01.03.2018 · IWW-Abrufnummer 199914
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 25.07.2017 – 17 U 108/96
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten und auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das am 2. August 1996 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 89 O 29/96 - unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlußberufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, dem Beklagten einen Buchauszug über die Geschäfte zu erteilen, die er persönlich vermittelt hat und/oder die ihm die in seiner Eigenschaft als Regionaldirektor der Klägerin unterstellten Mitarbeiter der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. März 1996 vermittelt haben, und zwar bezüglich Versicherung, Bausparverträgen und sonstigen Geldanlagen und wegen aller Umstände, die bis zum 4. Juni 1997 eingetreten sind.
Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin 9/10 und dem Beklagten 1/10 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 700 DM abwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 23.000 DM abwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist im Bereich der Finanzdienstleistungen tätig. Sie vermittelt Vermögensanlagen, Bausparverträge und insbesondere Versicherungen, wobei sie - zumindest im Verhältnis zu einigen Versicherungsgesellschaften - die Stellung einer selbständigen Handelsvertreterin innehat. Der Beklagte war seit 1985 aufgrund eines Mitarbeitervertrages vom 11./17. Oktober 1985 (GA 11) bei der Klägerin in der Außendienstorganisation beschäftigt. In Ziffer 8.5 des (Formular-) Vertrages ist für "alle beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrage" eine "Verjährungsfrist von 12 Monaten, gerechnet von der Fälligkeit an" vereinbart. Am 5./13. Juli 1988 schlossen die Parteien einen "Zusatzvertrag für leitende Mitarbeiter" (GA 9). Im Frühjahr 1995 endete die Tätigkeit des Beklagten, die er zuletzt auf der zweithöchsten Ebene auf der Stufe eines "Direktors" ausgeübt hatte. Darüber gab es einen "Landesdirektor", den Zeugen R. S., der seinerseits unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt war.
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Die Klägerin zahlte dem Beklagten während der Vertragszeit wiederholt sogenannte "Orgakostenzuschüsse" in unterschiedlicher Höhe und ohne besondere schriftliche Vereinbarungen, insbesondere ohne Vereinbarungen über eine Rückzahlungspflicht. Die Parteien streiten darüber, welchem Zweck solche Zuschüsse jeweils dienen sollten. Unstreitig brauchte der Beklagte keinen Verwendungsnachweis zu führen.
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Unter dem 2. Mai 1996 schlossen die Parteien eine Vereinbarung (GA 8), in der es u. a. heißt:
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"1. Der Mitarbeiter (Beklagter) erhält ab 01.05.1995 bis 31.10.1995 einen monatlichen Orgakosten-Zuschuß in Höhe von DM 1.500,--.
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2. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die Dauer von 24 Monaten, ab 01.05.1995 das Vertragsverhältnis zur OVB (Klägerin) nicht zu kündigen."
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Unter Ziffer 3. und 4. folgen Vereinbarungen, die nach eigener Darstellung der Klägerin nur für den Fall gelten sollen, daß eine Rückzahlungspflicht gemäß Ziffer 3. der Vereinbarungen entsteht.
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Der fragliche Vertragstext wurde von der Klägerin formularmäßig verwendet; entsprechende Vereinbarungen wurden mit vielen Mitarbeitern abgeschlossen.
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Von Mai bis September 1995 zahlte die Klägerin an den Beklagten als "Orgakosten-Zuschuß" monatlich - also fünfmal - 1.500 DM, noch im September zahlte sie weitere 3.500 DM und in den drei Folgemonaten jeweils 5.000 DM, insgesamt also 26.000 DM.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 1996 kündigte der Beklagte den Mitarbeitervertrag zum 31. März 1996 (GA 6). Die Parteien gehen übereinstimmend davon, aus, daß die Kündigung fristgerecht gewesen sei. Die Klägerin kündigte das Vertragsverhältnis ihrerseits fristlos unter dem 5. Februar 1996 (GA 30) und begründete dies mit "zahlreichen Pflichtverletzungen", durch die das Vertrauensverhältnis "endgültig zerstört" worden sei. Die Klägerin hatte an dem Tag, an dem sie die Kündigung aussprach (Montag, der 5. Februar 1996), einschließlich der Kündigung des Beklagten insgesamt 154 Kündigungs-schreiben von Mitarbeitern aus der "Landesdirektion S." erhalten, darunter auch von solchen aus der "Struktur" des Beklagten. Die Kündigungen standen in zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung einer eigenen Firma durch den Landesdirektor S., der seinen Mitarbeitervertrag ebenfalls kündigte. Herr S. hatte Ende des Jahres 1995 damit begonnen, eine neue Gesellschaft, die ..... Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzberatung GmbH & Co. KG, zu gründen, in der der Beklagte als "Generaldirektor" arbeitet. Die gesamte Landesdirektion des Herrn S. erzielte im Jahr 1995 einen durchschnittlichen Monatsumsatz von 54.388,53 Einheiten. Im Januar 1996 wurden, ein-schließlich der Regionaldirektion des Beklagten, 7.122,06 Einheiten produziert. Im März 1996 wurde kein Umsatz mehr getätigt. Die meisten Mitarbeiter der Klägerin, deren Kündigungen am 5. Februar 1996 bei ihr eingingen, wurden anschließend in der Firma ....... tätig.
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Die Klägerin verlangt die Rückzahlung des ab Mai 1995 gezahlten Orgakosten-Zuschusses von insgesamt 26.000 DM. Sie hat behauptet, im August 1995 habe sie sich mit dem Beklagten über eine Erhöhung der im Mai 1995 vereinbarten Orgakosten-Zuschüsse geeinigt und dem-entsprechend gezahlt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.000,00 DM nebst 5% Zinsen seit dem 10. Februar 1996 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat Zahlungen bestritten, die über fünfmal 1.500 DM hinausgehen. Hilfsweise hat er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, das ihm wegen der Ansprüche zustehe, die er mit der Widerklage geltend gemacht hat.
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Widerklagend hat der Beklagte beantragt,
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die Klägerin zu verurteilen,
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1. ihm einen Buchauszug zu erteilen, der den Zeitraum seit dem 1. Januar 1994 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung umfaßt,
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2. ihm die laufenden Provisionsabrechnungen, insbesondere auch hinsichtlich der sogenannten Orga-Provisionen, nach dem 29. Januar 1996 zu erteilen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, der Beklagte habe die Provisionsabrechnungen regelmäßig erhalten. Die eingeklagten Abrechnungen seien ihm zuletzt - erneut - mit Schreiben vom 9. April 1996 übersandt worden.
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Hinsichtlich der Ansprüche auf einen Buchauszug hat die Klägerin die Auffassung vertreten, solche könnten dem Beklagten nicht zustehen, weil er alle notwendigen Informationen durch die Abrechnungen erhalte. Im übrigen hat sie hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit vor dem 21. März 1995 die Einrede der Verjährung erhoben.
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Das Landgericht hat die Klägerin verurteilt, dem Beklagten einen Buchauszug für die Zeit vom 22. März 1995 bis 12. Juli 1996 und für die Zeit nach dem 29. Januar 1996 bis Ende Februar 1996 zu erteilen. Der Beklagte ist verurteilt worden, an die Klägerin 26.000 DM Zug um Zug gegen den Buchauszug und die Provisionsabrechnungen zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 2. August 1996 Bezug genommen.
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Gegen diese Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet. Er wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung und gegen die Aberkennung eines Anspruchs auf einen Buchauszug für die Zeit vor dem 22. März 1995. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält er einen entsprechenden Anspruch nicht für verjährt.
