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01.09.2016 · IWW-Abrufnummer 188386

Oberlandesgericht Stuttgart: Urteil vom 28.07.2016 – 7 U 80/16

Ein Versicherer kann sich nach fehlerhafter Belehrung über das Recht zum Widerspruch nach § 5a VVG aF auch gegenüber einem Versicherungsvermittler als Versicherungsnehmer nicht auf die Verwirkung dieses Rechts berufen mit der Begründung, er habe das Recht zum Widerspruch gekannt und sei deshalb nicht schutzwürdig (Anschluss an BGH Urteil vom 27.1.2016, IV ZR 130/15, Rn 15).


Oberlandesgericht Stuttgart

Urt. v. 28.07.2016

Az.: 7 U 80/16

In dem Rechtsstreit
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter:
gegen
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:

wegen Forderung

hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 7. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht XXX, den Richter am Oberlandesgericht XXX und den Richter am Oberlandesgericht XXX auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28.07.2016 für Recht erkannt:

Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 14.04.2016, Az. 22 O 213/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.896,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 14.11.2015 zu bezahlen.

I. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 25 % und die Beklagte 75 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis zu 9.000,00 €.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung aus einem Rentenversicherungsvertrag nach erklärtem Widerspruch in Anspruch.

Herr beantragte bei der Beklagten mit Datum vom 30.08.1995 bzw. 13.09.1995 (Anlage BLD 2) den Abschluss einer Rentenversicherung mit dynamischem Zuwachs von Leistung und Beitrag mit aufgeschobener Rentenzahlung und Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit. Die Beklagte nahm den Antrag an und policierte den Vertrag mit Schreiben vom 28.09.1995 (Anlage BLD 1).

Das Policenbegleitschreiben vom 28.09.1995 (Anlage BLD 1) enthielt u. a. die nachfolgende, mit Sternchen ("*") umrahmte Widerspruchsbelehrung:

"Haben Sie ein Widerspruchsrecht?

Der Vertrag gilt auf der Grundlage dieses Versicherungsscheins, der anliegenden Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins schriftlich widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs an uns."

Der Vertrag war Herrn durch den (damals) als Versicherungsvermittler tätigen Kläger vermittelt worden. Im September 1999 übernahm der Kläger mit Zustimmung der Beklagten (Anlage BLD 8) das bezeichnete Versicherungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten.

Mit Schreiben vom 21.05.2014 (Anlage K 6 = Anlage BLD 10) widersprach der Kläger dem Zustandekommen des Vertrages gemäß § 5 a VVG a. F. und erklärte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 02.03.2015 (Anlage K 7) hilfsweise die Kündigung des streitgegenständlichen Vertrages. Zahlungen hat die Beklagte bislang nicht geleistet.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Widerspruchsbelehrung der Beklagten erweise sich aus mehreren Gründen als fehlerhaft. Insbesondere sei die Belehrung nicht drucktechnisch deutlich hervorgehoben. Weiter fehle eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerspruchs und den Widerspruchsadressaten. Schließlich sei kein Hinweis enthalten, dass der Widerspruch eine Angabe von Gründen nicht enthalten müsse, und die Belehrung über den Fristbeginn nicht ordnungsgemäß, da insoweit lediglich auf den Erhalt des Versicherungsscheins abgestellt werde. Ungeachtet dessen habe der Kläger nach Übernahme des Versicherungsvertrages (erneut) über das Widerspruchsrecht belehrt werden müssen. Aufgrund der unzureichenden Belehrung sei die Widerspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt worden, weshalb der Kläger den Widerspruch noch im Jahr 2014 habe erklären können. Einer Verwirkung des Widerspruchsrechts stehe bereits der Umstand entgegen, dass die Beklagte eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung erteilt habe. Der Kläger könne mithin die Rückzahlung der geleisteten Prämien zuzüglich der von der Beklagten gezogenen Nutzungen beanspruchen. Die von der Beklagten in diesem Zusammenhang mitgeteilten und in Abzug gebrachten Abschluss- und Verwaltungskosten würden bestritten.

Der Kläger hat erstinstanzlich nach teilweiser Klageänderung zuletzt beantragt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die klägerische Partei einen Betrag in Höhe von 29.471,61 € zu bezahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an die klägerische Partei außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.809,75 € zu bezahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,87 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei gegenüber der klägerischen Partei aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen hat.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, der Kläger sei ordnungsgemäß über das ihm zustehende Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Belehrung genüge den an sie zu stellenden Anforderungen.

Er habe deshalb am 21.05.2014 sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben können. Zumindest habe er dieses Recht verwirkt.

Im Übrigen wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Parteivorbringens ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 14.04.2016 (Bl. 67 - 76) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem bezeichneten Urteil abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dem Kläger als vormals für die Beklagte tätigen Versicherungsvermittler, der zudem den Versicherungsvertrag mit allen Rechten und Pflichten übernommen habe, sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine eventuelle Unwirksamkeit des nach dem sog. Policenmodell geschlossenen Versicherungsvertrages zu berufen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen, die das Landgericht getroffen hat, sowie seiner rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergänzend Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger die von ihm geltend gemachten Ansprüche weiter. Er hält unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages an seiner Rechtsauffassung fest, wonach eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nicht erteilt worden sei und der Kläger deshalb den Widerspruch - ohne dass Verwirkung eingetreten sei - noch habe erklären können.

