Cosmetic Dentistry 03.06.2013

Präprothetische Extrusion einer Frontzahnwurzel mit Magneten

Präprothetische Extrusion einer Frontzahnwurzel mit Magneten

Einleitung
Kronenfrakturen im Frontzahnbereich stellen eine häufige Komplikation dar. Die Ursache ist ein, meist bei endodontisch und prothetisch versorgten Zähnen, vorangegangener hoher Zahnhartsubstanzverlust. Okklusale und horizontale Scherbelastungen führen zu Frakturen im zervikalen Kronenbereich, die oft subgingival verlaufen. Der Erhalt des Zahnes bzw. der Wurzel gestaltet sich als schwierig, wenn für eine neue prothetische Krone unter Erhalt der biologischen Breite keine zirkumferente Zahnfassung von mindestens 2 mm (Ferrule-Effekt) über der Präparationsgrenze möglich wird. Um die erforderliche Basis für eine neue Krone zu schaffen, kann z.B. mit einer chirurgischen Kronenverlängerung das Knochen- Gingiva-Niveau reduziert werden. Unter ästhetischen Gesichtspunkten muss man allerdings bedenken, dass bei einem einzelnen Zahn der marginale Gingivaverlauf negativ beeinflusst würde. Alternativ kann der Zahnerhalt durch eine kieferorthopädische Extrusion versucht werden, welche im Folgenden beschrieben werden soll. Dabei üben Magnete permanent genug Kraft aus, um eine Wurzel schonend aus der Alveole zu luxieren und den supragingivalen Kronenanteil zu verlängern.

