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26.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010422

Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 05.11.1997 – 12 K 168/96

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG
Im Namen des Volkes
Urteil

Az.: 12 K 168/96

In dem Finanzrechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1994

hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg - aufgrund der mündlichen Verhandlung - in der Sitzung, vom 5. November 1997 durch

Vorsitzenden Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

Ehrenamtliche Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen das Urteil ist die Revision an den Bundesfinanzhof nur statthaft, wenn das Finanzgericht sie zugelassen hat. Einer Zulassung zur Einlegung der Revision bedarf es nicht, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens im Sinne des § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden, ferner nicht für die Revision gegen Urteile in Zolltarifsachen.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Finanzgericht 1) einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben. Die Revision oder die Revisionsbegründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden.

Die Beschwerde ist beim Finanzgericht 1) einzulegen. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, von der das Urteil des Finanzgerichts abweicht, oder der gerügte Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 115 Abs. 3 und 2 FGO).

Wird die Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin zugelassen, so beginnt mit der Zustellung des Zulassungsbeschlusses der Lauf der Revisionsfrist. Die Revision ist dann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses schriftlich beim Finanzgericht 1) einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Revision muß das angefochtene Urteil angeben. Die Revision oder die Revisionsbegründung muß einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesfinanzhof muß sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Revision oder der Beschwerde. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte, welche die Befähigung zum Richteramt besitzen, vertreten lassen.

Schriftsätzen im Verfahren über die Revision bzw. Nichtzulassungsbeschwerde sollen so viele Abschriften beigefügt werden, wie Beteiligte vorhanden sind.

Tatbestand:

Der 1921 geborene Kläger (Kl) war von 1971 bis 1984 als selbständiger Handelsvertreter (Ausschließlichkeitsvertreter) für die AG tätig. Seit dem 1. Januar 1985 ist er Rentner. Seine Ehefrau, mit der er zusammen veranlagt ist, ist ebenfalls Rentnerin. Im Streitjahr erhielten beide Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Darüber hinaus bekam der Kl eine Rente aus der Versorgungskasse in Höhe von DM die unstreitig mit einem Ertragsanteil von 29 v.H. als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Ziff.1 Satz 3a Einkommensteuergesetz (EStG) der Besteuerung zugrunde gelegt wurde. Darüber hinaus erhielt er seit 1. Januar 1985 aus dem Vertreterversorgungswerk der (VVW) Bezüge, die sich im Streitjahr auf monatlich DM bzw. im Jahr auf DM beliefen. Die Bezüge aus dem WW werden allein von den Trägergesellschaften finanziert. Aufgrund von Betriebsvereinbarungen würde den selbständigen Vertretern anstelle eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB gemäß § 17 Abs.1 Satz 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I, 3610) Leistungen der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung aus Anlaß ihrer Tätigkeit für das Unternehmen zugesagt und dementsprechend dem Kl im Streitjahr ausbezahlt. Von diesen Bezügen zog die Krankenkasse des Kl Beiträge ein. Der Kl wehrte sich gegen diese Beitragspflicht vergeblich bis zum Bundessozialgericht, welches mit Urteil vom 10. März 1994 (12 RK 30/91) für Recht erkannte, daß diese Bezüge vom VVW nach § 180 Abs.8 Satz 2 RVO bzw. § 229 Abs.1 i.V.m. § 237 Satz 1 Nr.2 SGB V als den Renten vergleichbare Einnahmen gelten, die der Beitragspflicht zur Krankenkasse unterliegen. Daraus schloß der Kl, daß diese Bezüge auch steuerlich als Leibrenten im Sinne des § 22 Ziff.1 Satz 3 EStG zu werten und nur mit dem Ertragsanteil zu besteuern seien.

Der Beklagte (Bekl) behandelte diese Bezüge als nachträgliche gewerbliche Einkünfte gemäß § 24 Ziff.2 EStG, die er nach Abzug von DM 318 in Höhe von DM der Besteuerung in dem gemäß § 165 Abs.1 AO teilweise vorläufigen Bescheid vom 19. Juli 1995 über Einkommensteuer (ESt) für 1994 zugrunde legte. Der Einspruch vom 10. August 1994 wurde vom Bekl mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1996 zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 16. August 1996 machte der Kl geltend, die Finanzbehörden seien an die Entscheidung des BSG, wonach die Bezüge den Versorgungsbezügen eines Angestellten gleichgestellt seien, als Grundlagenbescheid gebunden. Er habe, als er sich zur Ruhe setzte, ein Wahlrecht gehabt, ob er die Bezüge des VVW oder einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB beanspruchen wolle. Den Ausgleichsanspruch hätte er nur zum ermäßigten Steuersatz versteuern müssen. Durch die volle Versteuerung werde er in verfassungswidriger Weise ungleich behandelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16. August 1996 verwiesen.

