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09.10.2013 · IWW-Abrufnummer 133092

Verwaltungsgericht Leipzig: Urteil vom 19.04.2013 – 1 K 910/11

1.

Anerkannte Naturschutzverbände sind Dritte i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG, so dass ihnen gegenüber eine Widerspruchsgebühr erhoben werden kann. Weder sieht das SächsVwKG eine Gebührenbefreiung vor noch ergibt sich aus der besonderen Stellung der anerkannten Naturschutzverbände oder europarechtlichen Regelungen eine Kostenbefreiung.
2.

Bei der Bestimmung der Widerspruchsgebühr nach § 11 Abs. 1 Satz 4, §§ 6, 8 SächsVwKG kann nicht der rechnerisch ermittelte Verwaltungsaufwand als Widerspruchsgebühr festgesetzt werden. Vielmehr hat die Behörde Billigkeitserwägungen anzustellen, u.a. dazu, ob sie auf den Grundsatz der Kostendeckung verzichten kann. Sie hat die Bedeutung der Angelegenheit für den Widerspruchsführer konkret zu ermitteln und unabhängig vom Verwaltungsaufwand eigenständig festzustellen. Anschließend ist die Relation zum Verwaltungsaufwand herzustellen und das Ergebnis am Äquivalenzprinzip/Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.


VG Leipzig, 19.04.2013 - 1 K 910/11

In der Verwaltungsstreitsache
des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sachsen e.V., vertreten durch den Landesvorsitzenden xxx
- Kläger -
prozessbevollmächtigt:
Rechtsanwalt xxx
gegen
den Landkreis Nordsachsen, vertreten durch den Landrat, Schloßstraße 27, 04860 Torgau, Gz.: xxx
- Beklagter -
wegen
Kostenfestsetzung im Widerspruchsverfahren
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Leipzig durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Gabrysch, die Richterin am Verwaltungsgericht Langen-Braun und die Richterin am Verwaltungsgericht Ittenbach sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Bollow und Brama auf die mündliche Verhandlung vom 19. April 2013
für Recht erkannt:
Tenor:

1.

Die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15.2.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.8.2011 wird aufgehoben.
2.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Widerspruchsgebühren im Zusammenhang mit einem von ihm eingelegten Widerspruch gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

Der Beklagte erteilte der _________ __________________ GmbH & Co. KG mit Bescheid vom 30.3.2010 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Schweinemastanlage. Die Gebühr für den Bescheid wurde auf 16.548,72 € festgesetzt.

Mit Schreiben vom 3.5.2010 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Dieser wurde mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15.2.2011 zurückgewiesen. Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, die nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Sächsisches Verwaltungskostengesetz - SächsVwKG - auf das Eineinhalbfache der Gebühr des Ausgangsbescheides, mithin auf 24.826,06 € festgesetzt wurden.

