29.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130285
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 23.12.2011 – 19 U 24/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 06.01.2011 – Aktenzeichen: 14 O 70/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufungsinstanz hat die Beklagte zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil sowie das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen
Gründe
2
I.
3
Die Klägerin beansprucht von der Beklagten eine Teil-Vertragsstrafe von 8.675.456,53 € wegen verspäteter Fertigstellung des Bauvorhabens „S“ in L.
4
Die Klägerin ließ im Auftrag einer Grundstücksgesellschaft auf deren Grundbesitz das Bauvorhaben „S“ in L als Generalübernehmerin durchführen. Durch Generalunternehmervertrag vom 01./02.12.2005 (im Folgenden: GU-Vertrag, abgekürzt GUV, Anlage K1, Bl. 9 ff. GA) beauftragte die Klägerin die Beklagte unter anderem mit der Errichtung von Bürohäusern und einem Parkhaus zu einem Pauschalpreis von 164.773.109,00 €. Das Bauvorhaben sollte gemäß § 8 Nr. 4 GUV fertiggestellt sein, „wenn die Leistungen des AN bis auf geringfügige Restarbeiten erbracht und frei von wesentlichen Mängeln sind, frühestens jedoch zu dem Termin, den der AN in seinem Abnahmeantrag (§ 9 Nr. 3 Satz 1) als Fertigstellungstermin genannt hat. “ Unter § 10 GUV trafen die Parteien folgende Vertragsstrafenregelung:
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„1. Soweit der AN den Fertigstellungstermin (§ 8 Nr. 1 b)) schuldhaft überschreitet und hiermit in Verzug gerät, hat er an den AG eine Vertragsstrafe von werktäglich 0,1 % der Schlussrechnungssumme, maximal jedoch nicht mehr als 5 % der Schlussrechnungssumme zu zahlen. …
6
…
7
5. Vereinbaren die Parteien nachträglich schriftlich einen neuen Fertigstellungstermin und/oder geänderte essentielle Zwischentermine, so gilt § 10 für die Überschreitung dieser jeweils neu vereinbarten Vertragsfristen. …“
8
In der Folgezeit kam es zu Planungsänderungen, die die Ausführung und Fertigstellung des Bauvorhabens verzögerten. Zur Vertragsanpassung schlossen die Parteien zunächst einen „Letter of Intent“ (LoI) vom 19.12.2007 (Anlage K 8, Bl. 346 ff. GA). Darin einigten sich die Parteien unter anderem darauf, dass die Beklagte das Bauvorhaben insgesamt nach Maßgabe der Regelung unter § 8 Nr. 4 GUV bis zum 31.12.2008 fertigstellen sollte. Gemäß Ziffer 4 des Letter of Intent verpflichtete sich die Klägerin, an die Beklagte eine Schadensersatz- und Beschleunigungspauschale in Höhe von 33.900.000,00 € netto zusätzlich zu zahlen.
9
Am 19.12.2008 schlossen die Parteien dann einen „3. Nachtrag“ (Anlage K 2, Bl. 70 ff. GA). Dort vereinbarten die Parteien unter § 2 eine Regelung zu der Schadensersatz- und Beschleunigungspauschale für die Beklagte, in § 3 Ausführungsfristen, unter anderem eine Frist zur Fertigstellung des Bauvorhabens bis zum 23.01.2009, und unter § 4 Maßnahmen zur Beschleunigung der Planungs- und Entscheidungsabläufe. Zur Vertragsstrafe einigten sich die Parteien unter § 5 des 3. Nachtrags auf Folgendes:
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„… 1. a) Wenn der AN mit der Einhaltung des geänderten Fertigstellungstermin aus § 3 Nr. 1 (mit Ausnahme der in § 3 Nr. 1 lit. A) bis f) beschriebenen Leistungen) in Verzug gerät, hat er an den AG für den Zeitraum vom 24.01.2009 bis 31.01.2009 einen pauschalen Schadensersatz in Höhe von täglich 40.000,00 € zu zahlen. …
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b) Wenn der AN mit der Einhaltung des geänderten Fertigstellungstermins aus § 3 Nr. 1 (mit Ausnahme der in § 3 Nr. 1 lit. A) bis f) beschriebenen Leistungen) auch über den 31.01.2009 hinaus in Verzug gerät, hat er beginnend mit dem 01.02.2009 an den AG eine Vertragsstrafe von werktäglich 0,1 % der Schlussrechnungssumme, maximal jedoch nicht mehr als 5 % der Schlussrechnungssumme (wobei auf den Maximalbetrag der pauschale Schadensersatz nach § 5 Nr. 1 a) angerechnet wird) zu zahlen. …
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… 3. Die Regelungen in § 10 Nrn. 3 bis 6 GUV gelten für die vorstehend vereinbarten Vertragsstrafen entsprechend. …“
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Zum vereinbarten Fertigstellungstermin am 23.01.2009 war eine Abnahme nicht möglich, da, wie die Parteien in der Vorbemerkung zu einem sodann vereinbarten „4. Nachtrag“ vom 02.02.2009 (Anlage K 3, Bl. 103 ff. GA) festschrieben, „das Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt nicht im Sinne des § 8 Nr. 4 des GU-Vertrages fertig gestellt war mit der Folge, dass der AN mit Ablauf des 23.01.2009 mit der Fertigstellung seiner Leistungen in Verzug ist.“
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Unter § 1 des 4. Nachtrags vereinbarten die Parteien, es der Firma S2 GmbH (im Folgenden: S2) – einer Untermieterin in dem Bauvorhaben über eine vorläufige Gesamtfläche von 71.087,13 qm gemäß Gewerbe-Mietvertrag vom 02.12.2005 (Bl. 581 ff. GA) - zu ermöglichen, „schon vor abnahmereifer Fertigstellung (§ 8 Nr. 4 GUV) und vor Abnahme (§ 9 GUV) den Ausbau des Bauvorhabens … parallel zu den noch nicht fertig gestellten GU-Leistungen des AN vorzunehmen“, „um den durch die verspätete Fertigstellung des Bauvorhabens entstandenen Schaden zu reduzieren“.