Der Kl beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 1996 den EStBescheid vom 19. Juli 1995 abzuändern, die Bezüge aus dem Vertreterversorgungswerk in Höhe von DM nicht als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln und die ESt entsprechend herabzusetzen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die Zuordnung der Einnahmen zu den gewerblichen Einkünften ergebe sich eindeutig aus dem Gesetz (§ 15 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 24 Nr.2 EStG) und der dazugehörigen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 25. März 1976 IV R 174/73, BStBl II 1976, 487). Die Sozialversicherungsrechtliche Behandlung sei unmaßgeblich und keinesfalls ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für die Finanzverwaltung. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liege nicht vor, wenn der Gesetzgeber die Einnahmen im Versicherungsrecht den Renten gleichstelle und im Steuerrecht den gewerblichen Einkünften zuordne, denn dafür gebe es sachliche Gründe. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 17. September 1996 und die Einspruchsentscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Einnahmen des Kl aus dem Vertreterversorgungswerk sind nachträgliche gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 24 Nr.2 EStG. Die Zahlungen stehen mit der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit des Kl als Versicherungsvertreter in engem wirtschaftlichen Zusammenhang. Der Kl hatte als selbständiger Versicherungsvertreter Provisionen als gewerbliche Einkünfte erzielt. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB, den auch ein Versicherungsvertreter (§ 89b Abs.5 HGB) erhält, wenn bei Vertragsbeendigung aus der Geschäftsverbindung mit den geworbenen Kunden dem Unternehmer ein Vorteil verbleibt, der Vertreter Ansprüche auf künftige Provisionen verliert und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht, gehört unstreitig zu den gewerblichen Einkünften gemäß § 15 i.V.m. § 24 Ziff.1c EStG. Wenn an die Stelle des Handelsvertreterausgleichsanspruchs gemäß §89b HGB eine voll vom Unternehmer finanzierte Betriebsrente tritt, besteht der Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vertreters weiter, so daß die Einnahmen nach § 24 Nr.2 EStG zu den nachträglichen gewerblichen Einkünften zu rechnen sind (Seeger in Schmidt, EStG-Kommentar, 16. Auflage, § 24 Rz.69 und 75). Schon mit Urteil vom 10. Oktober 1963 (VI 322, 323/61 U, BStBl III 1963, 592) hat der BFH bestätigt, daß der Rentenanspruch eines Handelsvertreters nicht nach § 22 EStG sondern nach § 24 i.V.m. § 15 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen ist, denn er beruht nicht auf einem vom Steuerpflichtigen aus seinem Vermögen gebildeten Rentenstammrecht. Das ist vom BFH mit Urteil vom 25. März 1976 (IV R 174/73, BStBl II 1976, 487) bestätigt worden. Wenn der Steuerpflichtige den Kapitalwert des Ausgleichsanspruchs nicht im Jahr der Aufgabe des Gewerbebetriebs als steuerpflichtiges Einkommen erklärt, dann müssen die laufenden Einnahmen als nachträglich gewerbliche Einkünfte versteuert werden. Das BFH-Urteil vom 31. März 1977 (IV R 111/76, BStBl II 1977, 618) spricht ebenfalls dafür, daß die laufenden Zahlungen, die an die Stelle des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b HGB getreten sind, als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu beurteilen sind, die allerdings nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Das BFH-Urteil vom 26. März 1987 (IV R 61/85, BStBl II 1987, 597) bestätigt, daß in solchen Fällen die Anwendung des § 22 EStG ausscheidet, weil die Einräumung des Rentenrechts durch berufliche Leistung veranlaßt ist. Soweit nach § 17 Abs.1 Satz 2 BetrAVG einem selbständigen Handelsvertreter eine unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung zusteht - wie im vorliegenden Fall - sind die Ansprüche beim Handelsvertreter nicht sofort zu aktivieren, sondern mit dem Zufluß zu versteuern (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1988 I R 44/83, BStBl II 1989, 323), weil ungewiß ist, ob er je in den Genuß der Versorgungsleistung kommen wird. Eine Besteuerung derjenigen Beträge beim Vertreter, die das Versicherungsunternehmen jährlich zugunsten des Vertreters in seiner Bilanz zurückstellt oder in eine Rentenversicherung einbezahlt, hat der BFH nicht in Erwägung gezogen, ebensowenig wie die Besteuerung der Versorgungsbezüge als sonstige Leistung nur mit dem Ertragsanteil. Da sich die Berechtigten am Vertreterversorgungswerk nicht mit eigenem Vermögen in die Pensionsregelung eingekauft haben, sind die daraus zufließenden Versorgungsbezüge nicht Leibrenten im Sinne des § 22 Nr.1 Satz 3 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1996 VI R 46/96, BFH/R 1997, 82).