Gegen die Kostenfestsetzung legte der Kläger mit Schreiben vom 3.3.2011 Widerspruch mit der Begründung ein, es bestehe keine rechtliche Grundlage zur Erhebung von Verfahrenskosten in dem Widerspruchsverfahren. § 11 Abs. 1 SächsVwKG sei nicht anwendbar, da er weder als Nachbar noch als sonstiger Betroffener Widerspruch eingelegt habe, sondern rein im öffentlichen Interesse bzw. in Wahrnehmung einer altruistischen Funktion i.S. des Umweltrechtsbehelfsgesetzes - UmwRG - handele. Auch stehe die ihm gegenüber erfolgte Kostenfestsetzung in direktem Widerspruch zu seiner Funktion als im öffentlichen Interesse tätigem gemeinnützig anerkanntem Verein. Dies folge auch aus dem Sinn und Zweck des UmwRG in Umsetzung der europarechtlichen Richtlinien 2003/35/EG, 85/337/EWG und 96/61/EG in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei jedenfalls die Höhe der festgesetzten Gebühr rechtswidrig. § 11 Abs. 1 Satz 1 SächsVwKG sei auf Widersprüche Dritter nicht anwendbar, sondern § 11 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 SächsVwKG, wonach eine Rahmengebühr von 10,00 bis 5000,00 € vorgeschrieben sei. Auf Grund der Tätigkeit im öffentlichen Interesse könne er auch nur mit der absolut untersten Grenze, also mit 10,00 € belastet werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.8.2011 hob der Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 15.2.2011 hinsichtlich der Kostenentscheidung teilweise auf und setzte die Gebühr auf 3.967,74 € fest. Zur Begründung führte er aus, der Kläger sei als "Dritter" im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG anzusehen. Bei der Festsetzung der Gebühr seien die Grundsätze des § 8 i. V. m. § 6 Abs. 2 SächsVwKG zu beachten. Daher seien der angefallene Verwaltungsaufwand sowie die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger zu berücksichtigen. Der Verwaltungsaufwand zur Bearbeitung des Widerspruchs habe 3.967,74 € (63 Stunden á 62,98 €) betragen. Dies entspreche auch der Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger, da die Zielsetzung des Widerspruchs die gänzliche Aufhebung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides gewesen sei. Billigkeitsgründe, die eine Unterschreitung rechtfertigten, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Der Kläger könne sich nicht auf Kostenfreiheit berufen, da er nicht unter den Regelungsbereich der §§ 3, 4 SächsVwKG falle. Etwas anderes folge auch nicht aus dem UmwRG oder der europarechtlichen Richtlinie 2003/35/ EG, die nicht von einer Kostenfreiheit des gerichtlichen oder verwaltungsrechtlichen Verfahrens ausgingen.

Der Kläger hat am 16.9.2011 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren und trägt darüber hinaus vor, der Europäische Gerichtshof habe entscheiden, dass Umweltverbände das Recht auf den Zugang zur Überprüfung von Entscheidungen auch im Verwaltungsverfahren hätten. Das Nichtabsehen von der Kostenerhebung würde dieses Recht wieder nehmen. Im Übrigen sei das Ermessen falsch ausgeübt worden. Die Höhe der Gebühr richte sich gerade nicht nach dem Verwaltungsaufwand, der hier auch zu hoch angesetzt sei, sondern nach der Bedeutung der ursprünglichen Amtshandlung für ihn. Der Beklagte sei wegen der Stellung des Klägers als gemeinnütziger Verein des Umweltrechts verpflichtet gewesen, aus Gründen der Billigkeit vom Grundsatz der Kostendeckung abzusehen. Die Nichtabsehung vom Kostendeckungsgrundsatz habe prohibitive Wirkung. Hätte der Beklagte dem Verwaltungsaufwand den für den Kläger allein gegebenen ideellen Nutzen als Bedeutung der Angelegenheit gegenüber gestellt, so wäre eine Verringerung der Gebührenhöhe, wenn nicht sogar ein Absehen von einer Gebührenerhebung, gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15.2.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.8.2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen in seinem Widerspruchsbescheid vom 24.8.2011. Ergänzend trägt er vor, dass der Kostendeckungsgrundsatz bei der Widerspruchsgebühr in der Regel die Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes erfordere und die Gebührenfestsetzung auch unter Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips rechtmäßig sei. Kostenfreiheit bestehe für den Kläger nicht. Dem Argument des Klägers, seine Tätigkeit liege ausschließlich im öffentlichen Interesse und rechtfertige daher nur eine Gebühr an der Untergrenze, könne nicht gefolgt werden. Das Kostendeckungsgebot des Beklagten überwiege das Interesse des Klägers.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte in den Verfahren 1 K 910/11 und 1 K 776/11 sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kostenfestsetzung in den Widerspruchsbescheiden vom 15.2.2011 und vom 24.8.2011 ist in der festgesetzten Höhe rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Zwar besteht entgegen der Annahme des Klägers ein Anspruch des Beklagten auf Erhebung der Widerspruchsgebühr dem Grunde nach, der aus § 1 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG folgt. Eine Kostenfreiheit zugunsten des Klägers besteht nicht (nachfolgend 1.). Jedoch sind die erhobenen Gebühren in der festgesetzten Höhe rechtswidrig (nachfolgend 2.)

