25.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130254
Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 29.11.2012 – 19 U 141/12
ZPO §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 330, 697 Abs. 3.
Zu den Folgen des Fehlens einer Anspruchsbegründung bei Säumigkeit des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Antragsgegners.
ZPO §§ 330, 511 Abs. 1, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1.
a) Wurde fehlerhaft durch streitgemäßes Urteil anstatt durch echtes Versäumnisurteil erkannt, ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung gegen das Urteil die Berufung zulässig.
b) Zur Vermeidung der Perpetuierung des Formfehlers in diesem Fall.
OLG Stuttgart, 29.11.2012
19 U 141/12
Im Rechtsstreit
.... g e g e n ....
w e g e n Forderung
hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2012 unter Mitwirkung von
Vors. Richter am Oberlandesgericht Späth,
Richter am Oberlandesgericht Wetzel,
Richter am Oberlandesgericht Trost
f ü r R e c h t e r k a n n t:
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 21. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 8. August 2012 - 21 O 151/12 -
a u f g e h o b e n.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht
z u r ü c k v e r w i e s e n.
2.
Die Revision wird nicht zugelassen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A.
Am 16. April 2012 hat die Klägerin gegen die Beklagte den Erlass eines Mahnbescheids beantragt,
der am 17. April 2012 erlassen wurde. Die in diesem mit "Handwerkerleistung gem. Nummer der Rechnung - o. ä. - 2120002, 2120003, 2120004, 2120005 vom 07.02.12" bezeichnete Hauptforderung beläuft sich auf 81.641,81 EUR.
Gegen den Mahnbescheid hat die Beklagte am 20. April 2012 Widerspruch eingelegt. Durch Verfügung vom 20. April 2012 wurde das Verfahren an das Landgericht Stuttgart abgegeben.
Der Klägerin wurde durch die Geschäftsstelle entsprechend § 697 Abs. 1 S. 1 ZPO aufgegeben, den Anspruch zu begründen. Nachdem sie dieser Aufforderung nicht nachkam, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Juli 2012 die Bestimmung eines Termins zur mündlichen Verhandlung beantragt. Mit der Terminsbestimmung wurde der Klägerin durch die Einzelrichterin eine Frist zur Begründung des Anspruchs entsprechend § 697 Abs. 3 S. 2 ZPO gesetzt. Eine Anspruchsbegründung ist nicht eingegangen.
Im Termin war für die Klägerin niemand erschienen.
Der Beklagtenvertreter hat Klagabweisung beantragt.
Diesem Antrag ist das Landgericht mit der angefochtenen Entscheidung, auf deren tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, gefolgt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Zulässigkeit könne offenbleiben. Die Klage sei jedenfalls unbegründet. Die Klägerin habe ihren Anspruch nicht begründet, so dass der Antrag unschlüssig sei.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie ist u.a. der Auffassung, die Zulässigkeit der Klage hätte ebenso wenig offenbleiben, wie eine Klagabweisung in der Sache erfolgen dürfen, weshalb eine Zurückverweisung an das Landgericht stattzufinden habe.
Die Klägerin habe den von der Einzelrichterin bestimmten Termin zur mündlichen Verhandlung mit einem Verkündungstermin in einem anderen zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit verwechselt.
Die Klägerin begründet den Anspruch (GA 32 - 41 der Akten nebst Anlagen).
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Sache zur erneuten Verhandlung einer Entscheidung an das Gericht I. Instanz zurückzuweisen,
hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Urteils, die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen,
weiter hilfsweise unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 81.641,81 EUR nebst Zinsen i. H. v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.02.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung wird abgewiesen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Antrag, über den in I. Instanz zu befinden gewesen sei, sei hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, aber wegen des in dem Widerspruch gegen den Mahnbescheid liegenden Bestreitens unschlüssig. Eine Zurückverweisung komme nicht in Betracht. Die Säumnis im Termin sei schuldhaft gewesen, die Anspruchsbegründung verspätet und damit zurückzuweisen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin führt, entsprechend dem Antrag der Klägerin (§ 538 Abs. 2 S. 1 2. Hs. ZPO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht. Die I. Instanz hat verfahrensfehlerhaft ein streitgemäßes Urteil in der Sache erlassen und nicht durch (echtes) Versäumnisurteil erkannt.
I.
Die Berufung ist zulässig.
1.
