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30.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197388

Finanzgericht Köln: Entscheidung vom 01.06.2017 – 10 K 3444/15

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Köln

10 K 3444/15

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand 1

Streitig ist die Steuerbarkeit einer an den Kläger im Streitjahr 2009 gezahlten Verdienstausfall-Entschädigung der S Versicherung i.H.v. 213.422 €
als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 24 Satz 1 Nr. 1a i.V.m. § 19 EStG).

2

Der im Januar 1964 geborene Kläger war von 1986 bis Anfang 2000 bei der Firma B GmbH ... S in der Funktion eines ... beschäftigt und bezog in dieser Zeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Aufgabe des Klägers war das .... Im Rahmen einer Restrukturierungsphase schied er Anfang 2000 betriebsbedingt gegen Zahlung einer Abfindung aus, die ordnungsgemäß versteuert wurde.

3

Seit Februar 2000 stand der Kläger in keinem Arbeitsverhältnis mehr; auch eine andere berufliche Tätigkeit wurde bzw. wird nicht ausgeübt.

4

Infolge einer missglückten Operation am ....2003 im E Krankenhaus S kam es zu einem erheblichen Einschnitt in die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers. Der Kläger leidet heute noch unter den Folgen der Operation, durch die er erwerbsunfähig wurde. Seit Februar/März 2004 bezog er Hartz-IV-Leistungen und ging keiner Erwerbstätigkeit mehr nach (Einspruchsschreiben vom ....1.2014 sowie Bl. 6 des PV-Schreibens vom ....10.2015).

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Nach langwierigen Verhandlungen erklärte sich der Haftpflichtversicherer des Schädigers, die S Versicherung AG (Versicherung) im Streitjahr 2009 zu einer Zahlung von 490.000 € bereit, unter Anrechnung bereits geleisteter Vorschusszahlungen (vom ...2006 i.H.v. 30.000 €, vom ...2007 i.H.v. 5.000 €, vom ....2008 i.H.v. 10.000 € und vom ....2009 i.H.v. 5.000 €).

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Vorausgegangen war u.a. ein Schreiben des damaligen rechtlichen Vertreters des Klägers an die Versicherung vom ....2008, in welchem dieser für die Bemessung des Schmerzensgeldes die gegenwärtigen und künftigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers darlegte und ausführte, dass die Berechnung der Verdienstausfallentschädigung auf einen vollständigen und ungekürzten Erwerbsschaden auszurichten sei. Denkbar seien ein einmaliger Kapital- oder ein monatlicher Rentenbetrag unter Berücksichtigung der fortschreitenden Geldentwertung. Die Annahme der Versicherung, von derzeit nicht steigenden Reallöhnen auszugehen, könne nicht bis zum Renteneintritt des Klägers gelten, da ein Zeitraum von über 20 Jahren zu betrachten sei. Ferner wurde der Haushaltsführungsschaden des Klägers thematisiert. Mit einem weiteren Schreiben vom gleichen Tag übersandte der damalige Bevollmächtigte zur Ermittlung des entstandenen Verdienstausfalls eine Lohnabrechnung eines Berufskollegen des Klägers, dessen berufliche Vorbildung derjenigen des Klägers entsprach und der in einem vergleichbaren Betrieb in einem dem Kläger vergleichbarem Arbeitsfeld tätig war. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger in den Jahren von 2000 bis 2002 in K ergänzend zum Baugeräteführer mit allen Befähigungen ausgebildet worden sei.

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In der Folge erklärte sich die Versicherung mit Schreiben vom ...7.2009 zur abschließenden Regelung des Vorgangs bereit, dem Kläger insgesamt einen Betrag i.H.v. 490.000 € zur Verfügung zu stellen, nachdem der Kläger das Ergebnis des von ihm geführten Sozialrechtsstreits dahin mitgeteilt hatte, dass er keinerlei Leistungen des Sozialversicherungsträgers erhalten werde. Außerdem erklärte die Versicherung darin, im Vergleichsfall die Kosten der anwaltlichen Vertretung des Klägers mit dem dreifachen Satz nach dem Betrag des Vergleichs zu übernehmen. In der Anlage des Versicherungsschreibens war die auf den vorgenannten Betrag ausgefertigte Vergleichs- und Abfindungserklärung mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung beigefügt.

8

Der Kläger unterzeichnete die Vergleichs- und Abfindungserklärung am ...8.2009; gleichzeitig erklärte er darin, dass alle Schadensersatzansprüche aus dem Schadensereignis gegen Träger und Personal des E Krankenhaus S endgültig abgegolten seien. Vor der Rücksendung an die Versicherung erbat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom ...8.2009 noch eine Klarstellung der Versicherung über die Aufteilung des Vergleichsbetrags. In der anschließenden telefonischen Abstimmung kam man zu dem Ergebnis, dass das zunächst avisierte Schmerzensgeld zu hoch und der Bereich des Haushaltsführungsschadens unterbewertet sei; außerdem sei der avisierte Betrag von 235.000 € als Schadensersatz für entgangene und entgehende Einnahmen "zu unspezifisch". Notwendig sei außerdem eine eindeutige Klarstellung dahin, dass die Versicherung in Vertretung des Trägers und des Personals des E Krankenhaus S anlässlich des Schadensereignisses die vollständige Freistellung des Klägers gegenüber etwaigen Rückforderungsansprüchen der ARGE hinsichtlich der seit dem Schadensereignis erbrachten Leistungen an die Bedarfsgemeinschaft der Familie des Klägers übernehme. Daraufhin stellte die Versicherung mit Schreiben vom ...8.2009 wie vereinbart klar, dass sich die Summe wie folgt aufteilen sollte:

9
 
Schmerzensgeld    100.000 €      
Haushaltsführungsschaden    155.000 €      
Verdienstausfallentschädigung Vergangenheit    60.000 €      
Verdienstausfallentschädigung Zukunft    175.000 €     

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Nach Mitteilung der Großbetriebsprüfung M vom ...12.2013 zahlte die Versicherung daraufhin am ...8.2009 den vereinbarten Restbetrag von 440.000 € an den Kläger aus.

