -17.) Zertifikate, Hygieneplan, Hygiene- und Desinfektionsreinigungspläne des augenärztlichen Operationszentrums, der anästhesiologischen Praxis und des Gesundheitsnetz Osthessens liegen vor.
Aufgrund jenes Antwortschreibens des Angeklagten ging die Zeugin N.N. davon aus, dass die festgestellten Mängel nunmehr behoben bzw. wenigstens angegangen worden seien, zumal sie noch vor Erhalt des Antwortschreibens des Angeklagten vom 18.09.2008 die Praxisräume des Angeklagten aufgesucht und dabei festgestellt hatte, dass inzwischen räumliche Veränderungen vorgenommen wurden. Eine konkrete Kontrolle im Rahmen einer Nachschau, ob die Angaben des Angeklagten in seinem Antwortschreiben vom 18.09.2008 der Wahrheit entsprachen, erfolgte hingegen nicht. Tatsächlich aber entsprachen die Angaben des Angeklagten in seinem Antwortschreiben vom 18.09.2008 nicht in vollem Umfang der Wahrheit. So wurden entgegen seiner Angaben die aufgeführten Punkte zu Ziffn. 5.), 6.), 8.), 9.), 10.) und 11.) nicht erfüllt. In der Folgezeit kamen im Gegenteil noch eine Reihe weiterer Hygienemängel hinzu, durch die ein erhebliches Gefährdungspotential insbesondere für die Patienten des Angeklagten entstand. In concreto waren am 19.04.2010, mithin an dem Tag, an dem die Operationen erfolgten, die Gegenstand des hiesigen Strafverfahrens sind, folgende, in den Verantwortlichkeitsbereich des Angeklagten fallende, Hygienemängel festzustellen:
A. Bereich Anästhesie
1. In der Praxis des Angeklagten wurden wieder verwertbare Schlauchsysteme für das vorhandene Narkosegerät verwandt. Das für wieder verwertbare Schlauchsysteme erforderliche Reinigungs- und Desinfektionsgerät (RDG) war nicht validiert. Auch die Häufigkeit des Schlauchwechsels war nicht definiert, wobei Einweg- und Mehrwegschläuche parallel verwendet wurden. Da folglich ein ordnungsgemäßer Wechsel und eine ordnungsgemäße Reinigung der Anästhesieschläuche nicht sicher gewährleistet waren, bestand die Gefahr der Verbreitung von Infektionserregern. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 8, 9, 14, 15 und 86 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
2. Die im Operationssaal im Anästhesiewagen bereit liegenden, zur Anwendung eingeschweißten Larynxmasken wiesen zum Teil sehr intensive bräunliche Verfärbungen auf. Diese resultierten entweder daraus, dass sie über das zulässige Maß von 40 Aufbereitungen hinaus resterilisiert wurden oder aber auf unkorrekte Art- und Weise aufgearbeitet wurden. Hieraus resultierte in beiden Fällen eine Gefahr für Patienten, weil das Material nicht mehr sicher keimfrei war. Wegen der Einzelheiten wird auf das Lichtbild Nummer 40 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
B. OP-Raum
1. Die installierte raumlufttechnische Anlage wurde seit dem Jahre 2008 nicht mehr betrieben. Zur Versorgung mit Frischluft des Bereiches diente stattdessen ein geöffnetes Fenster, welches mit Fliegenschutzgitter ausgerüstet war. Wegen der Einzelheiten wird auf Lichtbild Nummer 10 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen. Ohne eine raumlufttechnische Anlage waren jedoch orthopädische Operationen nicht ohne Gefährdung von Patienten und Personal möglich. Eine Patientengefährdung ergab sich aus Einträgen unter anderem von Schimmelpilzsporen aus der Außenluft und Schweißtropfen vom OP-Team, während sich eine Personlagefährdung durch das Freisetzen von Narkosegasen ergab.
2. Auf dem Operationstisch befand sich eine verschmutzte Nackenrolle. Wegen der Einzelheiten wird auf Lichtbild Nummer 37 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen. Hieraus resultierte wiederum eine Gefahr für Patienten, da aufgrund der Verschmutzung eine Keimfreiheit nicht sicher gewährleistet war.
C. Aufbereitungsraum
Im Aufbreitungsraum erfolgte die Aufbereitung der OP-Wäsche über eine Haushaltswaschmaschine. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 14 und 87 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen. Jede Aufbereitung der Wäsche mit einer gewöhnlichen Haushaltswaschmaschine birgt die grundsätzliche und erhebliche Gefahr einer Rekontamination – zum Beispiel durch Blutreste – da die Eingabe und Entnahmeseite gleich sind. Zur ordnungsgemäßen Reinigung und Aufbereitung der in der Praxis des Angeklagten von ihm und dem Personal getragenen Wäsche hätte vielmehr eine Waschmaschine mit Seitentrennung betrieben werden müssen.
D. Textil- und Materiallager
Im Textil- und Materiallager befand sich grüne Schutzkleidung für das OP-Team sowie OP-Abdeckmaterial für das OP-Feld, welches erhebliche Materialdefekte aufwies. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 23, 67 und 68 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen. Hieraus resultiert wiederum eine Gefahr für Patienten, da Bakterien und andere Krankheitserreger durch die Materialdefekte durchdringen können.
E. Sterilgut und Sterillager
1. Die nach erfolgter Sterilisation zur Operation bereit liegenden Sterilgutcontainer des Angeklagten wiesen äußerlich Klebereste auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 41 bis 43 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
2. Nach Öffnung aller vorhandener Sterilgutcontainer zeigte sich, dass die Belüftungsfilter bräunlich verfärbt waren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 44, 80 und 81 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
3. Die Container waren auch im Bodenbereich innen zum Teil korrodiert, zum Teil mit Schmutzpartikeln oder Verklebungen massiv kontaminiert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 45, 50, 70 und 79 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
4. In den Sterilgutcontainern befanden sich in überwiegendem Maße entweder mit Rost korrodiertes oder mit Blutresten kontaminiertes Instrumentarium. Pinzetten für Elektrokoagulation waren teilweise so stark korrodiert, dass die Kunststoffummantelung auf- bzw. abgeplatzt bzw. abgeblättert war. Wegen der Einzelheiten wird auf das Lichtbild Nummer 47 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
5. Scheren wiesen im Gelenk – wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 46, 48 und 50 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen – und Skalpellhalter am Griff – wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummer 58, 59 und 60 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen – bräunliche Rost- bzw. Blutrest-Verfärbungen auf.
6. Rundnadeln waren zum Teil massiv korrodiert. Wegen der Einzelheiten wird auf das Lichtbild Nummer 64 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
7. Spickdrähte und Bohrschlüssel wurden mittels Einwegfarbklebefolie zusammen gehalten, so dass sich Klebereste auf den Spickdrähten befanden. Wegen der Einzelheiten wird auf Lichtbild Nummer 71 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
8. Massiv korrodierte Zangen lagen in ebenfalls korrodierten und öligen Edelstahlnierenschalen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 74 bis 77 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
9. Andere Nierenschalen zeigten erhebliche, makroskopisch erkennbare Mengen an Scharnieröl auf, das von den Arzthelferrinnen des Angeklagten unmittelbar auf das Sterilgut aufgesprüht wurde, wenn es bereits in der ebenfalls zu sterilisierenden Nierenschale lag. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummer 56 und 57 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
10. Einwegmaterial in steriler industrieller Kunststoffverpackung wurde in die Sterilgutcontainer gepackt und nochmals mittels Dampf sterilisiert. Dies hatte zur Folge, dass die Kunststoffverpackung sich hitzebedingt auflöste und mit der Containerinnenseite bzw. Sieboberflächen verschmolz. Wegen der Einzelheiten wird die Lichtbilder Nummer 45, 78 und 79 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
11. Massive Ablagerungen von grünen Textilresten der Abdecktücher waren mit Scharnieröl auf den Containerinnenseiten sowie auf den Instrumentarium vorhanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 72 und 73 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ verwiesen.
12. Es befanden sich zur Ordnung des Instrumentariums großflächige Silikonhalterungen in den Sterilgutcontainern, die in erheblichem Maß mit Partikeln kontaminiert waren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 52 bis 54 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
13. Instrumentarium zur Arthroskopie, welches zur Aufbereitung demontiert werden müsste, tatsächlich jedoch niemals demontiert wurde, zeigte nach der Zerlegung massive bräunliche Belege. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nummern 61 bis 63 des Sonderbandes „Lichtbildmappe“ Bezug genommen. Darüber hinaus wurde das Arthroskop nach den durchgeführten Operationen (insbesondere Kniespiegelungen) zunächst mit Trinkwasser durchgespült, anschließend für 15 Minuten in eine phenolhaltige Instrumentendesinfektionsmittellösung eingelegt und nach anschließender Verbringung in den Operationssaal lediglich mit Tüchern abgetupft, so dass den Patienten die Desinfektionsmittelreste unmittelbar ins Knie gespült wurden.
Jene im Bereich des Sterilguts und des Sterillagers aufgezeigten Hygienemängel führten zu einer Gefährdung der Patienten, da Keimfreiheit nicht gewährleistet war und Bakterien sowie Fremdpartikel wie Textilreste, Scharnieröl, Rost- und Blutreste und Reste geschmolzenen Kunststoffverpackungsmaterials direkt in den Körper der Patienten gelangen konnten.
F. Reinigung des Operationssaals
Im Operationssaal wurde der Fußboden nach den einzelnen Operationen nicht gewischt, es sei den, es befanden sich sichtbare Verschmutzungen – etwa Blutreste – auf dem Boden. Hieraus resultierte die Gefahr, dass Bakterien nicht abgetötet wurden und durch Luftverwirbelungen in die Operationswunden gelangen konnten.
G. OP-Kleidung
1. Das Operationspersonal wechselte den Mundschutz nicht nach jeder Operation, sondern lediglich im Falle einer offensichtlich erkennbaren Durchfeuchtung. Hieraus resultiert die Gefahr für Patienten, dass Bakterien des OP-Personals durch den Mundschutz hindurch im Falle nicht für das Personal erkennbarer Durchfeuchtung in die Wunde der Patienten gelangen können.