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Unter § 3 Nr. 1 des 4. Nachtrags regelten die Parteien:
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„Die Parteien stellen einvernehmlich fest, dass sich der AN gegenüber dem AG mit der vertraglich geschuldeten Fertigstellung seiner Leistungen gem. § 5 Nr. 1 des 2. Nachtrages mit Ablauf des 23.01.2009 in Verzug befindet und den Verzug zu vertreten hat. Der Eintritt und die Fortdauer des Verzuges bleiben durch die Regelungen dieses 4. Nachtrages, insbesondere durch die in § 1 dieses 4. Nachtrages getroffenen schadensmindernden Regelungen über einen vorzeitigen Mieterausbau und die in § 2 dieses 4. Nachtrages getroffenen Regelungen über einen neuen verbindlichen Fertigstellungstermin, unberührt.“
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Die Beklagte überließ sodann einen Teil der Räumlichkeiten in dem Bauvorhaben der Firma S2 GmbH, die dort Ausbauleistungen auf eigene Kosten vornahm.
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Am 11.12.2009, teilweise zurückbezogen auf den 30.11.2009, kam es zur Abnahme des Bauvorhabens. Zu verschiedenen Mängeln am Objekt schlossen die Parteien und andere eine Abfindungsvereinbarung (Bl. 354 ff. GA, Anlage K 9), nach der die Firma S2 GmbH einen pauschalen Abfindungsbetrag von 10.050.000,00 € anstelle einer Mängelbeseitigung erhielt.
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Durch Schlussrechnung vom 30.04.2010 (Anlage B1, Bl. 309 ff. GA) über 79.064.974,98 € netto rechnete die Beklagte ihre Werklohnansprüche unter Berücksichtigung insbesondere geleisteter Abschlagszahlungen ab.
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Hinsichtlich der weiteren Sachdarstellung einschließlich der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf das angefochtene, der Beklagten am 07.01.2011 zugestellte Urteil des Landgerichts Bonn vom 06.01.2011 (Bl. 718 ff. GA) Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage, bis auf einen Teil der beanspruchten Zinsen stattgegeben. Den zugesprochenen Vertragsstrafenanspruch stützt das Gericht auf § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags vom 19.12.2008. Zur Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem erstrangigen Teilbetrag des Werklohnanspruchs aus der Schlussrechnung vom 30.04.2010 über 79.064.974,98 € netto hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte nicht mit ihrer Vergütung aus dem Vertrag vom 01./02.12.2005 nebst Nachträgen aufrechnen könne, da sie einen (erstrangigen) Vergütungsanspruch nicht schlüssig dargelegt habe; denn die Beklagte behaupte völlig unsubstantiiert, sie habe Werkleistungen entsprechend ihrer Schlussrechnung vom 30.04.2010 erbracht. Diese Rechnung sei aus sich heraus nicht verständlich. Von einem Vorbehaltsurteil hat das Landgericht „in Ansehung der Rechtshängigkeit des zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruchs bei einer anderen Kammer und der im Sinne von § 322 Abs. 2 ZPO unschädlichen Nichtberücksichtigung in diesem Rechtsstreit“ abgesehen.
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Mit ihrer am 07.02.2011 eingelegten und – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.04.2011 – an diesem Tag begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
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Sie meint, dass die Parteien keine wirksame Vertragsstrafenvereinbarung getroffen hätten. Bei der in § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags fortgeschriebenen Vertragsstrafenklausel aus § 10 Nr. 1 GUV handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Sowohl aus der wortgleichen Übernahme der Regelung aus § 10 Nr. 1 GUV als auch aus der gemäß § 10 Nr. 5 GUV bestehenden Verpflichtung zur Fortschreibung ergebe sich, dass die Vertragsstrafe unter § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags nicht ausgehandelt worden sei. Im Kern sei § 5 Nr. 1 Buchstabe b des 3. Nachtrags mit § 10 Nr. 1 GUV textlich identisch. Die übernommene Regelung sei lediglich um die Vereinbarung eines pauschalen Schadensersatzbetrags für einen eng begrenzten Zeitraum in § 5 Nr. 1 Buchstabe a des 3. Nachtrags ergänzt worden.
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Die damit an den §§ 305 ff. BGB zu messende Klausel könne wegen mangelhafter Transparenz und unangemessener Höhe keinen Bestand haben. Bei der Bezugsgröße „Schlussrechnungssumme“ bestehe Unklarheit darüber, ob die Brutto- oder Nettorechnungssumme maßgeblich sei. Die Frage, von wem Mehrwertsteuer abzuführen sei, könne für den Begriff der Schlussrechnungssumme unter § 10 Nr. 4 GUV keine Bedeutung haben. Auch habe die Anknüpfung an die Schlussrechnungssumme die unzulässige Folge, dass sich die Vertragsstrafe im Nachhinein durch einseitige Anordnungen des Auftraggebers erhöhen könne. Die vorgesehene Obergrenze von 5 % führe schließlich bei Großbaumaßnahmen zu wirtschaftlich außerordentlich hohen Vertragsstrafen, die außer Verhältnis zu dem Druckmittelbedarf und zu einem möglichen Schaden des Auftraggebers stünden. Der Bemessungsfaktor von 0,1 % führe zu einer unzumutbar kurzen Verwirkungsfrist von nur 50 Tagen.
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Auch sei die Vertragsstrafe wegen ihrer inneren Verknüpfung mit Restwerklohnanspr üchen nicht isoliert und an einer Gesamtabrechnung vorbei durchsetzbar. Eine Entscheidung im „synallagmatischen Gleichklang“ sei geboten, um das geschaffene Äquivalenzverhältnis nicht zu beeinträchtigen. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe sei im Hinblick darauf treuwidrig, dass die Klägerin selbst von einem Restvergütungsanspruch in Höhe von überschlägig 47 Mio. € ausgehe. Faktisch handele es sich bei der ergangenen Entscheidung um ein unzulässiges Teilurteil.
