27.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102319
Bundesgerichtshof: Urteil vom 29.03.1995 – VIII ZR 102/94
1. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Versicherungsvertreterverträge hält die Klausel
"Ist der Vertrag gekündigt, so kann die Gesellschaft den Vertreter von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung entbinden.
Bis zur Beendigung des Vertrages erhält der Vertreter die ihm zustehenden Folgeprovisionen sowie eine monatliche Ausgleichszahlung. Die Folgeprovisionen bemessen sich aus dem Bestand im Zeitpunkt der Freistellung. Die Ausgleichszahlung bemißt sich nach dem monatlichen Durchschnitt der in den letzten 12 Monaten vor der Freistellung verdienten erstjährigen Provisionen"
der Inhaltskontrolle nach AGBG § 9 stand.
2. Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Versicherungsvertreterverträge, nach der der Vertreter ein Zurückbehaltungsrecht an herauszugebenden Unterlagen hat, "soweit über die Ansprüche aus dem Vertretungsvertrag noch Meinungsverschiedenheiten bestehen", ist unwirksam.
VIII ZR 102/94
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird unter deren Zurückweisung im übrigen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. November 1993 teilweise geändert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 11. Februar 1993 wird auch hinsichtlich der Klausel Nr. 821 zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verfolgt als Zusammenschluß der selbständigen Versicherungskaufleute und Bausparkassenvertreter Deutschlands nach seiner Satzung den Zweck, die beruflichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Belange des Berufsstandes wahrzunehmen. Die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, beschäftigt selbständige Versicherungskaufleute als hauptberufliche Vertreter. Vertreterverträgen legt sie ihre "Allgemeinen Vertragsbestimmungen für hauptberufliche Vertreter" (künftig: AVB) zugrunde. Diese enthalten folgende vom Kläger beanstandete Klauseln:
"802 Ist der Vertrag gekündigt, so kann die Gesellschaft den Vertreter von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung entbinden.
Bis zur Beendigung des Vertrages erhält der Vertreter die ihm zustehenden Folgeprovisionen sowie eine monatliche Ausgleichszahlung. Die Folgeprovisionen bemessen sich aus dem Bestand im Zeitpunkt der Freistellung. Die Ausgleichszahlung bemißt sich nach dem monatlichen Durchschnitt der in den letzten 12 Monaten vor der Freistellung verdienten erstjährigen Provisionen.
Der Anspruch auf die monatliche Ausgleichszahlung entfällt, wenn der Vertreter während der Zeit der Freistellung gegen Ziff. 4 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen verstößt.
(Nr. 4 AVB 1. Halbsatz lautet:
Der Vertreter darf während der Laufzeit dieses Vertretungsvertrages in den Versicherungszweigen, die die Gesellschaften führen, für andere Versicherungsunternehmen weder unmittelbar noch mittelbar tätig sein, in anderen Versicherungszweigen nur mit schriftlicher Zustimmung der Gesellschaft; ...)
20 Mit Vertragsbeendigung - oder, falls ein Vertreter gemäß Ziffer 802 von der Geschäftsführung entbunden ist, zu diesem Zeitpunkt - gibt der Vertreter der Geschäftsstelle oder einer von ihr beauftragten Person folgende Unterlagen zurück:
21 Der Vertreter hat ein Zurückbehaltungsrecht, soweit über die Ansprüche aus dem Vertretungsvertrag noch Meinungsverschiedenheiten bestehen."
Die Verwendung dieser Klauseln hat das Landgericht der Beklagten antragsgemäß untersagt. Auf deren Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage hinsichtlich der Klauseln 802 Abs. 1 und 2, 820 und 821 abgewiesen; bezüglich der Klausel 802 Abs. 3 ist die Berufung erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision des Klägers nur hinsichtlich der Klauseln 802 Abs. 1 und 2 sowie 821 angenommen. In diesem Umfang verfolgt der Kläger sein Unterlassungsbegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Annahme ihrer Anschlußrevision, mit der sie sich gegen das Verbot der Klausel 802 Abs. 3 gewandt hat, hat der Senat abgelehnt.