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Die Klägerin hat gegen das Urteil Anschlußberufung (unselbständig) eingelegt. Sie beanstandet das Urteil, soweit der Widerklage stattgegeben worden ist und soweit ihre Klage nur Zug um Zug gegen Erteilung von Buchauszug und Abrechnungen Erfolg gehabt hat. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihren erst-instanzlichen Sachvortrag.
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Der Beklagte beantragt,
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1. die Klage abzuweisen,
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2. die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen,
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a) ihm einen Buchauszug über die seit dem 1. Januar 1994 bis zum 31. März 1996 der Klägerin vermittelten Geschäfte, die er persönlich und/oder die ihm in seiner Eigenschaft als Regionaldirektor der Klägerin unterstellten Mitarbeiter der Klägerin vermittelt haben, zu erteilen, und zwar bezüglich Versicherung, Bausparverträgen und sonstigen Geldanlagen und zwar ferner wegen aller Umstände, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht eingetreten sind,
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b) ihm die Provisionsabrechnungen zu erteilen, die bei den Provisionsläufen Mitte Februar und Ende Februar 1996 erstellt worden sind.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen;
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2. auf die Anschlußberufung,
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a) den Beklagten uneingeschränkt zur Zahlung zu verurteilen, also ohne die Zug-um-Zug-Einschränkung,
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b) die Widerklageanträge des Beklagten insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin stellt ihre Behauptung zur Erweiterung der Vereinbarung vom 2. Mai 1995 (GA 8) dahin klar, daß für die ab September 1995 gezahlten Zuschüsse, auch soweit sie in ihrer Höhe über die Vereinbarung von Mai 1995 hinausgehen, Ziffer 2 - 7 der fraglichen Vereinbarung gelten sollten.
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Die Klägerin ist der Ansicht, ihre fristlose Kündigung vom 5. Februar 1996 sei wirksam. Sie geht davon aus, aufgrund der Vorgänge um die Neugründung der Firma ....... "stehe fest", daß der Beklagte sich zu einem Zeitpunkt, als er noch Mitarbeiter der Klägerin war, daran beteiligt haben müsse, ihm nachgeordnete Mitarbeiter der Klägerin für die neue Firma ....... des Herrn S. abzuwerben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die von ihnen überreichten Unterlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage und zur Erweiterung der Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges. Die zulässige Anschlußberufung der Klägerin hat nur in geringem Umfang Erfolg; sie führt allein zur Abweisung der Widerklage, soweit Provisionsabrechnungen verlangt werden.
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Indem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (anders als in der Berufungsbegründung) auch einen Antrag bezüglich der Provisionsabrechnungen formuliert hat, liegt keine Erweiterung seiner Berufung vor. Der gestellte Antrag geht nicht über die erstinstanzlich von ihm bereits erstrittene Verurteilung der Beklagten hinaus. Durch die Neuformulierung dieses Widerklageantrages hat der Beklagte nur Bedenken Rechnung getragen, die der Senat insbesondere in bezug auf die sprachliche Formulierung hatte.
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I. Die Klage ist unbegründet.
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Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen Zahlungen auf einen Orgakosten-Zuschuß erhalten hat. Sein entgegenstehender Vortrag ist unsubstantiiert und daher unbeachtlich, § 138 Abs. 3 ZPO. Im übrigen hat er den Empfang des Geldes zuletzt sogar eingeräumt (GA 278). Er trägt nur noch vor, die Zahlungen, die über die Vereinbarung vom 2. Mai 1995 hinausgehen, nicht aufgrund einer Erweiterung dieser Vereinbarung, sondern als "einfache", nicht rückzahlbare Orgakosten-Zuschüsse erhalten zu haben.
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Auf die zuletzt nur noch streitige Frage, ob die Ziffern 2 bis 7 auch für die zusätzlich erfolgten Zahlungen gelten sollten, kommt es nicht an.
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1. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung des empfangenen Geldes ergibt sich nicht aus Ziffer 2 und 3 der Verein- barung vom 2. Mai 1995, denn diese verstößt gegen § 9 AGBG in Verbindung mit § 89 Abs. 2 HGB und ist deshalb unwirksam. Die Klauseln wurden von der Klägerin formular-mäßig in einer Vielzahl von Fällen verwendet, so daß das AGB-Gesetz anwendbar ist, § 1 Abs. 1 AGBG. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der §§ 84 - 92 HGB Anwendung. Der Beklagte wurde von der Klägerin, die ihre Tätigkeit nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien als Handelsvertreterin ausübt, als Untervertreter eingesetzt (vgl. z. B. Schlegelberger/ Schröder, HGB, 5. Aufl., § 92 Rn. 4). Der Beklagte erzielte seinerseits Provisionen auch aus der Tätigkeit von Mitarbeitern, die ihm in "seiner" Struktur nachgeordnet waren.
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§ 89 HGB in der seit dem 1. Januar 1990 gültigen Fassung findet Anwendung. Auch für vor dem Stichtag abgeschlossene Verträge sind die durch das Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handels-vertreter geänderten Bestimmungen seit dem 1. Januar 1994 anwendbar, Art. 29 EGHGB.
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Aus § 89 Abs. 2 HGB ist zu folgern, daß die Vereinbarung von Kündigungserschwernissen zu Lasten des Handels- vertreters unzulässig ist (HGB-Großkommentar-Brüggemann, § 89 Rn. 14, Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 89 Rn. 16, 27). Der Handelsvertreter darf nicht durch Vereinbarungen über Kündigungsfristen und Kündigungsbedingungen benachteiligt werden. Ziffer 2 und 3 der Vereinbarung vom 2. Mai 1995 sehen aber - in unzulässiger Weise - eine Sanktion für den Fall vor, daß der Beklagte das Vertragsverhältnis vor dem 30. April 1997 kündigen sollte. Ziffer 2 ist sogar dahin formuliert, daß der Beklagte sich verpflichtete, im fraglichen Zeitraum keine Kündigung auszusprechen. Hierin liegt ein eindeutiger Verstoß gegen § 89 Abs. 2 HGB. Aufgrund der Vereinbarung in Ziffer 3 ist zwar klargestellt, daß die Parteien in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des § 89 HGB eine dennoch eventuell ausgesprochene Kündigung nicht als unwirksam ansehen wollten. Sie sollte aber sanktioniert werden durch die im Fall der Kündigung Platz greifende Rückzahlungspflicht. Die Klägerin wollte durch Zahlungen, die sie über einen Zeitraum von sechs Monaten, den sie hier später auf acht Monate erweiterte, den Handelsvertreter auf zwei Jahre an sich binden, also für einen längeren Zeitraum als ihr dies ohne die fragliche Vereinbarung möglich gewesen wäre. Die Kündigung des Beklagten sollte durch die fragliche Vereinbarung erschwert werden. Die Vereinbarung einer "Strafe" für den Fall der Kündigung ist mit den Grundgedanken des § 89 Abs. 2 HGB nicht vereinbar (vgl. auch Urteil des LG Frankfurt vom 5.3.1975 - 3 O 314/74).