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Im Hinblick auf die vorzeitige Nutzungsüberlassung senderrelevanter Bereiche an die Mieterin S2 sei die Vertragsstrafe weggefallen oder zumindest herabzusetzen. Dies lasse sich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Beachtung der Sicherungs- und Ausgleichsfunktion der Vertragsstrafenregelung, auf den Missbrauchseinwand gemäß § 242 BGB wegen nur geringfügigen Verstoßes gegen den Verzugstatbestand oder wegen Fehlens klägerischer Interessengefährdung oder Beeinträchtigung stützen und mit der Lehre vom Zweckfortfall oder im Hinblick auf die in der Nutzungsüberlassung liegende konkludente Teilabnahme rechtfertigen.
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Zur Höhe der Vertragsstrafe wendet die Beklagte ein, dass die Klägerin bisher lediglich Abschlagszahlungen von geringerer Höhe gezahlt habe, als der Berechnung der Vertragsstrafe zugrunde gelegt sei, und einen weiteren Zahlungsanspruch nicht anerkannt habe.
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Weiter trägt die Beklagte vor, dass eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung über die Vergütungsansprüche der Beklagten gegen die Klägerin in dem beim Landgericht Bonn unter 13 O 318/10 anhängigen Klageverfahren angezeigt sei.
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Schließlich meint sie, dass das Landgericht die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit Teil-Vergütungsansprüchen nicht ohne Hinweis gemäß § 139 ZPO hätte unberücksichtigt lassen dürfen. Wegen der Darlegung der Beklagten zu den aufgerechneten Vergütungsansprüchen wird auf den Schriftsatz vom 07.04.2011, Seite 31 ff. (Bl. 802 ff. GA), verwiesen.
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Die Beklagte beantragt,
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1. das Urteil des LG Bonn vom 06.01.2011 – 14 O 70/10 – aufzuheben und
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2. die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Klägerin meint, dass das Landgericht der Vertragsstrafenklage mit zutreffender Begründung stattgegeben habe. Mit § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags hätten die Parteien eine wirksame Individualvereinbarung getroffen. Jedenfalls sei auch bei Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB die Vereinbarung transparent und der Höhe nach angesichts der überragenden Bedeutung der Fertigstellung für die Klägerin und die Mieterin des Objekts nicht zu beanstanden. Die geschuldete Vertragsstrafe sei im Wege einer Teilklage fällig und wirksam. Die Vertragsstrafe stehe in keinem Verrechnungsverhältnis zu der Vergütung. Eine vorgreifliche Abhängigkeit der Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit von der vor dem Landgericht anhängigen Vergütungsklage sei nicht ersichtlich. Gesichtspunkte, mit denen die Beklagte einen Wegfall oder eine Herabsetzung der verwirkten Vertragsstrafe begehre, seien nicht tragfähig. Mit dem Verteidigungsmittel der Aufrechnung mit behaupteten Vergütungsansprüchen aus dem Bauvorhaben „S“ sei die Beklagte gemäß § 531 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Ein Hinweis des Gerichts gemäß § 139 ZPO auf die unzureichende Substantiierung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Beklagte durch Vortrag der Klägerin zutreffend unterrichtet gewesen sei.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
37
II.
38
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
39
1.
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Das Landgericht hat der Klägerin zu Recht die begehrte Teil-Vertragsstrafe in Höhe von 8.675.456,53 € nebst Zinsen zugesprochen. Die Beklagte schuldet der Klägerin aus § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags vom 19.12.2008 eine Vertragsstrafe jedenfalls in der genannten Höhe.
41
a.
42
Die Vertragsstrafenvereinbarung ist wirksam zustande gekommen. Ihre Wirksamkeit ist nicht an § 307 BGB zu messen, denn § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags ist keine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 305 BGB.
43
Mit der Vertragsstrafenregelung in § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags (Anlage K 2, Bl. 70 ff, 101 GA) haben die Parteien eine Individualvereinbarung getroffen. Die Vertragsstrafenklauseln sind Gegenstand einer umfassenden nachträglichen Regelung, die die Parteien vor dem Hintergrund einer Verzögerung in der Fertigstellung infolge umfangreicher Änderungs- und Ergänzungswünsche der Mieterin S2 ausgehandelt und festgeschrieben haben. Die Parteien haben mit dem 3. Nachtrag unter anderem neue Ausführungsfristen, Maßnahmen zur Beschleunigung der Planungs- und Entscheidungsabläufe, eine Regelung zu der Schadensersatz- und Beschleunigungspauschale und unter § 5 Nr. 1 Bestimmungen über eine Vertragsstrafe vereinbart.
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Im Rahmen der umfassenden Regelung vor dem Hintergrund der eingetretenen Verzögerung haben die Parteien die Klauseln zur Vertragsstrafe nicht lediglich aus § 10 Nr. 1 GUV (Anlage K 1, Bl. 9 ff, 53 GA) fortgeschrieben. Vielmehr haben die Parteien die Klauseln zugeschnitten auf die konkrete Problematik individuell vereinbart, denn § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags wiederholt nicht nur die Regelung aus dem GU-Vertrag, sondern unterscheidet, anders als noch der GU-Vertrag, zwischen verschiedenen Sanktionsarten für Verzögerungen während verschiedener Zeitspannen. Unter Buchstabe a des § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags ist ein pauschaler Schadensersatz von täglich 40.000 € bei Verzug im Zeitraum vom 24. bis 31.01.2009 vereinbart. Erst unter Buchstabe b der Bestimmung ist eine dem § 10 Nr. 1 GUV entsprechende Regelung aufgenommen, wonach für den Fall, dass die Beklagte mit der Fertigstellung über den 31.01.2009 in Verzug gerät, eine Vertragsstrafe von werktäglich 0,1 % der Schlussrechnungssumme, maximal 5 % der Summe unter Anrechnung der Pauschale nach Buchstabe a des § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags zu zahlen ist. Die unter § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags vereinbarte Vertragsstrafe steht im Übrigen im Kontext mit sonstigen Regelungen, die auf die geänderte Situation zugeschnitten sind. Dem Beschleunigungsinteresse der Klägerin tragen dabei insbesondere die unter § 4 des 3. Nachtrags vorgesehenen Maßnahmen zur Beschleunigung der Planungs- und Entscheidungsabläufe Rechnung. Die Interessen der Beklagten finden in der Regelung zur Beschleunigungspauschale unter § 2 des 3. Nachtrags Berücksichtigung.
