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08.05.2014 · IWW-Abrufnummer 141421

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 10.12.2009 – 2 U 111/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



Tenor:

Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 29. April 2009 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagte zu 1/3 und die Klä-gerin zu 2/3 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der jeweiligen Gegen-seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der titulierten Beträge ab-zuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% der jeweils zu vollstreckenden Beträge leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


1

Gründe:
2

I.
3

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Darlehensraten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat ihrer Klage stattgegeben. Dabei ist es dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten, die geltend gemacht hat, der zwischen den Parteien vereinbarte Darlehensvertrag sei aus verschiedenen Gründen unwirksam und es stehe ihr ein Zurückbehaltungsrecht zu, nicht gefolgt. Wegen der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, der Einzelheiten seiner Entscheidungsgründe und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen.
4

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages die Rechtsauffassung des Landgerichts bekämpft.
5

Sie beantragt,
6

abändernd die Klage abzuweisen.
7

Die Klägerin beantragt,
8

die Berufung zurück zu weisen und
9

die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 17.774,48 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 01.12.2009 zu zahlen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung mir Rechtsausführungen.
11

Die Beklagte hat sich auf den Antrag auf Zahlung weiterer 17.774,48 € nebst Zinsen nicht eingelassen.
12

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.
13

Die Klägerin hat ihren in der Berufungsinstanz zunächst angekündigten Antrag, wegen dessen Einzelheiten auf die Fassung im Schriftsatz vom 03.12.2009 GA191f verwiesen wird und mit dem sie die Beklagte zur Zahlung der Raten für April bis November 2009 nebst Zinsen verurteilt wissen wollte, bis auf den oben wiedergegebenen Teil (Novemberrate) zurück genommen.
14

II.
15

Berufung (1. und 2.) und Anschlussberufung (3.), die darin liegt, dass die Klägerin die Beklagte in zweiter Instanz zu mehr verurteilt wissen will, als in erster Instanz beantragt, bleiben ohne Erfolg.
16

1.
17

Zu Recht hat das Landgericht erkannt, dass die Beklagte zur Zahlung der vereinbarten Raten verpflichtet ist, § 488 I 2 BGB, weil der zwischen den Parteien vereinbarte Darlehensvertrag entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unwirksam ist.
18

a.
19

Die Beklagte macht geltend, bei der Darlehensvergabe habe es sich um ein versicherungsfremdes Geschäft gehandelt, welches Versicherern nach § 7 II 1 VAG verboten sei und deshalb zur Nichtigkeit nach § 134 BGB führe. Das trifft nicht zu.
20

aa.
21

Die Klägerin ist kein Versicherer. Von daher ist ein Verstoß gegen § 7 II 1 VAG nur denkbar, wenn diese Vorschrift durch die Wahl des Vertragspartners umgangen werden sollte. Schon dafür ist nicht Ausreichendes ersichtlich. Den Abschluss von Darlehensverträgen an sich und damit den von den Parteien beabsichtigten Erfolg verbietet die Vorschrift nicht. Wenn die Wahl eines Vertragspartners dem Umstand Rechung trägt, dass einem anderen möglichen Vertragspartner derartige Geschäfte verboten sind, handelt es nicht um eine Umgehung. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Vertragspartner vorgeschoben wäre und die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts denjenigen, mit dem nicht kontrahiert werden kann, träfen. Das ist nicht feststellbar. Insbesondere reicht es für die Annahme, die wirtschaftlichen Folgen des Darlehensvertrages hätten die X e.G. getroffen, nicht, dass die Klägerin ein Tochterunternehmen der X e.G. ist. Abgesehen davon ist die Klägerin nach ihrem insoweit unwiderlegten Vortrag ein von der Muttergesellschaft wirtschaftlich getrennt geführtes Unternehmen, welches für seine Verbindlichkeiten selbst haftet und für die die X Versicherung e.G keine Verlustübernahmeerklärung oder Patronatserklärung abgegeben hat.
22

bb.
23

Selbst wenn man die Sache - wegen hier unterstellter Umgehung - so behandeln wollte, als hätte die X e.G. das Darlehen ausgereicht, ergäbe sich bei einem - ebenfalls unterstelltem Verstoß gegen § 7 II VAG - keine Unwirksamkeit des Darlehensvertrages nach § 134 BGB. Denn das Verbot des § 7 II VAG richtet sich, wie sein Wortlaut zeigt, nur an das Versicherungsunternehmen, nicht an seinen Vertragspartner. Ein einseitiger Regelverstoß eines Vertragspartners führt - von Ausnahmefällen abgesehen - nicht zur Unwirksamkeit des Geschäfts, BGH VersR 2004, 1029. Ein Ausnahmefall, der dann gegeben ist, wenn es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, das Geschäft bestehen zu lassen, liegt nicht vor. Vielmehr liefe es dem Zweck des Verbotsgesetzes, der darin besteht zu verhindern, dass ein Versicherer zusätzliche Risken übernimmt und dadurch die Leistungsansprüche der Versicherten gefährdet werden, gerade zu zuwider, wenn man dem Versicherer vertraglich begründete Ansprüche nehmen und ihn statt dessen auf etwaige Bereicherungsansprüche verweisen wollte.
24