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Da die Entscheidung zu der Frage, ob § 89 Abs. 2 HGB jegliche Erschwernis des Kündigungsrechts verbietet, grundsätzliche Bedeutung hat und da höchstrichterliche Urteile zu diesem Komplex - soweit ersichtlich - nicht ergangen sind, ist die Revision in bezug auf die Klage zuzulassen (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
69
2. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Orgakosten-Zuschusses ergibt sich für die Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 812 ff. BGB. Die Zahlungen sind nach ihrer eigenen Darstellung in Erfüllung der getroffenen Vereinbarung (Ziffer 1) vom 2. Mai 1995 geleistet worden, also mit Rechtsgrund. Nur die Verein- barungen über die Rückzahlungspflicht sind unwirksam.
70
Mit Rechtsgrund sind auch die Beträge geleistet worden, die über die ursprüngliche Vereinbarung hinausgingen. Auch diese Beträge sind als "Orgakosten-Zuschuß" gezahlt worden. Nach Darstellung der Klägerin ist insoweit vereinbart worden, daß für die Zusatzzahlungen die Konditionen gelten sollten, die unter dem 2. Mai 1995 vereinbart waren. Nach Darstellung des Beklagten (die die Klägerin sich hilfsweise zueigen gemacht hat) ist von Orgakosten-Zuschüssen aus- zugehen, die - wie dies vor dem 2. Mai 1995 geschah - ohne Vereinbarungen über eine Rückzahlbarkeit gezahlt worden sein sollen. Welche Darstellung richtig ist, kann dahin- stehen, weil die Beträge in beiden Fällen mit Rechtsgrund gezahlt worden sind.
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II. Die Widerklage ist teilweise begründet.
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1. Der Beklagte hat einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges für provisionspflichtige Geschäfte, die in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. März 1996 abgeschlossen worden sind, § 87c Abs. 2 HGB.
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Der Beklagte hat seinen Anspruch in zweiter Instanz hin- reichend präzisiert. Der jetzt gestellte Antrag hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt.
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Provisionspflichtig sind die Geschäfte aus der sogenannten Struktur des Beklagten, die in der Zeit bis zum 31. März 1996 abgeschlossen worden sind. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist vorher nicht beendet worden. Die fristlose Kündigung der Klägerin vom 5. Februar 1996 war unwirksam. Jedenfalls hat die Klägerin Gründe, die eine fristlose Kündigung gemäß § 89a Abs. 1 HGB rechtfertigen könnten - soweit sie überhaupt als substantiiert anzusehen sind - nicht unter Beweis gestellt. Sie trägt die Beweislast und damit die Nachteile des nicht geführten Beweises.
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Die Klägerin behauptet zu den Kündigungsgründen, der Beklagte habe sich an Abwerbeaktionen des früheren Mit- arbeiters S. beteiligt. Sie geht davon aus, daß eine entsprechende Aktivität des Beklagten sich aus den unstreitigen Umständen ergebe, nämlich insbesondere aus der Vielzahl der Kündigungen und dem zeitlichen Zusammenhang mit der Neugründung der Firma ........ Indes ist ein solcher Schluß nicht zwingend. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß der entsprechende Vortrag der Klägerin sich im Bereich der Spekulation bewegt. Die von der Klägerin vor- getragenen Geschehnisse lassen zwar Rückschlüsse auf ein planmäßiges Vorgehen des Mitarbeiters S. zu. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Mehrzahl der Mitarbeiter, deren Kündigung am 5. Februar 1996 bei der Klägerin einging, Anschlußverträge mit Herrn S. abgeschlossen hatten. Daß der Beklagte dabei mitgewirkt hat, die Mit- arbeiter für Herrn S. "abzuwerben", läßt sich aus den Umständen jedoch nicht schließen. Seine - eventuelle - Beteiligung an diesen Vorgängen ist offen.
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Auch die - unstreitige - Entwicklung der Umsatzzahlen im Jahr 1996 läßt keinen Rückschluß auf Vertragsverletzungen des Beklagten zu, die eine fristlose Kündigung recht- fertigen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie die Zahlen aus der "Struktur" des Beklagten sich entwickelt haben. Sie hat global die Entwicklung aus dem Gesamtbereich S. mitgeteilt. Es ist nicht einmal dargelegt, wie viele Mitarbeiter auf der Ebene des Beklagten unter dem "Landes-direktor" S. tätig waren. Im übrigen ist auch unklar, in welchem Umfang der Beklagte für einen Rückgang der Umsatzzahlen, die seinen Bereich betreffen, verantwortlich wäre. Wenn die ihm unterstellten Mitarbeiter - möglicher-weise ohne sein Zutun - abwanderten, und wenn der Umsatz-rückgang aus dem Verhalten dieser Mitarbeiter resultierte, so bliebe klärungsbedürftig, welche Pflichten der Beklagte in diesem Zusammenhang verletzt hat. Es ist nicht dargetan, welche Aufgaben (Überwachung, Kontrolle, Anweisung) er hinsichtlich der nachgeordneten Mitarbeiter wahrzunehmen hatte, die er verletzt haben könnte.
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Soweit die Klägerin die Entwicklung des Umsatzes nach der Kündigung vom 5. Februar 1996 als Kündigungsgrund heranzieht, ist dies aus Rechtsgründen verfehlt. Die Kündigung kann nicht aufgrund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt gewesen sein. Für eine erneute Kündigung nach dem 5. Februar 1996 ist nichts ersichtlich.
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Der Beklagte hat seinen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges in zweiter Instanz auf Geschäfte beschränkt, die er und die ihm nachgeordneten Mitarbeiter der Klägerin in einem bestimmten Zeitraum vermittelt haben. Damit trägt er der Bestimmung des § 92 Abs. 3, 5 HGB Rechnung. Der so konkretisierte Anspruch steht ihm zu, § 87c Abs. Abs. 2 HGB.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Beklagten der Anspruch nicht deswegen versagt werden, weil er alle benötigten Auskünfte den Provisionsabrechnungen entnehmen könne (Einwand der Erfüllung bzw. der unzulässigen Rechts-ausübung). Der Buchauszug soll dem Handelsvertreter eine Überprüfung der Provisionsabrechnungen auf Richtigkeit und Vollständigkeit ermöglichen. Provisionsabrechnungen enthalten nur einen Teil der Angaben, die einem Buchauszug zu entnehmen sind. So enthalten sie insbesondere keinerlei Aussagen über Gründe einer Vertragsstornierung. Gerade solche Angaben sind für den Beklagten aber bedeutsam und ermöglichen erst eine Überprüfung der Provisionsabrechnung. Hierauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen. Insgesamt dienen die Provisionsabrechnung und der Buchauszug unterschiedlichen Zwecken (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1996, 219).
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Tatsachen dazu, daß einer der Ausnahmefälle vorliegt, in denen ein Buchauszug nicht (mehr) verlangt werden kann (vgl. dazu z. B. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 87c Rn. 19 und 20), hat die Klägerin nicht substantiiert vor-getragen. Die Provisionsabrechnungen, die der Beklagte während der Vertragszeit erhalten hat, sind von ihm akzeptiert worden. Dennoch kann hieraus nicht geschlossen werden, daß - jedenfalls für diese Zeit - der Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges ausgeschlossen ist. Der Beklagte erhält - bis in die Gegenwart - ständig Provisions- abrechnungen, die frühere Geschäftsabschlüsse betreffen. Die Vorgänge, für die er in der Vergangenheit Provisions- abrechnungen akzeptiert hat, sind also provisionsrechtlich nicht abgeschlossen. Damit kann auch der Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges nicht als gegenstandslos angesehen werden, weil Abrechnungen erteilt und akzeptiert wurden. Auch eine "Einigung" über die Provisionsansprüche ist auf der Grundlage des Klägervortrages nicht erfolgt. Die Provisionsansprüche des Beklagten ändern sich durch Stornierungen und ähnliche Vorgänge ständig. Gerade deshalb erteilt die Klägerin auch weiterhin - über die Vertragszeit hinaus - Provisionsabrechnungen. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, in bezug auf welche Geschäfte ein Buch-auszug als sinnlos erscheinen könnte. Sie hat nichts vorgetragen, was dafür sprechen könnte, daß man dem Begehren des Beklagten nur eingeschränkt - etwa in bezug auf bestimmte Vorgänge - stattzugeben hätte und dafür, daß eine solche Beschränkung möglich wäre.