Entscheidungsgründe
I. 1. Das Berufungsgericht hat die Klausel 802 Absatz 1 und 2 für unbedenklich gehalten und dazu ausgeführt:
Das der Beklagten in Absatz 1 der Klausel eingeräumte Recht, einen Vertreter nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung für die Restlaufzeit des Vertrages von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung zu entbinden, verstoße als solches nicht gegen § 9 AGBG. Die ordentliche Kündigung lasse die beiderseitigen Vertragspflichten, insbesondere die der Beklagten zur Zahlung der Abschluß- und Folgeprovisionen für von ihr angenommene Versicherungsverträge unberührt. Eine Entbindungserklärung nach Absatz 1 der Klausel stelle somit lediglich eine einseitige Entbindung des Vertreters von allen vertraglich begründeten Verpflichtungen dar, verbunden mit der Erklärung der Beklagten, daß sie nicht mehr bereit sei, von dem Vertreter vermittelte Verträge abzuschließen. Eine solche Erklärung lasse bereits entstandene Ansprüche des Vertreters auf Folgeprovisionen unberührt. Soweit sie die Entstehung weiterer Abschlußprovisionen verhindere, werde dies durch die Verpflichtung der Beklagten ausgeglichen, den dem Vertreter entstehenden Schaden in Höhe der ihm entgehenden Abschlußprovisionen zu ersetzen. Diese Regelung benachteilige den Vertreter auch in Verbindung mit dem Konkurrenzverbot nach Nr. 4 AVB nicht unangemessen. Zwar sei er durch das Zusammenwirken der Entbindungserklärung und des bis zum Vertragsende fortgeltenden Konkurrenzverbots für die Dauer der Kündigungsfrist weitgehend an der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Versicherungsvertreter gehindert. Hierfür werde er aber dadurch angemessen entschädigt, daß er die Weiterzahlung von Folgeprovisionen und eine Entschädigung für ihm entgehende Abschlußprovisionen beanspruchen könne. Dadurch werde er so gestellt, wie er stünde, wenn der Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beiderseits ordnungsgemäß erfüllt würde. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen liege in einer solchen Regelung keine unangemessene Benachteiligung des Vertreters. Er unterliege zwar nach Nr. 4 AVB einem weitgehenden Konkurrenzverbot nicht nur für die von der Beklagten geführten Versicherungszweige, sei aber im übrigen in der Verfügung über seine Arbeitskraft frei, könne diese also zur Fortbildung in seinem Beruf und außerhalb des von dem Konkurrenzverbot erfaßten Bereichs einsetzen. Eine solche Einschränkung sei vor dem Hintergrund des Fortbestandes aller Ansprüche des Vertreters durch das Interesse der Beklagten an der Verhinderung der Abwerbung des von dem Vertreter für sie aufgebauten Kundenstammes gerechtfertigt.
Auch die Regelung der Zahlungsverpflichtungen der Beklagten in Absatz 2 der Klausel begegne keinen Bedenken. Daß die Ersatzleistung der Beklagten für die dem Vertreter entgehenden Abschlußprovisionen sich am monatlichen Durchschnitt der in den letzten zwölf Monaten verdienten erstjährigen Provisionen orientiere und keine Progression für die Restlaufzeit des Vertrages vorsehe, benachteilige den Vertreter nicht unangemessen. Denn für die Restdauer des Vertrages könne nicht allein mit einer Steigerung der Provisionseinnahmen, müsse vielmehr auch mit deren Rückgang gerechnet werden. Die Pauschalierung der Ersatzleistung in Höhe der letztjährigen Provisionen stelle daher eine die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigende Mittellösung dar. Auswirkungen auf andere als Provisionszahlungspflichten der Beklagten - etwa solche zur Zahlung von Bürokostenzuschüssen - seien der Klausel auch bei kundenunfreundlichster Auslegung nicht zu entnehmen.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
a) Die Revision beanstandet schon die in Absatz 1 der Klausel 802 geregelte Freistellungsbefugnis der Beklagten als solche, weil sie der Beklagten unter Verwischung der Unterschiede zwischen ordentlicher und außerordentlicher Kündigung die Möglichkeit eröffne, die Rechte und Ansprüche des Vertreters einseitig nach Gutdünken zu verkürzen. Im Zusammenwirken mit dem fortgeltenden Wettbewerbsverbot nach Nr. 4 AVB führe die Entbindung des Vertreters nach Absatz 1 der Klausel 802 für die Restlaufzeit des Vertrages zu einem Berufsverbot, dessen Nichtbeachtung zudem nach Absatz 3 der Klausel durch den Wegfall der monatlichen Ausgleichszahlungen sanktioniert sei. Einen solchen Zwang zu völliger Untätigkeit rechtfertige nicht einmal der dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach § 90 a HGB zugrundeliegende Rechtsgedanke. Die seit 1. Januar 1990 geltende Neufassung dieser Bestimmung beschränke das gesetzliche Wettbewerbsverbot in sachlicher, personeller und örtlicher Hinsicht. Die von der Beklagten verwendete Klausel lasse eine solche Beschränkung dagegen vermissen.