2. Das Operationspersonal verließ am Operationstag mehrfach den ausnahmslos als steril zu haltenden Bereich bestehend unter anderem aus Operationssaal und Aufwach- und Narkoseraum, ohne sich vollständig umzuziehen. Zwar wurden Haar- und Mundschutz nach dem Verlassen des „sterilen“ Bereichs abgenommen, und bei späterem Eintritt in den „sterilen“ Bereich wurden ein neuer Mundschutz und Haarschutz angelegt. Allerdings wurde die weitere OP-Kleidung – unter anderem Hose und Oberteil – beim Ein- und Austritt aus dem „sterilen“ Bereich nicht gewechselt. Hier wurde lediglich beim Verlassen des „sterilen“ Bereichs ein Einwegkittel über die OP-Kleidung gezogen. Dies war in hygienischer Hinsicht wiederum unzureichend, so dass die Gefahr bestand, dass Bakterien aus dem nicht sterilen Bereich in den „sterilen“ Bereich mit eingeschleppt wurden und letztlich in die Operationswunden der Patienten gelangten.
H. Zugang zum Aufwach- und Narkoseraum
Schließlich betraten Angehörige von Patienten nach den Operationen ohne jede Schutzkleidung und sonstige hygienische Vorsorgemaßnahmen den eigentlich unbedingt steril zu haltenden Aufwach- und Narkoseraum, der direkt an den Operationssaal angrenzt. Es bestand daher die Gefahr, dass hierdurch Bakterien durch Angehörige in den Aufwach- und Narkoseraum hinein getragen wurden, die durch andere Patienten sowie das Operationspersonal wiederum in den Operationssaal und letztlich in die Operationswunden getragen werden konnten.
Sämtliche geschilderten Hygienemängel waren nicht nur abstrakt für die Gesundheit von Patienten gefährlich. Vielmehr führten sie in ihrem gehäuften Zusammenkommen auch konkret dazu, dass sich am 19.04.2010 insgesamt 3 Patienten mit A-Streptokokken in der Praxis des Angeklagten infizierten und hierdurch in der Folge ganz erhebliche Gesundheitsschädigungen erlitten.
In concreto führte der Angeklagte am 19.04.2010, einem Montag, insgesamt 5 ambulante Operationen durch, bei denen sich 3 Patienten mit A-Streptokokken auf Grund der durch den Angeklagten zu verantwortenden gravierenden hygienischen Mängel in der Praxis infizierten:
1. Zur Geschädigten N.N.
In der ersten Operation des Tages in der Zeit zwischen 9.05 und 10.00 Uhr führte der Angeklagte bei der Zeugin und Nebenklägerin N.N. aufgrund einer chronischen Instabilität des rechten oberen Sprunggelenks eine plastische Rekonstruktion der Außenbänder durch. Die ersten Beschwerden stellten sich bei der Geschädigten N.N. bereits am 20.04.2010 in den frühen Morgenstunden ein. Trotz einer Nachbehandlung in der Praxis des Angeklagten am 20.04.2010 nahmen die Beschwerden der Geschädigten zu. So hatte sie starke Schmerzen im rechten Bein, ein starkes Schwellungs- und Druckgefühl im rechten Fuß bis in den Unterschenkel. In der Folgezeit schwoll auch das Knie stark an, und die Zeugin litt unter Schüttelfrost. In diesem Zustand begab sich die Zeugin am 22.04.10 gegen 10.00 Uhr in das Herz-Jesu Krankenhaus in Fulda, von wo aus sie unmittelbar auf die Intensivstation des Klinikums Fulda verlegt wurde. Hier wurde die Diagnose eines septischen Schocks mit drohender Entgleisung aller Organe in Folge einer Streptokokken-Infektion diagnostiziert. Auf Grund dieses lebensbedrohlichen Zustandes wurde die Zeugin in ein künstliches Koma versetzt und musste bis zum 27.04.10 künstlich beatmet werden. Aus jener A-Streptokokken-Infektion nach der Operation vom 19.04.2010 entwickelte sich eine nekrotisierende Fasziitis. Hierbei handelt es sich um eine schwere Infektion des Muskel- und Bindegewebes, die durch von außen eingetragene aggressive Keime – vorliegend A-Streptokokken – verursacht wird und zum fortschreitenden Absterben von Körpergewebe führt. In der Zeit vom 23.04.2010 bis 18.05.2010 waren insgesamt 10 Operationen erforderlich, um den Unterschenkel der Zeugin zu erhalten. Hierbei wurden immer wieder neben der Gabe einer geeigneten Antibiose Spülungen des Unterschenkels zum Zwecke der Desinfektion vorgenommen, und abgestorbenes Muskel- und Hautgewebe wurde entfernt. Trotz dieser Maßnahmen konnte ein Zerfallen und Zersetzen der Muskulatur des Unterschenkels nicht verhindert werden. Auch der Knorpel des Sprunggelenkes wurde nekrotisch und starb ab. Ferner wurden die Gelenkkapsel im Sprunggelenk des rechten Fußes, des Großzehenstreckers und des langen Zehenstreckers durch den aggressiven Keim zerstört, so dass die Zeugin ihren Fuß nicht mehr normal bewegen kann. In einer 8-stündigen Operation am 18.05.2010 wurde ein Muskel aus der Rückenmuskulatur der Geschädigten frei präpariert und zwecks Transplantation ausgeschnitten. Dieser Muskel wurde dann in den vorbereiteten Unterschenkel der Geschädigten an Stelle der dortigen zerstörten Muskulatur transplantiert, um die offene Wunde abzudecken. Bezüglich des optischen Erscheinungsbildes der Verletzungen der Zeugin N.N. wird auf die Lichtbilder Bl. 214 bis 230 Band II der Hauptakte verwiesen. Am 11.06.2010 wurde die Zeugin N.N. aus dem Klinikum Fulda nach Hause entlassen. In der Zeit vom 13.07.2010 bis zum 17.08.2010 absolvierte sie eine Rehabilitation. Hierauf erfolgten noch weitere 5 Operationen am rechten Bein, wobei noch weitere Operationen geplant sind. Unter anderem haben sich bei der Zeugin inzwischen sogenannte „Krallenzehen“ entwickelt, die wieder gerade gerichtet werden müssen. Insgesamt ist die Ästhetik ihres rechten Beins erheblich beeinträchtigt. Die Zeugin leidet noch heute unter dauerhaften Schmerzen im rechten Sprunggelenk; sie kann ihren rechten Fuß nicht mehr nach oben oder nach unten ziehen. Ferner besteht bei ihr ein Taubheitsgefühl im unteren Drittel des rechten Unterschenkels im Bereich der eingebrachten Hautlappenplastik. Die Sensibilität im Bereich des rechten Vorfußes ist eingeschränkt. Aufgrund dieser Umstände kann die Zeugin nur kurze Strecken gehen, wobei es allerdings rasch zu einem Anschwellen des Unterschenkels kommt, so dass die Zeugin viel liegen muss, um die genannten Anschwellungen zu vermeiden. Die Zeugin N.N. leidet unter massiven Schmerzen, so dass sie jeden Tag morphiumhaltige Schmerzmittel einnimmt. Darüber hinaus ist sie in psychischer Hinsicht stark beeinträchtigt. Sie hat jede Nacht Alpträume und befindet sich aufgrund des Vorfalls vom 19.04.2010 in dauerhafter psychologischer Behandlung einmal pro Woche. Ergänzend hierzu nimmt sie Antidepressiva ein. Aufgrund der beschriebenen Beeinträchtigungen ist die heute 29 Jahre alte Zeugin zu 100 Prozent erwerbsunfähig und Frührentnerin. Sie kann ihren Beruf als Rettungsassistentin, den sie in der Vergangenheit mit Freude ausübte, nicht mehr verrichten, was sie sehr betrübt. Freizeitaktivitäten sind stark eingeschränkt. Selbst ein einfacher Stadtbummel ist kaum mehr möglich, da ihr Bein rasch anschwillt und sie nach ca. 30 Minuten ihr Bein hochlegen muss. Insgesamt ist ihre Lebensqualität in großem Ausmaße gemindert.
