10.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239041
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Beschluss vom 06.11.2023 – OVG 3 K 58/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss vom 06.11.2023
OVG 3 K 58/23
Tenor:
Auf die Beschwerde des Erinnerungsgegners wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 19. Oktober 2023 geändert. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 18. September 2023 wird zurückgewiesen.
Die Erinnerungsführer tragen die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Gründe
1
Die Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 18. September 2023 ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte diesen Kostenfestsetzungsbeschluss nicht aufheben dürfen. Die Urkundsbeamtin hat die von den Erinnerungsführern an den Erinnerungsgegner nach dem Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2022 in dem Verfahren VG 1 K 679/22 zu erstattenden Kosten zu Recht in Höhe des mit Schriftsatz vom 15. Februar 2023 beantragten Betrages festgesetzt.2
Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stets erstattungsfähig, also grundsätzlich auch dann, wenn in einem Verfahren, für das kein Vertretungszwang besteht, der Beklagte bzw. Antragsgegner eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist. Es liegt - ungeachtet der Frage, ob sie über eigene juristisch qualifizierte Mitarbeiter oder gar eine eigene Rechtsabteilung verfügt - im Ermessen der Behörde bzw. der juristischen Person, ob sie sich im gerichtlichen Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt, weil sie offensichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, der Gegenseite Kosten zu verursachen. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn eine Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts auf eine ersichtlich unzulässige oder aus sonstigen Gründen offensichtlich aussichtslose Klage mit anwaltlicher Hilfe reagiert oder wenn die Vertretungsanzeige erst nach unstreitig eingetretener objektiver Erledigung der Hauptsache erfolgt, obwohl nur noch die Abgabe entsprechender prozessualer Erklärungen durch die hinsichtlich der zu erwartenden Kostenentscheidung kundigen Beteiligten aussteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. August 2020 - OVG 3 K 76.18 - juris Rn. 9; Beschluss vom 3. Februar 2017 - OVG 3 K 99.16 - juris Rn. 8; Beschluss vom 26. Juni 2012 - OVG 1 K 25.09 - juris Rn. 4 jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier aber nicht.
3
Zwar waren die Kläger bis zum Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache nicht anwaltlich vertreten. Sie hatten jedoch ihre Klage gegen die Festsetzung der Grundsteuer für die Jahre 2021 und 2022 bzw. auf deren teilweisen Erlass nicht nur fristwahrend erhoben, sondern bereits in der Klageschrift - wenn auch nur kurz - inhaltlich begründet, nämlich unter Hinweis auf den Leerstand des Objekts und fehlende Wasser- und Stromanschlüsse. Daraufhin hatte der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners mit Schriftsatz vom 20. September 2022 seine Vertretung angezeigt und mit weiterem Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 Klageabweisung beantragt und diesen Antrag inhaltlich begründet. Unabhängig von der Frage, ob die Klage der Erinnerungsführerin zu 1 "offensichtlich" unzulässig war, weil der streitige Grundsteuerbescheid nur an den Erinnerungsführer zu 2 adressiert war, spricht gegen die Annahme einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit schon der Umstand, dass das Verwaltungsgericht Erörterungsbedarf gesehen und dementsprechend einen Erörterungstermin anberaumt hat, in dem die Sach- und Rechtslage ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 2. Dezember 2022 umfangreich mit den Beteiligten erörtert worden ist, bevor die Erinnerungsführer die Klage zurückgenommen haben. Darauf, ob die Vertretung des Erinnerungsgegners auch durch Mitarbeiterinnen seiner Finanzverwaltung hätte erfolgen können, kommt es - wie ausgeführt - nicht an.
4
Die Kostenfestsetzung ist auch in der Höhe nicht zu beanstanden. Die Erinnerungsführer erheben Einwände gegen die Geltendmachung für Reisekosten (Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld), die entstanden sind, weil der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners eine Geschäftsreise im Sinne der Vorbemerkung 7 Abs. 2 des Vergütungsverzeichnisses, Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, unternommen hat, indem er von seinem Kanzleisitz in U... zum Gerichtstermin in H... gefahren ist. Diese Reisekosten halten sie für nicht erstattungsfähig, weil "nicht nachvollziehbar" sei, weshalb der Erinnerungsgegner nicht einen Verfahrensbevollmächtigten habe beauftragen können, der am Sitz des Gerichts ansässig sei. Diese Argumentation überzeugt nicht. Zwar steht die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Rechtsanwalts nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO, wonach es sich um die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen handeln muss, und ist der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung bei der Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass Reisekosten eines Rechtsanwalts ohne nähere Prüfung nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Juli 2023 - OVG 3 K 57/22 - juris Rn. 2). Der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners hat seine Kanzlei zwar nicht am Sitz, wohl aber im Bezirk des von den Erinnerungsführers angerufenen Gerichts. Sogar höhere Reisekosten wären entstanden, wenn der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners am Sitz seines Mandanten in X... ansässig wäre, das knapp 30 km von H... entfernt liegt.
5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
6
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da für das Beschwerdeverfahren nur im Fall der Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr vorgesehen ist (vgl. KV Nr. 5502, Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).
7
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
RechtsgebietKostenerstattungVorschriften§ 162 Abs. 2 S. 1 VwGO