45
Soweit die Beklagte vorträgt, dass die Regelung zur Vertragsstrafe nicht zur Disposition gestanden habe und deshalb nicht ausgehandelt worden sei, liegen hierfür keine konkreten Anhaltspunkte vor. Mit der Vereinbarung neuer Ausführungsfristen in dem 3. Nachtrag hatten die Parteien es jedenfalls in der Hand, die Vertragskonditionen neu festzulegen. Dies ist vorliegend auch in der Weise geschehen, dass die Parteien nicht die Regelung unter § 10 Nr. 1 GUV wortgleich übernommen haben, sondern zumindest für die Zeitspanne vom 24. bis 31.01.2009 eine Sonderregelung getroffen haben, die diesen Zeitraum von der Vertragsstrafenregelung ausnimmt. Die Beklagte war aus dem Vertragsverhältnis der Parteien, insbesondere aus § 10 Nr. 5 GUV auch nicht verpflichtet, bei Vereinbarung eines neuen Fertigstellungstermins die Vertragsstrafenregelung aus § 10 GUV zu akzeptieren. Die Fortgeltung der Vertragsstrafenregelung für neue Fristen ist nach den getroffenen Vereinbarungen der Parteien davon abhängig, dass sich die Beklagte auf neue Fristen und die daran anknüpfenden Sanktionen einlässt. § 10 Nr. 5 GUV schreibt nämlich lediglich für den Fall neuer Ausführungsfristen die Geltung der Vertragsstrafenregelung fest.
46
b.
47
Auch wenn es sich bei der Vertragsstrafenregelung um eine vorformulierte Vertragsbedingung handelte, die den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB unterfiele – wovon der Senat – wie dargelegt - nicht ausgeht, wäre sie nicht unwirksam -. Die Regelung wäre nicht nach § 307 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Die Vereinbarung in § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags ist transparent. Mit Anknüpfung an die „Schlussrechnungssumme“ bemisst sich die Vertragsstrafe eindeutig nach dem Nettobetrag. Wie sich aus § 6 Nr. 1 Satz 2 und 4 GUV ergibt, erfasst die geschuldete und durch Schlussrechnung auszuweisende Vergütung nicht auch die Umsatzsteuer. In § 6 Nr. 1 Satz 2 und 4 GUV (Anlage K 1, Seite 29, Bl. 37 GA) heißt es dazu ausdrücklich: „ … Die Vergütung versteht sich netto ohne Mehrwertsteuer. … Der AN wird seine Rechnungen daher unter Beachtung der im Übrigen bestehenden steuerrechtlichen Anforderungen ohne Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des AG ausstellen. …“ Die Regelung unter § 6 Nr. 1 Satz 2 und 4 GUV ist zur Auslegung der Vertragsstrafenregelung in § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags heranziehungsfähig. Beide Bestimmungen sind Teil eines einheitlichen Vertragsverhältnisses.
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Die Vertragsstrafenregelung ist zudem, unterstellt, sie wäre entgegen der oben vertretenen Auffassung an den §§ 305 ff. BGB zu messen, nicht im Hinblick auf ihre Höhe zu beanstanden.
49
Weder der vereinbarte Tagessatz von 0,1 % noch die festgeschriebene Obergrenze von 5 % der Schlussrechnungssumme führen zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beklagten.
50
Die Angemessenheitskontrolle einer Vertragsstrafenvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat nach einer generalisierenden Betrachtungsweise der gegenseitigen Interessen zu erfolgen. Die Vereinbarung muss unter Berücksichtigung ihrer Druck- und Kompensationsfunktion in einem angemessenen Verhältnis zu dem Werklohn stehen, den der Auftragnehmer durch seine Leistung verdient. Weder ist die Schöpfung neuer, vom Sachinteresse des Auftraggebers losgelöster Geldforderungen Sinn der Vertragsstrafe, noch darf durch den Verzug in wenigen Tagen typischerweise der Gewinn des Auftragnehmers aufgezehrt sein (zum Vorstehenden BGH NJW 2003, 1805 ff., zitiert nach juris Rn. 57). Im Hinblick auf die genannten Kriterien sind Strafen von 0,3 % der Auftragssumme je Werktag als zulässig (BGH NJW 99, 1108, 1109; NJW-RR 08, 615), solche von 0,5 % und 1,5 % pro Tag als unzulässig (BGH NJW 1981, 1509; 2000, 2106; NJW-RR 2002, 806) und eine Vertragsstrafe ohne Höchstgrenze oder einer solchen von über 5 % der Auftragssumme (BGH NJW 2003, 1805) als unzulässig angesehen worden.
51
Gemessen an diesen Maßstäben ist die vereinbarte Vertragsstrafe mit einem Tagessatz von 0,1 % und einer Obergrenze von 5 % der Schlussrechnungssumme unbedenklich. Die Druckfunktion der Vertragsstrafe erlaubt eine spürbare Strafe, wie sie vorliegend vereinbart ist. Eine termingerechte Fertigstellung eines Bauvorhabens ist für den Auftraggeber von erheblicher Bedeutung und rechtfertigt auch bei Großbauvorhaben eine Verwirkung innerhalb von 50 Tagen. Zudem trägt eine solche Vertragsstrafe den Kompensationsinteressen eines Auftraggebers am Ausgleich von mit der Verzögerung einhergehender Nachteile Rechnung. Demgegenüber sind die Auswirkungen der Vertragsstrafe nicht außer Verhältnis zu den Auswirkungen auf den Auftragnehmer; denn der Auftragnehmer wird typischerweise durch den Verlust von bis zu 5 % seines Vergütungsanspruchs nicht unangemessen belastet. Die Begrenzung auf 5 % gewährleistet ein angemessenes Verhältnis zu dem Werklohn und hält die Vertragsstrafe in wirtschaftlich vernünftigen Grenzen. Die generell nicht einkalkulierte Einbuße von bis zu 5 % bleibt regelmäßig ohne erhebliche Auswirkungen auf die Liquidität des Auftragnehmers, da sie im Wesentlichen Teile des Gewinns abschöpft. Erkenntnisse darüber, dass Gewinnmargen deutlich unter 5 % liegen oder gerade bei Großaufträgen geringer sind, liegen nicht vor.