2. Zur Geschädigten N.N.
Nach einer zweiten Operation in der Zeit zwischen 10.45 Uhr und 11.30 Uhr, die für die Zeugin N.N: nicht zu einer Infektion mit A-Streptokokken führte, operierte der Angeklagte in der Zeit zwischen 12.00 Uhr und 13.05 Uhr die Zeugin und Nebenklägerin N.N.. Hier führte der Angeklagte aufgrund der Diagnose Distorsion rechtes Oberschenkelgelenk mit komplexen Bandrupturen, Eröffnung des Pronealsehnenfaches und Sprengung der Syndesmose eine Revision mit Nahtversorgung und Sicherung der Knöchelgabel durch Schnellschrauben durch. Dabei erschien der Angeklagte bei der Zeugin vor der Operation entweder im Operationssaal oder aber im Narkoseraum, die beide grundsätzlich steril zu halten sind, in seinem weißen Arztkittel ohne Kopf- und Mundschutz, während das restliche Operationspersonal grüne Operationskleidung mit Haar- und Mundschutz trug. Bereits am Nachmittag des 21.04.2010 stellten sich erste Beschwerden bei der Zeugin N.N. ein. So hatte sie Schmerzen im Bereich des rechten Beins. In der Folgezeit verschlimmerten sich die Schmerzen, und es trat massiv Wundsekret aus der Wunde aus, so dass der Verband von Wundsekret durchtränkt war. Auch ein Kissen, auf dem die Zeugin ihr Bein lagerte, war mit Wundsekret durchtränkt. Aus diesem Grunde rief der Ehemann der Zeugin N.N., der Zeuge N.N:, am 22.04.2010 gegen 10.30 Uhr in der Praxis des Angeklagten an. In diesem Telefonat schilderte der Zeuge dem Angeklagten, dass die Zeugin N.N.starke Schmerzen habe und der Verband und ein darunter liegendes Kissen mit Wundsekret durchtränkt sei. Der Angeklagte äußerte hierzu, dies sei normal, und der Zeuge müsse sich keine Sorgen machen. Nachdem sich im weiteren Verlaufe die Schmerzen verschlimmerten und das Bein der Zeugin N.N. stark anschwoll, telefonierte sie am 22.04.2010 gegen 22.00 Uhr mit dem Angeklagten. In jenem Telefonat erklärte sie, dass ihr Bein stark angeschwollen sei, sie erhebliche Schmerzen habe und massiv Wundsekret austrete. Der Angeklagte antwortete hierauf, die Zeugin N.N. solle sich keine Sorgen machen, dies sei ganz normal. Er, der Angeklagte, habe schließlich über 30 Jahre Berufserfahrung. Anschließend fragte der Angeklagte die Zeugin, ob sie sich schon ihre Haare gestylt habe, was die Zeugin verneinte. Der Angeklagte sagte daraufhin, wenn eine Frau die Haare wieder gestylt habe, gehe es bergauf und das sei bei ihr, der Zeugin, spätestens ab Montag so. Sowohl die Geschädigte Zeugin N.N. als auch ihr Ehemann vertrauten auf die Angaben des Angeklagten und beabsichtigten, den Angeklagten erst am 23.04.2010 um 13.45 Uhr zum vereinbarten Nachkontrolltermin aufzusuchen. In der Nacht vom 22.04. auf den 23.04.2010 verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Zeugin N.N. jedoch erheblich, so dass der Zeuge N.N. schließlich einen Rettungswagen alarmierte, der gegen 8.30 Uhr gemeinsam mit einem Rettungshubschrauber, der einen Notarzt brachte, in der ehelichen Wohnung in …………….. eintraf. Die Zeugin wurde sofort ins Klinikum Fulda gebracht, wo ein entzündlicher Prozess im Bereich des rechten Beines verursacht durch A-Streptokokken festgestellt wurde. In einer sofort durchgeführten ersten Operation wurden bereits abgestorbene Hautareale weggeschnitten. Nachdem sich jedoch die Nekrose innerhalb von wenigen Stunden auf das gesamte rechte Bein ausdehnte und sich bei der Zeugin N.N. ein Multiorganversagen einstellte, bei dem ihr Überleben fraglich erschien, erfolgte in einer zweiten Operation eine Oberschenkelamputation des rechten Beines. In der Folge wurde die Zeugin noch 11 Mal operiert, und sie lag in der Zeit vom 23.04.2010 bis einschließlich 15.05.2010 im Koma. Am 04.08.2010 wurde sie aus der stationären Behandlung im Klinikum entlassen. Anschließend begab sie sich bis zum 17.09.2010 in Rehabilitation. Die Operationswunde ist inzwischen gut verheilt, und die Zeugin hat keine physischen Schmerzen mehr. Allerdings ist sie psychisch durch den Vorfall traumatisiert. Sie befindet sich in regelmäßiger psychologischer Behandlung und nimmt Antidepressiva ein. Parallel besucht sie eine Selbsthilfegruppe für Amputierte. Insbesondere ist die Zeugin betrübt darüber, dass sie jetzt eine Prothese trägt und nur noch kurze Strecken laufen kann. Ihren früheren Hobbys wie dem Fahrradfahren und Wandern kann sie nicht mehr nachgehen.
3. Zum Geschädigten N.N.
In einer vierten Operation in der Zeit zwischen 13.25 Uhr und 14.10 Uhr führte der Angeklagte beim Zeugen und Nebenkläger N.N. aufgrund der Diagnose Innenmeniskopathie linkes Knie eine Arthroskopie mit Refixation des Innenmeniskus und Zügelung der Plica durch. In der Folgezeit litt der Zeuge N.N.unter Druckschmerzen in der Wade und im Oberschenkel. Darüber hinaus schwoll sein Knie stark an. In einem Nachuntersuchungstermin beim Angeklagten am 21.04.2010 gegen 11.00 Uhr äußerte der Angeklagte bezüglich der vom Zeugen N.N. geäußerten Schmerzen, dies seien die ersten harten Tage, da müsse man durch. Nachdem sich die Schmerzen jedoch weiter verschlimmerten, rief der Zeuge N.N. am späten Abend des 21.04.2010 einen Rettungswagen, der ihn ins Klinikum Fulda verbrachte. Hier wurde er auf der Intensivstation aufgenommen und ein Kniegelenksinfekt verursacht durch A-Streptokokken festgestellt mit drohender Niereninsuffizienz. Der Zeuge N.N. war über 2 Tage kreislaufinstabil und beatmungspflichtig. Neben einer sofortigen Notoperation, die unter anderem der Öffnung des Entzündungsherdes diente, musste der Geschädigte N.N. in der Zeit vom 23.04.2010 bis 31.05.2010 insgesamt 7 Mal operiert werden. Zuletzt musste Haut vom linken Oberschenkel in den Wundbereich transplantiert werden, um die Wunde, bei der mehrfach abgestorbenes Gewebe weggeschnitten werden musste, wieder zu verschließen. Bezüglich des optischen Erscheinungsbildes der Verletzungen des Zeugen N.N. wird auf das Lichtbild Bl. 212 Band II der Hauptakte verwiesen. Am 11.06.2010 wurde er aus der stationären Behandlung entlassen. In der Folgezeit absolvierte er noch eine mehrwöchige Rehabilitationsmaßnahme. Inzwischen hat sich beim Zeugen N.N. eine Kniegelenksarthrose eingestellt aufgrund einer erheblichen Verkalkung in Folge des Untergangs von Gewebe im Kniegelenk im Zusammenhang mit den durchgeführten Operationen. Er leidet jeden Tag unter Schmerzen und nimmt daher täglich Schmerzmittel ein. Insbesondere in seinem Freizeitverhalten ist er beeinträchtigt, da er nicht mehr lange Spaziergänge wahrnehmen kann und auch aufgrund der erheblichen ästhetischen Beeinträchtigungen seines Beines Saunagänge, die er zuvor regelmäßig und gerne getätigt hatte, meidet. Schließlich bereitet ihm das Treppensteigen Schmerzen, wenn er etwa Einkäufe tragen muss. Nach einem zuerst gescheiterten Arbeitsversuch arbeitet er seit Januar 2011 wieder durchgehend. In psychischer Hinsicht ging es ihm insbesondere nach seinem gescheiterten ersten Arbeitsversuch im Herbst 2010 schlecht. Professionelle Hilfe bediente er sich jedoch nicht, da er die Auffassung vertritt, als Mann müsse er dies alleine durchstehen.
Bei einer letzten Operation am 19.04.2010 in der Zeit zwischen 14.45 Uhr und 15.05 Uhr wurde beim Zeugen N.N. eine Stellschraubenentfernung am Operschenkelgelenk vorgenommen, bei der es zu keiner Infektion des Zeugen mit A-Streptokokken kam.
Sämtliche Infektionen der Zeugen mit A-Streptokokken im AOZ des Angeklagten beruhten auf den oben dargestellten, vom Angeklagten verschuldeten, hygienischen Mängeln. Ein so genanntes „Multibarrierensystem“ zur Vermeidung einer Infektion mit Bakterien wurde in der Praxis des Angeklagten nicht eingehalten. Dabei waren dem Angeklagten die dargestellten hygienischen Mängel in seiner Praxis am 19.04.2010 und auch die Handhabung des Tragens bzw. Wechselns der OP-Kleidung seines Personals im oben dargestellten Sinne auch bekannt, er wusste um die hieraus resultierende grundsätzliche Gefahr für die von ihm operierten Patienten, und er nahm sie, die Gefahr, billigend in Kauf. Zu seinen Gunsten war jedoch davon auszugehen, dass er die vorliegend tatsächlich eingetretenen Gesundheitsschäden der Patienten N.N., N.N. und N.N. nicht billigend in Kauf nahm, sondern trotz objektiver und subjektiver Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit bei Anwendung der objektiv erforderlichen und ihm persönlich zumutbaren Sorgfalt pflichtwidrig darauf vertraute, dass die genannten Zeugen trotz der gravierenden Mängel durch ihn nicht zu Schaden kommen.
Nachdem im Klinikum Fulda die gehäufte Infektion mit A-Streptokokken –namentlich bei den Zeugen N.N., N.N. und N.N. – diagnostiziert wurde und man überdies feststellte, dass die genannten Zeugen allesamt am 19.04.2010 in der Praxis des Angeklagten ambulant operiert worden waren, informierte das Klinikum das Gesundheitsamt Fulda, das in Person der Zeugin N.N. am 23.04.2010 die Praxis des Angeklagten aufsuchte und eine sofortiges Verbot für ambulante Operationen aussprach. Hierbei stellte die Zeugin N.N. bei einer ersten überschlägigen Nachschau bereits Defizite im Bereich der Reinigung der Operationswäsche und eine fehlende Funktionsfähigkeit der raumlufttechnischen Anlage fest. Am 27.04.2010 fand sodann eine ausführliche Begehung der Praxis des Angeklagten statt, an der neben dem Angeklagten und seiner Mitarbeiterinnen unter anderem die Zeugin N.N. vom Gesundheitsamt Fulda sowie N.N., Facharzt für Hygiene- und Umweltmedizin und Diplomingenieur für Umwelt- und Hygienetechnik, der vom Gesundheitsamt zu Rate gezogen worden war, teilnahmen. Hierbei wurden die oben unter A. bis E. näher dargestellten Hygienemängel festgestellt. Aufgrund der festgestellten Hygienemängel bestätigte das Gesundheitsamt Fulda mit Bescheid vom 30.04.2010 das am 23.04.2010 bereits mündlich ausgesprochene Verbot ambulanter Operationen in der Praxis des Angeklagten.
Auf Betreiben des Angeklagten, der in der Folgezeit einen Hygieniker, den Zeugen N.N. von den Dr. Horst Schmitt-Kliniken in Wiesbaden, zu Rate gezogen hatte, fand am 01.07.2010 eine erneute Begehung der Praxis des Angeklagten statt, die aus Sicht des Angeklagten das Ziel hatte, eine Erlaubnis der Wiederaufnahme seiner Operationstätigkeit durch das Gesundheitsamt zu erwirken. Bei jener Begehung nahmen neben dem Angeklagten unter anderem wieder die Zeugen N.N., N.N. und der Zeuge N.N. teil. Hierbei wurden weiterhin diverse Mängel festgestellt, aufgrund derer eine Aufhebung des Operationsverbotes nicht in Betracht kam. Unter anderem wurde durch den Zeugen N.N. die nach erfolgter Sterilisation zur Operation bereit liegenden Sterilgutcontainer des Angeklagten einer makroskopischen Inaugenscheinnahme unterzogen. Dabei fanden sich in einem neuen Sterilgutcontainer zwei handelsübliche Imbusschlüssel, deren schraubenseitige Ebenen korrosionsbedingt ockerfarbene Auflagen zeigten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nrn. 13 und 14 des Sonderheftes I „Lichtbildmappe“ aus dem Verfahren 16 Js 10795/10 StA Fulda verwiesen. Ebenso waren die Eisenoxide bereits auf die Edelstahloberflächen des Sterilgutcontainers geflossen und hatten dort zu Verfärbungen geführt. Weiterhin fanden sich nicht ordnungsgemäß aufbereitete OP-Instrumente wie Bohrfutter (wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nrn. 1 und 2 des Sonderheftes I „Lichtbildmappe“ Bezug genommen), Schrauben (wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nrn. 3 und 4 des Sonderheftes I „Lichtbildmappe“ Bezug genommen) und Zange (wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nrn. 8 und 9 des Sonderheftes I „Lichtbildmappe“ Bezug genommen). Knochenplatten (Einwegprodukte) wiesen Verfärbungen und Kratzer auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder Nrn. 10-12 des Sonderheftes I „Lichtbildmappe“ Bezug genommen.
