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23.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130263

Landgericht Neuruppin: Beschluss vom 23.12.2012 – 5 O 267/11

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


5 O 267/11
Verkündet am 19.04.2012

Landgericht Neuruppin
Urteil
Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
XXXXXXXXXXXXXXXXX AG,
vertreten durch den Vorstand, XXXXXXXXXXXXXXXXXX
– Verfügungsklägerin –
Verfahrensbevollmächtigte. Rechtsanwälte XXX,
XXXXXXXXXXXXXX
gegen
XXXXXXXXXXXXX
XXXXXXXXXXXXXXXXXX
– Verfügungsbeklagte –
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. XXXXXXXXXXXXXXXXX
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin durch die Richterin am Landgericht Fischer auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2012 für Recht erkannt:
1. Die einstweilige Verfügung wird bestätigt.
2. Die Verfügungsbeklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin ist innerhalb des XXXXXkonzerns insbesondere für den Vertrieb zuständig. Unter ihrem Dach sind die Vertriebsmitarbeiter organisiert, die teilweise als Arbeitnehmer, teilweise als Handelsvertreter bei der Verfügungsklägerin tätig sind. Die Verfügungsbeklagte war bis Ende März 2010 als sogenannte Ausschließlichkeitsvertreterin für die Verfügungsklägerin als Vermittlerin für Versicherungsprodukte der Gesellschaften des XXXXXXXkonzerns tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit hatte die Verfügungsbeklagte die XXXXXXX beauftragt, sie als „XXXX Hauptvertretung XXXXXXX“ in den Verzeichnissen der XXXXXeintragen zu lassen und ihre Daten auch an Dritte weiterzugeben. In den Hinweisen zum Datenschutz bei Vertragsabschluss heißt es unter Ziff. 8 wie folgt:
Eintragung in Kommunikationsverzeichnisse und Auskunft:
Sofern Sie es beauftragen, verwenden wir Ihre Daten für gedruckte und/oder elektronische Verzeichnisse sowie Auskunftsdienste. Die XXXXX ist verpflichtet diese Daten an Dritte, die ebenfalls öffentliche Telekommunikationsverzeichnisse herausgeben oder eine Telefonauskunft betreiben, weiterzugeben. ... Sie können den Umfang der Veröffentlichung ihrer Daten jederzeit beschränken und der Nutzung Ihrer Daten für die Inverssuche jederzeit widersprechen. Ihre Daten werden dann weder in Verzeichnissen der Telekom veröffentlicht noch durch die Auskunftsdienste der Telekom mitgeteilt. Auch die Weitergabe der Daten an Dritte, die Telekommunikationsverzeichnisse herausgeben oder eine Auskunft betreiben, unterbleibt.
Der Weitergabe ihrer Daten hat die Verfügungsbeklagte nicht widersprochen.
Seit April ist die Verfügungsbeklagte als Versicherungsvertreterin für „XXXXXXXX“ tätig.
Am 1. Dezember 2011 stellte der bei der Verfügungsklägerin für die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ehemaliger Handelsvertreter zuständige Referatsleiter, XXXXXXX, fest, dass die Verfügungsbeklagte trotz Beendigung ihres Vertragsverhältnisses mit der Verfügungsklägerin weiterhin in verschiedenen Branchenbüchern im Internet mit „XXXXXX Hauptvertretung XXXXXXXXOranienburg“ und „XXXXX Hauptvertretung XXXXXX“ auftrat.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2011 ließ die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte wegen der Online-Branchenbucheintragungen abmahnen und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Verfügungsbeklagte lehnte die Abgabe der Erklärung ab.
Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer am 23. Dezember 2011 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt wurde, im Geschäftsverkehr in Online-Branchenbucheinträgen mit „XXXXX Hauptvertretung XXXXX Oranienburg“ und/oder „XXXX Hauptvertretung XXXXXX“ zu werben und/oder werben zu lassen.
Die Beklagte hat dieser einstweiligen Verfügung widersprochen.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, sie habe alle ihr obliegenden Handlungen zur Änderung ihrer Daten im Internet vorgenommen. Sie habe sich am 31.März 2010, also am Tag der Vertragsbeendigung, an ihren Vertragspartner, die XXXXXXXXXX gewandt und mitgeteilt, dass die Einträge ab dem 1. April 2010 zu ändern seien, nämlich von „alt: XXXX Hauptvertretung“ in „Neu: XXXXX Bezirksdirektion XXXXXXX Straße X in 16516 Oranienburg“. Damit habe sie alles getan, wozu sie ihrer Vertragspartnerin gegenüber nach deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verpflichtet sei.