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Der Anspruch des Beklagten auf Erteilung des Buchauszuges ist nicht verjährt. Nach § 88 HGB gilt eine Verjährungsfrist von vier Jahren, die hier - es wird ein Buchauszug für die Zeit ab Januar 1994 verlangt - ersichtlich noch nicht abgelaufen ist. Die Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist unter Ziffer 8.4 des Mitarbeitervertrages vom 11./17. September 1985, wonach die beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag einer Verjährungsfrist von "12 Monaten, gerechnet ab Fälligkeit," unterliegen, ist nach § 9 Abs. 1, 2 Nr. 1 AGBG unwirksam (vgl. Urteil des BGH vom 3.4.1996 - VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006 = NJW 1996, 2097 = MDR 1996, 801). Wie in dem Fall, über den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, so konnten auch hier Provisionsansprüche des Beklagten entstehen, fällig werden und verjähren, ohne daß der Beklagte von der Existenz der Ansprüche erfuhr und ohne daß die Klägerin die Provisionen abgerechnet hatte. Da der Beklagte seine Provisionen - offenbar sogar im wesentlichen - aufgrund der Tätigkeit nachgeordneter Mitarbeiter erhielt, ist ihm aufgrund eigener Kenntnis eine Überprüfung der Abrechnungen nicht möglich. Besteht aber nach der Vertragsgestaltung die Möglichkeit, daß Provisionsansprüche entstanden und fällig geworden sind, ohne daß der Handelsvertreter von ihnen erfahren hat und soll allein die Fälligkeit des Anspruchs die Verjährung auslösen, so besteht die naheliegende Gefahr, daß Ansprüche des Vertreters verjähren, ohne daß dieser (rechtzeitig) von ihrer Existenz erfährt. Diese Gefahr ist zwar nicht ausgeschlossen, wenn die gesetzliche Verjährungsregelung des § 88 HGB greift, sie ist aber deutlich gemildert, weil die Zeit, in der der Handelsvertreter seine Ansprüche geltend machen kann, länger ist, vgl. im einzelnen BGH a.a.O.
82
Wegen der umstrittenen Frage, ob die Erteilung detaillierter Provisionsabrechnungen generell die Erteilung eines Buchauszugs entbehrlich macht, wie die Klägerin meint, wird auch zu diesem Antrag der Widerklage die Revision gemäß § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.
83
2. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Provisionsabrechnungen für die Zeit vom 29. Januar 1996 bis 29. Februar 1996. Sein Vortrag zu fehlenden Abrechnungen ist vor dem Hintergrund des klägerischen Vortrags unsubstantiiert.
84
Die Klägerin hat dem Beklagten unstreitig regelmäßig Provisionsabrechnungen erteilt. In erster Instanz hat sie (GA 51, 65, 70, 76) dargelegt, daß sie mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Mai 1996 die als fehlend gerügten Abrechnungen (erneut) übersandt habe. Dem ist der Beklagte schon in erster Instanz nicht substantiiert entgegengetreten. Dementsprechend ist seine Widerklage weitgehend abgewiesen worden. Tatsächlich war sie in vollem Umfang abzuweisen. Das Landgericht hat dem Anspruch nur deshalb teilweise stattgegeben, weil angenommen wurde, nur Abrechnungen ab März seien dem Beklagten (erneut) übersandt worden. Deshalb sind Ansprüche für Februar zuerkannt worden. Der Schluß des Landgerichts, daß Abrechnungen für Februar fehlten, ist aber nicht berechtigt. Er dürfte darauf beruhen, daß die Abrechnungen in der Korrespondenz der Parteien mit Nummern bezeichnet wurden. Offenbar hat das Landgericht angenommen, Abrechnungen mit der Nummer 3 seien solche für März und da schriftsätzlich und in der vorgelegten Korrespondenz (GA 51, 65, 70, 76) nur Abrechnungen ab Nummer 3 erwähnt waren, ist hieraus gefolgert worden, es fehlten Abrechnungen für Februar.
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Tatsächlich - dies ergibt sich zwingend aus dem Schreiben des Beklagten vom 3. Mai 1996 (GA 76), in dem er zu Abrechnungen mit den Nummern 6, 7 und 8 Stellung nimmt, - wurden die Abrechnungen aber zweimal monatlich erteilt, so daß die Abrechnungen 3 und 4 sich auf Februar 1996 bezogen - und nicht auf März und April, wie das Landgericht annahm. Schriftsätzlich hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt klargestellt, welche Abrechnungen er erhalten hat und welche nicht. Er hat in der Vorkorrespondenz drei Abrechnungen als fehlend gerügt (GA 25), nämlich die Abrechnungen 3, 4 und 5. (Fälschlich nimmt die Klägerin an, das vorsorgliche Bestreiten der Richtigkeit der Abrechnungen könne als Empfangsbestätigung verstanden werden.). Es fehlt aber schriftsätzlicher Vortrag, der erklären könnte, warum der Beklagte - jedenfalls nach Erlaß der erstinstanzlichen Entscheidung - nur noch zwei Abrechnungen, offenbar die Abrechnungen 3 und 4 verlangt. Hat er die Abrechnung Nummer 5 - vielleicht nachträglich - erhalten, so liegt es nahe, daß er auch die Abrechnungen 3 und 4 erhalten hat. Es oblag dem Beklagten darzutun, ob etwa dem Schreiben des Rechtsanwalts Rapp keine oder nicht alle in ihm genannten Abrechnungen beigefügt waren. Solange eine Partei sich zu derartigen tatsächlichen Vorgängen nicht vollständig äußert, muß ihr Vortrag als unzureichend angesehen werden, § 138 Abs. 3 ZPO. Es ist dementsprechend von der Richtigkeit des Klägervortrages auszugehen, wonach die - vielleicht zunächst fehlenden - Abrechnungen zumindest nachträglich übersandt worden sind.
86
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
87
Streitwert für den Rechtsstreit in erster und zweiter Instanz: Stufe bis 45.000 DM
88
zur ersten Instanz: auf die Klage entfallen 26.000 DM, auf die Widerklage 18.000 DM,
89
zur zweiten Instanz: auf die Berufung entfallen 33.000 DM, auf die Anschlußberufung 7.800 DM.
90
Die Urteilsbeschwer erreicht für beide Parteien nicht mehr als 60.000 DM.
Auf die Berufung des Beklagten und auf die Anschlußberufung der Klägerin wird das am 2. August 1996 verkündete Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 89 O 29/96 - unter Zurückweisung der weitergehenden Anschlußberufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, dem Beklagten einen Buchauszug über die Geschäfte zu erteilen, die er persönlich vermittelt hat und/oder die ihm die in seiner Eigenschaft als Regionaldirektor der Klägerin unterstellten Mitarbeiter der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. März 1996 vermittelt haben, und zwar bezüglich Versicherung, Bausparverträgen und sonstigen Geldanlagen und wegen aller Umstände, die bis zum 4. Juni 1997 eingetreten sind.
Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin 9/10 und dem Beklagten 1/10 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 700 DM abwenden, sofern die Klägerin nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 23.000 DM abwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen näher dargelegten Umfang zugelassen.
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T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist im Bereich der Finanzdienstleistungen tätig. Sie vermittelt Vermögensanlagen, Bausparverträge und insbesondere Versicherungen, wobei sie - zumindest im Verhältnis zu einigen Versicherungsgesellschaften - die Stellung einer selbständigen Handelsvertreterin innehat. Der Beklagte war seit 1985 aufgrund eines Mitarbeitervertrages vom 11./17. Oktober 1985 (GA 11) bei der Klägerin in der Außendienstorganisation beschäftigt. In Ziffer 8.5 des (Formular-) Vertrages ist für "alle beiderseitigen Ansprüche aus diesem Vertrage" eine "Verjährungsfrist von 12 Monaten, gerechnet von der Fälligkeit an" vereinbart. Am 5./13. Juli 1988 schlossen die Parteien einen "Zusatzvertrag für leitende Mitarbeiter" (GA 9). Im Frühjahr 1995 endete die Tätigkeit des Beklagten, die er zuletzt auf der zweithöchsten Ebene auf der Stufe eines "Direktors" ausgeübt hatte. Darüber gab es einen "Landesdirektor", den Zeugen R. S., der seinerseits unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt war.
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Die Klägerin zahlte dem Beklagten während der Vertragszeit wiederholt sogenannte "Orgakostenzuschüsse" in unterschiedlicher Höhe und ohne besondere schriftliche Vereinbarungen, insbesondere ohne Vereinbarungen über eine Rückzahlungspflicht. Die Parteien streiten darüber, welchem Zweck solche Zuschüsse jeweils dienen sollten. Unstreitig brauchte der Beklagte keinen Verwendungsnachweis zu führen.
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Unter dem 2. Mai 1996 schlossen die Parteien eine Vereinbarung (GA 8), in der es u. a. heißt:
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"1. Der Mitarbeiter (Beklagter) erhält ab 01.05.1995 bis 31.10.1995 einen monatlichen Orgakosten-Zuschuß in Höhe von DM 1.500,--.
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2. Der Mitarbeiter verpflichtet sich, für die Dauer von 24 Monaten, ab 01.05.1995 das Vertragsverhältnis zur OVB (Klägerin) nicht zu kündigen."
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Unter Ziffer 3. und 4. folgen Vereinbarungen, die nach eigener Darstellung der Klägerin nur für den Fall gelten sollen, daß eine Rückzahlungspflicht gemäß Ziffer 3. der Vereinbarungen entsteht.
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Der fragliche Vertragstext wurde von der Klägerin formularmäßig verwendet; entsprechende Vereinbarungen wurden mit vielen Mitarbeitern abgeschlossen.
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Von Mai bis September 1995 zahlte die Klägerin an den Beklagten als "Orgakosten-Zuschuß" monatlich - also fünfmal - 1.500 DM, noch im September zahlte sie weitere 3.500 DM und in den drei Folgemonaten jeweils 5.000 DM, insgesamt also 26.000 DM.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 1996 kündigte der Beklagte den Mitarbeitervertrag zum 31. März 1996 (GA 6). Die Parteien gehen übereinstimmend davon, aus, daß die Kündigung fristgerecht gewesen sei. Die Klägerin kündigte das Vertragsverhältnis ihrerseits fristlos unter dem 5. Februar 1996 (GA 30) und begründete dies mit "zahlreichen Pflichtverletzungen", durch die das Vertrauensverhältnis "endgültig zerstört" worden sei. Die Klägerin hatte an dem Tag, an dem sie die Kündigung aussprach (Montag, der 5. Februar 1996), einschließlich der Kündigung des Beklagten insgesamt 154 Kündigungs-schreiben von Mitarbeitern aus der "Landesdirektion S." erhalten, darunter auch von solchen aus der "Struktur" des Beklagten. Die Kündigungen standen in zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung einer eigenen Firma durch den Landesdirektor S., der seinen Mitarbeitervertrag ebenfalls kündigte. Herr S. hatte Ende des Jahres 1995 damit begonnen, eine neue Gesellschaft, die ..... Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzberatung GmbH & Co. KG, zu gründen, in der der Beklagte als "Generaldirektor" arbeitet. Die gesamte Landesdirektion des Herrn S. erzielte im Jahr 1995 einen durchschnittlichen Monatsumsatz von 54.388,53 Einheiten. Im Januar 1996 wurden, ein-schließlich der Regionaldirektion des Beklagten, 7.122,06 Einheiten produziert. Im März 1996 wurde kein Umsatz mehr getätigt. Die meisten Mitarbeiter der Klägerin, deren Kündigungen am 5. Februar 1996 bei ihr eingingen, wurden anschließend in der Firma ....... tätig.
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Die Klägerin verlangt die Rückzahlung des ab Mai 1995 gezahlten Orgakosten-Zuschusses von insgesamt 26.000 DM. Sie hat behauptet, im August 1995 habe sie sich mit dem Beklagten über eine Erhöhung der im Mai 1995 vereinbarten Orgakosten-Zuschüsse geeinigt und dem-entsprechend gezahlt.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.000,00 DM nebst 5% Zinsen seit dem 10. Februar 1996 zu zahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hat Zahlungen bestritten, die über fünfmal 1.500 DM hinausgehen. Hilfsweise hat er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, das ihm wegen der Ansprüche zustehe, die er mit der Widerklage geltend gemacht hat.
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Widerklagend hat der Beklagte beantragt,
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die Klägerin zu verurteilen,
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1. ihm einen Buchauszug zu erteilen, der den Zeitraum seit dem 1. Januar 1994 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung umfaßt,
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2. ihm die laufenden Provisionsabrechnungen, insbesondere auch hinsichtlich der sogenannten Orga-Provisionen, nach dem 29. Januar 1996 zu erteilen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Widerklage abzuweisen.
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Sie hat behauptet, der Beklagte habe die Provisionsabrechnungen regelmäßig erhalten. Die eingeklagten Abrechnungen seien ihm zuletzt - erneut - mit Schreiben vom 9. April 1996 übersandt worden.
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Hinsichtlich der Ansprüche auf einen Buchauszug hat die Klägerin die Auffassung vertreten, solche könnten dem Beklagten nicht zustehen, weil er alle notwendigen Informationen durch die Abrechnungen erhalte. Im übrigen hat sie hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit vor dem 21. März 1995 die Einrede der Verjährung erhoben.
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Das Landgericht hat die Klägerin verurteilt, dem Beklagten einen Buchauszug für die Zeit vom 22. März 1995 bis 12. Juli 1996 und für die Zeit nach dem 29. Januar 1996 bis Ende Februar 1996 zu erteilen. Der Beklagte ist verurteilt worden, an die Klägerin 26.000 DM Zug um Zug gegen den Buchauszug und die Provisionsabrechnungen zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 2. August 1996 Bezug genommen.
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Gegen diese Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet. Er wendet sich gegen die Verurteilung zur Zahlung und gegen die Aberkennung eines Anspruchs auf einen Buchauszug für die Zeit vor dem 22. März 1995. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält er einen entsprechenden Anspruch nicht für verjährt.