Nach umfangreichem Schriftverkehr zwischen dem Angeklagten und dem Gesundheitsamt Fulda und einer erneuten Begehung der Praxis des Angeklagten am 19.07.2011 wurde das gegen den Angeklagten ausgesprochene Operationsverbot des Gesundheitsamtes Fulda mit Bescheid vom 21.07.2011 aufgehoben unter Beachtung folgender Auflagen:
a) Am ersten Operationstag hat eine hygienische Begleitung durch eine externe hygienische Fachkraft (Facharzt für Hygiene) zu erfolgen. Über die hygienische Begleitung ist ein schriftlicher Nachweis dahingehend zu erbringen, dass die hygienischen Anforderungen beim Operationsablauf vom Operateur, Herrn N.N. beachtet wurden. Der schriftliche Nachweis ist dem Kreisgesundheitsamt Fulda spätestens am Folgetag des ersten Operationstages vorzulegen.
b) Die Dosiermenge für das Reinigungs- und Desinfektionsgerätes (RDG) ist unter Berücksichtigung der Toleranzwerte entsprechend den Unterlagen des Validierers anzupassen. Die Durchführung der Maßnahme ist dem Kreisgesundheitsamt Fulda unter Vorlage eines schriftlichen Nachweises durch den beratenden Hygieniker bis zum 19.08.2011 zu belegen.
c) Die schadhaften Stellen im RDG sind zu beseitigen. Die Mängelbeseitigung ist dem Kreisgesundheitsamt Fulda unter Vorlage eines schriftlichen Nachweises durch den beratenden Hygieniker bis zum 19.08.2011 zu belegen.
d) Das vorhandene RDG ist bis Ende des Jahres 2011 gegen ein neues, den anerkannten Regeln der Technik entsprechendes, auszutauschen. Die Unterlagen hinsichtlich der Validierung und einer Leistungsbeurteilung sind dem Kreisgesundheitsamt Fulda bis spätestens 30.01.2012 in Kopie zu übersenden.
e) Die Rückwand des Sterilisators ist im Rahmen der bereits beauftragten Wartung im August 2011 auszutauschen. Der ordnungsgemäße Austausch ist dem Kreisgesundheitsamt Fulda, unter Vorlage eines schriftlichen Nachweises durch den beratenden Hygieniker, bis zum 19.08.2011 zu belegen.
f) Das schadhafte Lichtleiterkabel aus dem Arthroskopiesieb darf nur in einem ordnungsgemäßen und hygienisch einwandfreien Zustand am Patienten eingesetzt werden. Dem Kreisgesundheitsamt Fulda ist ein schriftlicher Nachweis des beratenden Hygienikers über die ordnungsgemäße Durchführung der Maßnahme vor erneuter Anwendung am Patienten vorzulegen.
g) Das Bestandsverzeichnis nach der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) ist numerisch zu überarbeiten. Die Durchführung der Maßnahme ist vor Operationsbeginn dem Kreisgesundheitsamt Fulda zu belegen.
Bei einer letzten Begehung des Operationsbereiches der orthopädischen Praxis des Angeklagten am 22.03.2012 durch das Kreisgesundheitsamt Fulda wurden die hygienischen Verhältnisse als weitgehend akzeptabel befunden. Ein Hauptmangel wurde jedoch in einer Medizinproduktaufbereitung nach veraltetem Standart gesehen. Zudem wurde festgestellt, dass keine räumliche Trennung zwischen Unrein- und Reinarbeiten und zwischen unsterilisiertem und sterilisiertem Gut stattfindet. Unter diesen konkreten Voraussetzungen wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, durch organisatorische Maßnahmen das Risiko eines Fehlers zu minimieren.
III.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen insoweit glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung. Die Feststellungen zur Vorstrafe folgen aus den in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Urteilen des Amtsgerichts Fulda vom 29.04.2008 (Az.: …………..) sowie des Landgerichts Fulda vom 02.09.2009 (Az.: ……………) im Berufungsverfahren.
Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen auf den eigenen Angaben des Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, sowie auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere den Angaben der unvereidigt gebliebenen Zeugen N.N., N.N., N.N. und N.N. sowie der Sachverständigen N.N..
Der Angeklagte hat zunächst keine Angaben zur Sache gemacht. Nach Vernehmung sämtlicher Zeugen und vor der mündlichen Erstattung des Gutachtens durch die Sachverständige Frau N.N. hat er sich allerdings wie folgt eingelassen:
Hinsichtlich der in seiner Praxis beanstandeten hygienischen Verhältnisse habe er sicherlich Fehler gemacht. Der größte Fehler sei gewesen, dass das Operationsbesteck nicht vollständig maschinell, sondern manuell gereinigt worden sei. Bezüglich der Aufbereitung des Arthroskops sei zutreffend, dass dieses nicht komplett auseinandergenommen worden sei. Zutreffend sei ferner, dass der Boden im Operationssaal nach Operationen nur dann gewischt worden sei, wenn Flecken zu erkennen gewesen seien. Der Operationstisch selbst sei aber nach jeder Operation desinfiziert worden. Was den Ablauf an Operationstagen betreffe, so habe das Operationspersonal mit Ausnahme von ihm zwischen den einzelnen Operationen öfters den sterilen Bereich verlassen. Zu diesem Zwecke seien Haube, Mundschutz und Handschuhe ausgezogen worden. Die restliche Operationskleidung, bestehend unter anderem aus Hose und Oberteil, habe das Operationspersonal beim Verlassen des sterilen Bereichs allerdings angelassen und hierüber einen Schutzkittel angelegt, der dann beim Wiedereintritt in den sterilen Bereich abgelegt worden sei. In diesem Zusammenhang halte er es allerdings für unwahrscheinlich, dass er vor der Operation der Zeugin N.N. am 19.04.2010 vor dieser im Narkose- bzw. Aufwachraum oder im Operationsraum mit einem weißen Arztkittel und ohne Mundschutz erschienen sei, während das restliche Operationspersonal mit grüner Operationskleidung sowie mit Haar- und Mundschutz anwesend gewesen sei. An Operationstagen bleibe er nämlich auch zwischen den Operationen im Operationssaal und esse und trinke nichts. Er diktiere zwischen den Operationen vielmehr Operationsberichte im sterilen sogenannten „Sozialraum“ hinter dem Operationssaal, und trage daher den ganzen Operationstag über bis zum Abschluss der letzten Operation die grüne Operationskleidung.
Was die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Zeugen N.N., N.N. und N.N. anbelange, sei unzweifelhaft, dass sie ein furchtbares Schicksal erlitten hätten. Insgesamt hätten sich die Geschädigten in deren Aussagen in der Hauptverhandlung vor Gericht objektiv und fair verhalten.
Bezüglich der Telefonate am 22.04.2010 mit der geschädigten Zeugin N.N. und ihrem Ehemann, dem Zeugen N.N., sei es so gewesen, dass die Zeugin N.N. im letzten Telefonat am Abend des 22.04.2010 geäußert habe, sie sei für eine sofortige ärztliche Vorstellung zu müde. Wäre in jenen Telefonaten die Information mit einem von Wundsekret durchtränktem Verband tatsächlich so geäußert worden, so hätte er die Zeugin N.N. unverzüglich ins Krankenhaus geschickt.
Nach dieser teilgeständigen Einlassung des Angeklagten in einer Gesamtschau mit den Zeugenbekundungen und den in Augenschein genommenen Lichtbildern von den Verletzungen der Zeugen N.N. und N.N. in der Hauptverhandlung hat die Kammer zunächst keine Zweifel, dass die Zeugen N.N., N.N. und N.N. am 19.04.2010 in der Praxis des Angeklagten operiert wurden und es in der Folge aufgrund einer Infektion mit A-Streptokokken bei den 3 genannten Zeugen zu den oben unter II. geschilderten schwerwiegenden physischen und psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen kam.
So haben die Zeugen N.N., N.N. und N.N. in der Hauptverhandlung jeweils ausführlich, in sich schlüssig, ohne Widersprüche und ohne erkennbaren Belastungseifer den Verlauf nach den Operationen am 19.04.2010 geschildert, soweit sie diesen mitbekommen haben. Dabei wirkten alle Zeugen noch sichtlich beeindruckt durch den Krankheitsverlauf seit dem 19.04.2010. Insbesondere die Zeuginnen N.N., der ein Bein amputiert werden musste, und die 29-jährige N.N. brachen in der Hauptverhandlung immer wieder in Tränen aus. Die Zeugin N.N. sprach etwa davon, dass ihr Leben „versaut“ sei, während der Zeuge N.N. unter anderem erklärte, sein Bein sehe aus wie nach einem „Haiangriff“.
In medizinischer Hinsicht erklärt und untermauert wurden jene Bekundungen der Zeugen noch durch die behandelnden Ärzte im Klinikum Fulda, die Zeugen N.N., N.N. und N.N..
So bekundete zunächst der Zeuge N.N., dass bei den drei Patienten N.N., N.N. und N.N. nach Stammtypisierungen jeweils der mikrobiologische Befund einer Infektion mit A-Streptokokken festgestellt worden sei.
Hinsichtlich der Zeugin N.N. hat der Zeuge N.N. unter anderem erläutert, die gesamte Muskulatur der Zeugin sei im Bereich des Unterschenkels zerfallen und zersetzt gewesen. Die Muskulatur im Bein sei – so der Zeuge wörtlich in der Hauptverhandlung – „wie gekocht“ gewesen. Bei der Zeugin N.N. habe sich die Infektion innerhalb weniger Stunden fulminant entwickelt; die Situation sei bei ihrer Aufnahme in die Intensivstation durchaus lebensbedrohlich gewesen.
