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22.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130197

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 26.10.2012 – II-6 WF 232/12

1. Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gegen ihre Großeltern nach § 1607 Abs. 1 BGB (Ersatzhaftung) sind nach § 232 Abs. 1 Ziff. 2 FamFG vor dem Amtsgericht geltend zu machen, in dessen Bezirk der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes liegt.

2. Zur Begründung einer Ersatzhaftung der Großeltern reicht es nicht aus, dass nur der barunterhaltspflichtige Elternteil leistungsunfähig ist. Vielmehr muss hinzukommen, dass dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar ist.


Oberlandesgericht Hamm

II-6 WF 232/12

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 26.9.2012 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Paderborn vom 31.8.2012 wird zurückgewiesen

Gründe:

Die Antragsteller sind die minderjährigen Kinder, die aus der Ehe der F und des X hervorgegangen sind. Die Eheleute haben sich getrennt. Die Antragsteller leben im Haushalt der Kindesmutter, die nur im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung tätig ist. Der Antragsgegner ist der Vater des X. Letzterer ist nur eingeschränkt leistungsfähig und hat sich durch Jugendamtsurkunden zur Zahlung von Kindesunterhalt ab dem 1.3.2012 in Höhe von monatlich 83,00 € (G), 102,00 € (K) und 101,00 € (N) verpflichtet.

Mit Schriftsatz vom 27.6.2012 haben die Antragssteller beantragt, den Antragsgegner, ihren Großvater, zur Zahlung rückständigen Unterhalts ab dem 1.5.2012 und zur Zahlung laufenden Unterhalts ab dem 1.7.2012 zu verpflichten. Für die Durchführung des Verfahrens haben sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten beantragt.

Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten. Er hat die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts – Familiengericht – Paderborn gerügt und in der Sache darauf verwiesen, dass der Unterhaltsanspruch gegen ihn als Großvater nicht schlüssig dargelegt sei. Die Ersatzhaftung der Großeltern greife nur dann ein, wenn beide Eltern im Rahmen ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit den Mindestunterhalt der Kinder nicht sicherstellen könnten. Diese gesteigerte Erwerbsobliegenheit treffe auch den Elternteil, in dessen Haushalt die minderjährigen Kinder leben würden.

Mit Beschluss vom 31.8.2012 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Paderborn den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen.

Das Amtsgericht hat dabei die Frage seiner örtlichen Zuständigkeit offen gelassen und den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Anspruch gegen den Antragsgegner nicht hinreichend schlüssig dargelegt sei. Die Kindesmutter sei im Falle der fehlenden oder nur eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Kindesvaters verpflichtet, den Unterhalt der Kinder durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sicher zu stellen, bevor die Kinder die Großeltern in Anspruch nehmen könnten. Inwieweit die Kindesmutter durch eine Erwerbstätigkeit Einkommen erzielen könne, sei nicht dargelegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragssteller vom 26.9.2012, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.1.2012 nicht abgeholfen hat, und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.

Die Anträge der Antragsteller, den Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt zu verpflichten, haben keine Aussicht auf Erfolg.

Zwar ist nach Ansicht des Senats das Amtsgericht – Familiengericht – Paderborn nach § 232 Abs. 1 Ziffer 2 FamFG örtlich zuständig.

Die Frage, welches Amtsgericht für die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder gegen ihre Großeltern im Falle der Ersatzhaftung nach § 1607 Abs.1 BGB zuständig ist, ist umstritten: für eine durch § 232 Abs. 1 Ziffer 2 FamFG begründete örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts, in dem die Kinder bzw. der für sie handlungsbevollmächtigte Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Musielak/Borth, FamFG, 3. Auflage, § 232 Rn.8); für eine nach den allgemeinen Vorschriften zu bestimmende örtliche Zuständigkeit (Zöller-Lorenz, ZPO, 29. Auflage, § 232 FamFG Rn.9; Wendl/Dose-Wönne, Unterhaltsrecht, 8. Auflage, § 2 Rn.901). Mit Blick darauf, dass § 232 Abs. 1 Ziffer 2 FamFG ohne Differenzierung nach der Person des Unterhaltsverpflichteten von Unterhaltssachen, die die Unterhaltspflicht für ein minderjähriges Kind betreffen, spricht, sind anders als noch zu Zeiten der Geltung des § 642 Abs. 1 Ziffer 1 ZPO a. F. (gesetzliche Unterhaltspflicht eines Elternteils) alle Unterhaltsansprüche der minderjährigen bzw. privilegierten Kinder vor dem Amtsgericht geltend zu machen, in dessen Bezirk der gewöhnliche Aufenthaltsort der Kinder bzw. des für sie handlungsbevollmächtigten Elternteils liegt. Das ist im vorliegenden Fall Paderborn.

Die von den Antragstellern beabsichtigte Rechtsverfolgung hat jedoch keine Aussicht auf Erfolg, weil sie ihren Anspruch nach § 1607 Abs. 1 BGB nicht schlüssig dargelegt haben.

Der Antragsgegner als Großvater der unterhaltsbedürftigen minderjährigen Kinder haftet gemäß § 1606 Abs. 2 BGB nachrangig nach den Eltern des Kindes. Dies bedeutet, dass seine Unterhaltspflicht erst dann in Betracht kommt, wenn beide Elternteile im Sinne des § 1603 Abs. 1 BGB leistungsunfähig sind. Dabei gilt im Verhältnis der vorrangig haftenden Eltern zu den nachrangig haftenden Großeltern – anders als im Verhältnis der Eltern untereinander – die Regelung des § 1603 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht. Das hat zur Folge, dass auch der betreuende Elternteil gegenüber den Großeltern für den Barunterhalt leistungsfähig sein kann. Zur Begründung einer Ersatzhaftung der Großeltern reicht es also nicht, dass (nur) der barunterhaltspflichtige Elternteil nicht oder nur eingeschränkt leistungsfähig ist. Vielmehr muss hinzu kommen, dass dem betreuenden Elternteil die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aus Gründen des Kindeswohls nicht zumutbar ist (vgl. Wendl/Dose-Wönne, Unterhaltsrecht,8. Auflage, 2 Rn.975; OLG Frankfurt FamRZ 2004, 1745; OLG Jena FamRZ 2006, 569 und MDR 2009, 755).

An einer entsprechenden Darlegung fehlt es hier, worauf schon das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat. Zwar hat die Kindesmutter drei minderjährige Kinder zu betreuen. Auch ihr jüngstes Kind – der Antragsteller zu 1) – ist aber bereits 6 Jahre alt, so dass die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung der Kinder durch die Kinder nicht zwingend erkennbar ist und ihr die Aufnahme einer über den Umfang einer geringfügigen Beschäftigung hinausgehenden, mindestens halbschichtigen Erwerbstätigkeit zur Sicherstellung des Barunterhalts der Antragsteller möglich ist.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 1607

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