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Auch wenn die Obergrenze von 5 % bei Großbaumaßnahmen zu absolut außerordentlich hohen Vertragsstrafen führt, bedingt dies nicht eine unangemessene Benachteiligung, denn bei Großbauvorhaben sind sowohl die Umsatz- und Gewinnerwartung des Auftragnehmers als auch der Druckmittelbedarf und ein möglicher Schaden des Auftraggebers bei Verzögerungen besonders groß, so dass die Relation gewahrt bleibt.
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Schließlich ist die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die Schlussrechnungssumme unbedenklich. Mit der Bezugsgröße bestimmt sich die Vertragsstrafe nach dem tatsächlich ausgeführten Auftrag und dem geschuldeten Werklohn. Soweit sich eine Ausweitung des Auftrags ohne Einflussmöglichkeit des Auftragnehmers durch Änderungen des Bauentwurfs und aus der Erforderlichkeit weiterer Leistungen ergibt, ist eine entsprechend höhere Vertragsstrafe gerechtfertigt und angemessen. Das erhöhte Auftragsvolumen entspricht einerseits einer Umsatz- und Gewinnsteigerung und andererseits einem erhöhten Druckmittelbedarf. Die Relation der Vertragsstrafe zu dem tatsächlichen Auftrag und Werklohn bleibt gewahrt.
54
Soweit die Beklagte in der nachträglichen Ausweitung eine Erweiterung von Sicherheiten im Nachhinein sieht, ist dies unbedenklich. Die absolute Erhöhung der Vertragsstrafe hat ihre Grundlage in der Vereinbarung der Parteien und resultiert aus Auftragsänderungen gemäß der VOB/B, die die Parteien in ihr Vertragsverhältnis einbezogen haben. Auch bei gestellten Sicherheiten kann es zu nachträglichen Änderungen kommen, soweit sie vom Parteiwillen getragen sind. So bezieht sich etwa eine Bürgschaftsverpflichtung zwar auf eine bestimmte Hauptschuld und kann nicht ohne weiteres durch Änderungen der Hauptschuld erweitert werden. Anderes gilt jedoch dann, wenn der Bürge aus der Sicht eines redlichen Vertragspartners das Risiko möglicher zusätzlicher Belastungen übernehmen wollte (Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 767 Rn. 3).
55
c.
56
Die Vertragsstrafe ist auch verwirkt. Die Voraussetzungen der Vertragsstrafenregelung in § 5 Nr. 1 Buchstabe b des 3. Nachtrags sind bis zu dem Höchstbetrag von 5 % der Schlussrechnungssumme erfüllt.
57
Die Beklagte befand sich mit der von ihr geschuldeten Fertigstellung des Bauvorhabens ab dem 01.02.2009 in Verzug. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass – wie unter § 3 Nr. 1 des 4. Nachtrags festgehalten – am 01.02.2009 Verzug eingetreten war und die Beklagte dies zu vertreten hatte.
58
Der Verzug dauerte über einen Zeitraum von mindestens 50 Tagen an, für welchen die Parteien durch Deckelung der Strafe auf maximal 5 % der Schlussrechnungssumme gemäß § 5 Nr. 1 Buchstabe b des 3. Nachtrags eine Vertragsstrafe vereinbart haben. Die Voraussetzungen der Abnahme lagen unstreitig nicht vor dem 31.08.2009 vor.
59
Die vorzeitige Überlassung eines Teils des Gebäudekomplexes zum Mieterausbau an S2 hat den Verzug nicht, auch nicht teilweise entfallen lassen. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Parteien die Verzugsfolgen im Hinblick auf die vorzeitige Überlassung eines Teils der Räumlichkeiten relativieren wollten oder dass die Beklagte hier ausnahmsweise nur bei einer konkreten Gefährdung oder Schädigung von Interessen der Klägerin an der fristgerechten Überlassung relevanter Bereiche an S2 zum Mieterausbau zur Zahlung der Strafe verpflichtet sein sollte. Weder der Wortlaut noch Sinn und Zweck der Regelungen im 4. Nachtrag lassen eine solche Relativierung erkennen. Vielmehr haben die Parteien die Schadensminderungsmaßnahmen als irrelevant für den Eintritt des Verzugs und dessen Auswirkungen bewertet.
60
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Verpflichtungserklärung in § 5 Nr. 1 Buchstabe b des 3. Nachtrags sollte die Vertragsstrafe bei Verzögerungen in der Fertigstellung verwirkt sein. Zur Fertigstellung gehörte nicht nur das Ermöglichen von Ausbauleistungen des Mieters, sondern, abgesehen von teils getroffenen Sondervereinbarungen, die im Wesentlichen mangelfreie Erbringung der Werkleistungen der Beklagten bis auf geringfügige Restarbeiten, wie in § 8 Nr. 4 GUV definiert ist.
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Soweit die Parteien teils abändernde Vereinbarungen zur Fertigstellung und Fertigstellungsreife getroffen und eine vorzeitige Überlassung von Teilbereichen zum Mieterausbau vereinbart haben, ändert dies nichts daran, dass die Verpflichtungserklärung an die – vertraglich definierte n– Fertigstellung anknüpft und nicht an eine etwaige vorzeitige Überlassung oder an sonstige Umstände.