Fallbeschreibung
Die 53-jährige Patientin mit kompletter prothetischer Oberkieferversorgung stellte sich mit Kronenverlust des Zahnes 22 vor (Abb. 1). Der Zahn sei bereits in früherer Zeit abgebrochen und wurde nach endodontischer Versorgung mit gegossenem Stiftaufbau und prothetischer Krone versorgt. Die Patientin gab an, keinerlei Beschwerden zu haben, der Zahn war perkussionsunempfindlich und das Parodont wies eine maximale Sondierungstiefe von 2 mm auf. Eine Zahnmobilität war nicht zu verzeichnen. Röntgenografisch lagen keine pathologischen Befunde vor (Abb. 10). Eine zu geringe Stiftlänge, Sekundärkaries und ein zu geringer Ferrule-Effekt führten vermutlich zur frühzeitigen Lockerung der Krone. Die Patientin ist starke Raucherin, daher erschien das Einbringen eines Implantates zu risikoreich. Trotz prothetisch versorgter Nachbarzähne mit Kronen wünschte die Patientin keinen Brückenersatz, sondern den Erhalt des Zahnes 22. Mit dem Vorschlag einer kieferorthopädischen Extrusion mittels Schienen und Magneten war die Patientin einverstanden. So wurde in der ersten Sitzung die bisherige Krone provisorisch befestigt und eine Abformung der Kiefer für die zahntechnische Herstellung von Modellen und einer Oberkiefer-Tiefziehschiene genommen. Ebenso erfolgte die Farbbestimmung des Zahnes. Ein zusätzlicher lokaler Silikonabdruck diente der späteren Herstellung eines Provisoriums. Im zahntechnischen Labor wurde die transparente Tiefziehschiene (ERKODENT®, Erich Kopp GmbH, Pfalzgrafenweiler) angefertigt, die an der Stelle des Zahnes 22 auf der Innenseite vestibulär eine Verblendung mit Komposit (Tetric®, Ivoclar Vivadent AG, Schaan, Liechtenstein) erhielt. Ebenso wurde die Oberfläche von zwei Magneten sandgestrahlt und mit einem Metallprimer (Ivoclar Vivadent AG) für den Kunststoffantrag benetzt. Die zweite Sitzung begann nach einer terminalen Anästhesie mit der Entfernung der Stiftkrone und der Sekundärkaries sowie dem temporären Verschluss des Stiftbettes mit Cavit (CavitTM-G, 3M ESPE AG, Seefeld). Danach wurde adhäsiv (Excite®, Ivoclar Vivadent AG) und mit dünnfließendem Komposit (Tetric®Flow, Ivoclar Vivadent AG) ein Magnet zentral auf dem Wurzelrest befestigt (Abb.2). Nach dem Aufsetzen einer 1mm dicken Wachsscheibe auf den Magneten als Platzhalter wurde der zweite Magnet darüber befestigt und der spannungsfreie Sitz der Schiene über den Magneten überprüft (Abb. 3). Die Transposition des zweiten Magneten in die Schiene erfolgte mit dünnfließendem Komposit der bestimmten Zahnfarbe (Abb. 4 und 5), wobei zu beachten war, dass sich die Befestigungskomposite beider Magneten nicht verbinden. Hierzu diente die Wachsscheibe zwischen den Magneten, die etwas über die Magnete hervorstehen muss. Ebenso sollte genug Platz zwischen der Wurzel mit dem Magneten und der Schiene sein, damit das Extrudieren nicht behindert wird. Nach der Lichtpolymerisation konnten die Schiene und die Wachsscheibe entnommen und Kunststoffüberschüsse entfernt werden. Abschließend wurden mit dem Skalpell die gingivalen Befestigungsfasern durchtrennt und mittels Scaling und Root Planing entfernt, um eine Mitverlagerung des Zahnhalteapparates zu verhindern und die Haltekraft zu verringern. In der folgenden Sitzung zwei Wochen später war eine Extrusion von 1 mm zu verzeichnen. Der Magnet sowie das Befestigungskomposit in der Schiene wurden herausgetrennt und nach wiederholtem Aufsetzen auf den am Zahn befestigten Magneten und zwischenliegender Wachsscheibe mit Kunststoff in der Schiene neu positioniert. Ebenso mussten die Gingivafasern erneut durchtrennt werden. Nach zwei weiteren Revisionen, jeweils nach zwei Wochen, konnte eine gesamte Extrusionslänge von ca. 3 mm erreicht werden (Abb. 6 und 10). Der Zahn wies nun eine Lockerung II. Grades auf. Bis zu einer Neuversorgung musste der Zahn für zwei Monate an den Nachbarzähnen fixiert werden, um eine Rückverlagerung zu verhindern. Dazu wurde eine provisorische Kunststoffkrone über dem noch festsitzenden Magneten hergestellt. Um Manipulationen zu vermeiden, wurde der zweite Magnet auf den ersten aufgesetzt und die provisorische Versorgung (Luxa-temp®, DMG, Hamburg) direkt, ohne nochmaliges Abnehmen und Zementierung, über eine Silanverbindung (Monobond® Plus, Ivoclar Vivadent AG) und Adhäsivtechnik (Excite®, Ivoclar Vivadent AG) an den Nachbarzähnen befestigt (Abb. 7). Nach Abschluss der Fixierung erreichte die Wurzel ihre ursprüngliche Festigkeit für den Stiftaufbau und die Kronenpräparation. Nach Entfernung der provisorischen Versorgung und Magnete wurde der Aufbau des Zahnkernes mit einem adhäsiv befestigten Glasfaserstift (Komet® ER DentinPost Coated, Gebr. Brasseler GmbH & Co. KG, Lemgo) und Aufbaukunststoff (Multilink® Automix, Ivoclar Vivadent AG) durchgeführt, nachpräpariert und abgeformt (Abb. 8). Unter Lokalanästhesie wurde marginales Granulationsgewebe elektrochirurgisch entfernt. Eine abnehmbare provisorisch befestigte Kunststoffkrone wurde bis zur Eingliederung der definitiven Versorgung mit einer zementierten, keramikverblendeten Zirkonkrone belassen (Abb. 9).

Fazit
Als Alternative zum Implantat oder Brückenzahnersatz bietet die Magnetextrusion über eine semipermanente Tiefziehschiene eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, eine suffiziente Wurzel im Front- sowie Seitenzahnbereich zu erhalten, die somit als Grundlage zusammen mit einem Stiftaufbau als ausreichende Kronenfassung zu dienen kann. Die Tatsache, dass während der Behandlung keine festsitzende provisorische Versorgung möglich ist, kann besonders im Frontzahnbereich als störend empfunden werden, da die Schiene zum Essen entfernt werden muss und somit die Zahnlücke sichtbar wird. Mit einer Behandlungsdauer von ca. sechs Wochen – von der Extrusion bis zu einem festsitzenden Provisorium und anschließender dauerhafter Versorgung – ist diese Zeit jedoch überschaubar.

Danksagung an ZTM Ulrich Güntermann, Leipzig.

Autoren: Frank Vogel, Dr. Jens Voss

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