24.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112275
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 11.02.2010 – I-18 U 148/05
I-18 U 148/05
In Sachen
...
hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht sowie
die Richter am Oberlandesgericht
am 11.02.2010
beschlossen:
Gründe
I.
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, seinen Beweisbeschluss vom 02.11.2007 um folgende Fragen- bzw. Aufgabenstellung zu ergänzen:
1.
Wenn und soweit der Sachverständige die Fragen zu Ziffer II. des Beweisbeschlusses bejahen sollte, soll er - sofern möglich - auch zugleich dazu Stellung nehmen, ob die Richtigkeit der entsprechenden Darlegungen des Beklagten nicht nur plausibel oder nachvollziehbar erscheinen, sondern darüber hinaus festgestellt werden können.
2.
Für den Fall, dass der Sachverständige für sämtliche oder einzelne Versicherungssparten feststellen oder zumindest nicht ausschließen können sollte, dass in den Folgeprovisionen auch Anteile von Vermittlungsprovisionen enthalten sind, soll er für die jeweiligen Versicherungssparten weiter feststellen,
a.
ob die Vermittlungsanteile in den folgenden Jahren gleichmäßig oder degressiv verlaufen
b.
und sofern sie degressiv verlaufen weiter, in welchem Maße dies der Fall ist.
3.
Des Weiteren soll der Sachverständige unter den zu Ziffer 2. (ohne die Buchstaben a und b) genannten Voraussetzungen zu der Abwanderungsquote für die einzelnen Versicherungssparten Stellung nehmen.
II.
Der Senat weist die Parteien im Hinblick auf den Schriftsatz des Klägers vom 02.11.2009 auf Folgendes hin:
a.
Der Senat teilt die Ansicht des Klägers, dass aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 26. März 2009 oder aber der daraufhin erfolgten Änderung des § 89 b HGB dem Beweisbeschluss die Grundlage entzogen worden ist, nicht.
aa.
Zutreffend ist zwar, dass infolge der Streichung des § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB a.F. Provisionsverluste des Handelsvertreters keine Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs mehr sind und insbesondere dessen Höhe nicht mehr begrenzen. Ob diese Neuregelung des § 89 b HGB auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, ist für das derzeitige Verfahrensstadium der Beweiserhebung indes unerheblich.
bb.
Denn diese Neuregelung hat nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht zur Folge, dass ein Versicherungsvertreter seinen Ausgleichsanspruch nicht weiterhin nach den entgangenen Provisionen berechnen kann. Der Umstand, dass Handels- und Versicherungsvertretern diese Möglichkeit eingeräumt wird, beruht darauf, dass ihnen für gewöhnlich eine Darlegung der dem Unternehmer verbleibenden Vorteile nicht möglich ist und die Rechtsprechung diese Vorteile zumindest in Höhe der eingesparten Provisionen als gegeben erachtet. Diese Berechnungsmöglichkeit stellt folglich eine Erleichterung der Darlegungslast des Handels- bzw. Versicherungsvertreters dar. Natürlich bleibt ihm vorbehalten, stattdessen auch die dem Unternehmer verbleibenden Vorteile darzulegen und seinen Ausgleichsanspruch danach zu berechnen. Dies hat der Kläger indes bislang nicht getan. Seine Berechnung seiner Klageforderung beruht vielmehr auf die ihm seiner Ansicht nach entgangenen Provisionen und nicht auf die dem Beklagten verbleibenden Vorteile. Diesbezüglich vermag der Kläger auch nicht mit Erfolg auf seinen Schriftsatz vom 23.10.2001 (Bl. 320 f. GA III) zu verweisen. Denn in diesem sind lediglich die vorgeblich dem Beklagten verbleibenden Versicherungsprämien dargelegt. Der dem Unternehmer verbleibende Vorteil kann indes nicht mit den ihm verbleibenden Versicherungsprämien gleichgesetzt werden. Vielmehr sind auch die mit den Versicherungsverträgen verbundenen Kosten und Aufwendungen sowie etwaigen Versicherungsleistungen einzubeziehen. Diese sind vom Kläger jedoch nicht dargelegt.
b.
Weiter hat nach Ansicht des Senats die Neuregelung des § 89 b HGB auch nicht zur Folge, dass hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs eines Versicherungsvertreters eine Unterscheidung der Provisionsanteile für Vermittlungs- und für sonstige Leistungen nicht mehr erforderlich ist. Diese Unterscheidung beruhte nämlich nicht auf der Regelung des § 89 b Abs. 1 Nr. 2 HGB, sondern vielmehr auf - dem unveränderten - Absatz 5 dieser Vorschrift (siehe auch das Urteil des Bundesgerichtshofes in dieser Sache). Anders als beim Warenvertreter sind danach Grundlage der Ausgleichsberechnung nicht die Unternehmensvorteile und Provisionsverluste aus Folgegeschäften, die der Unternehmer während eines bestimmten Zeitraumes nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses voraussichtlich mit solchen Kunden abschließt, die der frühere Handelsvertreter als Stammkunden geworben hat, sondern allein die noch nicht (vollständig) ausgezahlten Provisionen aus (bereits) bestehenden, von ihm vermittelten Versicherungsverträgen (BGH a.a.O.).
c.
Der Senat beabsichtigt indes, seinen Beweisbeschluss wie unter Ziffer I. dargelegt zu ergänzen. Der bisherigen Fragestellung lag zugrunde, dass bei glaubhaftem und nachvollziehbarem Vortrag des Beklagten dem Senat nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 ZPO eröffnet ist, von der er ggfs. Gebrauch machen wollte. Hieran hält der Senat auch weiterhin fest. Er ist nach nochmaliger Zwischenberatung jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass der Sachverständige zugleich um Prüfung und Mitteilung gebeten werden soll, ob er auch entsprechende Feststellungen zu treffen vermag, sofern sich der Vortrag des Beklagten als plausibel und nachvollziehbar erweisen sollte, da dies eine noch sicherere Grundlage eines Urteils wäre, eine Schätzung somit nicht mehr erforderlich wäre und sich der Sachverständige ohnehin bereits mit der Fragestellung befassen muss. Des Weiteren beabsichtigt der Senat, die Fragestellung an den Sachverständigen auch bereits für den Fall zu ergänzen, falls dieser zum Schluss kommen sollte, dass in den Folgeprovisionen auch Vermittlungsanteile enthalten sein sollten. Dann wird - nach der derzeitigen Beurteilung des Senats - für die Höhe eines Ausgleichsanspruchs nämlich auch von Bedeutung sein, ob der Vermittlungsanteil in den Folgeprovisionen gleichmäßig oder degressiv enthalten ist und von welcher Abwanderungsquote bei den einzelnen Versicherungssparten auszugehen ist.
III.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen. Der Senat weist darauf hin, dass er für den Fall, dass Stellungnahmen nicht erfolgen sollten, unverzüglich den ergänzenden Beweisbeschluss erlassen und die Akten wieder an den Sachverständigen versenden wird.