15.01.2014 · IWW-Abrufnummer 140134
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 25.11.2011 – I-16 U 234/09
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-16 U 234/09
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 10.11.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
I.
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Provisionsvorschüssen. Der Beklagte war für die Klägerin auf der Grundlage eines Vermögensberatervertrages vom 15.12.1992 in der Fassung vom 02.05.2000 als selbständiger Versicherungsvertreter tätig. Nach den vertraglichen Vereinbarungen erwarb der Beklagte einen Provisionsanspruch nur dann, wenn er einen Versicherungsvertrag vermittelt und der geworbene Versicherungsnehmer über eine bestimmte Zeit hin die geschuldeten Prämien an das betreffende Versicherungsunternehmen gezahlt hatte. Bei Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgte eine Zahlung in Höhe von 90% der vereinbarten Provision, mit den restlichen 10% wurden Rückstellungen gebildet. Wurde der Versicherungsvertrag während der sog. Haftungszeit storniert, erfolgte eine Rückbelastung des dem Kläger vorfinanzierten Betrages.
Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Rückzahlung von Provisionen in Höhe von 71.157,92 € nebst Zinsen in Anspruch, die auf die Vermittlung von Versicherungsverträgen entfielen, welche nach Darstellung der Klägerin aus Gründen nicht ausgeführt worden seien, die die Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten gehabt hätten.
Das Landgericht hat die Klageforderung nach Durchführung einer Beweisaufnahme zuerkannt und hierzu die Auffassung vertreten, die Klägerin sei ihrer Darlegungslast zur Stornobekämpfung hinreichend nachgekommen, während demgegenüber das pauschale Bestreiten des Beklagten unerheblich sei. Nach Einstellung der Tätigkeit für die Klägerin, sei diese nicht mehr verpflichtet gewesen, dem Beklagten selbst Stornomitteilungen zukommen zu lassen. Zwar stehe rechtskräftig fest, dass die fristlose Kündigung des Beklagten vom 26.02.2003 unberechtigt gewesen sei und das Vertragsverhältnis bis zum 30.06.2006 fortbestanden habe. Da jedoch zugleich feststehe, dass der Beklagte nach fristloser Kündigung und Einstellung seiner Tätigkeit für die Klägerin – unter Verstoß gegen das gegenüber der Klägerin bestehende Wettbewerbsverbot – Versicherungsverträge für andere Unternehmen vermittelt habe, sei es nicht erforderlich gewesen, dass der Beklagte noch über ins Storno laufende Verträge informiert worden sei, zumal die Klägerin selbst nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme alles unternommen habe, um die bestehenden Kunden im Bestand zu halten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er eine Klageabweisung anstrebt und für deren Durchführung er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er ist der Auffassung, die Rechtsansicht des Landgerichtes, auch bei einem fortbestehenden Vertrag müsse dem Versicherungsnehmer keine Möglichkeit zur Stornobekämpfung gegeben werden, sei nicht haltbar. Die Klägerin sei trotz seines Ausscheidens und der Einstellung jeglicher Vermittlungsbemühungen für sie gehalten gewesen, ihm bis zum Vertragsende weiterhin Stornogefahrmitteilungen bzw Stornomitteilungen zukommen zu lassen, was unstreitig nicht geschehen sei. Hierzu sei die Klägerin im Rahmen der weiterbestehenden Vertrags- und Fürsorgepflichten gehalten gewesen. Dass die Klägerin selbst Vertragserhaltungsmaßnahmen bei den stornierten Verträgen vorgenommen habe, sei bereits erstinstanzlich ausdrücklich bestritten worden.
Ohne Stornogefahrmitteilungen an den Beklagten habe sie daher keine wirksame Stornorückbelastung vornehmen können.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.
Wegen der Begr ündung wird auf die Ausführung des Senatsbeschlusses vom 28.07.2011 verwiesen. Dort hat der Senat wie folgt ausgeführt:
1.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten gem. §§ 92, 87a II HGB ein Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in Höhe des geltend gemachten Betrages von 71.157.92 € zu.
2.
Der Beklagte kann seiner Inanspruchnahme nicht mit Erfolg entgegenhalten, die von der Klägerin zurückverlangten Provisionsvorschüsse seien gem. §§ 92 II, 87a III S. 1 HGB als ins Verdienen angelangt anzusehen, weil die Klägerin es verabsäumt habe, ihm jeweils Stornogefahrmitteilungen zukommen zu lassen und die von ihm vermittelten Verträge auch nicht selbst nachbearbeitet habe.
a) Gemäß § 92 Abs. 4 HGB hat der Versicherungsvertreter - abweichend von § 87a Abs. 1 HGB - erst dann Anspruch auf Provision, wenn der Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Versicherungsvertretervertrag berechnet. Nach der Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB, die auch für den Versicherungsvertreter gilt ( BGH, Urteil vom 19. November 1982 - I ZR 125/80, VersR 1983, 371 unter I 2 a; BGH, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, VersR 2001, 760 unter II 2 c; MünchKommHGB/von Hoyningen-Huene, § 92 Rdnr. 25 m.w.Nachw.), besteht allerdings auch dann Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist; der Anspruch auf Provision entfällt im Falle der Nichtausführung aber, wenn und soweit diese auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat (BGH, Urteil vom 21. März 2001 aaO m.Nachw.).