Diese Bedenken teilt der Senat nicht.
aa) Gegenstand der Klage ist nicht das Wettbewerbsverbot nach Nr. 4, sondern die Freistellungsregelung nach Nr. 802 AVB. Das Zusammenwirken beider Klauseln interessiert hier folglich nur insoweit, als eine nach Absatz 1 der Klausel 802 ausgesprochene Entbindung den Vertreter an der weiteren Ausübung seines Berufs hindert. Diese beschränkt sich indessen, da der Vertreter nur von der "Führung der Geschäfte seiner Vertretung" entbunden werden kann, in sachlicher, personeller und örtlicher Hinsicht auf den dem Vertreter zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und auf die Gegenstände, hinsichtlich derer er sich um die Vermittlung oder den Abschluß von Verträgen für die Beklagte zu bemühen hätte (vgl. § 90 a Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HGB).
bb) Fehl geht auch der Hinweis der Revision auf die in Absatz 3 der Klausel 802 vorgesehene Sanktion für Verstöße gegen das Konkurrenzverbot während der Dauer der Freistellung. Die Verwendung der Klausel 802 Abs. 3 ist der Beklagten durch die insoweit inzwischen rechtskräftige Entscheidung der Vorinstanzen untersagt. Sie hat deshalb bei der Inhaltskontrolle der Absätze 1 und 2 der Klausel 802 außer Betracht zu bleiben (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 1994 - VIII ZR 165/92 = WM 1994, 1121 = ZIP 1994, 461 unter XIII 2 b aa).
cc) In der Rechtsprechung der Instanzgerichte werden Freistellungsklauseln der hier in Rede stehenden Art gebilligt, sofern dem freigestellten Vertreter bis zum Ablauf der Vertragszeit die bisherigen Einkünfte fortgezahlt werden (LG Regensburg und OLG Nürnberg VersR 1992, 1223 f). Soweit sich das Schrifttum mit Freistellungsklauseln befaßt, nimmt es den gleichen Standpunkt ein (Küstner/von Manteuffel, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, 2. Aufl., Rdnrn. 1625 ff). Darüber hinaus wird eine Freistellung für die Dauer der Kündigungsfrist gegen Ausgleich des dadurch eintretenden Verdienstausfalls auch ohne vertragliche Grundlage für zulässig gehalten (Schröder, Recht der Handelsvertreter, 5. Aufl., § 89 Rdnr. 32; Küstner/von Manteuffel aaO Rdnr. 1652 a.E. für den Fall, daß der gekündigte Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden will; vgl. auch Staub/Brüggemann, GroßKomm.z.HGB, 4. Aufl., § 86 Rdnr. 27).
Der erkennende Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz. Die der Beklagten in Absatz 1 der Klausel 802 eingeräumte Befugnis, einen Vertreter für die Dauer der Kündigungsfrist von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung zu entbinden, soll im Interesse der Beklagten verhindern, daß der gekündigte Vertreter bei Vertragsende den von ihm geworbenen und betreuten Kundenstamm "mitnimmt" und einem Konkurrenzunternehmen zuführt. Dieses Interesse der Beklagten ist legitim und steht im Einklang mit der Wertung des Gesetzgebers, wie sie vor allem in § 90 a HGB für einen Regelungsbereich zutage tritt, der dem hier zu entscheidenden Interessenkonflikt eng verwandt ist: Die Bestimmung schränkt zwar die Möglichkeit der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zum Schutz des Handelsvertreters ein und sichert seinen Lebensunterhalt für die Dauer der Karenz. Den grundsätzlichen Interessenkonflikt zwischen Prinzipal und Vertreter um das Recht zur nachvertraglichen Nutzung des von dem Vertreter geworbenen Kundenstamms löst das Gesetz aber zugunsten des Unternehmers, indem es ihm überhaupt die Möglichkeit eröffnet, dem Vertreter auch noch für die Zeit nach Vertragsbeendigung ein Wettbewerbsverbot aufzuerlegen. Der Interessenwiderstreit, den die Klausel 802 zugunsten der Beklagten löst, ist gleichfalls nach dieser Wertentscheidung zu beurteilen, denn die Entbindung des Vertreters für die Dauer der Kündigungsfrist ist - im Zusammenwirken mit dem bis zum Vertragsende fortgeltenden Konkurrenzverbot nach Nr. 4 AVB - letztlich nichts anderes als ein vorgezogenes Wettbewerbsverbot im Sinne des § 90 a HGB. Während dem Vertreter