11

Nach Aktenlage suchte der Kläger am ....6.2009 das FA S (Bearbeiter Herr W) auf und bat dort unter Vorlage von nicht näher bezeichnetem Schriftverkehr um steuerliche Auskunft betreffend die anstehende Entschädigungszahlung, die nach den Erläuterungen des Klägers aus Schmerzensgeld und Haushaltsführungsschaden i.H.v. etwa 160.000 € und im Übrigen in der Abfindung eines Verdienstausfalls bestehen sollte. Der Bearbeiter hatte die Frage des Klägers zur Steuerbarkeit/Steuerpflicht der Entschädigung der Verdienstausfallentschädigung bejaht und auch auf die Steuererklärungspflicht des Klägers hingewiesen. In seiner Antwort-Mail an den Kläger vom gleichen Tage übermittelte der Bearbeiter dem Kläger Beispiele aus der Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 21.1.2004 - XI R 40/02, Urteil des Finanzgerichts Schleswig Holstein vom 12.05.2004 - 1 K 180/00), aus denen sich die Steuerpflicht der Zahlungen wegen erlittenen/künftigen Erwerbsschadens (Verdienstausfall) ergab. Außerdem unterrichtete Herr W die Bearbeiterin des Beklagten, Frau G, über die Besprechung mit dem Kläger.

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Der Kläger seinerseits informierte seinen Prozessbevollmächtigten über die Besprechung. Dieser teilte dem Kläger als Ergebnis seiner Überprüfung mit, dass Herr W die Urteile fehlerhaft ausgelegt habe. Die zugrunde liegenden Fälle seien nicht vergleichbar. Einmal sei es um einen Grundwehrdienstleistenden gegangen, der infolge eines von einem Dritten verschuldeten Unfalls eine Querschnittslähmung erlitten habe. Dort habe das Dienstverhältnis während des schädigenden Ereignisses bestanden. Ein an einen Nichterwerbstätigen geleisteter Erwerbsschaden sei demgegenüber nicht steuerbar. Im Übrigen sei es vorrangig um die Frage gegangen, ob der Zufluss der Entschädigung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen einer tarifbegünstigten Besteuerung entgegengestanden habe. Im anderen Fall sei die Schadensersatzleistung dem betrieblichen Bereich zuzurechnen gewesen und deshalb dem Streitfall ebenfalls nicht vergleichbar.

13

Mit Schreiben des Beklagten vom ....7.2010 sowie ....9.2010 wurden die Kläger zur Einreichung einer Einkommensteuererklärung das Streitjahr 2009 aufgefordert. Nach einem Aktenvermerk der seinerzeit zuständigen Sachbearbeiterin vom ....2.2014 auf dem Kläger-Schreiben vom ....1.2014 hatten die Kläger dazu allerdings angegeben, es handle sich um reines Schmerzensgeld, so dass der Beklagte seiner Aufforderung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2009 nicht weiter nachging und auch keine Schätzung vornahm.

14

Im Zuge einer Prüfung bei der Versicherung erhielt der Beklagte zum Ende des Jahres 2013 eine Kontrollmitteilung des FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M vom ....10.2013 über den Bezug einer Zahlung durch den Kläger i.H.v. 460.000 € in den Jahren 2008/2009, in denen auch Leistungen zum Ausgleich von Erwerbsschäden gemäß § 24 Satz 1 Nr. 1 EStG enthalten seien (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 21. Januar 2004 - XI R 22/03, BFH/NV 2004, 1226). Darauf forderte der Beklagte die Kläger unter Hinweis auf den Erhalt von steuerpflichtigen Schadensersatzleistungen nach § 24 Satz 1 Nr. 1 EStG mit Schreiben vom ....11.2013 auf, bis zum ....12.2013 Unterlagen über die erhaltene Entschädigung einzureichen. Die Kläger reagierten darauf mit Schreiben vom ....12.2013, in welchem sie ausführten, die Zahlung aufgrund der Vergleichs- und Abfindungsvereinbarung für nicht einkommensteuerpflichtig zu halten. Sie baten außerdem darum, den Urlaub ihres damaligen Steuerberaters bis zum ....1.2014 zu berücksichtigen. Bei Übergabe dieses Schreibens an den Beklagten am ....12.2013 reichten sie außerdem erstmals eine detaillierte Zusammenstellung der Entschädigungsleistung ein. Von dem Erlass eines kurzfristigen Schätzungsbescheides sah der Beklagte nach Aktenlage zunächst ab, weil er für das Streitjahr vom Fall einer Pflichtveranlagung ausging.

15

Im Hause des Beklagten wurde anschließend die Frage diskutiert, ob trotz Auszahlung der Entschädigung in mehreren Veranlagungszeiträumen ausnahmsweise eine Zusammenballung von Einkünften angenommen werden könne, weil der Kläger, der seine Existenzmittel aufgebraucht hatte, zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf den Bezug von Vorauszahlungen angewiesen gewesen sei. Eine erste Prüfberechnung des Beklagten hatte eine Steuerlast aufgrund des Versicherungszuflusses i.H.v. rd. 83.500 € ergeben.

