27.08.2009 | Kosten der versicherungsgestützten bAV
So informieren Sie über die Wertentwicklung einer Entgeltumwandlung
von RA Franz Erich Kollroß, BVUK. Rechtsberatungs-AG, Würzburg
Auf juristischer und publizistischer Ebene wogt seit langem ein Kampf um die Grundsatzfrage, ob die Kostenverteilungsmethode der Zillmerung bei Versicherungsverträgen zulässig ist, wenn sie der betrieblichen Altersversorgung (bAV) dienen. Für Zündstoff sorgen auch die Gerichte, die die Entgeltumwandlungsvereinbarungen mal für nichtig, mal für wirksam erklärt haben. Arbeitnehmer sind aufgrund der jüngsten Berichte über die Rechtsprechung verunsichert.
Eine umfassende Information der Beteiligten tut Not, um Missverständnissen vorzubeugen. Wir haben für Sie ein Merkblatt entwickelt, mit dem Sie insbesondere Arbeitnehmer über die Wertentwicklung der bAV aufklären können.
Merkblatt zur Wertentwicklung der bAV
MerkblattDefinition der betrieblichen Altersversorgung
In § 1 Absatz 1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) wird die betriebliche Altersversorgung (bAV) definiert als finanzielle Absicherung des eigenen Alters, der Invalidität oder der Hinterbliebenen. Die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken sichert der Arbeitgeber, der diese Absicherung zusagt, in aller Regel durch Versicherungsverträge ab. Dies gilt insbesondere für die Direktversicherung, die kongruent rückgedeckte Unterstützungskasse und Pensionskasse, weil die zugrunde liegende Versorgungsordnung auf Versicherungsverträge verweist, die die Versorgungsordnung wirtschaftlich erfüllen.
Wirtschaftliche Absicherung der Zusage durch Versicherungen
In den Versicherungsverträgen sind nach den Regeln des Versicherungsvertrags- (VVG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes die Kosten für das abgesicherte Risiko, die Kosten für die Versicherer-interne Verwaltung der Verträge und die Kosten für die Beratung und Distribution integriert. Erst nach Abzug dieser gesetzlich geregelten und durch die Aufsicht überwachten Systemkosten beginnt der Sparvorgang für das Deckungskapital, das dann mit den jeweils deklarierten Prozentsätzen verzinst wird.
Diese Kalkulation der Versicherungsverträge führt unter Berücksichtigung der dargestellten Kostengrundsätze dazu, dass erst die regelmäßige Beitragszahlung in Kombination mit dem Zinseszinseffekt zeitanteilige Werte eines Vertrags und damit der ausfinanzierten Versorgungszusage ermöglicht, die die Summe der aufgewendeten Beiträge übersteigen.
Nachdem die bAV als Absicherung von biometrischen Risiken definiert ist, ist die Nutzung von Versicherungsverträgen zur wirtschaftlichen Erfüllung der damit verbundenen arbeitsrechtlichen Zusagen notwendig. Der Gesetzgeber hat in § 1a Absatz 1 Satz 3 BetrAVG sogar die Direktversicherung als Mindeststandard und -anspruch bei der Entgeltumwandlung normiert. Alle anderen Durchführungswege können im Sinne eines Mehr an bAV freiwillig vereinbart werden.
Wertgleicher Versorgungsanspruch ersetzt Vergütungsanspruch
Bei der bAV durch Entgeltumwandlung gilt die Regelung des § 1 Absatz 2 Nummer 3 BetrAVG. Danach sind künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umzuwandeln. Mit der Umwandlung geht der ursprüngliche Vergütungsanspruch in Höhe des Umwandlungsbetrags unter; es entsteht ein neuer Versorgungsanspruch, der schon wegen der notwendigen Risikoabsicherung nicht zahlengleich mit dem Vergütungsanspruch sein kann. Damit bedeutet Wertgleichheit nicht, dass die bAV-Anwartschaft 100 Prozent der aufgewendeten Entgelte entspricht.
Wichtig: Die immer wieder vorgetragene Populärmeinung, Wertgleichheit zwischen aufgewendetem Entgelt und erreichter Anwartschaft liege in der bAV nur dann vor, wenn die Zahlenwerte identisch seien, widerspricht der Absicherungssystematik des Betriebsrentengesetzes.
Von Wertgleichheit geht die herrschende Meinung dann aus, wenn der durch Entgeltumwandlung aufgewendete Beitrag zu der der bAV hinterlegten Versicherung nach den Regeln und Grundsätzen der Versicherungsmathematik zu einer Versorgungsanwartschaft führt, die dem Beitrag angemessen ist. Dieser Sachverhalt wird unter dem Stichwort „versicherungsmathematische Äquivalenz“ zusammengefasst.
Die unter Anwendung versicherungsmathematischer Grundsätze kalkulierten und der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegenden Versicherungstarife erfüllen die Kriterien der „versicherungsmathematischen Äquivalenz“. Sie führen zu wertgleichen Anwartschaften im Sinne des Betriebsrentengesetzes. Dies gilt insbesondere für Versicherungstarife, die entsprechend dem seit 1. Januar 2008 geltenden neuen VVG, und hier besonders § 169 VVG kalkuliert sind, wenn also die Systemkosten auf fünf Jahre verteilt in Ansatz gebracht werden.
