Die Anamneseerhebung ist in der GOÄ üblicherweise Bestandteil der allgemeinen Beratungsleistungen nach den Nrn. 1 und 3. Lediglich im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Psychotherapie sind die Nrn. 807 und 860 eigenständige Gebührenpositionen für die Erhebung einer biografischen Anamnese. Zudem wurde im Rahmen der vierten und bislang letzten Änderungsverordnung zur GOÄ zum 1. Januar 1996 mit der Nr. 30 eine eigenständige Gebührenposition für die Erhebung der homöopathischen Erstanamnese mit einer Mindestdauer von einer Stunde nach biografischen und homöopathisch-individuellen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung einer homöopathischen Behandlung eingeführt. Damit sollte den spezifischen Anamnesevorgaben dieser Behandlungsrichtung Rechnung getragen werden. Die ausschließlich im Rahmen einer homöopathischen Behandlung vorgesehene Repertorisation ist dabei in der Leistung nach der Nr. 30 mit eingeschlossen.
Obwohl zeitaufwendige Gesprächsleistungen trotz der immer wieder angesprochenen Förderung von zuwendungsintensiven Beratungsleistungen in dem aktuellen Gebührenverzeichnis der GOÄ schlecht darstellbar sind, ist die analoge Anwendung der Nr. 30 GOÄ für länger dauernde Anamneseleistungen problematisch, da nach den Bestimmungen des § 6 Abs. 2 GOÄ die Bildung einer Analogziffer ausschließlich für selbstständige ärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, möglich ist (siehe GOÄ-Ratgeber, DÄ, Heft 37/2002 und 14/2007). Darüber hinaus ist die homöopathische Anamnese „nach Art, Kosten- und Zeitaufwand“ kaum mit einer anderen Anamneseleistung vergleichbar. Allerdings wird in der Kommentarliteratur zur GOÄ auch die Auffassung vertreten, dass für die Erstanamnese bei chronisch Schmerzkranken im Rahmen einer schmerztherapeutischen Behandlung durch entsprechend qualifizierte Ärzte die analoge Abrechnung der Nr. 30 GOÄ plausibel erscheint, da auch diese Anamneseleistung im Regelfall eine Gesprächsdauer von mindestens einer Stunde erfordert (siehe GOÄ-Ratgeber, DÄ, Heft 27–28/2014).
Zu diesem Thema liegt inzwischen auch ein Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 12. März 2015 (Az.: 115 C 469/14) vor. Darin vertritt das Gericht die Auffassung, „dass nach der gefestigten Rechtsmeinung in der Kommentarliteratur die Nummer 30 GOÄ – lediglich – für die Erhebung einer schmerztherapeutischen Erstanamnese bei chronisch Schmerzkranken durch entsprechend qualifizierte Ärzte entsprechend berechnet werden kann. (…) Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass – wie es für die homöopathische Anamnese zutrifft – die betreffende Anamneseleistung im Regelfall mindestens eine Stunde dauert. Vorliegend ist der Anwendungsbereich demgemäß eröffnet, da die Anamneseerhebung (…) 75 Minuten gedauert hat“. Diese Klarstellung für den Bereich der schmerztherapeutischen Erstanamnese ist ausdrücklich zu begrüßen. Es wird jedoch deutlich, dass im Rahmen der anstehenden GOÄ-Novelle weitere Gebührenpositionen erforderlich sind, um zuwendungsintensive Gesprächsleistungen adäquat abzubilden.
Dipl.-Verw. Wiss. Martin Ulmer
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