16

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom ....01.2014 wurde die Einkommensteuer 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 37.050 € festgesetzt. Die Steuerfestsetzung beruht auf einer Schätzung gemäß § 162 AO, weil die Kläger trotz Aufforderung keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr abgegeben hatten. Dabei hatte der Beklagte die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit mit 235.000 € angesetzt und diese -- nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags -- dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG unterworfen.

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Mit ihrem Einspruch beriefen sich die Kläger im Wesentlichen auf Rechtsmissbrauch und die Nichtsteuerbarkeit der Entschädigungsleistung, da der Kläger im Jahr 2003 bei Eintritt des schädigenden Ereignisses nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. Außerdem sei eine etwaige Einkommensteuerforderung des Beklagten aus der Entschädigungszahlung bereits verjährt und damit erloschen. Denn es habe keine Steuererklärungspflicht für das Streitjahr bestanden, so dass die Festsetzungsfrist mangels Ablaufhemmung bereits zum 31.12.2013 abgelaufen sei.

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Der Beklagte erachtete den Einspruch unter Zuflussgesichtspunkten nur hinsichtlich der bereits in den Jahren 2006 bis 2008 zugeflossenen Entschädigungsbeträge als begründet. Bei seiner Berechnung nahm der Beklagte die Gesamtentschädigung i.H.v. 490.000 € als 100 % an und ging damit von einem insgesamt nach § 24 Satz 1 Nr. 1a i.V.m. § 19 EStG steuerpflichtigen Anteil von 47,96% (235.000 € = 47,96%) aus. Danach reduzierte er den nach seiner Auffassung steuerbaren Betrag auf 213.422 €, indem er die im Jahr 2009 zugeflossenen Beträge von 5.000 € (....04.2009) und 440.000 € (....08.2009) zu 47,96% als steuerpflichtig ansah.

19

Die Steuererklärungspflicht für 2009 ergab sich für den Beklagten aus § 25 Abs. 3 Satz 1 EStG, der durch § 56 EStDV näher ausgestaltet werde. Nach § 56 S. 1 EStDV hätten unbeschränkt Steuerpflichtige u.a. dann eine jährliche Einkommensteuererklärung für das abgelaufene Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) abzugeben, wenn keiner der Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei, bezogen und der Gesamtbetrag der Einkünfte mehr als das Zweifache des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 EStG in der jeweils geltenden Fassung betragen habe (bis 31.12.2009: 15.668 €). Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG werde, wenn das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bestehe, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei, eine Veranlagung nur durchgeführt, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, jeweils mehr als 410 Euro betrage. Die Vorschrift des § 46 EStG erfasse allerdings nur Arbeitnehmer mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden sei, was vorliegend weder beim Ehemann noch bei der Ehefrau der Fall gewesen sei. Danach bestehe eine Veranlagungspflicht gemäß § 56 S. 1 Nr. 1a EStDV. Aber selbst wenn man der Auffassung folge, dass der Lohnsteuerabzug auch dann als vorgenommen gelte, wenn sich nach der Lohnsteuertabelle keine Lohnsteuer ergebe und zu Recht kein Lohnsteuereinbehalt erfolgt sei, bestehe eine Veranlagungspflicht gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG, da die positive Summe der nicht dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfenden Einkünfte mehr als 410 Euro betragen habe. Der Lauf der vierjährigen Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO habe daher erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs begonnen, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO) hier also mit Ablauf des 31.12.2012, so dass die Einkommensteuer für 2009 erst mit Ablauf des Jahres 2016 verjähre.

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Die Steuerfestsetzung sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen gewesen. Entgegen der Auffassung der Kläger habe keine tatsächliche Verständigung dahin stattgefunden, die Entschädigungszahlung nicht zu versteuern, zumal auf Seiten der Finanzverwaltung kein zuständiger Amtsträger beteiligt gewesen sei. Auch eine verbindliche Zusage könne dementsprechend nicht angenommen werden. Im Übrigen sei die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen auf Fragen der Sachverhaltsermittlung beschränkt und nicht zur Klärung zweifelhafter Rechtsfragen zulässig. Überdies sei zu berücksichtigen, dass der Kläger den Sachverhalt nur unvollständig geschildert und nach einem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin vorgetragen habe, dass es sich um reines Schmerzensgeld gehandelt habe. Unzutreffende Angaben des Steuerpflichtigen seien nicht zur Schaffung eines Vertrauensschutztatbestandes geeignet.

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Es handle sich um steuerpflichtige Einnahmen. Zu den Einkünften i.S. § 2 Abs. 1 EStG gehörten auch Entschädigungen gemäß § 24 Nr. 1a EStG, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden seien. Eine steuerpflichtige Entschädigung sei gegeben, wenn die Ersatzleistung als Kompensation für eine weggefallene oder verschlechterte Einnahmeposition gewährt werde; Schadensersatz wegen anderer Rechtsgüter (Gesundheit, Leben, Eigentum) sei nicht steuerbar. Eine steuerpflichtige Entschädigung müsse daher dem Ausgleich eines Einnahmeausfalls dienen. Wenn die Entschädigung als Gesamtleistung erbracht werde, sei sie ggfs. im Schätzungswege aufzuteilen. Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG könnten auch von Dritten geleistet werden wie etwa im Streitfall von der Versicherung des Unfallverursachers. Hinsichtlich der Aufteilung der Gesamtsumme habe sich der Beklagte wie von der Rechtsprechung vorgegeben an der grundsätzlich maßgeblichen Sicht der Vertragsparteien orientiert.