dort für die Zeit nach Ablauf des Vertretervertrages Beschränkungen auferlegt werden können, die ihn daran hindern sollen, aus der Beziehung zu den von ihm geworbenen und betreuten Kunden zum Nachteil des Unternehmers Nutzen zu ziehen, wird im Streitfall dieselbe Wirkung zeitlich vorverlagert dadurch erzielt, daß der Vertreter für die Dauer der Kündigungsfrist von der Führung der Geschäfte seiner Vertretung entbunden werden kann. Die sich für ihn hieraus ergebende Beschränkung geht nicht weiter als diejenige, die dem Vertreter nach § 90 a HGB für die Zeit nach Vertragsbeendigung auferlegt werden kann. Sie benachteiligt den Vertreter daher nicht unangemessen, sofern sie, was sogleich noch zu erörtern sein wird, mit einer ausreichenden Entschädigungsregelung verbunden ist und nicht im Zusammenspiel mit (echten) Wettbewerbsabreden für die Zeit nach Vertragsbeendigung zu einer Wettbewerbsbeschränkung führt, die über die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren (§ 90 a Abs. 1 Satz 2 HGB) hinausgeht. Letzteres ist hier nicht der Fall, da die Entbindung nach der Klausel 802 sich naturgemäß auf die Dauer der Kündigungsfrist von maximal zwölf Monaten zum Quartalsende (Nrn. 801, 8014 AVB) beschränkt, das Konkurrenzverbot nach Nr. 4 AVB nur für die Dauer der Laufzeit des Vertretungsvertrages besteht und nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen für den Fall der Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung nicht vorgesehen sind (vgl. Nr. 813 AVB).
b) Nach Auffassung der Revision ist die Freistellungsregelung der Klausel 802 auch deshalb unangemessen, weil es an der gebotenen vollständigen Entschädigung des Vertreters für die mit der Freistellung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile fehle. Das Berufungsgericht verkürze seine hierzu angestellten Erwägungen in unzulässiger Weise auf den finanziellen Aspekt. Unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 89 Abs. 3 a.F. (jetzt Abs. 2) HGB erfordere es ein angemessener Interessenausgleich aber vor allem, dem Versicherungsvertreter während des Freistellungszeitraums die Möglichkeit einzuräumen, sich seinerseits von der Vertragsbindung zu lösen. Darüber hinaus fehle es aber auch an einer ausreichenden finanziellen Kompensation der mit der Freistellung verbundenen Nachteile. Die Bemessung der monatlichen Ausgleichszahlungen nach dem Durchschnitt der in den letzten zwölf Monaten vor der Freistellung verdienten Provisionen sei unzureichend, weil sie die Steigerung der Provisionseinkünfte nicht berücksichtige, die der gekündigte Vertreter bei Fortsetzung seiner Vermittlungstätigkeit erzielt hätte. Dies führe mittelbar auch zu einer Verkürzung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB. Schließlich schneide die Klausel entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in ihrer kundenunfreundlichsten Auslegung dem gekündigten Vertreter auch Ansprüche auf Bürokostenzuschüsse und auf "echte" Inkassoprovisionen ab.
Auch diese Einwände sind nicht berechtigt.
aa) Eine Klauselgestaltung, die es dem Vertreter ermöglichte, sich vor Ablauf der Kündigungsfrist aus der Vertragsbindung zu lösen, wäre nicht lediglich ein angemessener Ausgleich für die mit der Freistellung verbundenen Nachteile, sondern würde der Freistellung in Verbindung mit dem Konkurrenzverbot nach Nr. 4 AVB die Wirkung nehmen. Eine entsprechende Möglichkeit räumt die Bestimmung des § 90 a HGB, die sich auch hier wieder als Vergleichsmaßstab anbietet, dem Vertreter aber nur für den Fall ein, daß er das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Unternehmers gekündigt hat (§ 90 a Abs. 3 HGB). Für den Fall der Vertragsbeendigung durch Zeitablauf oder durch ordentliche Kündigung ist es dem Vertreter dagegen auch nach § 90 a HGB verwehrt, sich vor Ablauf der vereinbarten Karenzzeit von dem Wettbewerbsverbot zu lösen. Für die Frage einer vorzeitigen Lösung von der Freistellung nach der Klausel 802 Abs. 1 AVB kann nichts anderes gelten.