cc.
25

Ob es sich für die X e.G. um ein versicherungsfremdes Geschäft gehandelt hätte, kann deshalb dahin stehen. Dagegen dürfte allerdings sprechen, dass das Darlehen, worauf das Landgericht zu Recht abgestellt hat, der Förderung der Vertriebsstruktur diente, und die Vergabe des Darlehens - auch wenn es zweimal aufgestockt wurde - an die Beklagte wohl kein "Betreiben" von Geschäften im Sinne des § 7 II VAG darstellt.
26

b.
27

Die Beklagte macht weiter geltend, die Vergabe des Darlehens verstoße gegen § 32 KWG, was nach § 134 BGB zur Nichtigkeit führe. Das trifft ebenfalls nicht zu.
28

aa.
29

Auch ein Verstoß gegen § 32 KWG ist ein einseitiger Verstoß des Kreditgebers, der nicht zur Unwirksamkeit des Darlehensvertrages führt (BGH NJW 1990, 1536; KG Berlin 14 U 103/01; OLG Frankfurt 23 U 137/07; OLG Saarbrücken 1 U 684/98; jeweils mit weiteren Nachweisen).
30

bb.
31

Ob die Klägerin gegen die Norm verstoßen hat, kann deshalb dahin stehen. Dagegen spricht, dass die Klägerin nach ihrem unwiderlegten Vortrag ein Darlehen nur an die Beklagte vergeben hat und das weder einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordern noch ein gewerbsmäßiges Betreiben von Kreditgeschäften bedeuten dürfte.
32

c.
33

Die Beklagte macht sodann geltend, der Darlehensvertrag sei unwirksam, weil er für den mit der X e.G. vereinbarten Handelsvertretervertrag Kündigungserschwernisse enthalte.
34

aa.
35

Ob Regelungen des Darlehensvertrages gegen §§ 89 II 1 2. HS, 89a HGB verstoßen, kann dahin stehen.
36

bb.
37

Denn die von der Beklagten geltend gemachten Kündigungserschwernisse tragen die begehrte Rechtsfolge - Unwirksamkeit des Darlehensvertrages - nicht.
38

Als Kündigungserschwernisse kommen die Regelungen des § 7 des Vertrages, wonach die Klägerin das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Darlehens haben sollte, wenn der Agenturvertrag vor restloser Abtragung des Darlehens endet, und des § 2 2. des Vertrages, wonach sich der Zinssatz von 7,4% auf 8,5% p.a. erhöht, wenn der Agenturvertrag vor vollständiger Rückzahlung des Darlehens endet, in Betracht. Falls diese beiden vertraglichen Regelungen gegen §§ 89 II 1 2. HS, 89a HGB verstoßen, hätte das indessen nur eine Unwirksamkeit dieser beiden Regelungen, nicht aber eine Unwirksamkeit des Darlehensvertrages zur Folge.
39

Denn für die Frage, ob das gesamte Rechtsgeschäft nichtig ist oder nur der Teil, der gegen die Verbotsnorm verstößt, kommt es darauf an, welche Zwecke die Verbotsnorm verfolgt, Palandt, § 134 Rz. 13, § 139 Rz. 18. Wird gegen ein Gesetz verstoßen, welches eine Vertragspartei vor bestimmten nachteiligen Klauseln schützen soll, beschränkt sich die Nichtigkeit nach dem Zweck der Verbotsnorm auf die verbotene Klausel, das Geschäft im Übrigen bleibt wirksam. So liegt die Sache bei Verstößen gegen §§ 89 II 1 2. HS, 89a HGB. Unwirksam könnten bei einem Verstoß nur das außerordentliche Kündigungsrecht und die Zinserhöhung sein.
40

Auf beides kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Die Klägerin hat von der vertraglich vereinbarten und ggf. unwirksamen Kündigungsregelung keinen Gebrauch gemacht. Der Höhe nach verlangt sie mit ihrer Klage auch nur die vereinbarten Raten von monatlich 17.774,48 €, die sich bereits bei einem Zinssatz von 7,4% p.a. ergeben. Soweit sie meint, ab Ende des Agenturvertrages den höheren Zinssatz beanspruchen zu können, wirkt sich das erst am Ende der Laufzeit des Darlehensvertrages aus.
41

e.
42

Die Beklagte macht schließlich geltend, die Regelung des § 7 des Darlehensvertrages verstoße gegen § 307 BGB.
43

Unabhängig davon, dass Zweifel bestehen, ob es sich bei der Regelung um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Geschäftsbedingungen der Klägerin handelt, hätte ein Verstoß gegen § 307 BGB nicht die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages zur Folge, sondern nur die Unwirksamkeit der Klausel, worauf es aus den genannten Gründen nicht ankommt, weil die Klägerin von dem in § 7 des Vertrages vereinbarten Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.
44