22

Im Streitfall habe der Kläger ab Februar 2000 zwar nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis, aber dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden. Ausweislich der vorliegenden Kopie des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung vom ....7.2013 habe der Kläger in der Zeit von Februar bis 2000 bis ....3.2003 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit bezogen und damit auch dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden. Zumindest bis zur OP am ....2003 sei damit die Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses beabsichtigt gewesen, was sich auch aus dem Anwaltsschreiben vom ....12.2008 an die S Versicherung ergebe, wenn dort gefordert werde, dass die Berechnungen auf einen vollständigen und ungekürzten Erwerbsschaden ausgerichtet sein müssten. Zur Ermittlung des danach entstandenen Verdienstausfalles seien die Lohnabrechnung eines Berufskollegen des Klägers vorgelegt worden, dessen Tätigkeitsfeld dem Aufgabengebiet des Klägers bei der Fa. B entsprochen habe. Dabei sei in die Berechnung der Entschädigung auch die Ausbildung des Klägers zum Baugeräteführer in den Jahren 2000 bis 2002 einbezogen worden. Entsprechend der Forderung des damaligen Bevollmächtigten sei der Verdienstausfallschaden für die Vergangenheit im Schreiben der Versicherung vom ....2009 mit 60.000 € und für die Zukunft mit 175.000 €, mithin insgesamt 235.000 € beziffert worden. Von einer fiktiven Zuordnung seitens des Beklagten könne daher keine Rede sein. Maßgebend für die Besteuerung sei nicht, ob entsprechende Einnahmen bei Eintritt des Schadens tatsächlich erzielt wurden, sondern ob durch die Entschädigung entgangene oder zukünftig entgehende steuerpflichtige Einnahmen ersetzt würden.

23

Die mit der Entschädigungsleistung in Zusammenhang stehenden Werbungskosten seien mangels entsprechender Angaben des Klägers nur in Höhe des Pauschbetrags für Arbeitnehmer berücksichtigt worden. So sei im Schreiben der Versicherung vom ....7.2009 darauf hingewiesen worden, dass im Vergleichsfall die Kosten des Rechtsanwaltes zusätzlich mit dem 3-fachen Satz nach dem Betrag des Vergleichs durch die S Versicherung übernommen würden, so dass die Entstehung höherer Kosten nicht ersichtlich sei.

24

Die Kläger begehren die Aufhebung der angefochtenen Steuerfestsetzung und berufen sich nach wie vor auf eine fehlende Steuerbarkeit der Einnahmen, jedenfalls aber auf ein Erlöschen der Steuerschuld durch Ablauf der Festsetzungsverjährung. Überdies sei die Steuerfestsetzung missbräuchlich gewesen.

25

So habe der Lauf der Festsetzungsfrist bereits mit Ablauf des Jahres 2009 begonnen und entsprechend mit Ablauf des Jahres 2013 geendet. In Fällen, in denen das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bestehe, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde, werde eine Veranlagung nur unter den Voraussetzungen des § 46 EStG durchgeführt. Lägen die Voraussetzungen des § 46 EStG nicht vor unterbleibe eine Veranlagung, denn hier gehe die Spezialvorschrift des § 46 EStG dem § 25 EStG vor, so dass keine Steuererklärung abzugeben gewesen sei. Im Streitfall habe die Klägerin in 2009 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen, von denen ein Lohnsteuerabzug i.S.d. § 46 (2) S. 1 EStG vorgenommen worden sei. Denn ein Lohnsteuerabzug liege auch in den Fällen vor, in denen sich bei der Ermittlung der Lohnsteuer auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ein Lohnsteuerbetrag von null ergebe. Die Voraussetzungen einer Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG seien jedoch nicht gegeben, da die Grenze von 410 e€ nicht überschritten werde. Nach der Gesetzessystematik fielen Steuerpflichtige mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von vorn herein nicht unter den Anwendungsbereich des § 25 EStG, weil davon ausgegangen werde, dass bei dieser Personengruppe die Steuerschuld grundsätzlich durch den Lohnsteuereinbehalt abgegolten sei. Die an die Kläger gerichteten Aufforderungen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für 2009 vom ....7.2010 und vom ....9.2010 seien daher mangels Erklärungspflicht rechtswidrig gewesen.

26

Erstmals habe der Kläger den Beklagten am ....6.2009 um 9:30 Uhr aufgesucht. In dieser Besprechung mit der Sachbearbeiterin Frau G unter Hinzuziehung der weiteren Finanzbeamten (Herrn N und O) sei die Nichtsteuerbarkeit der Ersatzleistung festgestellt worden. Nach dem Erhalt von Erinnerungsschreiben zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2009 im maschinellen Mahnverfahren habe der Kläger den Sachverhalt mit Frau G am ....07.2010 und am ....09.2010 erneut dahin geklärt, dass keine Steuerbarkeit der Schadensersatzleistungen bestehe und für 2009 keine Einkommensteuererklärung abzugeben sei. Dies stelle eine tatsächliche Verständigung dar, an die der Beklagte nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sei. Beide Seiten seien in 2010 davon ausgegangen, dass die Entschädigungszahlung nicht der Einkommensteuer unterliege. Daher sei das neuerliche Schreiben des Beklagten vom 27.11.2013, in welchem die Kläger unter Hinweis auf den Erhalt von nach § 24 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtigen Schadensersatzleistungen aufgefordert sei, Unterlagen über die erhaltenen Schadensersatzleistungen bis zum ....12.2013 beim Beklagten einzureichen, für die Kläger völlig überraschend gewesen.