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Die Parteien sind auch mit Überlassung der Teilbereiche nicht von einer Fertigstellung im Sinne des Vertragsverhältnisses ausgegangen. Vielmehr zeigt sich insbesondere an der Vereinbarung im 4. Absatz der Vorbemerkung des 4. Nachtrags (Bl. 104 GA), dass die Überlassung vorzeitig, und zwar vor Fertigstellung des Bauvorhabens erfolgt ist. Dort haben die Parteien nämlich vereinbart, dass die Beklagte es der Klägerin ermöglicht, dass die Mieterin „den Ausbau des Bauvorhabens parallel zu den noch nicht fertig gestellten GU-Leistungen vornimmt …“.
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Die Vertragsstrafenvereinbarung stellte somit ersichtlich nicht auf das konkrete Nutzungsinteresse der Klägerin im Verletzungsfall ab. Vielmehr verschafft die Vereinbarung der Klägerin einen weitergehenden und deshalb besonders wirksamen Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen, der seinen Grund und seine Rechtfertigung jedenfalls auch in der Schaffung klarer, die einzelnen Gewerke trennender Rechtsverhältnisse hat.
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In Übereinstimmung hiermit haben die Parteien bei Vereinbarung des 4. Nachtrags eventuelle Ansprüche der Klägerin auf eine Vertragsstrafe aus § 5 Nr. 1 des 3. Nachtrags unverändert gelassen. Unter § 1 des 4. Nachtrags haben sie allein Maßnahmen zur Schadensminderung getroffen, ohne auch Neues zur Vertragsstrafe zu vereinbaren. Gemäß § 1 des 4. Nachtrags bezweckte die vorzeitige Gebrauchsüberlassung von Teilen des Gesamtkomplexes an S2 lediglich, „den durch die verspätete Fertigstellung des Bauvorhabens entstandenen Schaden zu reduzieren“. Zu sonstigen Auswirkungen der vorzeitigen Überlassung verhält sich der 4. Nachtrag nicht.
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Die Irrelevanz der vorzeitigen Gebrauchsüberlassung an S2 für den Leistungsverzug und die daran anknüpfende Vertragsstrafe zeigt sich schließlich an der Regelung unter § 3 Nr. 1 des 4. Nachtrags (Anlage K 3, Bl. 103 ff. GA). Dort haben die Parteien ausdrücklich die Regelungen zur Schadensminderung als unbeachtlich für den Eintritt und den Fortbestand des Verzugs bewertet. Wörtlich heißt es unter § 3 Nr. 1 des 4. Nachtrags: „Die Parteien stellen einvernehmlich fest, dass sich der AN gegenüber dem AG mit der vertraglich geschuldeten Fertigstellung seiner Leistungen gem. § 5 Nr. 1 des 2. Nachtrages mit Ablauf des 23.01.2009 in Verzug befindet und den Verzug zu vertreten hat. Der Eintritt und die Fortdauer des Verzuges bleiben durch die Regelungen dieses 4. Nachtrages, insbesondere durch die in § 1 dieses 4. Nachtrages getroffenen schadensmindernden Regelungen über einen vorzeitigen Mieterausbau und die in § 2 dieses 4. Nachtrages getroffenen Regelungen über einen neuen verbindlichen Fertigstellungstermin, unberührt.“
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Soweit die Beklagte meint, dass nach § 3 Nr. 1 des 4. Nachtrags nur die Regelungen zur Schadensminderung, nicht aber die tatsächlich daraufhin erfolgte vorzeitige Gebrauchsüberlassung von Räumlichkeiten zum Mieterausbau ohne Einfluss auf den Verzug sein sollten, steht dies im Widerspruch dazu, dass die Parteien mit der Gebrauchsüberlassung allein den Zweck verfolgten, drohende Schäden insbesondere aus dem Untermietverhältnis mit S2 zu verhindern. Im Übrigen findet diese von der Beklagten vorgenommene Deutung keinerlei Anhalt in den von den Parteien getroffenen sonstigen Vereinbarungen.
67
d.
68
Die Vertragsstrafe ist auch durchsetzbar. Eine, wie die Beklagte meint, „innere Verknüpfung “ mit dem Werklohnanspruch der Beklagten gegen die Klägerin steht einer Durchsetzung des Vertragsstrafenbegehrens nicht entgegen. Der Anspruch auf eine Vertragsstrafe ist ein eigenständiger und als solcher durchsetzbarer Anspruch, dessen Geltendmachung insbesondere von dem Werklohnanspruch der Beklagten unabhängig ist.
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Zwischen der Vertragsstrafe der Klägerin und dem Vergütungsanspruch der Beklagten besteht kein Verrechnungsverhältnis, in dem die Vertragsstrafe nur ein unselbständiger Abrechnungsposten wäre. Weder sieht das Gesetz ein derartiges Verrechnungsverhältnis vor (vgl. Ingenstau/Döring, 17. Aufl., § 11 VOB/B Rn. 31), noch ergibt sich ein solches aus sonstigen Umständen. Die Vertragsstrafe knüpft lediglich in ihrer Bezugsgröße an die Schlussrechnungssumme an, ohne der Vertragsstrafe dadurch die Selbständigkeit zu nehmen und sie in eine innere Verknüpfung mit dem Werklohnanspruch zu stellen.
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Dementsprechend ist eine Entscheidung in „synallagmatischem Gleichklang“ nicht geboten. Mit Zulassung der selbständigen Durchsetzbarkeit des Vertragsstrafenanspruchs ist nicht in unzumutbarer Weise in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen. Dem Gegenseitigkeitsverhältnis trägt die gegebene Möglichkeit einer Aufrechnung Rechnung. Vertragsstrafe und Vergütung stehen sich aufrechenbar gegenüber und unterliegen den Regelungen der Aufrechnung.
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Schließlich handelt die Klägerin mit ihrer isolierten Geltendmachung der Vertragsstrafe nicht treuwidrig im Sinne von § 242 BGB. Die Klägerin ist nicht gehalten, die Vertragsstrafe in eine Gesamtabrechnung einzustellen.
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e.