Hinsichtlich des Zeugen N.N. hat zunächst der Zeuge N.N. erläutert, der Zeuge N.N. sei von ihm aufgrund einer Kniegelenksinfektion sofort notfallmäßig operiert worden.
Hinsichtlich der Zeugin N.N. hat der Zeuge N.N. bekundet, die Zeugin sei in einem sehr schlechten Allgemeinzustand ins Klinikum gebracht worden. Innerhalb von nur 2 Stunden habe sich die Infektion auf das gesamte Bein ausgedehnt. Der Allgemeinzustand habe sich nochmals deutlich verschlechtert, und ihr Überleben sei fraglich erschienen. Nach einer ersten Operation sei daher in einer zweiten Operation eine Oberschenkelamputation zur Erhaltung des Lebens der Zeugin unumgänglich gewesen. Insgesamt seien bei sämtlichen geschädigten Zeugen dann noch eine ganze Reihe weiterer Revisionsoperationen erforderlich gewesen.
Schließlich hat die Kammer noch die oben unter II. genannten Lichtbilder, welche die Verletzungen der Zeugen N.N. und N.N. zeigen, in Augenschein genommen.
Darüber hinaus ist die Kammer auch der sicheren Überzeugung, dass sowohl die geschädigte Zeugin N.N. als auch ihr Ehemann N.N. den Angeklagten in den beiden Telefonaten am 22.04.2010 gegen 10.30 Uhr und 22.00 Uhr darauf aufmerksam gemacht haben, dass die Zeugin N.N. erhebliche Schmerzen habe, dass massiv Wundsekret austrete und dass der Verband und das Kissen mit Wundsekret durchtränkt seien. So haben die beiden genannten Zeugen dies unabhängig voneinander glaubhaft geschildert, während der Angeklagte sich in diesem Kontext lediglich dahingehend eingelassen hat, diese Information sei zu ihm „so nicht rübergekommen“, da er die Zeugin ansonsten sofort ins Krankenhaus geschickt hätte. Die Zeugin habe vielmehr geäußert, sie sei zu müde. Bei dieser Einlassung des Angeklagten handelt es sich zur sicheren Überzeugung der Kammer jedoch lediglich um eine relativierende bloße Schutzbehauptung, um sich seiner ärztlichen Verantwortung im Rahmen der Nachsorge zu entziehen. Wie bereits dargelegt, haben die Eheleute N.N. die Telefonate am 22.04.2010 übereinstimmend in dem oben unter II. festgestellten Sinne geschildert. Zudem erscheint bereits die Einlassung des Angeklagten hierauf nur schwer nachvollziehbar, da es aus Sicht der Kammer widersprüchlich ist, wenn sich jemand wegen starker Schmerzen noch in den späten Abendstunden an seinen behandelnden Arzt wendet, zugleich jedoch nicht an irgendwelchen sofortigen Maßnahmen interessiert sein soll, weil er dazu zu müde ist.
Ferner hat die Kammer keine Zweifel daran, dass am 19.04.2010 in der Praxis des Angeklagten die oben unter II. A. bis E. aufgeführten hygienischen Mängel vorlagen. So hat sich unter anderem der sachverständige Zeuge N.N. im Rahmen einer Begehung die Praxis des Angeklagten am 27.04.2010 angesehen und dabei die oben unter II. A. bis E geschilderten hygienischen Verhältnisse festgestellt und diese durch die oben unter II. genau bezeichneten Lichtbildaufnahmen, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden, dokumentiert. Sämtliche Feststellungen hat er der Kammer in der Hauptverhandlung mitgeteilt und anhand der vorgelegten Lichtbilder erläutert. Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass jene Beobachtungen und Dokumentationen vom Zeugen N.N. erst im Rahmen der Begehung der Praxisräume des Angeklagten am 27.04.2010 vorgenommen wurden, während maßgeblich für die Kammer allerdings der Zustand am Tage der durchgeführten Operationen, nämlich am 19.04.2010, war. Hier hat die Kammer aber keine Zweifel, dass sich die Situation am 19.04.2010 nicht anders gestaltete als am 27.04.2010 bei der ausführlichen Praxisbegehung, da es sich bei jenen Mängeln nicht um erst neu entstandene, sondern aufgrund ihrer Art und optischen Eindrucks, Schwere und Vielzahl nach vielmehr um traditionelle, d. h. bereits seit längerem bestehende, handelte, wie die Sachverständige, Frau N.N., sowie die sachverständigen Zeugen N.N. und N.N. für die Kammer gut nachvollziehbar erläutert haben. Im Übrigen haben auch die Arzthelferinnen des Angeklagten, die Zeuginnen N.N., N.N. und N.N. in der Hauptverhandlung übereinstimmend bekundet, dass bei der Praxisbegehung am 27.04.2010 keine anderen hygienischen Verhältnisse geherrscht hätten als sonst.
Die Kammer ist auch der sicheren Überzeugung, dass neben den durch die Lichtbilder dokumentierten Mängeln am 19.04.2010 das oben unter F. bis H. geschilderte Prozedere bei Operationen stattfand. So hat zunächst der Angeklagte selbst einräumt, dass grundsätzlich der Fußboden des Operationssaales nach den Operationen nicht gereinigt worden sei, es sei denn, es seien Verschmutzungen erkennbar gewesen. Auch habe das Operationspersonal zwischen den Operationen den sterilen Bereich verlassen und später wieder betreten, ohne zuvor vollständig die Operationskleidung zu wechseln. Ergänzend haben die Arzthelferinnen des Angeklagten, die Zeuginnen N.N, N.N.und N.N. in der Hauptverhandlung übereinstimmend bekundet, sie hätten den Mundschutz nach den Operationen grundsätzlich nicht gewechselt. Zu einem Wechsel sei es lediglich dann gekommen, wenn sie visuell eine Durchfeuchtung des Mundschutzes bemerkt hätten. Darüber hinaus sei es zutreffend, dass Angehörige den eigentlich sterilen Bereich des gemeinsamen Aufwach- und Narkoseraumes, der unmittelbar an den Operationssaal angrenze, nach den Operationen in einfacher Straßenkleidung ohne jeden besonderen Hygieneschutz hätten betreten dürfen, um nach den gerade operierten Angehörigen zu schauen. Dass am 19.04.2010 auch tatsächlich Angehörige in normaler Straßenkleidung den grundsätzlich steril einzuhaltenden Aufwach- und Narkoseraum betraten, ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugen N.N., N.N., N.N. und N.N.. So hat der Zeuge N.N. bekundet, nach der Operation habe seine Schwägerin den Aufwachraum in Straßenkleidung betreten. Die Zeugin N.N. hat geschildert, nach ihrer Operation habe ihr Verlobter den Aufwachraum mit normaler Straßenkleidung betreten. Die Zeugin N.N. hat schließlich erklärt, ihr Mann, der Zeuge N.N., habe sie in normaler Straßenkleidung im Aufwachraum abgeholt, was vom Zeugen N.N. noch einmal bestätigt wurde.
Überdies ist die Kammer aber auch der sicheren Überzeugung, dass der Angeklagte vor der Operation der Zeugin N.N. den grundsätzlich steril zu haltenden Aufwach- und Narkoseraum oder den Operationssaal selbst in einem weißen Arztkittel ohne Haar- und Mundschutz in Anwesenheit der Zeugin N.N. betrat. Zwar hat sich der Angeklagte in diesem Punkt – wie bereits oben dargestellt – dahingehend eingelassen, es sei unwahrscheinlich, dass er sich ohne Kittel und ohne Haar- und Mundschutz unmittelbar vor der Operation mit der Zeugin Kram unterhalten habe. Hierbei handelt es sich zur sicheren Überzeugung der Kammer allerdings um eine Schutzbehauptung des Angeklagten. So war sich die Zeugin N.N. sicher, dass der Angeklagte in seinem weißen Arztkittel ohne Mundschutz unmittelbar vor der Operation erschien. Ihr sei dies gerade deshalb so deutlich in Erinnerung geblieben, weil neben dem Angeklagten weitere Personen anwesend gewesen seien, die einheitlich grüne Operationskittel und Mundschutz getragen hätten. Diese Angaben der Zeugin sind zur Überzeugung der Kammer glaubhaft. Für die Kammer erscheint es auch plausibel, dass sich die Zeugin gerade hieran erinnern konnte, eben weil ihrer Aussage zu Folge das weitere Operationspersonal mit grüner Operationskleidung und Mundschutz bekleidet gewesen sei, was doch einen markanten Unterschied ausmacht, der sich durchaus in der Erinnerung verfestigen kann. Untermauert werden die Angaben der Zeugin N.N. noch durch die Bekundungen ihres Ehemannes, des Zeugen N.N., der in der Hauptverhandlung bekundet hat, seine Frau, die Zeugin N.N., habe ihm nach der Operation mitgeteilt, dass sie kurz vor der Narkose den Angeklagten im OP-Raum gesehen habe. Zu diesem Zeitpunkt seien mehrere Personen anwesend gewesen, die einheitlich grüne OP-Kittel und Mundschutz getragen hätten. Der Angeklagte jedoch sei ohne Mundschutz und mit einem weißen Kittel bekleidet gewesen. Dass die Eheleute N.N. hier Angaben gemacht haben, die der Wahrheit nicht entsprechen, vermag die Kammer auszuschließen, zumal hierfür kein wirklich nachvollziehbarer Grund ersichtlich ist. Dass sich die Situation, in der die Zeugin N.N. den Angeklagten im weißen Kittel und ohne Mundschutz sah, örtlich entweder im Operationssaal selbst oder im Narkose- und Aufwachraum abspielte, schlussfolgert die Kammer daraus, dass nach den Beobachtungen der Zeugin N.N. das weitere Operationspersonal Operationskleidung samt Mund- und Haarschutz trug, was in örtlicher Hinsicht nach den überstimmenden Bekundungen der Arzthelferinnen des Angeklagten sowie der Einlassung der Angeklagten selbst nur im Operationssaal und im Narkose- und Aufwachraum, also im sterilen Bereich, der Fall gewesen ist, da beim Verlassen jenes sterilen Bereiches Haar- und Mundschutz abgelegt und über die Operationskleidung noch Einwegkittel drüber gezogen wurden.