27

Darüber hinaus sei die Entschädigungszahlung nicht der Besteuerung zu unterwerfen, da sie keiner Einkunftsart i.S.d § 2 EStG zugerechnet werden könne. Eine Entschädigungsleistung sei nur dann steuerpflichtig, wenn sie als Ersatz unmittelbar für entgangene oder entgehende konkrete Einnahmen gezahlt werde. Der Steuerpflichtige müsse den Schaden danach durch den Wegfall von steuerpflichtigen Einnahmen erhalten haben; eine bloße Beziehung zu einer der Einkunftsarten reiche nicht aus (Hinweis auf BFH-Urteile vom 9.7.1992 - XI R 5/91, BStBI II 1993, 27, BFHE 168, 338, vom 29.2.2012 - IX R 28/11, BFHE 237, 56, BStBI II 2012, 569). Der Kläger habe seit Februar 2000 in keinem Arbeitsverhältnis gestanden. Er sei arbeitslos gewesen und habe auch zur Zeit der verunglückten Operation in keinem Arbeitsverhältnis gestanden. Er habe seit Februar/März 2004 Hartz-IV-Einnahmen bezogen, die nicht steuerbar seien. Durch die Entschädigung sei mithin kein Arbeitsverhältnis, sondern der Bezug von Hartz-IV beendet worden, so dass von unmittelbar entgangenen oder entgehenden konkreten Einnahmen keine Rede sein könne. Dementsprechend habe die Finanzverwaltung die dem Kläger übersandten Urteile des BFH vom 21.1.2004 - XI R 40/02 und das FG Schleswig Holstein vom 12.5.2004 - 1 K 180/00 unzutreffend ausgelegt. Im Fall des BFH sei es um einen Grundwehrdienst leistenden Kläger gegangen, der durch einen von einem Dritten verschuldeten Unfall eine Querschnittslähmung erlitten hatte. Dieser Fall unterscheide sich vom Streitfall dadurch, dass das schädigende Ereignis gerade in der Grundwehrdienstzeit eingetreten sei. Hätte der Geschädigte nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden, wäre die Zahlung nicht steuerbar gewesen, weil der an einen Nicht-Erwerbstätigen gezahlte Schadensersatz nicht steuerbar sei.

28

Der Fall des Finanzgerichts Schleswig Holstein sei ebenfalls nicht vergleichbar, weil es um einen Land- und Forstwirt gegangen sei, der aufgrund der unfallbedingten Beeinträchtigungen Mehraufwendungen für den Einsatz von Fremdkräften gehabt habe. Erforderlich sei eine eindeutige Zuordnung der Ersatzleistung zu einer der Einkunftsarten, die im Streitfall nicht möglich sei. Voraussetzung für die Steuerpflicht einer Schadensersatzleistung sei vielmehr kumulativ, dass der Empfänger der Leistungen Arbeitnehmer sei und in einem gegenwärtigen Arbeitsverhältnis stehe, der bestehende Arbeitsvertrag als bisherige Zahlungsgrundlage weggefallen sei, die Leistung an die Stelle der bisherigen Einnahmen (Arbeitslohn) trete und der Bezug außerdem auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruhe (Hinweis auf (BFH-Urteile vom 9.7.2002 - IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21; vom 10.9.1998 - IV R 19/96, BFH/NV 1999, 308; vom 6.11.2002 -Xl R 2/02, BFH/NV 2003, 745). Daran fehle es im Streitfall. Der Beklagte habe die Zuordnung der Einnahmen vielmehr fiktiv vorgenommen.

29

Der Kläger beantragt,

30

den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 20.1.2014 sowie die Einspruchsentscheidung vom 15.12.2005 aufzuheben,

31

hilfsweise Revision zuzulassen.

32

Der Beklagte beantragt,

33

die Klage abzuweisen.

34

Der Beklagte nimmt Bezug auf die Begründung in der Einspruchsentscheidung und verweist darauf, dass der Kläger von1986 bis Anfang 2000 bei der Firma B GmbH ... S in einem vierzehnjährigen Arbeitsverhältnis gestanden habe. Aus diesem Grunde könne er nicht mit einem zuvor niemals erwerbstätigen Hartz-IV-Empfänger verglichen werden. Auch die nachträgliche Fortbildung zum Baugeräteführer zeige, dass zumindest bis zur OP im Januar 2003 die erneute Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses beabsichtigt gewesen sei. Der Klägervertreter habe selbst angegeben, dass die Erwerbslosigkeit erst durch das schädigende Ereignis (die mussglückte Operation) herbeigeführt worden sei. Der dadurch bedingte Erwerbsschaden sei durch die strittige Versicherungsleistung ersetzt worden. Dies werde auch durch die Forderung eines diesbezüglichen Verdienstausfallschadens deutlich, für dessen Berechnung Lohnabrechnungen eines vergleichbar tätigen Arbeitnehmers herangezogen worden seien, dessen berufliche Vorbildung der des Klägers nach seiner abgeschlossenen Baugeräteführung entsprochen habe. Entgegen der Ansicht der Kläger sei nicht entscheidend, ob ein bestehender Arbeitsvertrag weggefallen sei. Es reiche aus, dass wegen der Schädigung die Möglichkeit weggefallen sei, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erzielen. Damit ist die erforderliche Kausalität der Zahlung mit den fehlenden Einkünften (nach § 19 EStG) gegeben.

35

Entscheidungsgründe

36

Die Klage ist unbegründet. Die vom Kläger im Streitjahr erhaltene Versicherungsleistung unterlag der Steuerpflicht nach § 24 Nr. 1 a EStG, § 2, § 19 EStG.