bb) Die Festschreibung der monatlichen Ausgleichszahlung auf den Monatsdurchschnitt der Provisionseinnahmen des zurückliegenden Jahres kann den Vertreter nur dann benachteiligen, wenn er im Falle der Fortsetzung seiner Vertretertätigkeit bis zum Vertragsende höhere als die zuletzt durchschnittlich verdienten Provisionen erzielt hätte. Ob dies der Fall gewesen wäre, entzieht sich, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt, einer verläßlichen Prognose. Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, daß in den zurückliegenden Jahren erzielte Steigerungsraten linear in die Zukunft fortgeschrieben werden können. In eine - wie die Revision formuliert "zukunftsorientierte" - Ermittlung der fiktiven Einkünfte des gekündigten Vertreters müßte auch die fiktive Wirkung der Kündigung einkalkuliert werden. Es mag sein, daß ein gekündigter Vertreter sich gerade während der Kündigungsfrist um eine Steigerung der Erfolge seiner Tätigkeit bemühen wird, um einen entsprechend höheren Ausgleich nach § 89 b HGB zu erzielen, wie die Revision geltend macht. Nicht minder nahe liegt indessen die Möglichkeit, daß ein Vertreter in der Endphase der Vertragsbeziehung besonders lukrative Abschlüsse mit Blick auf das nahe Vertragsende und die sich anschließende Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zurückstellt oder daß es ihm trotz gesteigerter Bemühungen nicht gelingt, das bisherige Provisionsniveau zu halten. Angesichts dieser Unwägbarkeiten hat das Berufungsgericht in der Bemessung der monatlichen Ausgleichszahlung nach dem letztjährigen Provisionsdurchschnitt mit Recht eine die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigende Mittellösung gesehen.
cc) Aus denselben Gründen begegnet die Entschädigungsregelung der Klausel 802 auch insoweit keinen Bedenken, als sie sich mittelbar auf die Höhe des dem gekündigten Vertreter nach § 89 b HGB zustehenden Ausgleichsanspruchs auswirken sollte. Daß sich das Berufungsgericht hiermit nicht eigens auseinandergesetzt hat, rechtfertigt nicht die von der Revision in diesem Zusammenhang zusätzlich erhobene Rüge fehlender Urteilsgründe (§ 551 Nr. 7 ZPO; vgl. BGHZ 39, 333, 338 f; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdnr. 27).
dd) Mit Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, daß die für den Fall der Entbindung vorgesehene Entschädigungsregelung Ansprüche des Vertreters auf Bürokostenzuschüsse nicht abschneidet. Selbst wenn die Klausel darauf abzielt, die Zahlungsansprüche des Vertreters für die Dauer der Freistellung abschließend zu regeln, wie die Revision geltend macht, k önnte ihr auch in ihrer dem Vertreter ungünstigsten Auslegung der Ausschluß eines Anspruchs auf Bürokostenzuschüsse nicht entnommen werden, denn der Regelungsbereich der Klausel beschränkt sich eindeutig auf Provisionen und die an ihre Stelle tretende Ausgleichszahlung.
Ob die Klausel Ansprüche auf Inkassoprovisionen ausschließt, bedarf keiner Entscheidung, weil nicht ersichtlich ist, daß Inkassoprovisionen in nennenswertem Umfang zu den Einkünften eines aktiven Versicherungsvertreters der Beklagten beitragen. Sachvortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf. Der Klausel 101 AVB ist im Gegenteil zu entnehmen, daß Beiträge von der Beklagten direkt eingezogen werden, eine Inkassotätigkeit ihrer Vertreter also nur ausnahmsweise anfällt.
ee) Zu Unrecht beanstandet die Revision in diesem Zusammenhang schließlich, das Berufungsgericht habe übersehen, daß die - auch nach seiner Auffassung unwirksame - Sanktionsklausel (802 Abs. 3) auf die Gesamtregelung der Klausel 802 ausstrahle. Denn wenn wegen der Unangemessenheit der Sanktionsklausel sogar die von der Beklagten vorgesehene Entschädigungsregelung lückenhaft sei, könne die zur Freistellung ermächtigende Regelung nicht bestehen bleiben.