Das Landgericht hat in der Sache entschieden, weil es die Zulässigkeit der Klage verfahrensfehlerhaft dahinstehen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 16. Januar 2008 - XII ZR 216/05, BGHR ZPO (21.10.2005), § 322 Abs. 1; BGH, Urt. v. 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09, NJW 2012, 1209).
a)
Allerdings hätte das Landgericht, weil es die Zulässigkeit der Klage dahinstehen lässt und das Fehlen der Anspruchsbegründung nach § 697 Abs. 1 ZPO der Schlüssigkeit des Klageanspruchs zuordnet, nach § 330 ZPO durch Versäumnisurteil entscheiden müssen, weil die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 697 Rdnr. 8), die Stellung eines entsprechenden Antrags stillschweigend erfolgte (BGHZ 37, 79, 83) und die Säumnis der Klägerin jedenfalls nicht unverschuldet war (§§ 377 ZPO, 276 BGB), was die Beklagte zu Recht geltend macht.
b)
Dagegen hat die erste Instanz durch streitgemäßes Urteil erkannt. Das folgt aus dessen Inhalt, weil die Entscheidungsgründe sich nicht zum Versäumnisverfahren verhalten (vgl. BGH, Beschl. v. 3. Februar 1988 - IV b ZB 4/88, BGHR ZPO, § 629 Abs. 2 Teilversäumnisurteil 1).
2.
Für die Zulässigkeit der Berufung kann dagegen verfahrensfehlerfrei offenbleiben, ob es sich bei der Anspruchsbegründung um eine Sachurteilsvoraussetzung (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 679 Rdnr. 8; Olzen in Wiecorek/Sch ütze, ZPO, 3. Aufl., § 697 Rdnrn. 23, 6; Deubner, JuS 1994, 506, 508) handelt oder ob sie der Schlüssigkeit des geltend gemachten Anspruchs (Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 697 Rdnr. 6; HK-ZPO-Gierl, 2. Aufl., § 697 Rdnr. 19 jew. m.w.N.) zuzuordnen ist. (vgl. auch BGHZ 84, 136, 138 f. m. krit. Anm. Skibbe, LM Nr. 5 zu § 697 ZPO).
a)
Hätte in erster Instanz kein streitgemäßes, sondern nach § 330 ZPO ein erstes Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergehen müssen, gegen das nach § 338 ZPO der Einspruch zusteht, wurde aber ein streitgemäßes Urteil verkündet, so ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung auch die Berufung das statthafte Rechtsmittel. Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien nämlich dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (BGH, Beschl v. 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06, ZPO (21.10.2005), § 511 Abs. 1 Meistbegünstigung 1).
b)
Allerdings vermag der Meistbegünstigungsgrundsatz keine Erweiterung des gesetzlichen Rechtsmittelzuges zu rechtfertigen. Der Schutzgedanke der Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei lediglich vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen, ihr aber nicht Vorteile verschaffen, die ihr im Falle der richtigen Entscheidungsform nicht zustünden. Das der tatsächlichen (inkorrekten) Entscheidungsform entsprechende Rechtsmittel ist folglich nur dann statthaft, wenn gegen eine formell richtige Entscheidung ein Rechtsmittel gegeben wäre (BGH a.a.O.) Das gilt auch für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, auch wenn es sich dabei nicht um ein Rechtsmittel handelt (statt aller Stein/Jonas/Grunsky, Einleitung III vor § 511 Rdnr. 62).
II.
Die Berufung hat Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1.
Die Berufung bliebe auch dann nicht erfolglos, wenn es sich bei der Anspruchsbegründung um eine Sachurteilsvoraussetzung handelte, bei deren Fehlen das Rechtsmittel mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abzuweisen wäre, zurückzuweisen wäre (vgl. BGH, Urt. v. 5. März 2009 - IX ZR 141/07, BGHReport 2009, 639).
a)
Nach § 697 Abs. 1 ZPO hat die Geschäftsstelle des Gerichts, an das die Streitsache abgegeben wird, dem Antragsteller unverzüglich aufzugeben, seinen Anspruch binnen zwei Wochen in einer der Klageschrift entsprechenden Form zu begründen. Geht die Anspruchsbegründung nicht rechtzeitig ein, so wird nach § 687 Abs. 3 ZPO bis zu ihrem Eingang Termin zur mündlichen Verhandlung nur auf Antrag des Antragsgegners bestimmt und mit der Terminsbestimmung durch den Vorsitzenden dem Antragsteller eine Frist zur Begründung des Anspruchs gesetzt, wobei § 296 Abs. 1, 4 entsprechend gilt.