37

1. Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. von § 2 Abs.1 EStG auch Entschädigungen, die entweder als "Ersatz für
entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt worden sind. Steuerbar in diesem Sinne sind danach Leistungen, die an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten. Der Steuerpflichtige muss einen Schaden durch Wegfall von Einnahmen erlitten haben und die Zahlung muss unmittelbar dazu bestimmt sein, diesen Schaden auszugleichen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29.2.2012 - IX R 28/11, BStBI II 2012, 569, vom 11.1.2005 - IX R 67/02, BFH/NV 2005, 1044, vom 9.7.2002 - IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21).

38

a) Die Vorschrift des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG dient danach der Zuordnung zu den gesetzlichen Einkunftsarten der § 13 bis 22 EStG; sie ergänzt die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG, schafft jedoch keinen neuen eigenständigen Besteuerungstatbestand. Daher erfordert die Steuerbarkeit nach ständiger Rechtsprechung eine kausale Verknüpfung zwischen Entschädigung und den entgangenen Einnahmen. Entgegen der Auffassung des Klägers hängt die Steuerbarkeit damit anders als beim Tatbestand des § 24 Nr. 2 EStG gerade nicht davon ab, ob die zu prüfende Leistung Bezug zu einem konkreten Dienstverhältnis hat. So stand nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch der Besteuerung von Leistungen an einen unfallverletzten Wehrpflichtigen nach § 24 Nr. 1a EStG nicht entgegen, dass der dortige Kläger im Zeitpunkt des Schadensereignisses nicht in einem Dienstverhältnis stand, sondern dass er zu diesem Zeitpunkt (nach § 3 Nr. 5 EStG steuerfreien) Wehrsold bezog (BFH-Urteil vom 21.1.2004 - XI R 40/02, BFHE 205, 129 BStBl II 2004, 716).

39

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger in Bezug genommenen BFH-Urteilen vom 9.7.1992 - XI R 5/91, BStBI II 1993, 27, BFHE 168, 338, vom 29.2.2012 - IX R 28/11, BFHE 237, 56, BStBI II 2012, 569, vom 9.7.2002 - IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21, vom 10.9.1998 - IV R 19/96, BFH/NV 1999, 308 und vom 6.11.2002 – Xl R 2/02, BFH/NV 2003, 745. Soweit in diesen Entscheidungen die Frage aufgeworfen wurde, ob ein Bezug zu einem früheren Dienstverhältnis bestand, welches als Zahlungsgrundlage weggefallen war, und ob die Leistung auf einer neuen Rechts- und Billigkeitsgrundlage beruhe, ging es um die -- vorliegend nicht streitige -- Frage, ob eine Leistung als Erfüllungsleistung aus dem ursprünglichen Vertragsverhältnis oder als begünstigte Entschädigungsleistung zu bewerten war.

40

b) Allerdings scheitert die Anwendung des § 24 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn die als Ersatzleistung zu verstehende Entschädigung nicht eindeutig einer der gesetzlich vorgegebenen Einkunftsarten zugeordnet werden kann. Die entgangenen Einnahmen für die nicht ausgeübte Tätigkeit, für die die Ersatzleistung erfolgt, müssen demnach, falls die Tätigkeit ausgeübt und das Entgelt dafür gewährt worden wäre, einer Einkunftserzielungsart des § 2 EStG unterfallen sein; die bloße Beziehung zu irgend einer der Einkunftsarten genügt nicht (BFH-Urteil vom 21.9.1982 - VIII R 140/79 BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289 für das Unterlassen einer Wettbewerbstätigkeit unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 25.3.1975 - VIII R 183/73, BFHE 115, 472, BStBl II 1975, 634, vom 16.8.1978 – I R 73/76, BFHE 126, 199, BStBl II 1979, 120, vom 25.8.2015 - VIII R 2/13, BFHE 250, 420, BStBl II 2015, 1015, betreffend den Streit über die Frage, ob es sich um eine Ersatz- oder eine Erfüllungsleistung gehandelt habe und damit über die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, vom 16.8.1978 - I R 73/76, BFHE 126, 199, BStBl II 1979, 120 vom 19. Oktober 1978 VIII R 9/77, BFHE 126, 405, BStBl II 1979, 133 BFHE 248, 154, BStBl II 2015, 647; Urteil des FG Schleswig Holstein vom 12.05.2004 - 1 K 180/00, veröff. bei juris bzw. FGReport 2004, 54 betreffend die Steuerpflicht einer Versicherungsentschädigung an einen Landwirt zum Ausgleich eines Erwerbsschadens auch dann, wenn sich der Unfall auf einer Privatfahrt ereignet hat).