Hierbei übersieht die Revision, daß der Wegfall der Sanktionsklausel nicht zur Lückenhaftigkeit der Entschädigungsregelung der Klausel 802 führt. Das Verbot, die unangemessene Klausel zu verwenden, wirkt sich ausschließlich zugunsten des Vertreters aus und kann deshalb denknotwendig nicht zur Unangemessenheit der Entschädigungsregelung führen.
II. 1. Die Klausel 821 hält das Berufungsgericht für unbedenklich. Es sei nämlich zu berücksichtigen, daß dem Vertreter an den in Nr. 820 AVB genannten Unterlagen ein Zurückbehaltungsrecht nur wegen fälliger Ansprüche zustehe und als Einrede von ihm geltend gemacht werden müsse. Verlange die Beklagte die Herausgabe der Unterlagen und weigere sie sich, fällige, nicht bestrittene oder anerkannte Ansprüche des Vertreters zu erfüllen, so bestünden damit Meinungsverschiedenheiten über die Ansprüche des Vertreters aus dem Vertretervertrag. Auch bei kundenfeindlichster Auslegung könne der Regelung daher eine Einschränkung des dem Vertreter zustehenden Zurückbehaltungsrechts nicht entnommen werden.
2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die Klausel 821 schließt jedenfalls in ihrer dem Vertreter ungünstigsten Auslegung ein Zurückbehaltungsrecht auch wegen fälliger, nicht bestrittener oder anerkannter Ansprüche aus. Sie verstößt daher gegen § 88 a Abs. 1 HGB und hält schon deshalb der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand (vgl. BGHZ 108, 1, 5; 118, 194, 198; BGH, Urteil vom 22. März 1989 - VIII ZR 154/88 = WM 1989, 799 = NJW 1989, 1673 unter II 2 f; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 41); ein solcher Verstoß ist auch im Verfahren nach § 13 AGBG zu beachten (BGHZ 108, 1, 5; 118, 194, 198 m.w.Nachw.). Die Klausel ist zudem mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren und auch aus diesem Grunde nach § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam. Denn Sinn und Zweck eines Zurückbehaltungsrechts ist es, wie die Revision zutreffend hervorhebt, nicht, Klarheit über die gegenseitigen Ansprüche zu schaffen, sondern dem Gläubiger ein Druckmittel zur Durchsetzung seiner Ansprüche an die Hand zu geben. Hiervon weicht die Klausel ab, indem sie das Zurückbehaltungsrecht davon abhängig macht, ob Meinungsverschiedenheiten über die Ansprüche aus dem Vertretungsvertrag bestehen, deren Durchsetzung das Zurückbehaltungsrecht dient. Eine solche Beschränkung des Zurückbehaltungsrechts ist dem Gesetz fremd. Sie ist auch systemwidrig, denn sie schwächt die Rechtsposition des Vertreters gerade für den Fall, daß seine Ansprüche unbestritten oder anerkannt sind. Die Klausel eröffnet daher der Beklagten die den Vertreter unangemessen benachteiligende Möglichkeit, ein nach dem Gesetz bestehendes Zurückbehaltungsrecht des Vertreters dadurch zu unterlaufen, daß sie seine Ansprüche anerkennt oder unbestritten läßt und dadurch Meinungsverschiedenheiten im Sinne der Klausel vermeidet.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, Meinungsverschiedenheiten - und damit ein Zur ückbehaltungsrecht - bestünden immer schon dann, wenn der Vertreter ein Zurückbehaltungsrecht an von der Beklagten herausverlangten Unterlagen geltend mache und die Beklagte sich weigere, nicht bestrittene oder anerkannte Verpflichtungen zu erfüllen. Denn in einem solchen Falle bestehen Meinungsverschiedenheiten gerade nicht über die unbestrittenen oder anerkannten Ansprüche aus dem Vertretungsvertrag, sondern allein darüber, ob dem Vertreter ein Zurückbehaltungsrecht auch dann zusteht, wenn die Beklagte sich weigert, Ansprüche zu erfüllen, die nach der Ansicht beider Vertragspartner bestehen. Meinungsverschiedenheiten über Bestand oder Ausschluß des Zurückbehaltungsrechts sind jedoch schon nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht dasselbe wie Meinungsverschiedenheiten über die vertraglichen Ansprüche, die mit Hilfe des Zurückbehaltungsrechts durchgesetzt werden sollen.