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· Fachbeitrag · Agenturrecht

„Goodwill“ der Agentur und Ausgleichsanspruch sind bei der Ehescheidung nicht auszugleichen

von RA Jörg-M. Ossenforth, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Familienrecht, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth u. Kollegen, München

| Im Fall einer Ehescheidung bringt der Ehepartner des Agenturinhabers regelmäßig auch die Versicherungsagentur zur Sprache, um über den Zugewinnausgleich etwas vom „Goodwill“ der Agentur oder vom Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB abzubekommen. Diesem Verlangen hat der BGH jetzt einen Riegel vorgeschoben. |

Streit um Berücksichtigung des Werts der Agentur

Die Ehefrau im Urteilsfall hatte zunächst Auskunft über das Endvermögen ihres Ehemanns verlangt. Dieser hatte verschiedene Auskünfte erteilt und unter anderem die Jahresabschlüsse seiner Versicherungsagentur vorgelegt. Damit war die Ehefrau nicht zufrieden. Sie hat eine ergänzende Auskunft auf „Bezifferung des Goodwills“ bzw. „Bezifferung des Wertes des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB“ geltend gemacht. Damit kam sie sowohl vor dem OLG Karlsruhe als auch anschließend vor dem BGH nicht durch (BGH, Beschluss vom 4.12.2013, Az. XII ZB 534/12; Abruf-Nr. 140242).

Kein „Goodwill“ auszugleichen

Für die Berechnung des Endvermögens ist der objektive (Verkehrs-)Wert des jeweiligen Vermögensgegenstands maßgebend. Dabei schließt der zum Stichtag zu ermittelnde objektive Wert eines Unternehmens jedenfalls den in diesem Zeitpunkt vorhandenen Substanzwert ein. Der Geschäftswert („Goodwill“) der Versicherungsagentur ist laut BGH aber nicht zu berücksichtigen:

 

  • Der Versicherungsvertreter sei als selbstständiger Gewerbetreibender im Sinne von §§ 92 Abs. 1, 84 Abs. 1 HGB hauptberuflich ständig damit betraut, für einen den Versicherer Versicherungsverträge zu vermitteln und abzuschließen sowie bei ihrer Verwaltung und Erfüllung mitzuwirken.

 

  • Ein eigenes Recht an dem seiner Agentur zugehörigen Versicherungsbestand und den darauf beruhenden Verdienstmöglichkeiten und Erwerbschancen erwerbe der Versicherungsvertreter nicht. Der Versicherungsbestand sei rechtlich und wirtschaftlich allein dem Versicherer zugeordnet und müsse bei Beendigung des Agenturvertrags an den Versicherer zurückgegeben werden.

 

  • Aus diesem Grund werde es in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend abgelehnt, der Agentur eines Versicherungsvertreters im Zugewinnausgleich einen über den Substanzwert hinausgehenden Wert zuzuerkennen.

 

Verkauf der Agentur an Nachfolger

Nach Ansicht des BGH ändert daran auch nichts die Tatsache, wenn Versicherungsagenturen, die mit der vom Ehemann im Urteilsfall betriebenen Agentur vergleichbar sind, in größerer Zahl zum „Verkauf“ angeboten werden. Es bleibe dabei, dass ein Vertreter seine Agentur einschließlich des darin befindlichen Versicherungsbestands nicht frei veräußern könne.

 

Zwar mögen sich in Einzelfällen der Versicherer, der ausscheidende Vertreter und der Agenturnachfolger im Rahmen einer dreiseitigen Vereinbarung darauf verständigen, dass die Rechte und Pflichten aus dem Agenturvertrag auf einen Nachfolger übergehen. Dieser Nachfolger findet den ausscheidenden Vertreter ab, während der Versicherer von der Verpflichtung zur Zahlung des Ausgleichsanspruchs frei wird.

 

Aber wirtschaftlich gesehen überlässt der Versicherer die durch den Versicherungsbestand eröffneten Gewinn- und Verdienstmöglichkeiten dem ausscheidenden Versicherungsvertreter zur Vermarktung im Austausch gegen den Verzicht auf den Ausgleichsanspruch. In der Praxis seien solche Vertragsgestaltungen insbesondere bei innerfamiliären Nachfolgeregelungen oder dort anzutreffen, wo der ausscheidende Vertreter durch eine Abfindungsregelung die ausgleichsschädlichen Folgen einer sonst nicht gerechtfertigten Eigenkündigung von sich abwenden will.