b)
Insoweit kann auch hier noch dahinstehen, ob die Anspruchsbegründung eine Sachurteilsvoraussetzung ist (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 679 Rdnr. 8; Olzen in Wiecorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 697 Rdnrn. 23, 6; Deubner, JuS 1994, 506, 508) oder sich bei ihrem Fehlen Folgen im Hinblick auf die Schlüssigkeit und damit der Begründetheit der Klage (Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 697 Rdnr. 6; HK-ZPO-Gierl, 2. Aufl., § 697 Rdnr. 19 jew. m.w.N.) ergeben (vgl. auch BGHZ 84, 136, 138 f. m. krit. Anm. Skibbe, LM Nr. 5 zu § 697 ZPO).
c)
Handelte es sich bei der Anspruchsbegründung um eine Sachurteilsvoraussetzung läge diese vor. Die Anspruchsbegr ündung wäre jedenfalls in der Berufungsbegründungsschrift enthalten und damit zu beachten. Der maßgebende Zeitpunkt für das Vorliegen oder Fehlen von Sachurteilsvoraussetzungen ist der Schluss der mündlichen Verhandlung (statt aller BGHZ 18, 98, 106).
2.
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
a)
Das allerdings nicht deshalb, weil wie die Klägerin meint, die Voraussetzungen der Bestimmung des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vorlägen. Nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 darf das Berufungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen, wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist. Hier hat das Landgericht jedoch abschließend in der Sache selbst befunden, so dass auch die von der Klägerin für ihre Auffassung herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11. März 1983 - V ZR 287/81 (WM 1983, 658) nicht einschlägig ist. Dort hatte sich das Gericht an einer Sachentscheidung gehindert gesehen.
b)
Die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beruht jedoch auf § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 ZPO.
Allerdings darf nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Sache, auf einen entsprechenden Antrag hin, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und, soweit erforderlich, des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverwiesen werden, wenn das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Diese Voraussetzungen liegen vor.
aa)
Das Landgericht hat, auch wenn es in der Sache entschieden hat, verfahrensfehlerhaft durch kontradiktorisches Urteil erkannt. Es hätte im Termin ein Versäumnisurteil gegen die Klägerin ergehen müssen, weil dessen Voraussetzungen nach § 330 ZPO vorgelegen haben. Nach § 330 ZPO ist auf Antrag das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen ist, wenn er im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint.
(1)
Die Klägerin war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten.
(2)
Das Begehren war zulässig, so dass nicht nach § 331 Abs. 2. 2. Hs. durch unechtes Versäumnisurteil zu erkennen gewesen wäre.
(a)
Die Antragstellung unterliegt nach § 78 Abs. 3 ZPO nicht dem Anwaltszwang. Der Mahnantrag der nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung fordert, wobei Haupt- und Nebenforderungen gesondert und einzeln zu bezeichnen sind, kann nach §§ 690 Abs. 2, 702 Abs. 1 vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Das Verfahren wurde auf Antrag der Beklagten an das Gericht der Hauptsache abgegeben. Dadurch wird der Antrag nicht unzulässig (vgl. zu § 486 Abs. 4 ZPO BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - VII ZB 9/12 zVb BGHZ).
(b)
Auch wenn nach § 697 Abs. 1 ZPO mit der Anspruchsbegründung der Anspruch in einer der Klageschrift entsprechenden Form, mithin eines der Bestimmung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 1. Hs. ZPO genügenden Inhaltes, zu begründen ist, handelt es sich dabei jedenfalls dann nicht um eine Sachurteilsvoraussetzung, wenn sich die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs aus dem Mahnbescheid ergibt. Allerdings erfordert der zulässige Antrag auf Erlass eines Mahnbescheid nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO insoweit nur die Bezeichnung des Anspruchs unter bestimmter Angabe der verlangten Leistung, ohne dass für einen außenstehenden Dritten ersichtlich sein muss, welche konkreten Ansprüche geltend gemacht werden; es reicht aus, dass dies für den Antragsgegner erkennbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455). Jedoch soll die Anspruchsbegründung den Mahnbescheid lediglich zu einer vollwertigen Klage ergänzen, stellt aber nicht selbst die Klage dar; sonst könnte nicht gemäß § 697 Abs. 3 Satz 1 ZPO Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des Antragsgegners bestimmt werden, wenn die Anspruchsbegründung nicht rechtzeitig eingeht. Die Funktion der Klageschrift, den Streitgegenstand festzulegen, hat der Mahnbescheid bereits erfüllt (BGHZ 179, 329, 334 f.). Dem gen ügt die Angabe "Hauptforderung: Handwerkerleistung gem. Nummer der Rechnung - o.ä. - 2120002, 2120003, 2120004, 2120005 vom 07.02.2012" nebst angeführter Zinsen und Kosten. Damit ist der Anspruch als solcher identifizierbar (vgl. dazu für die Zulässigkeit Klage zuletzt: BGH, Urt. vom 25. Oktober 2012 - IX ZR 207/11 dokumentiert in [...]). Eine weitere Substantiierung, also eine weitere Auflösung in Tatsachen, ist für die Zulässigkeit des Begehrens nicht erforderlich.