Darin heißt es unter 4.2.3. ff.:
Die XXXXX stellt den Datensatz ihrer Telefonauskunft zur Auskunftserteilung bereit und veranlasst die Veröffentlichung in einem einmal jährlich erscheinenden gedruckten Verzeichnis.
Die XXXXX ist nach dem Telekommunikationsgesetz verpflichtet, Teilnehmerdaten dritten Unternehmen, die ihrerseits Auskunftsdienste, gedruckte Verzeichnisse oder elektronische Medien anbieten, zu überlassen. Die Weitergabe dieser Daten erfolgt ohne gewähr für die Veröffentlichung bei diesen Unternehmen. Die Form und insbesondere die Art und Weise der Gestaltung des zu veröffentlichenden Eintrages wird von den Herausgebern der gedruckten Verzeichnisse in elektronischen Medien festgelegt.
Bestätigungsschreiben
der Kunde erhält zur Kontrolle über den aufgenommenen Inhalt des Datensatzes ein Bestätigungsschreiben.
Weiter heißt es unter Ziff. 7.1 ff.
Der Kunde hat insbesondere die Pflicht, den Inhalt des Kundendatensatzes im Bestätigungsschreiben sorgfältig zu prüfen und Fehler unverzüglich der XXXXXmitzuteilen.
Der Kunde trägt die volle Verantwortung und Haftung für den Wahrheitsgehalt seiner Angaben.
Mit Schreiben vom 24.06.2010 habe die XXXX die Eintragung der Änderung bestätigt. Danach habe die Verfügungsbeklagte mit einem Mitarbeiter der XXXXX telefoniert, der ihr bestätigt habe, dass auch andere Telefonbücher sowie die Onlineseiten Klicktel und andere geändert seien. Am 30.09. 2010 habe die Beklagte festgestellt, dass auf den „Gelben Seiten“, „Klicktel“, „das Örtliche“ und „Telefonbuch“ die Änderungen vorgenommen worden seien. Im September 2011 habe die Verfügungsbeklagte dann bemerkt, dass im Internet in weiteren Branchenverzeichnissen Seiten vorhanden waren, in denen die Änderungen nicht vorgenommen worden waren. Sie habe die Seitenanbieter angeschrieben und Änderungen verlangt. Dies sei aber teilweise ohne Reaktion geblieben und eine Änderung sei nicht vorgenommen worden. Die Verfügungsbeklagte habe dann – wegen des Jahresendgeschäftes – die Suche im Internet nach weiteren fehlerhaften Einträgen aufgegeben und erst im Dezember 2011 wieder damit begonnen und weitere Anbieter angeschrieben.
Darüber hinaus habe sie parallel dazu ihre Kunden umfassend selbst informiert.
Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, es bestehe auch kein Verfügungsgrund, da die Verfügungsklägerin erst im Dezember 2011 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt habe, obwohl die Verfügungsbeklagte schon Ende März 2010 als Alleinvertreterin bei der XXXXX ausgeschieden sei. Damit habe die Verfügungsklägerin die Vermutung des Verfügungsgrundes selbst widerlegt.
Die Verfügungsklägerin hat die Internetausdrucke, die Hinweise der XXXXX zum Datenschutz und die eidesstattliche Versicherung des Referatsleiters der Verfügungsklägerin, XXXXX vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen.
1. Der nach §§ 916, 936 ZPO geltend gemachte, auf Unterlassung gerichtete Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1 und 3, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG.
a) Es besteht zwischen den Parteien ein Wettbewerbsverhältnis. Beide sind in der Versicherungsbranche tätig und vertreiben Versicherungs- und Finanzprodukte.
b) Bei den Online-Eintragungen der Verfügungsbeklagten handelt es sich um eine irreführende Werbung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Indem die Verfügungsbeklagte weiterhin mit „ XXXX Hauptvertretung XXXXXXX“ und „XXXXX Hauptvertretung XXXXXXX Oranienburg“ wirbt, entsteht der unzutreffende Eindruck, die Verfügungsbeklagte betreibe weiterhin ihre Allianz Generalvertretung.
c) Die Verfügungsbeklagte ist für die irreführenden Einträge auch verantwortlich. Denn sie hat es pflichtwidrig unterlassen, in ausreichender Weise dafür zu sorgen, dass die fehlerhaften Einträge nach ihrem Ausscheiden bei der Allianz gelöscht werden.