2.
45

Der Beklagten steht auch kein Zurückbehaltungsrecht zu.
46

a.
47

Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Klägerin auf Erteilung eines Buchauszuges, der Gegenstand eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 BGB sein könnte. Schuldnerin eines solchen Anspruchs wäre - so der Anspruch gegeben wäre - der Vertragspartner des Handelsvertretervertrages, also die X e.G.
48

b.
49

Soweit die Beklagte geltend macht, ihr stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu bis geklärt sei, ob und inwieweit ihr ein Anspruch auf Sondertilgung zustehe, trifft das nicht zu.
50

aa.
51

Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Sondertilgung, sondern ist, soweit eine Sondertilgung vereinbart sein sollte, Schuldnerin eines darauf gerichteten Anspruchs. Allerdings mag es sein, dass die in § 3 des dritten Nachtrages getroffenen Regelungen trotz des Gebrauchs des Wortes "Sondertilgung" eine solche nicht meinen und damit auch nicht - wie die Klägerin geltend macht - lediglich die Höhe einer Sondertilgung bemessen sollten. Es spricht nach dem Inhalt der Regelung - unabhängig vom Gebrauch des Worts "Sondertilgung" - einiges für die Darstellung der Beklagten, dass sich bei Erreichen der in der Regelung genannten Voraussetzungen (Erhalt der Bestände + zusätzliche 3.500 Unfallversicherungsverträge) die Darlehensschuld (bewertungssummenabhängig) "automatisch" verringern sollte. Denn die Regelung liest sich weniger so, als dass damit die Leistungsfähigkeit der Beklagten für eine "Sondertilgung" bestimmt werden sollte, als vielmehr so, dass der Beklagten bei Erreichung bestimmter Umsätze etwas zustehen sollte. Es ist auch nicht ersichtlich, welches Interesse die Klägerin an einer "Sondertilgung" gehabt haben sollte. Schließlich machte der Zusatz in § 4 des Nachtrages, durch ihn würden keine Provisionsansprüche der Beklagten begründet, keinen Sinn, wenn die Regelungen des § 3 nur der Bemessung der Höhe der "Sondertilgung" dienen sollten. Hinzu kommt, dass die Klägerin dem Vortrag der Beklagten, sie habe einen der Regelung des § 3 des Nachtrages entsprechenden Bonifikationsanspruch bzw. ihr stehe eine entsprechende Pensumvergütung zu, nicht weiter entgegen getreten ist. Rechtlich liefe dass auf einen vereinbarten Erlass des Darlehens oder eines Teils davon unter den Voraussetzungen des § 3 des Nachtrages oder aber auf eine Vereinbarung hinaus, nach der eine Bonifikation zweckgebunden zur Verrechnung mit dem Darlehensrückzahlungsanspruch erfolgt.
52

bb.
53

Daraus ergibt sich aber kein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bis zur Klärung, ob die Voraussetzungen für einen gegebenenfalls vereinbarten Erlass oder eine gegebenenfalls vereinbarte Verrechung vorliegen.
54

Für den Untergang einer Forderung ist der Schuldner darlegungs- und beweispflichtig. Ein davon unabhängiges Zurückbehaltungsrecht bis zur Klärung des Einwands, die Forderung sei untergegangen, sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr setzten sowohl § 273 BGB wie auch § 320 BGB fällige Gegenansprüche voraus. Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf unklare Gegenforderungen angenommen hat, BGH NJW 1981, 2803, NJW 2007, 1879, - geht es um Fälle, die mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sind. Während die Ungewissheit in den dortigen Fällen ihre Grundlage im Verhältnis zwischen den Parteien hatte, liegt sie hier im Verhältnis der Beklagten zu einem Dritten, der X e.G. Abgesehen davon hat die Beklagte die Wahrscheinlichkeit der Voraussetzungen des § 3 des dritten Nachtrages nicht dargelegt, weil nach ihrem eigenen Vortrag dazu erst dann eine Aussage gemacht werden kann, wenn der von ihr vermisste Buchauszug vorliegt.
55

3.
56

Soweit die Klägerin mit ihrem Antrag über die landgerichtliche Verurteilung hinaus gehende, weitere Zahlung (Novemberrate 2009) begehrt, handelt es sich um eine - klageerweiternde - Anschlussberufung.
57

Diese ist unzulässig, § 524 II 2 ZPO. Denn die Anschlussberufung ist nicht innerhalb der nach Fristsetzung zur Berufungserwiderung (Terminsverfügung GA156: ein Monat ab Zustellung; Zustellung GA158: 07.10.09) mit dem 07.11.09 abgelaufenen Frist eingelegt worden, sondern erst mit am 03.12.2009 eingegangenen Schriftsatz (GA191). Sie ist auch nicht nach § 524 II 3 ZPO zulässig, weil sie keine Verurteilung zu künftig fällig werdenden Leistungen - das Landgericht hat nicht zu derartigen Leistungen verurteilt - zum Gegenstand hat.
58

3.
59

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 516, 92 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziff. 10 ZPO, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision, § 543 II ZPO, ist nicht veranlasst.