1. Nach § 1 Abs. 1 SächsVwKG erheben die Behörden des Freistaates für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Verwaltungsgebühren und Auslagen nach den Vorschriften des ersten Abschnittes des Gesetzes. Der Beklagte hat letztlich die Berechnung der Gebühr gegenüber dem Kläger zu Recht auf § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG gestützt, wonach in den Fällen, in denen ein Dritter einen Rechtsbehelf eingelegt hat, die Gebühr im Rahmen von 10,00 € bis 5000,00 € zu erheben ist.

Der Kläger ist Dritter im Sinne der Vorschrift. Für die Frage, wer als Dritter Kostenschuldner in einem Widerspruchsverfahren ist, ist es nach dem SächsVwKG letztlich unerheblich, ob dieser sich auf eigene drittschützende Rechte berufen kann oder nicht. Ein Drittwiderspruch i.S. von § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG liegt immer dann vor, wenn keine Amtshandlung gegenüber dem Rechtsbehelfsführer vorgenommen wurde, dieser sich aber im Wege des Widerspruchs gegen eine Amtshandlung wendet, d.h. das Rechtsbehelfsverfahren - unbeschadet der Frage, ob er durch die Amtshandlung in eigenen Rechten verletzt ist - in Gang setzt. Allein danach bemisst sich die Beurteilung, ob der Kläger vorliegend Dritter im Sinne des Verwaltungskostengesetzes ist (Gierl/Müller, Leitfaden zum Verwaltungskostengesetz des Freistaates Sachsen, § 11 Erl. 3.2; Gesetzesbegründung zur Änderung des Verwaltungskostenrechts im Freistaat Sachsen, Drs. 3/6760). Daher kommt es nicht darauf an, ob der Kläger die Verletzung eigener, drittschützender Normen geltend machen kann oder rein im öffentlichen Interesse handelt. Zur Rechtsbehelfseinlegung als Dritter war der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG ausdrücklich ermächtigt. Wird er aber über die ihm eingeräumten Beteiligungs- und Rechtsmittelrechte im Rahmen der Widerspruchsbefugnis Dritten gleichgestellt, ist er auch gebührenrechtlich entsprechend zu behandeln bzw. fällt er in den Anwendungsbereich der Vorschrift, soweit eine Kostenfreiheit nicht ausdrücklich normiert ist.

Damit ist der Kläger, der den Widerspruch mit Schreiben vom 3.3.2011 erhoben hat, Dritter i.S.des § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG, so dass ihm gegenüber dem Grunde nach eine Widerspruchsgebühr festgesetzt werden kann.

Eine Nichterhebung der Kosten gemäß § 3 SächsVwKG oder eine Gebührenbefreiung gemäß § 4 SächsVwKG kommen nicht in Betracht, auch ergibt sich nichts anderes aus der besonderen Stellung des Klägers als Naturschutzverband und der Umsetzung europarechtlicher Richtlinien.

Eine Gebührenbefreiung für Körperschaften und Vereinigungen, die gemeinnützigen Zwecken dienen, ist im SächsVwKG weder ausdrücklich normiert noch liegt eine planwidrige Regelungslücke vor. §§ 3, 4 SächsVwKG regeln abschließend die Tatbestände für die Nichterhebung von Kosten bzw. die Gebührenbefreiung.