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Die Klägerin hat gegen das Urteil Anschlußberufung (unselbständig) eingelegt. Sie beanstandet das Urteil, soweit der Widerklage stattgegeben worden ist und soweit ihre Klage nur Zug um Zug gegen Erteilung von Buchauszug und Abrechnungen Erfolg gehabt hat. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihren erst-instanzlichen Sachvortrag.
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Der Beklagte beantragt,
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1. die Klage abzuweisen,
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2. die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen,
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a) ihm einen Buchauszug über die seit dem 1. Januar 1994 bis zum 31. März 1996 der Klägerin vermittelten Geschäfte, die er persönlich und/oder die ihm in seiner Eigenschaft als Regionaldirektor der Klägerin unterstellten Mitarbeiter der Klägerin vermittelt haben, zu erteilen, und zwar bezüglich Versicherung, Bausparverträgen und sonstigen Geldanlagen und zwar ferner wegen aller Umstände, die bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht eingetreten sind,
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b) ihm die Provisionsabrechnungen zu erteilen, die bei den Provisionsläufen Mitte Februar und Ende Februar 1996 erstellt worden sind.
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Die Klägerin beantragt,
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1. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen;
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2. auf die Anschlußberufung,
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a) den Beklagten uneingeschränkt zur Zahlung zu verurteilen, also ohne die Zug-um-Zug-Einschränkung,
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b) die Widerklageanträge des Beklagten insgesamt abzuweisen.
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Die Klägerin stellt ihre Behauptung zur Erweiterung der Vereinbarung vom 2. Mai 1995 (GA 8) dahin klar, daß für die ab September 1995 gezahlten Zuschüsse, auch soweit sie in ihrer Höhe über die Vereinbarung von Mai 1995 hinausgehen, Ziffer 2 - 7 der fraglichen Vereinbarung gelten sollten.
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Die Klägerin ist der Ansicht, ihre fristlose Kündigung vom 5. Februar 1996 sei wirksam. Sie geht davon aus, aufgrund der Vorgänge um die Neugründung der Firma ....... "stehe fest", daß der Beklagte sich zu einem Zeitpunkt, als er noch Mitarbeiter der Klägerin war, daran beteiligt haben müsse, ihm nachgeordnete Mitarbeiter der Klägerin für die neue Firma ....... des Herrn S. abzuwerben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die von ihnen überreichten Unterlagen verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abweisung der Klage und zur Erweiterung der Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszuges. Die zulässige Anschlußberufung der Klägerin hat nur in geringem Umfang Erfolg; sie führt allein zur Abweisung der Widerklage, soweit Provisionsabrechnungen verlangt werden.
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Indem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (anders als in der Berufungsbegründung) auch einen Antrag bezüglich der Provisionsabrechnungen formuliert hat, liegt keine Erweiterung seiner Berufung vor. Der gestellte Antrag geht nicht über die erstinstanzlich von ihm bereits erstrittene Verurteilung der Beklagten hinaus. Durch die Neuformulierung dieses Widerklageantrages hat der Beklagte nur Bedenken Rechnung getragen, die der Senat insbesondere in bezug auf die sprachliche Formulierung hatte.
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I. Die Klage ist unbegründet.
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Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte die von der Klägerin vorgetragenen Zahlungen auf einen Orgakosten-Zuschuß erhalten hat. Sein entgegenstehender Vortrag ist unsubstantiiert und daher unbeachtlich, § 138 Abs. 3 ZPO. Im übrigen hat er den Empfang des Geldes zuletzt sogar eingeräumt (GA 278). Er trägt nur noch vor, die Zahlungen, die über die Vereinbarung vom 2. Mai 1995 hinausgehen, nicht aufgrund einer Erweiterung dieser Vereinbarung, sondern als "einfache", nicht rückzahlbare Orgakosten-Zuschüsse erhalten zu haben.
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Auf die zuletzt nur noch streitige Frage, ob die Ziffern 2 bis 7 auch für die zusätzlich erfolgten Zahlungen gelten sollten, kommt es nicht an.
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1. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung des empfangenen Geldes ergibt sich nicht aus Ziffer 2 und 3 der Verein- barung vom 2. Mai 1995, denn diese verstößt gegen § 9 AGBG in Verbindung mit § 89 Abs. 2 HGB und ist deshalb unwirksam. Die Klauseln wurden von der Klägerin formular-mäßig in einer Vielzahl von Fällen verwendet, so daß das AGB-Gesetz anwendbar ist, § 1 Abs. 1 AGBG. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der §§ 84 - 92 HGB Anwendung. Der Beklagte wurde von der Klägerin, die ihre Tätigkeit nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien als Handelsvertreterin ausübt, als Untervertreter eingesetzt (vgl. z. B. Schlegelberger/ Schröder, HGB, 5. Aufl., § 92 Rn. 4). Der Beklagte erzielte seinerseits Provisionen auch aus der Tätigkeit von Mitarbeitern, die ihm in "seiner" Struktur nachgeordnet waren.
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§ 89 HGB in der seit dem 1. Januar 1990 gültigen Fassung findet Anwendung. Auch für vor dem Stichtag abgeschlossene Verträge sind die durch das Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handels-vertreter geänderten Bestimmungen seit dem 1. Januar 1994 anwendbar, Art. 29 EGHGB.
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Aus § 89 Abs. 2 HGB ist zu folgern, daß die Vereinbarung von Kündigungserschwernissen zu Lasten des Handels- vertreters unzulässig ist (HGB-Großkommentar-Brüggemann, § 89 Rn. 14, Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 89 Rn. 16, 27). Der Handelsvertreter darf nicht durch Vereinbarungen über Kündigungsfristen und Kündigungsbedingungen benachteiligt werden. Ziffer 2 und 3 der Vereinbarung vom 2. Mai 1995 sehen aber - in unzulässiger Weise - eine Sanktion für den Fall vor, daß der Beklagte das Vertragsverhältnis vor dem 30. April 1997 kündigen sollte. Ziffer 2 ist sogar dahin formuliert, daß der Beklagte sich verpflichtete, im fraglichen Zeitraum keine Kündigung auszusprechen. Hierin liegt ein eindeutiger Verstoß gegen § 89 Abs. 2 HGB. Aufgrund der Vereinbarung in Ziffer 3 ist zwar klargestellt, daß die Parteien in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des § 89 HGB eine dennoch eventuell ausgesprochene Kündigung nicht als unwirksam ansehen wollten. Sie sollte aber sanktioniert werden durch die im Fall der Kündigung Platz greifende Rückzahlungspflicht. Die Klägerin wollte durch Zahlungen, die sie über einen Zeitraum von sechs Monaten, den sie hier später auf acht Monate erweiterte, den Handelsvertreter auf zwei Jahre an sich binden, also für einen längeren Zeitraum als ihr dies ohne die fragliche Vereinbarung möglich gewesen wäre. Die Kündigung des Beklagten sollte durch die fragliche Vereinbarung erschwert werden. Die Vereinbarung einer "Strafe" für den Fall der Kündigung ist mit den Grundgedanken des § 89 Abs. 2 HGB nicht vereinbar (vgl. auch Urteil des LG Frankfurt vom 5.3.1975 - 3 O 314/74).