 

Wichtig | Der Versicherer bleibe in seiner Entscheidung frei, den Versicherungsbestand stattdessen zurückzunehmen, um ihn anschließend an einen oder mehrere andere Vermittler zu verteilen oder durch angestellte Außendienstmitarbeiter bearbeiten zu lassen.

 

Verkauf der Anteile an Vertreter-GmbH

Nicht zielführend ist für den BGH auch die Argumentation der Ehefrau, dass ein Versicherungsvertreter seine einzelkaufmännisch geführte Agentur aus seinem Vermögen ausgliedern, auf eine neu zu gründende GmbH übertragen und anschließend die Geschäftsanteile dieser neuen Vertreter-GmbH ohne Mitwirkung des Versicherers an einen Dritten veräußern könne.

 

Dieser Gedanke komme schon wegen der Stichtagsbezogenheit des Zugewinnausgleichs nicht in Betracht. Werde eine Versicherungsagentur als einzelkaufmännisches Unternehmen geführt, dürfte ein potenzieller Erwerber am Stichtag kaum bereit sein, für die „bloße Aussicht“ eines Erwerbs von Geschäftsanteilen an einer im Rahmen der Ausgliederung zur Neugründung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes künftig entstehenden Vertreter-GmbH einen Preis zu zahlen.

 

Darüber hinaus ist nach Ansicht des BGH die GmbH als Rechtsform für Versicherungsagenturen von Ausschließlichkeitsvertretern derzeit unüblich. Daher erscheine es auch zweifelhaft, ob es überhaupt einen nennenswerten Markt für den Verkauf von Geschäftsanteilen an solchen Gesellschaften geben würde, was freilich eine notwendige Voraussetzung dafür ist, die fortbestehende Nutzungsmöglichkeit des Inhabers an seinen Unternehmen als Vermögenswerte in den Zugewinnausgleich einbeziehen zu können.

 

Wichtig | Für den BGH bleibt es also dabei, dass ein Anspruch auf einen über den Substanzwert einer Agentur hinausgehenden „Goodwill“ nicht besteht.

Kein Ausgleichsanspruch auszugleichen

Nach Ansicht des BGH ist auch ein möglicher späterer Ausgleichsanspruch des Ehemanns nach § 89b HGB gegen den Versicherer nicht als Vermögensgegenstand im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen.

 

Der Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters, dessen Vertragsverhältnis zum Versicherer am Stichtag noch nicht beendet ist, stelle ein in seiner Entstehung noch ungewisses Recht dar, das ihm keine mit einer Anwartschaft vergleichbare, gesicherte Rechtsposition einräume. Der Ausgleichsanspruch entstehe erst mit der rechtlichen Beendigung des Vertreterverhältnisses.

 

Wichtig | Auch die „Grundsätze“ zur Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs führen nach Ansicht des BGH nicht weiter: Sie stellen Berechnungsmethoden zur Verfügung, um die Höhe des Ausgleichsanspruchs zu ermitteln. Sie regeln jedoch nicht die allgemeinen Voraussetzungen dafür, wie ein Ausgleichsanspruch entsteht.

 

PRAXISHINWEISE | Die Entscheidung des BGH regelt die streitige Problematik der Bewertung einer von einem Versicherungsvertreter betriebenen Versicherungsagentur bei einer Scheidung und besagt:

 

  • 1. Die Bewertung der Agentur richtet sich im Regelfall ausschließlich nach dem Substanzwert. Das ist der Wert der Einrichtungsgegenstände, Fahrzeuge und Ähnliches.
  • 2. Der Goodwill einer Versicherungsagentur besteht im Regelfall nicht, weil die Agentur keinen „Marktwert“ hat bzw. weil es keinen Markt für Agenturen gibt. Das ist erfreulich für alle Agenturinhaber, da sie keine entsprechenden Auszahlungen im Fall einer Scheidung vornehmen müssen.
  • 3. Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ist bei einem mit dem Versicherer noch bestehenden Vertragsverhältnis lediglich eine Erwerbsaussicht und bleibt folglich unberücksichtigt.
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  • Maßgeblich ist daher der „Stichtag“, das heißt der Tag, an dem der Scheidungsantrag dem Ehepartner zugestellt wird. Der Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags beeinflusst somit diesen maßgeblichen Stichtag.
 

Weiterführende Hinweise

  • Die „Grundsätze“ Sach, Leben, Kranken, Bausparen und Finanzdienstleistungen finden Sie zum Download auf wvv.iww.de unter Downloads → Arbeitshilfen → Ausgleichsanspruch
Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 7 | ID 42572820