§ 3 Abs. 1 SächsVwKG sieht die Nichterhebung von Kosten für bestimmte Amtshandlungen vor, hiervon sind Widersprüche anerkannter Naturschutzverbände nicht erfasst. Nach § 3 Abs. 2 SächVwKG wird das Rechtsbehelfsverfahren aber dann nicht von der Kostenfreiheit erfasst, wenn dies nicht ausdrücklich in § 3 Abs. 1 SächsVwKG oder anderen Rechtsvorschriften geregelt ist.

Eine Regelung zur Gebührenbefreiung von Naturschutzverbänden findet sich auch nicht in anderen Rechtsvorschriften des SächsVwKG. Insbesondere werden anerkannte Naturschutzverbände oder gemeinnützige Vereine nicht nach § 4 SächsVwKG von der Gebührenerhebung befreit.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger wie die in § 4 Abs. 1 SächsVwKG genannten Körperschaften, Bund und andere Länder zu behandeln bzw. diesen gleichzusetzen wäre. Soweit der Kläger meint, es liege eine Regelungslücke vor bzw. aus dem SächsVwKG ergebe sich auch ohne ausdrückliche Regelung eine Kostenbefreiung von Naturschutzverbänden, kann dem nicht gefolgt werden. In § 4 SächsVwKG hat der Gesetzgeber abschließend die Gebührenbefreiung geregelt. Hätte er eine Befreiung auch der Naturschutzverbände gewollt, wäre eine Aufnahme in die Befreiungstatbestände ohne weiteres möglich gewesen. Insbesondere hätte dem, entgegen den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, nicht entgegen gestanden, dass der Kläger neben seinen Beteiligungsrechten nach dem Naturschutzgesetz, auch in "eigener Sache" Widersprüche erheben kann. Denn eine beschränkte Gebührenbefreiung im Falle der Geltendmachung der den anerkannten Naturschutzverbänden eingeräumten Beteiligungsrechte wäre ohne weiteres möglich, wenn dies gewollt gewesen wäre.

Die Regelung einer Gebührenbefreiung der Naturschutzverbände für das Widerspruchsverfahren war auch nicht zwingend, um etwa einen Verstoß gegen Verfassungsrecht oder europarechtliche Regelungen bzw. Entscheidungen zu besorgen. Weder aus den vom Kläger zitierten europarechtlichen Richtlinien 2003/35/EG, 85/337/EWG und 96/61/EG und des in Umsetzung hierzu ergangen UmwRG noch den Entscheidungen des EuGH (vgl. insbesondere Urteil vom 12.5.2011 - C-115/09 -, NVwZ 2011, 801), lässt sich eine Verpflichtung der

Mitgliedstaaten zur Kostenbefreiung von anerkannten Naturschutzverbänden entnehmen. Hieraus ergibt sich lediglich, dass den Naturschutzverbänden letztlich im Interessen der Allgemeinheit am Erhalt und Schutz der Natur der Zugang zu Überprüfungsverfahren zu ermöglichen ist, nicht jedoch, dass die einzelnen Mitgliedstaaten diese Rechte kostenfrei einräumen müssen.

Dem widerspricht auch nicht die Staatszielbestimmung der Gewährleistung eines effektiven Umweltschutzes. Der Umweltschutz kann zwar u. a. durch die Förderung von Umweltschutzorganisationen gewährleistet werden. Hieraus folgt aber nicht, dass den betroffenen Umweltschutzorganisationen kostenfreie Rechtsbehelfsverfahren ermöglicht werden müssen. Vielmehr ist es ihnen erst mit der Vorschrift des § 2 UmwRG möglich, Rechtsbehelfe einzulegen, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Soweit sich der Kläger auf die gesetzlich geregelte Gebührenbefreiung in anderen Bundesländern beruft, zeigt auch dies, dass der jeweilige Gesetzgeber grundsätzlich von einer Kostenschuld des Klägers ausgeht, anderenfalls hätte es keiner ausdrücklichen Befreiung bedurft.