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Die Vertragsstrafe bemisst sich vereinbarungsgemäß nach der Schlussrechnungssumme. Diese beläuft sich nach den Feststellungen des Landgerichts jedenfalls auf einen Betrag von 173.509.130,64 €, so dass sich die Vertragsstrafe von zumindest 8.675.456,23 € errechnet.
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Soweit die Beklagte einwendet, dass die Klägerin bisher lediglich Abschlagszahlungen von geringerer Höhe gezahlt und einen weiteren Zahlungsanspruch nicht anerkannt habe, ist dies unerheblich. Die getroffenen Feststellungen des Landgerichts sind für das Berufungsgericht maßgeblich. Im Übrigen widerspricht das Vorbringen der Beklagten nicht den Feststellungen. Denn der Abrechnung ist der vertraglich geschuldete Vergütungsanspruch für die Werkleistung zugrunde zu legen, der durch Verrechnung mit anderen Ansprüchen erloschen sein mag.
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f.
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Die Geltendmachung der Vertragsstrafe ist nicht im Hinblick auf die Gewichtigkeit des Verstoßes gegen den Verzugstatbestand als treuwidrig im Sinne von § 242 BGB zu bewerten.
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Eine Einschränkung des Vertragsstrafenanspruchs kommt dann in Betracht, wenn der strafbewehrte Verstoß von geringerem Gewicht erscheint, als die Parteien (mindestens) vorausgesetzt haben (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl., § 348 Rn. 7).
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Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es lassen sich keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die von den Parteien vorausgesetzte Gewichtung des Verstoßes durch die schadensmindernden Maßnahmen herabgesetzt erscheint. Vielmehr haben die Parteien in der aufgetretenen Verzögerung der Fertigstellung trotz der teilweisen Überlassung von Räumlichkeiten an den Mieter S2 noch einen Verstoß von ausreichendem Gewicht gesehen, der die Voraussetzungen für die vereinbarte Vertragsstrafe erfüllt, denn die Parteien haben die Schadensminderungsmaßnahmen als irrelevant für Ansprüche wegen Verzugs bewertet, wie oben bereits ausgeführt ist.
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Auch unabhängig von dieser Bewertung des Verstoßes durch die Parteien ist die Beanspruchung der Vertragsstrafe nicht mangels empfindlicher Gefährdung oder Beeinträchtigung klägerischer Interessen mit Treu und Glauben unvereinbar und deshalb unzulässig, § 242 BGB. Dabei kann es dahinstehen, ob die vorzeitige Überlassung es dem Mieter ermöglichte, den von ihm geplanten Ausbau tatsächlich zu verwirklichen. Denn eine fehlende Beeinträchtigung oder ernsthafte Gefährdung von Interessen des Gläubigers durch die Vertragsverletzung des Schuldners macht die Geltendmachung der Vertragsstrafe ohnehin nicht unzulässig (vgl. BGH NJW 1984, 919; a.A. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 339 Rn. 16).
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Zweck der Vertragsstrafe ist es unter anderem, einen wirkungsvollen Druck auf den Schuldner auszuüben, damit dieser die übernommene und durch die Strafe bewehrte Verpflichtung einhält. Weil das Strafversprechen somit wesentlich auch auf das Verhalten des Schuldners vor einer möglichen Zuwiderhandlung abzielt, kann es für den Anspruch keine entscheidende Rolle spielen, ob die trotz des Versprechens begangene Handlung zu einer Gefährdung oder Schädigung von Interessen der Klägerin geführt hat (vgl. BGH NJW 1984, 919).
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g.
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Auch die Lehre vom Zweckfortfall gibt vorliegend keine Grundlage für einen Wegfall oder eine Herabsetzung der Vertragsstrafe. Vertragsanpassungen nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage setzen eine Veränderung nach Vertragsschluss oder unrichtige Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluss voraus, § 313 BGB.
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Keine der beiden Voraussetzungen ist vorliegend erfüllt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Parteien über die Rechtsfolgen der Nutzungsüberlassung geirrt haben. Vielmehr wollten die Parteien Vertragsstrafenansprüche trotz der vorzeitigen Gebrauchsüberlassung unberührt lassen, wie oben bereits ausgeführt ist und worauf verwiesen wird. Auch sind keine schwerwiegenden Veränderungen von Umständen eingetreten, nachdem die Parteien am 02.02.2009 in dem 4. Nachtrag festgeschrieben hatten, dass das Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig gestellt war. An der fehlenden Fertigstellung, woran die Vertragsstrafe anknüpft, hat sich durch die vorzeitige Überlassung von Räumlichkeiten an S2 nichts geändert.
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h.
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Desweiteren ist in der Nutzungsüberlassung an S2 keine konkludente Teilabnahme zu sehen, die dem Anspruch auf eine Vertragsstrafe entgegenstehen könnte.
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Angesichts der ausdrücklichen Regelungen der Parteien im 4. Nachtrag ist für eine Anknüpfung an konkludentes Handeln kein Raum. Die Nutzungsüberlassung konnte sich für die Beklagte nicht als Ausdruck einer Teilabnahme darstellen, weil die Parteien hierin allein eine schadensmindernde Maßnahme gesehen haben, wie oben bereits ausgeführt ist.
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2.
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Der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe ist nicht durch Aufrechnung gemäß § 398 BGB erloschen. Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung ist mangels ausreichender Konkretisierung der Gegenforderung schon unzulässig, wovon das Landgericht bereits richtigerweise ausgegangen ist.
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Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz zu den Vertragsgrundlagen der einzelnen Rechnungspositionen Stellung genommen hat, sind diese Darlegungen nicht mehr berücksichtigungsfähig (§§ 529, 531 ZPO). Insbesondere ist das nachträgliche Vorbringen nicht gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, weil es infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden wäre.