Diesen Überlegungen schließt sich der Senat an. Da der Kl sich für das VVW entschieden hat, und deshalb verminderte Provisionseinnahmen versteuert hat, um sich nicht selbst aus dem steuerpflichtigen Gesamtbetrag seiner Einkünfte oder seinem Vermögen eine Altersversorgung aufbauen zu müssen, fließen ihm im Versorgungsfall nicht Anteile an einem eigenen Kapitalstamm und nur anteilige Zinserträge daraus zu, sondern der gesamte Zufluß ist Ertrag seiner früheren gewerblichen Tätigkeit.

Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs.1 EStG steht dem Kl nicht zu, denn als außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs.2 EStG nur Entschädigungen nach § 24 Nr. 1 EStG und Nutzungsvergütungen nach § 24 Nr.3 EStG in Betracht. Durch § 34 Abs.1 EStG sollen Härten, die infolge eines in einem Jahr zusammengeballten Zuflusses von Einnahmen durch die Erhöhung des Steuersatzes eintreten können, gemildert werden. § 34 Abs.2 EStG bezieht die nachträglichen Einkünfte gemäß § 24 Abs.2 EStG nicht in die Begünstigung ein. Dafür besteht im vorliegenden Fall auch kein Bedürfnis, weil durch die lebenslänglichen Zahlungen des VVW keine Zusammenballung von Einnahmen eintritt, die zu einer Erhöhung der Progression führt Der Kl erhält die in seiner aktiven Zeit verdienten Beträge in späterer Zeit bei verringerten Gesamteinnahmen, die damit bereits einer geringeren Steuerprogression unterliegen.

Einen Verstoß gegen Art.3 Abs.1 Grundgesetz (GG) kann der Senat nicht erkennen. Wie dargelegt, hat der Gesetzgeber sachliche Gründe für die bestehende Regelung gehabt. Eine willkürliche Regelung liegt nicht vor, wenn der Zufluß der Versorgungsbezüge beim Versicherungsvertreter erst im Zeitpunkt der Auszahlung der Versorgung besteuert wird. Wenn der Gesetzgeber andererseits zur Gleichstellung der Alleinvertreter mit den Arbeitnehmern die Versorgungsbezüge in die Krankenversicherungspflicht einbezogen hat, ist dies - wie sich aus dem Urteil des BSG vom 10. März 1994 ergibt -, ebenfalls nicht willkürlich. Die steuerliche und die sozialversicherungsrechtliche Regelung schließen sich nicht gegenseitig aus. Im übrigen ist nicht deutlich geworden, welche Sachverhalte nach Ansicht des Kl im wesentlichen gleich sein sollen, obwohl sie unterschiedlich der Besteuerung zugrunde gelegt werden.

Die sozialversicherungsrechtliche Entscheidung über die Beitragspflicht ist nicht Grundlagenbescheid im Sinne von § 171 Abs.10, § 182 Abs.1 AO für die Besteuerung des Zuflusses der Versorgungsbezüge. Die sozialbehördliche Entscheidung über die Versicherungspflicht ist bei der Besteuerung nicht bindend. Anders als bei der Feststellung einer Behinderung ist eine Bindung im Besteuerungsverfahren an Verwaltungakte der Sozialversicherungsbehörde hier weder ausdrücklich gesetzlich angeordnet noch läßt sie sich aus verbindlich übergeordneten Rechtsgrundsätzen ableiten (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 29. März 1990 III K 356/86, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1990, 620).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs.2 FGO nicht vorliegen.

RechtsgebieteFGO, EStG, HGB, RVO, SGB V, AO, BetrAVGVorschriftenFGO § 116 Abs. 1 FGO § 115 Abs. 3 FGO § 115 Abs. 2 FGO § 135 Abs. 1 EStG § 22 Ziff. 1 Satz 3 a EStG § 22 Ziff. 1 Satz 3 EStG § 22 EStG § 24 Ziff. 2 EStG § 24 Nr. 2 EStG § 24 EStG § 24 Nr. 1 EStG § 24 Nr. 3 EStG § 15 § 24 Ziff. 1 c EStG § 15 EStG § 34 Abs. 1 EStG § 34 Abs. 2 EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1 HGB § 89 b RVO § 180 Abs. 8 Satz 2 SGB V § 229 Abs. 1 SGB V § 237 Satz 1 Nr. 2 AO § 165 Abs. 1 AO § 171 Abs. 10 AO § 182 Abs. 1 BetrAVG § 17 Abs. 1 Satz 2