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c) Bei Entschädigungen wegen Körperverletzung ist zu unterscheiden zwischen Beträgen, die den Verdienstausfall ersetzen und solchen, die als Ersatz für Arzt- und Heilungskosten und die Mehraufwendungen während der Krankheit, sowie als Ausgleich für immaterielle Einbußen in Form eines Schmerzensgeldes gewährt werden. Nur soweit entgangene oder entgehende Einnahmen auf Grund der verminderten Erwerbsfähigkeit ersetzt werden, besteht eine Steuerpflicht i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Diese sind auch dann steuerbar/steuerpflichtig, wenn der Ersatz für entgehende Einnahmen von einem Dritten, hier der Versicherung des Unfallverursachers, gezahlt wird (BFH-Urteil vom 21.1.2004 - XI R 40/02, BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716: Querschnittslähmung eines Wehrdienstleistenden aufgrund eines durch Dritten verschuldeten Unfalls unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 16.12.1960 - IV 143/58 U, BFHE 72, 268, BStBl III 1961, 10 und vom 29.10.1959 - IV 235/58 U, BFHE 70, 234, BStBl III 1960, 87; ferner BFH-Urteil vom 6.11.2002 - XI R 2/02, BFH/NV 2003, 745; ebenso BFH-Urteil vom 21.2.1957 - IV 630/55 U, BFHE 64, 437, BStBl III 1957, 164 für einen "unfallbedingten Gewinnentgang"; sowie BFH-Urteil vom 13.4.1976 - VI R 216/72, BFHE 119, 247, BStBl II 1976, 694). Soweit die Einnahmen diese Voraussetzungen erfüllen und zum Ausgleich einer verminderten Erwerbsfähigkeit geleistet werden, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch die Argumentation unbehelflich, es könne nicht sein, dass die Kapitalabfindung eines zum „Krüppel“ gemachten Menschen steuerlich erfasst werde und der Staat Vorteile aus dem Schädigungsvorgang ziehe (BFH-Urteil vom 16.12.1960 - IV 143/58 U, BFHE 72, 268, BStBl III 1961, 10; ebenso BFH-Urteil vom 21.2.1957 - IV 630/55 U, BFHE 64, 437, BStBl III 1957, 164 für einen "unfallbedingten Gewinnentgang").

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c) Zu Recht hat der Beklagte nach diesen Grundsätzen angenommen, dass die im Streitfall gewährte Versicherungsleistung mit einem anteiligen Betrag i.H.v. 235.000 € dem Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG unterfiel und nach dieser Regelung steuerbar war. Zwar weist der Streitfall die Besonderheit auf, dass der Kläger ab Februar 2000 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis stand, allerdings hat der Kläger dem Arbeitsmarkt unstreitig zu Vermittlungszwecken zur Verfügung gestanden, was sich auch aus dem Bezug von Arbeitslosengeld I in der Zeit von Februar bis 2000 bis ....3.2003 ergibt. Dem entnimmt das erkennende Gericht, das zumindest bis zur OP am ...1.2003 die Absicht zur Wiederaufnahme eines Arbeitsverhältnisses bestand.

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Auch die letztlich zwischen Kläger und Versicherung übereinstimmend angenommene Schadensberechnung zeigt, dass durch den Teilbetrag von 235.000 € (resultierend aus einem für die Vergangenheit mit 60.000 € unterstellten und einem für die Zukunft mit 175.000 € geschätzten Verdienstausfallschaden) der Verlust der Erwerbsfähigkeit des Klägers ersetzt werden sollte, so dass entgegen der Auffassung des Klägers von einer fiktiven Zuordnung seitens des Beklagten keine Rede sein kann. Überdies war in dem Anwaltsschreiben des Klägers vom ...12.2008 an die Versicherung ausdrücklich gefordert worden, dass der zu ermittelnde Ersatzbetrag auf einen "vollständigen und ungekürzten Erwerbsschaden" ausgerichtet sein müsse. Die konkrete Ermittlung des zu ersetzenden Verdienstausfalles wurde auf die Lohnabrechnungen eines Berufskollegen des Klägers gestützt, dessen Tätigkeitsfeld dem Aufgabengebiet des Klägers bei der Fa. B entsprach. Ebenfalls in die Berechnung einbezogen wurde die Fortbildung des Klägers zum Baugeräteführer in den Jahren 2000 bis 2002, über die der Kläger seine Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen wollte und die ebenfalls zeigt, dass der Kläger auf der Suche nach einer geeigneten nichtselbständigen Tätigkeit gewesen ist. Hätte der Kläger die Einnahmen, deren Ausfall durch den Teilbetrag von 235.000 € entschädigt werden sollte und die auf der Basis einer konkreten Tätigkeit veranschlagt worden waren (hier im Bereich der Glasherstellung, die der Kläger nach der missglückten OP nicht mehr ausführen konnte), bei einem potentiellen Arbeitgeber erzielt, hätten diese Einnahmen als solche aus nichtselbstständiger Arbeit der Besteuerung unterlegen, so dass die enthaltene Entschädigungsleistung den erforderlichen hinreichenden Bezug zu Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit hat.

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d) Den zum Ausgleich des Verdienstausfallschadens insgesamt ersetzten Teilbetrag von 235.000 € hat der Beklagte -- ebenfalls zu Recht -- unter Zuflussgesichtspunkten (§ 11 EStG) im Jahr 2009 anteilig mit 213.422 € der ermäßigten Besteuerung unterworfen. Zunächst schließt sich das Gericht für die notwendige Aufteilung einer Gesamtleistung der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, die es für geboten hält, sich für die Aufteilung an der in der Entschädigungsvereinbarung zum Ausdruck kommenden Sicht der Vertragsparteien zu orientieren, solange keine Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Zusammenwirken erkennbar werden (BFH-Beschluss vom 25.3.1998 - IV B 30/97, veröff. bei juris; BFH-Urteile vom 9.8.1974 - VI R 142/72, BFHE 113, 239, BStBI II 1974, 714, vom 26.1.1984 - IV R 141/80, veröff. bei juris). Hinsichtlich der danach grundsätzlich steuerpflichtigen 235.000 € ist weiter zu berücksichtigen, dass im Streitjahr 2009 nur insgesamt 445.000 € der Gesamtentschädigung i.H.v. 490.000 € zur Auszahlung gelangt sind; die restlichen 45.000 € waren dem Kläger bereits in den Jahren 2006 bis 2008 zugeflossen. Das Gericht folgt insoweit der Berechnung des Beklagten, der für die Schätzung des anteiligen Zuflussbetrages mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in der Entschädigungsvereinbarung die Gesamtentschädigung i.H.v. 490.000 € als 100 % angenommen hat und davon ausgehend einen insgesamt nach § 24 Satz 1 Nr. 1a i.V.m. § 19 EStG steuerpflichtigen Anteil von 47,96% (235.000 € = 47,96%) ermittelt hatte, so dass der im Streitjahr 2009 mit 445.000 € zugeflossene Betrag ebenfalls nur mit einem Anteil von 47,96 % der Besteuerung zu unterwerfen war.