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Das Landgericht handelte nicht verfahrensfehlerhaft, indem es im Termin zur mündlichen Verhandlung weitere Hinweise zur Behandlung der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Vergütungsansprüche unterlassen hat. Das Landgericht war nicht gemäß § 139 ZPO oder aus dem Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs gehalten, die Beklagte auf die mangelnde Substantiierung ihrer Vergütungsansprüche aufmerksam zu machen. Eines solchen Hinweises bedurfte es nicht, weil die aus der Darlegungslast resultierende Problematik offensichtlich war.
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Gemäß § 139 Abs. 2 ZPO besteht eine Verpflichtung zu Hinweisen auf entscheidungserhebliche rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte ausdrücklich immer dann, wenn eine Partei erkennbar einen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder wenn das Gericht einen Gesichtspunkt anders als beide Parteien beurteilt. Stets ist etwa ein Hinweis geboten, wenn das Gericht Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (zu Vorstehendem Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 139 Rn. 6). Eine darüber hinausgehende allgemeine Hinweispflicht vor Zurückweisung einer Klage oder eines Verteidigungsvorbringens bei fehlender Substantiierung oder Erläuterung ist weder im Gesetz statuiert, noch verletzt die Unterlassung eines solchen Hinweises bei Offensichtlichkeit der Unzulänglichkeit des Vortrags den durch § 139 ZPO sichergestellten Anspruch auf rechtliches Gehör. Auch ohne einen solchen Hinweis ist die betroffene Partei nicht in ihren Rechten beeinträchtigt, sofern es offensichtlich war, dass das bisherige Vorbringen unzureichend war. Damit bestand für die Partei erkennbar die Notwendigkeit und Gelegenheit, ergänzend Stellung zu nehmen.
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Gemessen an den vorstehenden Kriterien hat das Landgericht mit Unterlassen eines Hinweises auf die Unschlüssigkeit der Werklohnforderung nicht gegen seine Hinweispflicht verstoßen. Es lag auf der Hand, dass die Beklagte mit bloßer Geltendmachung des Schlussrechnungsbetrages unter Vorlage der Rechnung vom 30.04.2010 (Bl. 309 ff. GA) ihrer Darlegungslast in keiner Weise genügte. Insbesondere erschließen sich hieraus nicht die Rechtsgrundlagen für die abgerechneten Beträge. Angesichts der Komplexität des Vertragsverhältnisses mit seinen Leistungsänderungen und Ergänzungen hätte es offensichtlich eines detaillierten Vortrags zu den vertraglichen Grundlagen bedurft, um die geltend gemachte Forderung oder die geltend gemachten Forderungen zu konkretisieren. Ob oder dass die Klägerin aus eigenem Wissen die Rechnungssumme hätte nachvollziehen können, spielt keine Rolle. Es war nicht Sache der Klägerin, auf Grund ihrer eigenen Erkenntnisse die Rechnungsposten einzelnen Vertragsverhältnissen zuzuordnen und auf unschlüssige Einzelpositionen hinzuweisen. Die Unzulänglichkeit des Vorbringens war klar und nicht zu übersehen, zumal die Klägerin sowohl mit Schriftsatz vom 15.07.2010, Seite 23 f. (Bl. 322 ff., 344 f. GA), als auch mit Schriftsatz vom 22.09.2010, Seite 20 f. (Bl. 420 ff., 439 f. GA), deutlich gerügt hatte, dass der behauptete Vergütungsanspruch nicht ansatzweise dargelegt sei.
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Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, dass sie ihrer Darlegungslast dadurch entgehen konnte, dass sie ihre hilfsweise Aufrechnung ergänzend auf die vom Kläger überschlägig ermittelte Restvergütung von 47 Mio. € stützte. Denn auch insoweit bedurfte es einer Zuordnung zu den vertraglichen Grundlagen.
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Mit der Zurückweisung der Hilfsaufrechnung als unzulässig ist nicht gemäß § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig über die zur Aufrechnung gestellte Forderung entschieden. Eine zur Aufrechnung gestellte Forderung ist gemäß § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig aberkannt, wenn die unsubstantiierte Gegenforderung als unschlüssig und damit als unbegründet behandelt wird. Wenn die Aufrechnung dagegen wegen mangelnder Individualisierung der Gegenforderung als unzulässig zurückgewiesen wurde, da sie ihren Gegenstand nicht erkennen ließ t– wie vorliegend -, dann ist über die Gegenforderung nicht rechtskräftig entschieden (zu Vorstehendem Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 322 Rn. 18).
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3.
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Das angefochtene Urteil leidet schließlich nicht wegen Verstoßes gegen § 301 ZPO an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Inwieweit ein Teilurteil über Anspruch und Gegenanspruch zulässig wäre, ist vorliegend unerheblich. Das Landgericht hat kein Teilurteil erlassen, sondern einer Teilklage umfassend stattgegeben. Mangels „synallagmatischer Verknüpfung“ handelt es sich auch nicht faktisch um ein Teilurteil.
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4.
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Einer Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung über den Werklohnanspruch der Beklagten in dem beim Landgericht Bonn unter dem Aktenzeichen 13 O 318/10 anhängigen Verfahren bedurfte es nicht.
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Die Vertragsstrafe ist isoliert durchsetzbar, da eine Verrechnungspflicht oder die Notwendigkeit einer Entscheidung im „synallagmatischen Gleichklang“ nicht vorliegt. Auch steht die zugrunde gelegte Bemessungsgröße für die geltend gemachte Teilvertragsstrafe nach den Feststellungen des Landgerichts fest. Etwaige gegenzurechnende Schadensersatzforderungen der Klägerin können die Bezugsgröße nicht verändern. Schließlich spielen die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche der Beklagten keine Rolle, da die Beklagte mit ihrem Vorbringen insoweit ausgeschlossen bleibt.
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5.
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Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 291 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Weder hat die Rechtssache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung, noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.675.456,53 €
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Die Hilfsaufrechnung führt nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes, da über die Aufrechnung mangels deren Unzulässigkeit ähnlich wie bei Nichtzulassung der Aufrechnung wegen Verspätung oder eines Aufrechnungsverbots nicht entschieden ist (vgl. zu Fällen der Nichtzulassung einer Aufrechnung Zöller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16, Stichwort: Aufrechnung).