Diese gesetzliche Vorgabe beruht auf Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Werthaltigkeit von Kapitalversicherungen und führt zu vergleichbaren Wertergebnissen. Laut BGH dürfen die Systemkosten den Kapitalbildungsprozess nicht unterbinden. Die Untergrenze für die Werthaltigkeit liegt bei rund 50 Prozent der aufgewendeten Beiträge (Urteil vom 12.10.2005, Az: IV ZR 162/03).
In der bAV kommen strukturell gleichartige Versicherungsverträge zum Einsatz, wie sie im Privatbereich üblich sind; auch sie unterliegen wie private Verträge den Regeln des VVG und VAG. Damit gelten die vom BGH erarbeiteten Grundsätze zur Werthaltigkeit von Kapitalversicherungen analog auch bei deren Nutzung im bAV-Bereich. Dies gilt explizit für das Regelwerk des neuen VVG, das zum Beispiel bezüglich des § 169 VVG keine Ausnahmen für den bAV-Bereich vorsieht.
Diese Überlegungen gelten unabhängig davon, ob die Kosten ratierlich auf die Gesamtlaufzeit des Vertrags oder nach § 169 Absatz 3 VVG auf die ersten fünf Jahre verteilt oder unmittelbar in den Vertrag eingebucht werden. Der Sparanteil muss aus den vorstehend genannten Gründen geringer sein als der Zahlbeitrag.
Versicherungsprinzip und Kapitaldeckung
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass zum Beispiel eine Hinterbliebenenversorgung keinen Sparvertrag darstelle, sondern Risikoabsicherung sei (Urteil vom 18.11.2008, Az: 3 AZR 277/07). Das Landesarbeitsgericht Köln weist darauf hin, dass bAV ein langfristiger Absicherungs- und Sparprozess auf die Regelaltersgrenze hin sei und deshalb der Störfall einer vorzeitigen Auskehrung des Rückkaufwerts nicht zum Maßstab der Anwartschaftsbewertung tauge (Urteil vom 13.8.2008, Az: 7 Sa 454/08). Diese Betrachtungen entsprechen der systematischen Grundregelung der bAV in § 1 Absatz 1 Satz 1 BetrAVG als Absicherung biometrischer Risiken, die mit Kosten verbunden ist.
Damit erhebt sich die berechtigte Frage, was diese Absicherung kostet und wie sich der damit verbundene Sparvorgang rentiert. Die Kosten äußern sich in der Differenz zwischen Beitragssumme und Rückkaufswert. Die Rendite-Frage kann jedoch nicht alleine mit dem Vergleich der Bruttozahlen von Aufwand und Leistung beantwortet werden. Auch Kapitalversicherungen leisten vor allem die planmäßige Abdeckung von im Einzelnen ungewissen, aber insgesamt schätzbaren Risiken durch ein Kollektiv. Wenn sich bei Versicherungen ein versichertes Risiko frühzeitig konkretisiert, kann die „Rendite“ mehrere Tausend Prozent betragen, allerdings um den Preis von Krankheit oder Tod. Auch müssen im Falle der bAV die abgabenrechtlichen Aspekte und die Folgen der nachgelagerten Besteuerung berücksichtigt werden, die nur individuell berechnet werden können.
Wert der kapital- und versicherungsgedeckten Versorgungsanwartschaft
Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine versicherungsgestützte bAV-Anwartschaft im Rahmen einer beitragsorientierten Leistungszusage durch Entgeltumwandlung insbesondere in der Anfangsphase nicht 100 Prozent der Summe der aufgewendeten Entgelte betragen kann und muss. Kosten fallen an und dürfen berücksichtigt werden. Je nach Alter, Qualität und Anzahl der abgesicherten Risiken liegt der Abschlag auf die Beitragssumme bei 10 bis 30 Prozent. Die Verzinsung des Deckungskapitals und sein planmäßiges Anwachsen durch die regelmäßige Beitragszahlung führen nach einigen Jahren zum Ergebnis, dass die Beitragssumme vom Deckungskapital und damit der erreichten Anwartschaft auf Altersversorgung überholt wird.
Wie sich die Werte Ihrer versicherungsgestützten Altersversorgung entwickeln, entnehmen Sie bitte den folgenden Tabellen:
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Vorteile des Merkblatts
Mit dem Merkblatt zur Wertentwicklung der bAV erreichen Sie dreierlei:
- Sie informieren umfassend über das System der bAV. Damit erfüllen Berater und auch Arbeitgeber ihre Informationspflichten zur bAV.
- Sie haben die Chance, dass Auskunftsersuchen zur Höhe der erworbenen Anwartschaften nach § 4a Absatz 1 BetrAVG überflüssig werden. Denn die diesbezüglichen Werte sind den Arbeitnehmern prinzipiell schon bekannt.