Pflichtwidrig ist ein Dulden oder Unterlassen dann, wenn eine Erfolgsabwendungspflicht besteht und die dazu erforderliche Handlung dem Verpflichteten möglich und zumutbar ist, diese Pflicht aber nicht erfüllt wird (Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, § 8 RN 2.16) Das ist vorliegend der Fall. Da die Verfügungsbeklagte selbst ihren Eintrag bei der XXXXXXXund auch die Weitergabe ihrer Daten an andere Branchenverzeichnisse veranlasst hat, hat sie selbst die Ursache für den späteren Wettbewerbsverstoß gesetzt. Sie hätte also auch dafür Sorge tragen müssen, dass die Eintragungen nach ihrem Ausscheiden wieder gelöscht bzw. geändert werden.
Zwar hat die Verfügungsbeklagte gegenüber der XXXXXX mit Fax-Schreiben vom 31.03.2010 die Änderung ihrer Daten zum 01.04.2010 beantragt. Dies ist unstreitig auch von der XXXXXX ausgeführt worden. Allerdings sind weiterhin fehlerhafte Eintragungen in anderen, kleineren Branchenverzeichnissen vorhanden gewesen und bisher nicht geändert worden. Dies hat die Beklagte bei ihrer Internetrecherche im September 2011 selbst festgestellt. Sie hat dann auch einige der Anbieter angeschrieben und die Änderung ihrer Daten bzw. deren Löschung verlangt, diese Tätigkeit aber – wie sie selbst ausgeführt hat – wegen des Jahresendgeschäftes wieder aufgegeben. Damit hat die Verfügungsbeklagte nicht alles getan, was zumutbar war, um die irreführenden Eintragungen zu beseitigen. Denn es reicht nicht aus, lediglich seinem Vertragspartner die Änderung mitzuteilen und darauf zu vertrauen, dass die geänderten Daten auch an die weiteren Branchenbuchanbieter weitergegeben werden.
Jedenfalls als die Verfügungsbeklagte selbst festgestellt hat, dass fehlerhafte Einträge in verschiedenen Branchenbüchern existieren, hätte sie selbst tätig werden und für die Entfernung dieser Einträge sorgen müssen. Denn wer diese Eintragung und auch die Weitergabe seiner Daten an Dritte veranlasst, kann sich nicht damit begnügen, lediglich seinem Vertragspartner gegenüber die Änderung mitzuteilen und darauf vertrauen, dass dieser auch die weiteren Löschungen in die Wege leitet. Die Verfügungsbeklagte hat sich der XXXXX als Multiplikator bedient, um ihre Daten an möglichst viele Branchenverzeichnisse zu Werbezwecken weitergeben zu lassen. Wenn diese die Daten trotz Änderungsmitteilung an die Telekom nicht korrigieren, kann sich die Beklagte nicht darauf zurückziehen, sie habe alles ihr Mögliche und Zumutbare getan, um die fehlerhafte Werbung zu beenden. Vielmehr hätte sie selbst die Branchenverzeichnisse weiter anschreiben und auf die Änderung ihrer Daten beharren müssen.
d) Wegen des fortbestehenden Wettbewerbsverstoßes ist eine Wiederholungsgefahr zu vermuten. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hat die Verfügungsbeklagte abgelehnt.
2. Der Verfügungsgrund im Sinne von §§ 917, 936 ZPO liegt vor.
Der Verfügungsgrund wird gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung hat weder die Verfügungsbeklagte widerlegt, noch ergibt sich dies aus dem Vorbringen der Verfügungsklägerin. Insbesondere ist nicht von einer Selbstwiderlegung durch langes Zuwarten auszugehen. Zwar liegt zwischen der Kündigung des Handelsvertretervertrages der Verfügungsbeklagten zu Ende März 2010 bis zum Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Dezember 2011 ein Zeitraum von rund 21 Monaten. Dieser Umstand allein reicht aber nicht aus, um die Verfügungsklägerin auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Verfügungsklägerin bereits früher Kenntnis erlangt haben müsste, ergeben sich hier nicht. Auch eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht im Sinne einer Obliegenheit in eigenen Angelegenheiten zur Erhaltung der Dringlichkeit gibt es nicht (vgl. Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG, 2. Auflage, § 12 RN 310).
Außerdem hat die Verfügungsklägerin die Kenntnis ihres für die Bewertung von Wettbewerbsverstößen zuständigen Referatsleiters, Jörg Mangold, von den Einträgen der Verfügungsbeklagten im Dezember 2011 durch Vorlage dessen eidesstattlicher Versicherung glaubhaft gemacht.
Die Verfügungsbeklagte hat als die Unterlegene die weiteren Kosten des Verfahrens gemäß § 91 ZPO zu tragen.
Streitwert: 30.000,- €