Mit Rücksicht auf Besonderheiten, die sich aus der Natur des Versicherungsverhältnisses ergeben, ist anerkannt, dass das Versicherungsunternehmen im Regelfall nicht gehalten ist, im Klagewege gegen säumige Versicherungsnehmer vorzugehen, wenn außergerichtliche Maßnahmen erfolglos geblieben sind (von Hoyningen-Huene aaO, § 92 Rdnr. 31; Löwisch in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, 2. Auflage 2008, § 92 Rdnr. 19 je m.w.Nachw.). Die Nichtausführung (Stornierung) des Vertrages ist vielmehr schon dann von dem Versicherungsunternehmen nicht zu vertreten (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB), wenn es notleidende Verträge in dem gebotenen Umfang "nachbearbeitet" hat ( BGH, Urteil vom 19. November 1982 aaO unter I 2 b; Urteil vom 12. November 1987 - I ZR 3/86, NJW-RR 1988, 546 unter II 1; Urteil vom 21. März 2001 aaO; von Hoyningen-Huene aaO § 92 Rdnr. 28; Löwisch aaO § 92 Rdnr. 19, jew. m.w.Nachw.).
b) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bestimmen sich Art und Umfang der dem Versicherungsunternehmen obliegenden Nachbearbeitung notleidender Versicherungsverträge nach den Umständen des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 19. November 1982 aaO unter I 2 b; Urteil vom 12. November 1987 aaO unter II 1; Urteil vom 25.05.2000 – VIII ZR 279/04, VersR 2005, 1078). Danach kann das Versicherungsunternehmen entweder eigene Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen, was im Streitfall von ihm darzulegen und zu beweisen ist, oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst nachzubearbeiten. Stornogefahrmitteilungen sind somit nur eines von mehreren zur Stornoabwehr in Betracht kommenden Mitteln, unter denen das Versicherungsunternehmen die Wahl hat. Demzufolge besteht auch gegenüber einem noch in den Diensten des Versicherungsunternehmens stehenden Vertreter weder eine Pflicht noch auch nur eine Obliegenheit zu Stornogefahrmitteilungen (vgl. ausdrücklich BGH, Urteil vom 25.05.2005- VIII ZR 279/04 zitiert nach juris Rn. 11). Der Versicherungsvertreter hat weder bei noch bestehendem Vertragsverhältnis noch nach Vertragsende einen Anspruch darauf, dass ihm die Nachbearbeitung übertragen wird (Löwisch aaO § 92 Rdnr 19 mwN).
c) Erst Recht gilt dies vorliegend für den Beklagten, dessen Vertrag zur Klägerin zwar durch seine fristlose Kündigung nicht wirksam beendet wurde, der jedoch nach Selbstkündigung nicht mehr für seinen Vertragspartner, die Klägerin, sondern – wie das Landgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Senatsurteil vom 21.10.2005 in dem Verfahren I 16 U 161/04 vom Beklagten in der Berufungsbegründung unangegriffen festgestellt hat - für die Konkurrenz tätig war. Wie bei einem bereits wirksam beendeten Vertrag bestand hier in besonderem Maße die Gefahr, dass er bei Übermittlung von Stornogefahrmitteilungen anstelle der Nachbearbeitung des "alten" Versicherungsvertrages den Kunden für einen neuen Dienstherrn abwarb. Dies war der Klägerin nicht zuzumuten.
d) Dass ein Anspruch auf die Zusendung von Stornogefahrmitteilungen auch in dieser Situation – ausnahmsweise – zwischen den Parteien ausdrücklich vertraglich vereinbart gewesen sein soll, hat der Beklagte ebenfalls nicht dargetan. Eine dahingehende Regelung ist den vorgelegten Vertragsunterlagen auch nicht zu entnehmen.
3.
Soweit sich der Beklagte auch in der Berufungsinstanz ohne Auseinandersetzung mit den von der Klägerin schon erstinstanzlich umfangreich dargelegten Bestanderhaltungsmaßnahmen, dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme und den hierauf gestützten Feststellungen seine Behauptung wiederholt, Vertragserhaltungsmaßnahmen seien durch die Klägerin nicht durchgeführt worden, ist auf die vom Beklagten nicht angegriffenen umfangreichen und zutreffenden Feststellungen in der landgerichtlichen Entscheidung zu verweisen.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 06.09.2011 verwiesen, denen der Kläger nicht weiter entgegengetreten ist.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ein Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht.
Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 72.000 €.
D… S… Dr. V…
I – 16 U 234/09 3 O 400/04 Landgericht Kleve
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 15.12.2011durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht D…, die Richterin am Oberlandesgericht S… und den Richter am Landgericht Dr. V…
b e s c h l o s s e n :
Der Tenor des Senatsurteils vom 25.11.2011 wird wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit in Form einer Parteiverwechslung gem. § 319 Abs.1 ZPO wie folgt berichtigt:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 10.11.2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.