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Da die Entscheidung zu der Frage, ob § 89 Abs. 2 HGB jegliche Erschwernis des Kündigungsrechts verbietet, grundsätzliche Bedeutung hat und da höchstrichterliche Urteile zu diesem Komplex - soweit ersichtlich - nicht ergangen sind, ist die Revision in bezug auf die Klage zuzulassen (§ 546 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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2. Ein Anspruch auf Rückzahlung des Orgakosten-Zuschusses ergibt sich für die Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt ungerechtfertigter Bereicherung, §§ 812 ff. BGB. Die Zahlungen sind nach ihrer eigenen Darstellung in Erfüllung der getroffenen Vereinbarung (Ziffer 1) vom 2. Mai 1995 geleistet worden, also mit Rechtsgrund. Nur die Verein- barungen über die Rückzahlungspflicht sind unwirksam.
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Mit Rechtsgrund sind auch die Beträge geleistet worden, die über die ursprüngliche Vereinbarung hinausgingen. Auch diese Beträge sind als "Orgakosten-Zuschuß" gezahlt worden. Nach Darstellung der Klägerin ist insoweit vereinbart worden, daß für die Zusatzzahlungen die Konditionen gelten sollten, die unter dem 2. Mai 1995 vereinbart waren. Nach Darstellung des Beklagten (die die Klägerin sich hilfsweise zueigen gemacht hat) ist von Orgakosten-Zuschüssen aus- zugehen, die - wie dies vor dem 2. Mai 1995 geschah - ohne Vereinbarungen über eine Rückzahlbarkeit gezahlt worden sein sollen. Welche Darstellung richtig ist, kann dahin- stehen, weil die Beträge in beiden Fällen mit Rechtsgrund gezahlt worden sind.
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II. Die Widerklage ist teilweise begründet.
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1. Der Beklagte hat einen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges für provisionspflichtige Geschäfte, die in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. März 1996 abgeschlossen worden sind, § 87c Abs. 2 HGB.
73
Der Beklagte hat seinen Anspruch in zweiter Instanz hin- reichend präzisiert. Der jetzt gestellte Antrag hat einen vollstreckungsfähigen Inhalt.
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Provisionspflichtig sind die Geschäfte aus der sogenannten Struktur des Beklagten, die in der Zeit bis zum 31. März 1996 abgeschlossen worden sind. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist vorher nicht beendet worden. Die fristlose Kündigung der Klägerin vom 5. Februar 1996 war unwirksam. Jedenfalls hat die Klägerin Gründe, die eine fristlose Kündigung gemäß § 89a Abs. 1 HGB rechtfertigen könnten - soweit sie überhaupt als substantiiert anzusehen sind - nicht unter Beweis gestellt. Sie trägt die Beweislast und damit die Nachteile des nicht geführten Beweises.
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Die Klägerin behauptet zu den Kündigungsgründen, der Beklagte habe sich an Abwerbeaktionen des früheren Mit- arbeiters S. beteiligt. Sie geht davon aus, daß eine entsprechende Aktivität des Beklagten sich aus den unstreitigen Umständen ergebe, nämlich insbesondere aus der Vielzahl der Kündigungen und dem zeitlichen Zusammenhang mit der Neugründung der Firma ........ Indes ist ein solcher Schluß nicht zwingend. Der Beklagte weist zutreffend darauf hin, daß der entsprechende Vortrag der Klägerin sich im Bereich der Spekulation bewegt. Die von der Klägerin vor- getragenen Geschehnisse lassen zwar Rückschlüsse auf ein planmäßiges Vorgehen des Mitarbeiters S. zu. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Mehrzahl der Mitarbeiter, deren Kündigung am 5. Februar 1996 bei der Klägerin einging, Anschlußverträge mit Herrn S. abgeschlossen hatten. Daß der Beklagte dabei mitgewirkt hat, die Mit- arbeiter für Herrn S. "abzuwerben", läßt sich aus den Umständen jedoch nicht schließen. Seine - eventuelle - Beteiligung an diesen Vorgängen ist offen.
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Auch die - unstreitige - Entwicklung der Umsatzzahlen im Jahr 1996 läßt keinen Rückschluß auf Vertragsverletzungen des Beklagten zu, die eine fristlose Kündigung recht- fertigen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, wie die Zahlen aus der "Struktur" des Beklagten sich entwickelt haben. Sie hat global die Entwicklung aus dem Gesamtbereich S. mitgeteilt. Es ist nicht einmal dargelegt, wie viele Mitarbeiter auf der Ebene des Beklagten unter dem "Landes-direktor" S. tätig waren. Im übrigen ist auch unklar, in welchem Umfang der Beklagte für einen Rückgang der Umsatzzahlen, die seinen Bereich betreffen, verantwortlich wäre. Wenn die ihm unterstellten Mitarbeiter - möglicher-weise ohne sein Zutun - abwanderten, und wenn der Umsatz-rückgang aus dem Verhalten dieser Mitarbeiter resultierte, so bliebe klärungsbedürftig, welche Pflichten der Beklagte in diesem Zusammenhang verletzt hat. Es ist nicht dargetan, welche Aufgaben (Überwachung, Kontrolle, Anweisung) er hinsichtlich der nachgeordneten Mitarbeiter wahrzunehmen hatte, die er verletzt haben könnte.
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Soweit die Klägerin die Entwicklung des Umsatzes nach der Kündigung vom 5. Februar 1996 als Kündigungsgrund heranzieht, ist dies aus Rechtsgründen verfehlt. Die Kündigung kann nicht aufgrund nachträglich eingetretener Umstände berechtigt gewesen sein. Für eine erneute Kündigung nach dem 5. Februar 1996 ist nichts ersichtlich.
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Der Beklagte hat seinen Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges in zweiter Instanz auf Geschäfte beschränkt, die er und die ihm nachgeordneten Mitarbeiter der Klägerin in einem bestimmten Zeitraum vermittelt haben. Damit trägt er der Bestimmung des § 92 Abs. 3, 5 HGB Rechnung. Der so konkretisierte Anspruch steht ihm zu, § 87c Abs. Abs. 2 HGB.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Beklagten der Anspruch nicht deswegen versagt werden, weil er alle benötigten Auskünfte den Provisionsabrechnungen entnehmen könne (Einwand der Erfüllung bzw. der unzulässigen Rechts-ausübung). Der Buchauszug soll dem Handelsvertreter eine Überprüfung der Provisionsabrechnungen auf Richtigkeit und Vollständigkeit ermöglichen. Provisionsabrechnungen enthalten nur einen Teil der Angaben, die einem Buchauszug zu entnehmen sind. So enthalten sie insbesondere keinerlei Aussagen über Gründe einer Vertragsstornierung. Gerade solche Angaben sind für den Beklagten aber bedeutsam und ermöglichen erst eine Überprüfung der Provisionsabrechnung. Hierauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen. Insgesamt dienen die Provisionsabrechnung und der Buchauszug unterschiedlichen Zwecken (vgl. OLG Düsseldorf OLGR 1996, 219).