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e) Ebenfalls zu Recht hat der Beklagte den im Jahr 2009 steuerpflichtigen Betrag i.H.v. 213.422 € nur um den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 920 € gekürzt. Soweit die Kläger vorgetragen hatten, dass von den vermeintlichen Einnahmen i.H.v. 213.422 € noch Werbungskosten wie Anwaltskosten, Steuerberatungskosten, Gerichtskosten usw. in Abzug zu bringen seien, sind die Kläger nicht der Aufforderung nachgekommen, die ihnen konkret entstandenen Werbungskosten genau zu beziffern und anhand geeigneter Unterlagen zu belegen, ob derartige Kosten von dritter Seite getragen bzw. im Nachhinein erstattet worden sind. Vielmehr beinhaltete das Schreiben der Versicherung vom ....7.2009 ausdrücklich, dass im Vergleichsfall die Kosten des Rechtsanwaltes zusätzlich mit dem 3-fachen Satz nach dem Betrag des Vergleichs durch die S Versicherung übernommen würden.

46

2. Die Steuerfestsetzung war nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen. So ergibt sich nach Aktenlage und auch aus dem Vortrag der Kläger keine tatsächliche Verständigung dahin, die Entschädigungszahlung nicht zu versteuern. Dies ergibt sich schon daraus, dass an den vom Kläger angeführten Gesprächen mit der Bearbeiterin des Beklagten auf Seiten der Finanzbehörde kein zuständiger Amtsträger (Vorsteher oder der zuständige Sachgebietsleiter der Veranlagungsstelle, vgl. BFH‑Urteil vom 5.10.1990 - III R 19/88, BFHE 162, 211, BStBI II 1991, 45) beteiligt war. Ebenso wenig kann dementsprechend eine verbindliche Zusage angenommen werden (BFH-Beschlüsse vom 16.10.2006 - I B 228/04, nicht veröffentlicht; vom 9.12.2004 – VII B 129/04, BFH/NV 2005 und vom 31.3.2004 - I R 71/03, BFHE 206, 42, BStBI II 2004, 742). Im Übrigen wäre eine die Steuerpflicht der Entschädigung verneinende tatsächliche Verständigung auch unzulässig und damit unwirksam, da tatsächliche Verständigungen auf Fragen der Sachverhaltsermittlung beschränkt und nicht zur Klärung zweifelhafter Rechtsfragen zulässig sind (BFH-Urteile vom 4. März 1998 X R 142/94, BFH/NV 1998, 965, 968, vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996). Überdies war zu berücksichtigen, dass der Kläger den Sachverhalt nur unvollständig geschildert und nach einem Aktenvermerk der Sachbearbeiterin vorgetragen hatte, dass es sich um reines Schmerzensgeld gehandelt habe.

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3. Dem Erlass des angefochtenen Bescheides stand schließlich auch keine Festsetzungsverjährung entgegen, die den Steueranspruch zum Erlöschen gebracht hätte

48

47 AO).

49

a) Nach § 169 Abs. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist grundsätzlich vier Jahre. Sie beginnt nach § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. Abweichend davon beginnt die Festsetzungsfrist nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift in Fällen, in denen eine Steuererklärung einzureichen ist, erst mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.

50

b) Danach war im Streitfall die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer 2009 bei Bescheiderlass am ....1.2014 noch nicht abgelaufen. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die Festsetzungsfrist für die mit Ablauf des Kalenderjahres entstandene Einkommensteuer 2009 nach § 170 Abs. 1 AO regulär mit Ablauf des Jahres 2013 abgelaufen wäre, da die Kläger jedoch trotz Steuererklärungspflicht keine Steuererklärung für das Streitjahr 2009 abgegeben hatten, begann der Lauf der Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, welches auf das Kalenderjahr der Steuerentstehung (Ablauf des Jahres 2009) folgte, also mit Ablauf des Kalenderjahres 2012, so dass der vorliegend streitgegenständliche Bescheid vom ....1.2014 noch ergehen durfte.

51

aa) Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG wird, wenn das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen wurde, eine Veranlagung nur durchgeführt, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, jeweils mehr als 410 Euro beträgt.

52

bb) Diese Vorschrift bezieht sich auch auf solche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die ausnahmsweise nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen (BFH-Urteile vom 21.2.2003 - VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496 für eine Entschädigung wegen nicht genommenen Urlaubs sowie vom 24.10.1997 - VI R 23/94, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323 für Trinkgelder). Auch bei der vom Kläger bezogenen Entschädigung handelte es sich um einkommensteuerpflichtige Einkünfte im Sinne von § 24 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a), § 19 EStG, welche nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25.5.1970 - I R 77/99, BFHE 99, 303, BStBl II 1970, 640) und welche den Grenzbetrag des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.H.v. 410 € überstiegen, so dass aufgrund der danach durchzuführenden Veranlagung eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung für das Streitjahr 2009 bestand.

53

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

54

5. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, ob Ersatzleistungen für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a) EStG von der Besteuerung ausgenommen werden müssen, wenn im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits seit drei Jahren kein Erwerbsverhältnis mehr besteht, und die Ersatzleistung daher nur potentiell erzielbare Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit ausgleicht.