Dementsprechend besteht auch kein Widerspruch zu den Regelungen der §§ 51 ff. Abgabenordnung - AO -. Die finanzielle Förderung gemeinnütziger Vereinigungen hat keine Auswirkungen auf die Übernahmepflicht von Verwaltungsgebühren im Rechtsbehelfsverfahren. Die Gemeinnützigkeit, die zu steuerrechtlichen Vergünstigungen führt, bedeutet nicht zugleich, dass der Kläger - anders als andere Rechtssuchende - öffentliche Einrichtungen oder Behördentätigkeiten kostenfrei nutzen bzw. erhalten kann.

Die Erhebung einer Widerspruchgebühr führt auch nicht zwangsläufig dazu, dass anerkannte Naturschutzverbände von der Einlegung des Rechtsbehelfes abgehalten werden können. Dies hängt vielmehr maßgeblich von der Höhe der festzusetzenden Gebühr ab. Den Gesichtspunkt, dass es sich bei dem Kläger um einen gemeinnützigen Verein handelt und dieser in Fällen wie dem vorliegenden im öffentlichen Interesse tätig wird, hat die Behörde daher bei der Festsetzung der Gebühr der Höhe nach zu berücksichtigen, um Unbilligkeiten und eine prohibitive Wirkung zu vermeiden.

Damit kann grundsätzlich gegenüber dem Kläger nach den Regelungen der §§ 1, 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG eine Widerspruchsgebühr erhoben werden.

2. Die festgesetzte Widerspruchsgebühr von 3.967,74 € ist jedoch der Höhe nach fehlerhaft bestimmt worden.

Der Beklagte hat in seinem Widerspruchsbescheid vom 24.8.2011 die Gebühr zwar zutreffend nach § 11 Abs. 1 Satz 4 SächsVwKG festgesetzt, da der Kläger den Rechtsbehelf als Dritter im Sinne dieser Vorschrift eingelegt hat und ihm gegenüber als Rechtsbehelfsführer gerade keine Amtshandlung i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SächsVwKG vorgenommen wurde. Die Höhe der Gebühr ist aber rechtswidrig, weil der Beklagte nicht die Vorgaben der §§ 8, 6 Abs. 2 Satz 2 bis 5 SächsVwKG eingehalten hat.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4, Satz 5 SächsVwKG können Kosten gegenüber Dritten im Rahmen von 10,00 bis 5000,00 € (Rahmengebühr) festgesetzt werden. Die Bemessung der zu erhebenden Gebühr richtet sich nach §§ 8, 6 Abs. 2 Satz 2 bis 4 SächsVwKG und ist unter diesen Voraussetzungen zu schätzen.

Bei der Festsetzung einer Verwaltungsgebühr innerhalb des Gebührenrahmens nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 SächsVwKG hat die Behörde hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Gebühr unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands, der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners im Sinne von § 8 SächsVwKG Ermessen auszuüben (SächsOVG, Beschl. v. 16. 11. 1998 - 3 S 720/97 -). Die Gebühr darf nicht in einem Missverhältnis stehen oder unbillig sein. Dem entspricht eine eingeschränkte gerichtliche Kontrolldichte. Das Gericht hat lediglich zu prüfen, ob die Behörde bei der Gebührenfestsetzung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 VwGO; SächsOVG, Urt. V. 23. 11.2010, NVwZ-RR 2011, 307; Beschl. v. 28.3.2003, SächsVBl. 2003, 239).

Vorliegend wurde das Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil der Beklagte nicht sämtliche der Schätzung zugrunde zu legenden Sachverhalte ermittelt und ins Verhältnis gesetzt, sondern den tatsächlichen, rechnerisch ermittelten Verwaltungsaufwand angesetzt hat. Die Behörde muss als Voraussetzung ihrer Entscheidung aber alle dafür relevanten Tatsachen umfassend ermitteln und bei der Entscheidung alle Ergebnisse dieser Ermittlungen und alle sonst einschlägigen wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigen. Dies folgt bereits aus ihrem eigenen Leitfaden zum Verwaltungskostengesetz des Freistaates Sachsen, hier insbesondere zu § 8 SächsVwKG (siehe Leitfaden, § 8, Tz.5, S. 39). Danach hat zunächst eine Berechung des Verwaltungsaufwandes zu erfolgen. Im Weiteren sind Billigkeitserwägungen anzustellen, die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten festzustellen und dies in Relation zum Verwaltungsaufwand zu setzen. Schließlich ist das Ergebnis am Äquivalenzprinzip und damit am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.