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Tatsachen dazu, daß einer der Ausnahmefälle vorliegt, in denen ein Buchauszug nicht (mehr) verlangt werden kann (vgl. dazu z. B. Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl., § 87c Rn. 19 und 20), hat die Klägerin nicht substantiiert vor-getragen. Die Provisionsabrechnungen, die der Beklagte während der Vertragszeit erhalten hat, sind von ihm akzeptiert worden. Dennoch kann hieraus nicht geschlossen werden, daß - jedenfalls für diese Zeit - der Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges ausgeschlossen ist. Der Beklagte erhält - bis in die Gegenwart - ständig Provisions- abrechnungen, die frühere Geschäftsabschlüsse betreffen. Die Vorgänge, für die er in der Vergangenheit Provisions- abrechnungen akzeptiert hat, sind also provisionsrechtlich nicht abgeschlossen. Damit kann auch der Anspruch auf Erteilung des Buchauszuges nicht als gegenstandslos angesehen werden, weil Abrechnungen erteilt und akzeptiert wurden. Auch eine "Einigung" über die Provisionsansprüche ist auf der Grundlage des Klägervortrages nicht erfolgt. Die Provisionsansprüche des Beklagten ändern sich durch Stornierungen und ähnliche Vorgänge ständig. Gerade deshalb erteilt die Klägerin auch weiterhin - über die Vertragszeit hinaus - Provisionsabrechnungen. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, in bezug auf welche Geschäfte ein Buch-auszug als sinnlos erscheinen könnte. Sie hat nichts vorgetragen, was dafür sprechen könnte, daß man dem Begehren des Beklagten nur eingeschränkt - etwa in bezug auf bestimmte Vorgänge - stattzugeben hätte und dafür, daß eine solche Beschränkung möglich wäre.
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Der Anspruch des Beklagten auf Erteilung des Buchauszuges ist nicht verjährt. Nach § 88 HGB gilt eine Verjährungsfrist von vier Jahren, die hier - es wird ein Buchauszug für die Zeit ab Januar 1994 verlangt - ersichtlich noch nicht abgelaufen ist. Die Vereinbarung einer kürzeren Verjährungsfrist unter Ziffer 8.4 des Mitarbeitervertrages vom 11./17. September 1985, wonach die beiderseitigen Ansprüche aus dem Vertrag einer Verjährungsfrist von "12 Monaten, gerechnet ab Fälligkeit," unterliegen, ist nach § 9 Abs. 1, 2 Nr. 1 AGBG unwirksam (vgl. Urteil des BGH vom 3.4.1996 - VIII ZR 3/95, ZIP 1996, 1006 = NJW 1996, 2097 = MDR 1996, 801). Wie in dem Fall, über den der Bundesgerichtshof zu entscheiden hatte, so konnten auch hier Provisionsansprüche des Beklagten entstehen, fällig werden und verjähren, ohne daß der Beklagte von der Existenz der Ansprüche erfuhr und ohne daß die Klägerin die Provisionen abgerechnet hatte. Da der Beklagte seine Provisionen - offenbar sogar im wesentlichen - aufgrund der Tätigkeit nachgeordneter Mitarbeiter erhielt, ist ihm aufgrund eigener Kenntnis eine Überprüfung der Abrechnungen nicht möglich. Besteht aber nach der Vertragsgestaltung die Möglichkeit, daß Provisionsansprüche entstanden und fällig geworden sind, ohne daß der Handelsvertreter von ihnen erfahren hat und soll allein die Fälligkeit des Anspruchs die Verjährung auslösen, so besteht die naheliegende Gefahr, daß Ansprüche des Vertreters verjähren, ohne daß dieser (rechtzeitig) von ihrer Existenz erfährt. Diese Gefahr ist zwar nicht ausgeschlossen, wenn die gesetzliche Verjährungsregelung des § 88 HGB greift, sie ist aber deutlich gemildert, weil die Zeit, in der der Handelsvertreter seine Ansprüche geltend machen kann, länger ist, vgl. im einzelnen BGH a.a.O.
82
Wegen der umstrittenen Frage, ob die Erteilung detaillierter Provisionsabrechnungen generell die Erteilung eines Buchauszugs entbehrlich macht, wie die Klägerin meint, wird auch zu diesem Antrag der Widerklage die Revision gemäß § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.
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2. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Provisionsabrechnungen für die Zeit vom 29. Januar 1996 bis 29. Februar 1996. Sein Vortrag zu fehlenden Abrechnungen ist vor dem Hintergrund des klägerischen Vortrags unsubstantiiert.
84
Die Klägerin hat dem Beklagten unstreitig regelmäßig Provisionsabrechnungen erteilt. In erster Instanz hat sie (GA 51, 65, 70, 76) dargelegt, daß sie mit anwaltlichem Schreiben vom 3. Mai 1996 die als fehlend gerügten Abrechnungen (erneut) übersandt habe. Dem ist der Beklagte schon in erster Instanz nicht substantiiert entgegengetreten. Dementsprechend ist seine Widerklage weitgehend abgewiesen worden. Tatsächlich war sie in vollem Umfang abzuweisen. Das Landgericht hat dem Anspruch nur deshalb teilweise stattgegeben, weil angenommen wurde, nur Abrechnungen ab März seien dem Beklagten (erneut) übersandt worden. Deshalb sind Ansprüche für Februar zuerkannt worden. Der Schluß des Landgerichts, daß Abrechnungen für Februar fehlten, ist aber nicht berechtigt. Er dürfte darauf beruhen, daß die Abrechnungen in der Korrespondenz der Parteien mit Nummern bezeichnet wurden. Offenbar hat das Landgericht angenommen, Abrechnungen mit der Nummer 3 seien solche für März und da schriftsätzlich und in der vorgelegten Korrespondenz (GA 51, 65, 70, 76) nur Abrechnungen ab Nummer 3 erwähnt waren, ist hieraus gefolgert worden, es fehlten Abrechnungen für Februar.
85
Tatsächlich - dies ergibt sich zwingend aus dem Schreiben des Beklagten vom 3. Mai 1996 (GA 76), in dem er zu Abrechnungen mit den Nummern 6, 7 und 8 Stellung nimmt, - wurden die Abrechnungen aber zweimal monatlich erteilt, so daß die Abrechnungen 3 und 4 sich auf Februar 1996 bezogen - und nicht auf März und April, wie das Landgericht annahm. Schriftsätzlich hat der Beklagte zu keinem Zeitpunkt klargestellt, welche Abrechnungen er erhalten hat und welche nicht. Er hat in der Vorkorrespondenz drei Abrechnungen als fehlend gerügt (GA 25), nämlich die Abrechnungen 3, 4 und 5. (Fälschlich nimmt die Klägerin an, das vorsorgliche Bestreiten der Richtigkeit der Abrechnungen könne als Empfangsbestätigung verstanden werden.). Es fehlt aber schriftsätzlicher Vortrag, der erklären könnte, warum der Beklagte - jedenfalls nach Erlaß der erstinstanzlichen Entscheidung - nur noch zwei Abrechnungen, offenbar die Abrechnungen 3 und 4 verlangt. Hat er die Abrechnung Nummer 5 - vielleicht nachträglich - erhalten, so liegt es nahe, daß er auch die Abrechnungen 3 und 4 erhalten hat. Es oblag dem Beklagten darzutun, ob etwa dem Schreiben des Rechtsanwalts Rapp keine oder nicht alle in ihm genannten Abrechnungen beigefügt waren. Solange eine Partei sich zu derartigen tatsächlichen Vorgängen nicht vollständig äußert, muß ihr Vortrag als unzureichend angesehen werden, § 138 Abs. 3 ZPO. Es ist dementsprechend von der Richtigkeit des Klägervortrages auszugehen, wonach die - vielleicht zunächst fehlenden - Abrechnungen zumindest nachträglich übersandt worden sind.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
87
Streitwert für den Rechtsstreit in erster und zweiter Instanz: Stufe bis 45.000 DM
88
zur ersten Instanz: auf die Klage entfallen 26.000 DM, auf die Widerklage 18.000 DM,
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zur zweiten Instanz: auf die Berufung entfallen 33.000 DM, auf die Anschlußberufung 7.800 DM.
90
Die Urteilsbeschwer erreicht für beide Parteien nicht mehr als 60.000 DM.