(3)
Die Beklagte hat auf den Erlass eines Versäumnisurteils angetragen.
Ist ein Urteil gegen die Klägerin nur als Versäumnisurteil zulässig, so steht seinem Erlass nicht entgegen, dass die Beklagte vor dem Landgericht nur ihren Sachantrag und nicht auch ausdrücklich den Prozessantrag auf Erlass eines Versäumnisurteils nach § 330 ZPO gestellt hat. Denn mangels eines Anhaltspunktes für das Gegenteil ist anzunehmen, dass sie den Erfolg ihres Sachantrags auf jedem verfahrensrechtlich möglichen Weg wünschte und dass deshalb ihr Sachantrag stillschweigend zugleich den Prozessantrag auf Versäumnisurteil enthält für den Fall, dass dies der einzige Weg zum Erfolg ist (BGHZ 37, 79, 83).
(4)
Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert, so dass eine Vertagung nicht in Betracht kam. Die angebliche Verwechslung dieses Termins mit einem Verkündungstermin in einem anderen Rechtsstreit, der zwischen den Parteien geführt wird, zu dem niemand erscheinen muss, beruhte jedenfalls auf Fahrlässigkeit (§§ 337 ZPO, 276 BGB). Die Inhalte der Verfügungen sind ebenso unterschiedlich wie Aktenzeichen und Spruchkörper. Die Verfügung in dem vorliegenden Rechtsstreit mit der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt wurde, wurde nicht, jedenfalls nicht mit der ausreichenden Sorgfalt zur Kenntnis genommen.
bb)
Hätte danach durch Versäumnisurteil gegen die Klägerin erkannt werden müssen, wäre der statthafte Rechtsbehelf des Einspruchs nach § 338 ZPO gegeben, mittels dessen nach § 342 ZPO der Prozess, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Wird dagegen ein streitgemäßes Urteil verkündet, so ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung allerdings auch die Berufung das statthafte Rechtsmittel. Eine dem korrekten Verfahren widersprechende Erweiterung des Instanzenzuges ist mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung jedoch nicht verbunden (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Juni 2012 - XII ZR 77/10, FamRZ 2012, 1293).
(1)
Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom unteren Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste, vielmehr hat es das Verfahren so weiterzubetreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (BGH, Urteil vom 23. November 2007 - LwZR 11/06, NL-BzAR 2008, 79, 80, Übergang vom Beschwerde- in das Berufungsverfahren; Beschlüsse vom 11. November 1991 - II ZR 256/90, MDR 1992, 72, 73; BGHZ 115, 162, 165, Übergang vom Revisions- zum Rechtsbeschwerdeverfahren; vom 3. November 1988 - LwZB 2/88, BGHR LwVG, § 48 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittel 1, Übergang vom Beschwerde- in das Berufungsverfahren und vom 24. November 1965 - VIII ZR 168/65 - MDR 1966, 232, Übergang vom Berufungs- in das Beschwerdeverfahren; MünchKomm/Rimmelspacher, ZPO, 3. Aufl., vor §§ 511 ff. Rdn. 88; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., Einleitung Rechtsmittel, Rdn. 49; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., vor § 511 Rdn. 33). Das Meistbegünstigungsprinzip will nur verhindern, dass eine Partei infolge der formfehlerhaften Entscheidung in ihren Rechtsmittelbefugnissen eingeschränkt wird, dagegen fordert es nicht die Perpetuierung des Formfehlers (BGH, Beschl. v. 17. Dezember 2008 - XII ZB 125/06, BGHReport 2009, 907).
(2)
Der Senat ist folglich gehalten, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, um entsprechend § 342 ZPO den Prozess durch die Berufung in die Lage, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand, zurückzuversetzen (vgl. OLG München, Beschl. v. 25. Juli 1989, 16 UF 1141/89, FamRZ 1989, 1204). Diese Möglichkeit besteht jedenfalls dann, wenn wie hier die Voraussetzungen der Bestimmung des § 538 ZPO vorliegen, die eine Aufhebung des Urteils und des Verfahrens sowie eine Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges gestattet.
cc)
Das Verfahren in erster Instanz leidet an einem wesentlichen Mangel, weil durch streitgemäßes, anstatt durch Versäumnisurteil erkannt wurde. Das streitgemäße Urteil stellt als Entscheidung mithin keine Grundlage für eine Instanzbeendigung dar (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, WM 2010, 892). Aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig.