Ferner ist die Kammer der sicheren Überzeugung, dass durch die oben unter II. festgestellten Mängel betreffend die verschiedenen Medizinprodukte sowie den Ablauf bei den Operationen am 19.04.2010 grundsätzlich insbesondere Patienten gefährdet werden konnten. Sie stützt sich hier auf die vollauf überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen, Frau N.N., Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Hygiene und Umweltmedizin vom Medizinischen Versorgungszentrum in Heidelberg, an deren Fachkompetenz die Kammer keine Zweifel hat. So ist die Sachverständige der Kammer vom Robert-Koch-Institut explizit als sachkundig für die hiesigen Fragestellungen empfohlen worden. Sie ist seit vielen Jahren in der Krankenhaushygiene tätig – unter anderem war sie als interne Krankenhaushygienikerin in Krankenhäusern in den USA und Heidelberg beschäftigt; derzeit berät sie extern bundesweit Krankenhäuser und Arztpraxen zu Hygienefragen. Frau N.N. hat die oben unter II. im einzelnen aufgeführten grundsätzlichen Gefahren, die von den einzelnen Medizinprodukten beim Angeklagten in dem vorgefundenen Zustand sowie vom konkreten Procedere bei der Durchführung der Operationen ausgehen, erläutert. Es handele sich hierbei jeweils um Mängel, durch die insbesondere Patienten gefährdet werden könnten. An diesen Ausführungen hat die Kammer keine Zweifel, zumal sich bereits für den medizinischen Laien ohne weiteres erschließt, dass beispielsweise Operationsbesteck nicht verschmutzt, sondern vielmehr „blitzblank“ – so die Sachverständige – sein muss und dass auch etwa Abdeckmaterialien keine Löcher aufweisen dürfen. Beispielhaft hat die Sachverständige, die ansonsten sehr sachlich und nüchtern allein mit naturwissenschaftlichen Bewertungen ihr Gutachten erstattet hat, etwa die Aufbereitung des Arthroskopiegerätes, welches nicht auseinander genommen wurde, drastisch als „Katastrophe“ bezeichnet. Jenes medizinische Gerät sei unter die höchste Sicherheitsstufe „kritische Medizinprodukte der Kategorie B“ einzuordnen, weil es in den Körper eingeführt werde. Fakt sei hier, dass ein nicht steriles Gerät in den Körper eingeführt werde, wobei die Mitarbeiterinnen des Angeklagten nicht über den hierfür erforderlichen Fachlehrgang und die damit verbundene Sachkunde verfügt hätten – letzteres haben die in der Hauptverhandlung vernommenen Arzthelferinnen des Angeklagten, die Zeuginnen N.N., N.N. und N.N. übereinstimmend bekundet.
Ferner ist die Kammer der sicheren Überzeugung, dass sich die Zeugen N.N., N.N. und N.N. bei ihren Operationen im Ambulanten Operationszentrum des Angeklagten am 19.04.2010 mit A-Streptokokken infizierten. Die Kammer folgt hier den überzeugenden und in hohem Maße plausiblen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. N.N.. Diese hat in der Hauptverhandlung zunächst erläutert, Infektionen durch Streptokokken der Gruppe A seien mit einer Inzidenz von 0,4 Erkrankungsfällen pro 100.000 Einwohner/Jahr eher seltene Ereignisse, wobei Infektionen im Rahmen von Operationen noch deutlich seltener seien. Da bei den drei infizierten Patienten, den Zeugen N.N., N.N. und N.N., die ersten Symptome wie eine starke Schmerzhaftigkeit des Operationsgebietes bereits in den ersten 24 bist 48 Stunden nach den Operationen, die sämtlich am 19.04.2010 in der Praxis des Angeklagten im gleichen Operationssaal durchgeführt wurden, aufgetreten seien, sei davon auszugehen, dass die Infektionen im Rahmen des operativen Eingriffs am 19.04.2010 und nicht später, etwa im Rahmen des Verbandswechsels, gesetzt worden seien. Es handele sich also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Infektionen, die in der Praxis im Rahmen der Operationen am 19.04.2010 erworben worden seien. Das Auftreten von gleich 3 Fällen einer nekrotisierenden Fasziitis an einem Tag in einer Praxis stelle einen enormen Anstieg der Erkrankungshäufigkeit über das Grundmaß hinaus im Sinne einer Infektionshäufung dar und sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zufällig bedingt. Untermauert werden jene Ausführungen durch die Einschätzungen der behandelnden Ärzte, der sachverständigen Zeugen Prof. Dr. N.N. und Dr. N.N., die hierzu auch gutachterlich befragt wurden. Auch sie gehen davon aus, dass die Infektionen der Patienten mit A-Streptokokken bei den Operationen vom 19.04.2010 durch den Angeklagten erfolgten.
Als Quelle der A-Streptokokken-Erreger komme – so die Sachverständige Prof. N.N. – entweder eine besiedelte Person im Personal oder ein erkrankter Patient in Betracht. Dabei sei am wahrscheinlichsten, eine Quelle bei infiziertem oder asymptomatisch kolonisiertem Personal zu suchen. Hierzu passe die Angabe des Angeklagten gegenüber der Zeugin N.N. bei der ersten vorläufigen Praxisbegehung am 23.04.2010, eine Mitarbeiterin des Anästhesiepersonals habe am 19.04.2010 über Halsschmerzen geklagt. – Jene Aussage des Angeklagten wurde von der Zeugin N.N. in der Hauptverhandlung bestätigt. Die fehlenden Nachweise von A-Streptokokken bei den Personaluntersuchungen vom 28.04.2010 und 03.05.2010 – 9 bis 14 Tage nach dem Ereignis – schlossen eine solche Quelle im Personal nicht sicher aus, da nach antibiotischer Behandlung, wie sie bei A-Streptokokken-Faringitis durchaus indiziert sei, die Erreger nicht mehr nachweisbar sein müssten. Eine weitere mögliche Quelle sei ein anderer infizierter Patient, von dem ausgehend es zur Streuung der Erreger gekommen sein könnte. Damit lasse sich zwar die konkrete Erregerquelle bei den 3 vorliegenden Infektionen mit A-Streptokokken nicht mehr sicher feststellen. Dies ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass die Infektionen am 19.04.2010 im Rahmen der Operationen in der Praxis des Angeklagten erworben worden seien.
Als Übertragungsweg komme die Kontaktübertragung in Frage. Eine solche Übertragung solle im Rahmen eines sogenannten „Multibarrierensystems“ durch das Zusammenwirken vieler Einzelmaßnahmen verhindert werden. Dabei sei die Wechselwirkung der Barrieren untereinander zu beachten. Sei eine Barriere lückenhaft, sei die Einhaltung der anderen umso wichtiger. Eine Lückenhaftigkeit mehrer Barrieren – wie hier – potenziere hingegen die Gefahr einer Infektion. Allerdings könnten im Nachhinein keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, welche einzelne Maßnahme welche Bedeutung oder Relevanz bei der Verhinderung der Infektion gehabt habe. Umgekehrt sei bei Auftreten von Infektionen ex post nicht möglich zu entscheiden, welcher Einzelfaktor zur Infektion geführt haben könnte.
Weiterhin ist die Kammer im entscheidenden Punkt dieses Verfahrens aber auch der sicheren Überzeugung, dass gerade die dargestellten Hygienemängel ursächlich für die Infektionen waren. So hat die Sachverständige Frau Prof. Dr. N.N. in diesem Kontext zunächst noch einmal darauf hingewiesen, dass Infektionen durch Streptokokken der Gruppe A eher seltene Ereignisse seien, insbesondere in Assoziation mit Maßnahmen im Gesundheitssystem. Zwar seien – je nach Jahreszeit – zwischen 3 % und 20 % der erwachsenen Bevölkerung mit A-Streptokokken besiedelt, vornehmlich im Hals- und Rachenraum. Dennoch seien krankenhauserworbene Infektionen durch Streptokokken der Gruppe A selten und erschienen nicht unter den häufigsten Erregern von postoperativen Wundinfektionen. Dementsprechend empfehle die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert-Koch-Institut auch keine Untersuchungen hinsichtlich einer Kolonisation mit A-Streptokokken beim Krankenhauspersonal. Stattdessen verhinderten in einem sogenannten „Multi-Barrierensystem“ verschiedene hygienische Schutzmaßnahmen derartige Infektionen. Zu jenen Schutzmaßnahmen gehörten etwa die Bereichs- und Schutzkleidung sowie Schutzausrüstung für das Personal, die chirurgische Händedesinfektion, die Antiseptik des OP-Feldes, die Abdeckung des Operationsfeldes und des Patienten, die Asepsis und OP-Technik sowie Belüftung und Klimatisierung. Unter Kombination aller genannten Maßnahmen könne postoperativen Wundinfektionen wirksam vorgebeugt werden. Obgleich weiterhin einzelne Infektionsereignisse nicht gänzlich auszuschließen seien, sei zumindest das Risiko auf ein Minimum reduziert und das gehäufte Auftreten dadurch zu vermeiden. Die Effektivität dieser Maßnahmen zeige sich gerade darin, dass trotz hoher Wahrscheinlichkeit einer Besiedlung der Mitarbeiter Infektionen bei Operationen sehr selten aufträten. Vorliegend habe es aber in der Praxis des Angeklagten an einem intakten Multi-Barrieresystem gefehlt aufgrund der oben unter II. festgestellten Hygienemängel. Hierbei seien folgende Faktoren von besonderer Relevanz: Zunächst sei als Mangel zu werten, dass der Mundschutz nach den Operationen beim Operationspersonal nicht gewechselt worden sei, es sei denn, es seien sichtbare Durchfeuchtungen erkennbar gewesen. Hierdurch bestehe die Gefahr, dass die Barriere des Mundschutzes nicht mehr wirksam arbeite und A-Streptokokken durch den Mundschutz hindurch dringen könnten. Weiterhin sei problematisch, dass das Operationspersonal nach Verlassen des Operationssaals und Eintritts in den nicht sterilen Bereich beim Wiederbetreten des Operationssaales die Operationskleidung nicht komplett wechsele. Hierbei könnten wiederum neue Bakterien in den Operationssaal gelangen, oder aber Schmutzpartikel könnten in den Operationssaal eingeführt werden, auf denen aufgetretenen A-Streptokokken länger überleben könnten. Die gleiche Problematik ergebe sich daraus, dass auch am 19.04.2010 Angehörige ohne jeden Hygieneschutz den eigentlich steril zu haltenden Aufwach- und Narkoseraum betraten. Ferner erhöhe sich die Infektionsgefahr auch dadurch, dass der Fußboden im Operationssaal nach den Operationen nicht gewischt worden sei. Hierbei könnten etwa A-Streptokokken-Bakterien auf Schmutzpartikeln länger überleben, und es bestünde die Möglichkeit, dass im Falle von Luftverwirbelungen diese wiederum in die Operationswunde gelangten. In diesem Kontext komme wiederum erschwerend hinzu, dass im Operationssaal des Angeklagten eine raumlufttechnische Anlage, welche in der Luft aufgewirbelte A-Streptokokken hätte absaugen können, beim Angeklagten nicht in Betrieb war, der stattdessen die Belüftung lediglich über ein Fenster durchgeführt habe. Schließlich sei noch von erheblicher Relevanz, dass der Angeklagte mit verschmutztem Operationsbesteck gearbeitet habe. Zwar erscheine unwahrscheinlich, dass auf jenem verschmutzten Operationsbesteck gerade A-Streptokokken die (mangelhafte) Sterilisation überlebt hätten, weil A-Streptokokken gegenüber Desinfektions- und Sterilisationsverfahren relativ empfindlich seien, während andere resistentere Erreger offensichtlich nicht zu den Infektionen geführt hätten. Allerdings ergebe sich die Steigerung der Infektionsgefahr hier daraus, dass die Abwehrkräfte der einzelnen Patienten erheblich geschwächt würden, wenn auch kleinste Verschmutzungsreste durch kontaminiertes Operationsbesteck einschließlich des vorliegend nicht ordnungsgemäß aufbereiteten und verschmutzen Arthroskops, welches beim Zeugen N.N. zum Einsatz gekommen sei, in die Operationswunde gelangten. Dies wiederum habe zur Folge, dass sich die Anzahl der für eine Infektion erforderlichen A-Streptokokken dramatisch auf gerade einmal etwa 100 minimiere, während bei einer sauberen Operationswunde die körpereigenen Abwehrkräfte eine Infektion selbst bei einer Anzahl von bis zu 100.000 derartiger Bakterien verhindern könnten.
Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass die Infektionen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Operationssaal des Angeklagten erworben worden seien, auch wenn die ursprüngliche Quelle nicht identifiziert werden könne. Eine Übertragung des Erregers aus der Quelle hätte bei Einhaltung aller hygienischen Maßnahmen des Multi-Barrierensystems zur Prävention von Wundinfektionen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Die verschiedenen Hygienemängel in der Praxis zeigten an, dass mehrere Lücken im Multi-Barrierensystem bestanden hätten. Wenn auch die Übertragungswege im Einzelnen nicht festgestellt werden könnten, so sei jedoch die Kombination der Mängel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als ursächlich für die Infektionen anzusehen.
Diesen überzeugenden und für die Kammer gut nachvollziehbaren Ausführungen vermag sich die Kammer in vollem Umfang anzuschließen, zumal die Sachverständige auch auf kritische Nachfragen der Verfahrensbeteiligten immer gut nachvollziehbare Antworten zu geben vermochte. Dass sich beispielsweise zwei der insgesamt fünf operierten Patienten am 19.04.2010 nicht mit A-Streptokokken infizierten, vermochte die Sachverständige damit zu erklären, dass neben dem unzureichenden „Mulibarrierensystem“ auch der Zeitfaktor in dem Sinne zu berücksichtigen sei, dass mit zunehmender Zeitdauer bei einer Operation unter hygienisch nicht ordnungsgemäßen Verhältnissen die Gefahr einer Infektion steige. In diesem Kontext sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Zeugen Tag und Merz eben um die zeitlich kürzesten Operationen gehandelt habe, bei denen sich das Infektionsrisiko nicht realisiert habe.
In subjektiver Hinsicht ergibt sich die Kenntnis des Angeklagten von den dargestellten Hygienemängeln und dem hygienisch unzureichenden Procedere des Operationspersonals bei den Operationen aus der eigenen Einlassung des Angeklagten. Dass aus jenen Hygienemängeln auch eine grundsätzliche Gefahr für die Gesundheit zumindest der operierten Patienten resultierte, wusste der Angeklagte, und nahm sie, die Gefahr, auch billigend in Kauf, zumal er als Arzt über die entsprechende Sachkunde verfügt, wobei bereits für den medizinischen Laien das Gefährdungspotential der aufgezählten Mängel für die Patienten evident erscheint. Zugunsten des Angeklagten ist die Kammer allerdings nicht davon ausgegangen, dass der Angeklagte die bei den Zeugen N.N., N.N. und N.N. später tatsächlich eingetretenen erheblichen Gesundheitsbeeinträchtigungen billigend in Kauf genommen hat, sondern (lediglich) bewusst fahrlässig gehandelt hat.
Die Feststellungen zu den im Rahmen einer weiteren Nachbegehung am 01.07.2010 in der Praxis des Angeklagten noch immer vorliegenden Mängeln beruhen auf den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Prof. Dr. N.N.. Dieser hat in der Hauptverhandlung unter anderem glaubhaft bekundet, in einem nach erfolgter Sterilisation zur Operation bereit liegenden Sterilgutcontainer hätten sich 2 Imbusschlüssel mit minderwertiger „Baumarktqualität“ befunden, die Rost im Reinigungsgerät verbreitet hätten. An jenen Ausführungen des Zeugen hat die Kammer keine Zweifel, zumal die entsprechenden Lichtbilder in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden.
Die Feststellungen zum Schriftverkehr zwischen dem Angeklagten und dem Kreisgesundheitsamt Fulda schließlich folgen aus den in der Hauptverhandlung verlesenen Schreiben und den Bekundungen der Zeugin N.N. vom Kreisgesundheitsamt Fulda, die den Inhalt der Schreiben bestätigt hat. Der diesbezügliche Sachverhalt ist auch vom Angeklagten nicht in Abrede gestellt worden.
IV.
Nach den zuvor getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wie tenoriert schuldig gemacht.
Soweit hinsichtlich des Schuldspruchs der fahrlässigen Körperverletzung gem. § 229 StGB Sorgfallspflichtverletzungen des Operationspersonals im Hinblick auf die einzuhaltende Hygiene festgestellt wurden, sind diese dem Angeklagten als Betreiber des Ambulanten Operationszentrums zuzurechnen, da der Angeklagte seine Mitarbeiter nicht ordnungsgemäß angewiesen hatte und von den Mängeln wusste.
In konkurrenzrechtlicher Hinsicht war entgegen der rechtlichen Würdigung in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Fulda vom 06.12.2010 allerdings nicht auf 3 tatmehrheitliche fahrlässige Körperverletzungen jeweils in Tateinheit mit einer Straftat gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. mit § 14 Satz 2 MPG zu erkennen. Denn die 3 fahrlässigen Körperverletzungen der Zeugen N.N., N.N. und N.N. resultierend aus den 3 Operation vom 19.04.2010 beruhten auf ein und der selben Gesamtschau der oben unter II. festgestellten Hygienemängel und damit auf einer sich aus zahlreichen Einzelpunkten zusammensetzenden Sorgfaltspflicht-Verletzung, welche das Tatgeschehen rechtlich als eine fahrlässige Körperverletzung in 3 tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit der tenorierten Straftat nach § 40 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 14 Satz 2 MPG verbindet.
V.
Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer gem. § 52 Abs. 2 StGB die Strafe im Strafrahmen des § 229 StGB entnommen, der Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe androht.
Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich teilweise geständig zur Sache eingelassen und Hygienemängel eingeräumt hat. In diesem Kontext sprach auch für den Angeklagten, dass er die Mängelbeseitigung in seiner Praxis inzwischen in Angriff genommen und die wesentlichen Hygienemängel nunmehr beseitigt hat. Ferner hat die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass er sich bei der Zeugin N.N. dahingehend entschuldigt hat, dass er die moralische Verantwortung trage und in einem weiteren Fall eine Entschuldigung zumindest versucht hat. Weiterhin hat die Kammer gesehen, dass die Tat inzwischen 2 Jahre zurück liegt und auch das Verfahren über einen längeren Zeitraum angedauert hat. Ebenso hat die Kammer strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte anlässlich dieses Verfahrens seit April 2010 im Blickpunkt der örtlichen Medien steht und auf Grund seines bereits vorgerückten Alters besonders strafempfindlich ist. Weiterhin hat die Kammer noch berücksichtigt, dass sie gegen den Angeklagten ein auf die Ausübung von Operationen beschränktes Berufsverbot für die Dauer von 2 Jahren angeordnet hat, welches überdies noch mit erheblichen finanziellen Belastungen für den Angeklagten verbunden ist, da seine wirtschaftliche Haupteinnahmequelle eben auf der Vergütung für seine ambulanten Operationen beruht. Schließlich hat die Kammer auch gesehen, dass dem Angeklagten bereits durch das Kreisgesundheitsamt Fulda der Operationsbetrieb für die Dauer von rund 1 Jahr und 3 Monaten untersagt gewesen war und dass der Widerruf seiner ärztlichen Approbation droht.
Zu Lasten des Angeklagten sprach jedoch, dass er sich der fahrlässigen Körperverletzung gleich in 3 tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht hat. Hierbei war wiederum straferschwerend zu berücksichtigen, dass die 3 Zeugen N.N., N.N. und N.N. jeweils gravierende physische- und psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen durch die Tat des Angeklagten davon trugen. Auch sprach die Vielzahl und Schwere der Hygienemängel zu Lasten des Angeklagten, so dass eine besonders grobe Verletzung seiner objektiven Sorgfallspflichten festzustellen war. Überdies sprach gegen den Angeklagten, dass bereits im Jahre 2008 durch das Gesundheitsamt Mängel in seiner Praxis festgestellt wurden, die der Angeklagten entgegen seiner schriftlichen Angaben bis zum Tattage am 19.04.2010 nicht vollständig beseitigt hatte. Weiterhin war zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass er bereits einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, wobei er bereits damals gegen die Regeln der ärztlichen Sorgfaltspflicht verstoßen hatte. Ferner hat die Kammer noch das Nachtatverhalten des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt, der im Rahmen der Telefonate mit der Geschädigten Zeugin N.N. bzw. mit ihrem Ehemann, dem Zeugen N.N., trotz des Hinweises auf einen mit Wundsekret durchtränkten Verband und erhebliche Schmerzen nicht eine sofortige Vorstellung der Zeugin N.N. bei einem Arzt anriet. Schließlich hat die Kammer noch zu Lasten des Angeklagten die tateinheitlich verwirklichte Straftat nach dem MPG gewertet, allerdings nur von untergeordneter Bedeutung, da bereits im Rahmen der Sorgfaltspflichtverletzung bei der fahrlässigen Körperverletzung die Hygienemängel Berücksichtigung gefunden haben.
