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02.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131434

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 18.02.2013 – 1 Ss 185/12

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OLG Oldenburg

18.02.2013
1 Ss 185/12

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 16. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Aurich zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.
Gründe

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, als Gynäkologe in der Zeit vom 18. bis zum 26. November 2009 seiner Patientin W... M..., die in der 17. Woche schwanger war und das Kind abtreiben wollte, einen Zettel mit der Adresse einer bestimmten niederländischen Abtreibungsklinik in U... gegeben und hierdurch Beihilfe zum unerlaubten Schwangerschaftsabbruch geleistet zu haben. Das Amtsgericht Wittmund hatte den Angeklagten von dem Vorwurf mit Urteil vom 28. März 2011 freigesprochen. Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Aurich mit Urteil vom 16. Juli 2012 verworfen.

Hiergegen richtet sich die statthafte und zulässige Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Revision hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, weil die Kammer es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, den maßgeblichen Umstand, nämlich die auf Veranlassung des Angeklagten in seiner Praxis erfolgte Übergabe einer handschriftlichen Notiz mit der Adresse und Telefonnummer der Abtreibungsklinik in U... an die abtreibungswillige Zeugin M..., aufzuklären.

Die Teilnahme richtet sich auch bei § 218 StGB nach den allgemeinen Grundsätzen (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl., § 218 Rn.10; Münchener Kommentar, StGB, 2. Aufl., § 218 Rn.42). Danach kann die Überlassung der Adresse einer konkreten Abtreibungsklinik eine Beihilfe zur nachfolgenden Abtreibung darstellen. Denn schon damit fördert der Gehilfe die konkrete Tathandlung (Abtreibung in dieser Klinik) durch Vermittlung von Wissen und wird zumindest mitursächlich für diese Tat.

Dem steht nicht entgegen, dass die Adresse zur Tatzeit möglicherweise über das Internet ohne weiteres zu ermitteln gewesen wäre. Zwar wird in der Literatur vertreten, dass eine Beihilfe durch die Benennung einer konkreten Adresse zur Durchführung des illegalen Abbruchs bei einer abtreibungswilligen Person dann ausscheide, wenn die Adresse allgemein z.B. per Internet-Recherche zugänglich sei (Schönke/Schröder-Eser, StGB, 28. Aufl., § 218, Rn. 53; wohl auch Ulsenheimer, Arztstrafrecht in der Praxis, 4. Auflage, S. 392). Abgesehen davon, dass das Landgericht schon nicht festgestellt hat, dass die Klinik auch zur Tatzeit im Internet hätte gefunden werden können, vermag der Senat dieser Auffassung generell nicht zu folgen. Sie vernachlässigt, dass der Beratung des behandelnden Arztes wegen der persönlichen Arzt-Patienten-Beziehung und seiner Sachkunde ein deutlich stärkeres Gewicht zukommt. Anders als einer allgemeinen Information im Internet oder den für sich werbenden Internetauftritten der Kliniken wird ihm deshalb besonderes Vertrauen entgegengebracht (vgl. LK-Kröger, StGB, 11. Aufl., § 218 Rn. 35/43).

Dies gilt auch für den Fall, dass die Patientin zur Durchführung der Abtreibung bereits fest entschlossen ist und der Arzt zunächst versucht, sie vom Tatentschluss abzubringen. Zwar könnte es dann an einer (Mit-)Ursächlichkeit für die Durchführung der Tat als solcher fehlen. Jedoch ist nach herrschender Rechtsprechung jede Handlung als Hilfeleistung anzusehen, die die Herbeiführung des Taterfolgs ermöglicht, verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert (vgl. BGHSt 54, 140-147 m.w.N.; Schönke/Schröder-Heine, aaO., § 27 Rn. 8 m.w.N.). Letzteres trifft für die Übergabe eines Zettels mit der konkreten Adresse einer Abtreibungsklinik in den Niederlanden, in der die abtreibungswillige Zeugin die Abtreibung sodann durchführen lässt, zu.

Soweit die Kammer von einer weiteren Aufklärung schließlich auch deshalb abgesehen hat, weil sie aufgrund der von ihr festgestellten gesetzeskonformen Beratung der Zeugin durch den Angeklagten einen Gehilfenvorsatz verneint hat, kann dem nicht gefolgt werden. Eine ordnungsgemäße Beratung mit dem Ziel, die abtreibungswillige Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen, und eine gleichwohl erfolgte Beihilfe zur Abtreibung schließen sich nicht aus, zumal für die Strafbarkeit des Gehilfen bereits bedingter Vorsatz auch hinsichtlich der Tatvollendung durch den Haupttäter ausreicht (BGH NStZ 2011, 399 [BGH 20.01.2011 - 3 StR 420/10]). Konkrete Feststellungen zu den subjektiven Vorstellungen des Angeklagten im Hinblick auf die Zettelübergabe hat die Kammer -aus ihrer Sicht konsequent- nicht getroffen, weil sie bereits das Vorliegen einer objektiven Beihilfehandlung verneint hat.

Der aufgezeigte Mangel führt zur Aufhebung des Urteils. Da die Sache der weiteren Aufklärung bedarf, ist sie gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Aurich zurückzuverweisen.

RechtsgebietStGBVorschriften§ 27 StGB § 218 StGB

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