Der Beklagte stützt die Höhe der Kosten hier aber allein auf den Verwaltungsaufwand bei der Bearbeitung des Widerspruchs und setzt diesen unter Bezugnahme auf die auch zur Gerichtsakte gereichte Kostenaufstellung (Blatt 44) centgenau als Verwaltungsgebühr fest. Dabei ist nicht ersichtlich inwiefern berücksichtigt wurde, dass es sich vorliegend um einen Drittwiderspruch handelt und auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger abgestellt wurde.

Zur Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger führt der Beklagte nur pauschal aus, dass diese dem im Widerspruchsverfahren entstandenen Verwaltungsaufwand entspreche. Diese Begründung ist für sich genommen weder nachvollziehbar noch lässt sie eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Frage, welche Bedeutung die Angelegenheit für den Kläger hat, erkennen. Dass das Ziel des Klägers die Aufhebung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung war, rechtfertigt nicht, die Bedeutung der Sache für diesen mit dem tatsächlichen Verwaltungsaufwand bei der Prüfung des Widerspruches gleichzusetzen. Dies folgt bereits daraus, dass die Bedeutung der Angelegenheit das Korrektiv zum Bemessungsfaktor Verwaltungsaufwand sein und diesen nicht wiederholen soll (vgl. auch Leitfaden, § 6, Tz 5.3 c, S. 34). Die Bedeutung der Sache für den Rechtsmittelführer ist vielmehr grundsätzlich an dessen wirtschaftlichen Interessen zu bemessen; die Interessen des Klägers sind aber nicht wirtschaftlicher, sondern rein ideeller Art. Dies fand vorliegend keine ausreichende Berücksichtigung. In diesem Zusammenhang wurde vom Beklagten zudem vernachlässigt, dass der Kläger mit seinem Widerspruch keine eigenen Interessen verfolgte, sondern öffentliche Interessen bzw. das Allgemeinwohlinteresse bezogen auf den Umweltschutz.

Dementsprechend fand in der Folge auch nicht die Herstellung der Relation des Verwaltungsaufwandes zur eigenständig festzustellenden Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger und ein Messen am Äquivalenzprinzip statt.

Im Rahmen der Entscheidung, ob aus Gründen der Billigkeit eine Ausnahme vom Kostendeckungsgebot zulässig ist, lässt der Beklagte ebenfalls eine Auseinandersetzung, etwa bezogen auf die Gemeinnützigkeit des Klägers und dessen besondere Stellung als anerkannter Naturschutzverband, vermissen. Ebenso hätte - wenn nicht bereits im Rahmen der Billigkeitsprüfung - jedenfalls beim Messen am Äquivalenzprinzip, das den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspiegelt, eine Auseinadersetzung mit der Frage stattfinden müssen, ob die Gebühr in der festgesetzten Höhe möglicherweise prohibitive Wirkung haben kann (vgl. auch Leitfaden, Tz. 3.2 zu § 6, S. 30).

Nach alledem war der Bescheid aufzuheben.

Die Kostentragungspflicht des Beklagten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Die Berufung war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht zuzulassen
Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 3.967,74 € festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG -, wonach maßgeblich für die Höhe des Streitwertes die Höhe der bezifferten Geldleistung ist, auf die der Verwaltungsakt gerichtet ist. Dies ist hier die streitige Widerspruchsgebühr in der angegebenen Höhe.

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