Nach Abwägung der zu Gunsten bzw. zu Lasten des Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten für tat- und schuldangemessen. Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass eine Freiheitsstrafe in der genannten Höhe von Gesetzes wegen nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden konnte. Eine aussetzungsfähige Strafe hielt die Kammer allerdings aufgrund der schwerwiegenden zu Lasten des Angeklagten sprechenden Umstände auch unter Berücksichtigung der zu seinen Gunsten sprechenden Umstände für nicht tat- und schuldangemessen.
VI.
Darüber hinaus war gegen den Angeklagten ein auf die Ausübung von Operationen beschränktes Berufsverbot für die Dauer von 2 Jahren gem. § 70 Abs. 1 StGB anzuordnen.
So hat der Angeklagte zunächst die tenorierte rechtswidrige Tat unter grober Verletzung der mit seinem Beruf als Arzt verbundenen Pflichten begangen. Dabei liegt eine grobe Verletzung seiner ärztlichen Pflichten deshalb vor, weil der Angeklagte trotz einer ihm bekannten Vielzahl schwerster Hygienemängel in seiner Praxis Operationen durchgeführt hat, bei denen 3 seiner Patienten sich mit A-Streptokokken infizierten aufgrund der oben unter II. näher aufgeführten Hygienemängel, wobei es in allen 3 Fällen zu den bereits oben unter II. geschilderten schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen kam. Insbesondere die festgestellte Tatsache, dass der Angeklagte mit verschmutztem Operationsbesteck operierte, stellt eine besonders grobe Verletzung der ärztlichen Pflichten dar, zumal bereits dem medizinischen Laien klar ist, dass ein Operieren mit verschmutztem Operationsbesteck zu einer erheblichen Gefährdung der operierten Patienten führt.
Ferner besteht die Gefahr, dass der Angeklagte bei einer Fortsetzung der Ausübung seiner ambulanten orthopädischen Operationen weiterhin nicht mit der für einen Arzt erforderlichen Sorgfalt insbesondere im Bereich der Hygiene agieren wird. Damit sind mit einer naheliegenden Wahrscheinlichkeit Operationen des Angeklagten unter Missachtung von Hygienevorschriften zu besorgen, die die Gefahr weiterer – zumindest fahrlässiger – Körperverletzungen bei zu operierenden Patienten und damit die Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen begründen. Diese Prognose der Kammer ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des Angeklagten und seiner Tat.
Zunächst ergibt sich aus der hier abgeurteilten Tat selbst ein Indiz für die spezifische weitere Gefährlichkeit des Angeklagten bei der Ausübung von Operationen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte trotz der vielen gravierenden Hygienemängel Operationen mit schwerwiegenden Folgen für die Patienten vorgenommen hat, er mithin zumindest grob fahrlässig im Grenzbereich zum bedingten Vorsatz bezüglich der 3 verwirklichten Körperverletzungen gehandelt hat. Es ist daher eine Anlasstat von ganz erheblichem Gewicht zu konstatieren, welche den Schluss rechtfertigt, dass vom Angeklagten weiterhin eine Gefahr ausgeht, wenn er weiterhin ambulante Operationen durchführt.
Auch führt eine Gesamtwürdigung des Angeklagten zu einer negativen Prognose. So ist der Angeklagte bereits in der Vergangenheit einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten wegen einer fahrlässigen Körperverletzung, die er ebenfalls im Rahmen seiner ambulanten Tätigkeit als Operateur beging. Zwar lagen der damaligen Verurteilung keine Hygienemängel zugrunde. Gleichwohl hatte er bereits bei der seiner Vorverurteilung zugrunde liegenden Tat gegen ärztliche Sorgfaltspflichten in erheblicher Weise verstoßen. So hatte er bei der Verwechslung des tatsächlich zu operierenden Knies, die letztlich zum Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung führte, am Operationstag weder mit dem zu operierenden Patienten gesprochen noch eine Kennzeichnung des zu operierenden Knies, etwa mittels eines Filzstifts, vorgenommen. Auch befanden sich im Operationssaal nicht die Röntgenbilder und die Befundberichte bezüglich des fraglichen Knies. Schließlich erfolgte vor dem Eingriff nicht eine Betrachtung der im Computer gespeicherten Krankenunterlagen wie Röntgenaufnahmen und Befundberichte. Stattdessen griff er lediglich auf eine Einverständniserklärung des zu operierenden Patienten und auf die auf der Rückseite jener Einverständniserklärung angefertigte Skizze zurück, die versehentlich jeweils das andere, gesunde Knie betrafen. Hierin liegt nach Auffassung der Kammer ein erheblicher Verstoß gegen die ärztlichen Sorgfaltspflichten. Ferner war noch zu berücksichtigen, dass der Angeklagte im Rahmen einer Routinekontrolle durch das Kreisgesundheitsamt bereits im Juli 2008 auf Mängel in seiner Praxis hingewiesen wurde, die er entgegen seiner schriftlichen Stellungnahme in der Folgezeit nicht vollständig beseitigte. Im Gegenteil nahmen jene Mängel noch an Menge und Intensität zu bis zu dem oben unter II. festgestellten Ausmaße. Hieraus lässt sich erkennen, dass sich der Angeklagte bereits in der Vergangenheit weder durch ein Strafurteil noch durch eine Bemängelung durch das Kreisgesundheitsamt hat hinreichend beeindrucken lassen in dem Sinne, dass er nunmehr seinen ärztlichen Sorgfaltspflichten in gewissenhafter Weise nachgekommen wäre.
Zwar hat die Kammer hinsichtlich des Nachtatverhaltens nicht verkannt, dass der Angeklagte mit dem Privatdozenten Dr. N.N. einen Hygieniker zu Rate gezogen hat und die wesentlichen Hygienemängel inzwischen abgestellt hat, so dass das vom Kreisgesundheitsamt zunächst angeordnete Verbot ambulanter Operationen nach immerhin 1 Jahr und 3 Monaten inzwischen wieder aufgehoben wurde. Allerdings war in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich die Bemühungen des Angeklagten, sein ambulantes Operationszentrum entsprechend den ärztlichen Hygienevorschriften zu betreiben, über einen längeren Zeitraum hinzogen. So wurden insbesondere im Rahmen einer auf Veranlassung des Angeklagten selbst durchgeführten Begehung seiner Praxis am 01.07.2010 noch immer erhebliche Hygienemängel festgestellt. Insbesondere fanden sich in einem Sterilgutcontainer nach erfolgter Sterilisation zwei verrostete Imbusschlüssel minderwertiger Qualität. Hieraus ergibt sich, dass der Angeklagte die Beseitigung seines Hygieneproblems in seiner Praxis nur sehr unzureichend begonnen hat, da ein minderwertiger Imbusschlüssel, wie er in jedem Baumarkt zu erhalten ist und bei dem es sich um kein Operationsbesteck handelt, keinesfalls gemeinsam mit Operationsbesteck sterilisiert werden darf. In diesem Kontext ist schließlich noch ein in der Hauptverhandlung verlesenes, im Auftrage des Angeklagten verfasstes Schreiben seines Verteidigers vom 29.03.2011 an den Behördenleiter des Kreisausschusses, Fachdienst Gesundheit, beim Landkreis Fulda zu berücksichtigen – der Angeklagte hat dies in der Hauptverhandlung auch bestätigt –, in dem der Angeklagte über seinen Verteidiger aufgrund des damals noch bestehenden Verbots der Durchführung ambulanter Operationen – ausgesprochen durch das Gesundheitsamt des Landkreises Fulda – um die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen jene Beamte, die für die Fortdauer des Operationsverbotes verantwortlich seien, bat und Schadensersatz in Höhe von 135.000,00 EUR für entgangenen Gewinn aufgrund des Verbots der ambulanten Operationen geltend machte. Aus jenem Schreiben entnimmt die Kammer die zumindest zum damaligen Zeitpunkt vorliegende Einstellung des Angeklagten, dass ihm das Operationsverbot zu Unrecht erteilt worden sei. Aber auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der Urteilsfällung vermag die Kammer eine grundlegende Wesensänderung beim Angeklagten nicht zu erkennen. In diesem Kontext hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung lediglich dahingehend eingelassen, er habe sich in der Vergangenheit schwer vorstellen können, mit seinem Beruf als Arzt aufzuhören. Nunmehr könne er sich jedoch vorstellen, in den nächsten Jahren seinen Beruf als Arzt zu beenden.
Nach alledem hält die Kammer zum Schutz der Allgemeinheit die Anordnung der Sicherungsmaßregel des Berufsverbots für unerlässlich. Dabei hat sie auch nicht verkannt, dass der Angeklagte hierdurch schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile hat und dass er zudem zu einer Haftstrafe von 2 Jahre und 3 Monaten verurteilt wurde.
Die Kammer hat die Dauer des auf die Ausübung von Operationen beschränkten Berufsverbotes auf 2 Jahre festgesetzt. Diese Frist, die die Kammer der Vorschrift des § 70 Abs. 1 S. 1 StGB, die ein zeitiges Berufsverbot für die Dauer von einem Jahr bis zu 5 Jahren vorsieht, entnommen hat, hält sie für ausreichend, aber auch für erforderlich, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dem Angeklagten bereits durch das Kreisgesundheitsamt Fulda für die Dauer von etwa 1 Jahr und 3 Monaten ambulante ärztliche Operationen untersagt gewesen waren.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.
N.N. N.N

RechtsgebieteMPG, StGBVorschriften§§ 40 Abs. 1 Nr. 4, 14 Satz 2 MPG; §§ 229, 230 Abs. 1, 52, 70 StGB

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