(3)
Das erstmalige und damit neue Vorbringen der Klägerin in der Sache ist vom Senat zu berücksichtigen.
(a)
Allerdings sind nach § 531 Abs. 2 ZPO neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zuzulassen. Hier wurde das in der Berufungsbegründungsschrift enthaltene Vorbringen jedoch infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht, weil das Landgericht die Instanz durch streitgemäßes Urteil beendet hat, anstatt durch Versäumnisurteil zu erkennen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
(b)
Es ist dem Senat auch nicht möglich, das erstinstanzliche Verfahren fortzusetzen und das Vorbringen der Klägerin in dem Berufungsverfahren als in erster Instanz verspätet gehalten zu behandeln.
Zum einen läge in der Fortführung des Rechtsstreits hin zu einer streitbeendenden Entscheidung durch den Senat die Perpetuierung des Formfehlers. Zum anderen darf das im Rechtszug übergeordnete Gericht die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nicht auf eine andere, als die von der Vorinstanz angewandte Vorschrift stützen. Ein Wechsel der Präklusionsbegründung durch das Rechtsmittelgericht kommt grundsätzlich nicht in Betracht (BGH, Beschl. v. 25. Februar 2010 - I ZB 18/08, GRUR 2010, 859). Erst recht muss es dem Senat versagt sein, erstmals die Präklusionsbestimmungen anzuwenden, wenn deren Voraussetzungen zwar in erster Instanz vorgelegen hätten, das Landgericht von ihnen jedoch keinen Gebrauch gemacht hat und im Berufungsverfahren nach §§ 525, 296 ZPO die Voraussetzungen für eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens nicht gegeben sind.
(2)
Die Aufklärung des Sachverhalts erfordert eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme, da das ausführliche Vorbringen der Klägerin jedenfalls zum Großteil bestritten und deshalb beweisbedürftig ist.
dd)
Es kann dahinstehen, ob dem Senat bei der vorliegenden Fallgestaltung das ihm nach der Bestimmung des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eingeräumte Ermessen, eine eigene Sachentscheidung zu treffen oder ausnahmsweise den Rechtsstreit an das Erstgericht zurückzuverweisen, wegen des Grundsatzes der Meistbegünstigung zusteht oder ob der Senat gehalten ist, den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen, um entsprechend § 342 ZPO den Prozess durch die Berufung in die Lage, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand, zurückzuversetzen. Ein ihm zustehendes Ermessen übte der Senat jedenfalls dahin aus, dass die Sache unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
3.
Für das weitere wiederöffnete erstinstanzliche Verfahren wird darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung des bestrittenen Vorbringens in der als Anspruchsbegründung anzusehenden Berufungsbegründung nach § 296 Abs. 1 ZPO mangels hinreichender Belehrung (Reichold in Thomas/Putzo a.a.O. § 296 Rdnr. 31) in der Terminsverfügung vom 4. Juli 2012 nicht in Betracht kommt (vgl. BGHZ 86, 213, 225 f.) und die Voraussetzungen der Bestimmung des § 296 Abs. 2 ZPO insoweit nicht vorliegen (vgl. Weth in Wiecorek/Schütze a.a.O., § 296 Rdnr. 151). Deshalb kann es nach dem bisherigen Stand der Dinge dahinstehen, ob einer Präklusion auch das verfassungsmäßige Verbot der "Überbeschleunigung" entgegenstünde (BGH, Urt. v 9. Juni 2005 - VII ZR 43/04, BGHReport 2005, 1347; BGH, Urt. v. 3. Juli 2012 - VI ZR 120/11, NJW 2012, 2808).
4.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Jedenfalls seit BGHZ 179, 329, 334 f. ist die Einordnung der Anspruchsbegründung nicht als Sachurteilsvoraussetzung, sondern deren Zuordnung zur Schlüssigkeit und damit der Begründetheit des Begehrens höchstrichterlich geklärt (vgl. statt aller BGH, Beschl. v. 20. Juni 2012 - IV ZR 150/11, VersR 2012, 1300).
5.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Auch aufhebende und zurückweisende Urteile nach § 538 Abs. 2 ZPO sind gemäß § 708 Nr. 10, § 775 Nr. 1, § 776 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
Späth Vors. Richter am Oberlandesgericht
Wetzel Richter am Oberlandesgericht
Trost Richter am Oberlandesgericht
Verkündet am 29. November 2012