Darüber hinaus sei der Rechtsstreit dem EuGH hinsichtlich der sich stellenden Fragen einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Norm des § 5 a VVG a. F. und der Anwendung nationaler Rechtsmissbrauchsvorschriften (§ 242 BGB) vorzulegen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren beantragt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die klägerische Partei einen Betrag in Höhe von 29.471,61 € zu bezahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, an die klägerische Partei außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.809,75 € zu bezahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,87 € freizustellen, die die Rechtsanwaltskanzlei gegenüber der klägerischen Partei aufgrund der außergerichtlichen Rechtsanwaltstätigkeit in Bezug auf die streitgegenständlichen Forderungen hat.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt in der Berufungserwiderung vom 04.07.2016 (Bl. 111 - 123) das angefochtene Urteil.

Ergänzend bringt sie vor, die Berufung sei bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bereits unzulässig, da die Berufungsbegründung keine Ausführungen dazu enthalte, weshalb dem Kläger entgegen der Ansicht des Landgerichts ein entsprechender Anspruch zustehe. Weiter vertieft sie ihren Vortrag zu einer aus ihrer Sicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung und weist weiter darauf hin, dass der Kläger zu einem Anspruch auf Ersatz gezogener Nutzungen nicht hinreichend vorgetragen habe und ein eventueller Anspruch des Klägers jedenfalls verwirkt sei.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist - auch soweit sie sich gegen die Aberkennung der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wendet - zulässig.

1. Gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 - 4 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Dies bedeutet, dass bei teilbaren und mehreren Streitgegenständen die Berufung für jeden von der Anfechtung betroffenen Streitgegenstand oder Streitgegenstandsteil besonders gerechtfertigt werden muss, es sei denn, der eine Streitgegenstand hängt vom anderen ab (Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2012, Rn. 58 zu § 520). Mithin muss, wenn ein Urteil unbeschränkt durch ein Rechtsmittel angegriffen wird, dieses grundsätzlich hinsichtlich jedes selbstständigen prozessualen Anspruchs, über den zu Lasten des Rechtsmittelführers entschieden wurde, begründet werden (BGH, Urteil vom 29.11.1990 - I ZR 45/89 -, NJW 1991, 1683; Heßler in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Rn. 27 zu § 520).

2. Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung vom 27.04.2016 (Bl. 82 - 95) gerecht. Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung bzw. Freistellung bezüglich der entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten war hier letztlich vom Bestand der Hauptforderung (Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aufgrund eines wirksam erklärten Widerspruchs) abhängig. Denn der Kläger stützt diesen Anspruch auf eine - eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz auslösende - Pflichtverletzung der Beklagten, die er darin erblickt, dass die Beklagte den vormaligen Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt habe. Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter dem Gesichtspunkt eines Verzugsschadensersatzes (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) ebenfalls vom Bestand der Hauptforderung abhängig.

Hier ist es deshalb ausreichend und genügend, wenn die Berufungsbegründung in einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 - 4 ZPO entsprechenden Weise die Aberkennung des geltend gemachten Bereicherungsanspruches angegriffen hat (dazu BGH, Urteil vom 17.11.2010 - VIII ZR 277/09 -, NJW 2011, 380; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.12.2013 - 24 U 90/13 -, Tz. 23).

III.

Die zulässige Berufung des Klägers ist zum Teil begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der Prämien nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sowie auf Nutzungsersatz nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 21.896,82 € zu.

1. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte bezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.

a) Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen Herrn und der Beklagten abgeschlossenen und vom Kläger übernommenen Versicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5 a VVG a. F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit Schreiben vom 21.05.2014 (Anlage K 6) rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.

aa) Da die Beklagte den vormaligen Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine Verbraucherinformation nach § 10 a VAG a. F. unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5 a VVG a. F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem sogenannten Policenmodell.

Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a. F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, 817, Tz. 15).

Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den Vorgaben des Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungsnehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen kann. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht wirksam in Lauf gesetzt. Denn dieser ist von der Beklagten auch im Zuge der Annahme des Antrages und der Übersendung des Versicherungsscheins nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden, weil die dem Kläger erteilte Widerspruchsbelehrung nicht hinreichend erkennen lässt, welche Unterlagen der Versicherungsnehmer erhalten muss, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird (BGH, Urteil vom 22.07.2015 - IV ZR 257/13 -, Tz. 12). Der Lauf der Widerspruchsfrist beginnt gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation gemäß § 10 a VAG a. F. überlassen wurden. Es genügt deshalb nicht, dass die Belehrung - wie hier - den Beginn der Widerspruchsfrist an den Erhalt des Versicherungsscheins knüpft, selbst wenn die übrigen Unterlagen dem Versicherungsnehmer zeitgleich überlassen worden sein mögen. Auf Letzteres kommt es für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung nicht an (BGH, Urteil vom 27.01.2016 - IV ZR 488/14 -, Tz. 12; BGH, Urteile vom 29.07.2015 - IV ZR 94/14 -, NJW 2015, 3582, Tz. 12; IV ZR 384/14 - VersR 2015, 1101, [BGH 29.07.2015 - IV ZR 384/14] Tz. 27; IV ZR 448/14 - VersR 2015, 1104, [BGH 29.07.2015 - IV ZR 448/14] Tz. 25). Durch die zusätzliche Nennung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation als Vertragsgrundlage eingangs der Belehrung wird für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls nicht hinreichend deutlich, dass er auch diese Unterlagen erhalten haben muss, damit die Widerspruchsfrist in Lauf gesetzt wird.

bb) Die in § 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Rentenversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung (Anlage BLD 3) zusätzlich enthaltene Belehrung über das Widerspruchsrecht erweist sich ebenfalls als nicht ordnungsgemäß, weil auch dort hinsichtlich des Beginns der Widerspruchsfrist lediglich auf den Erhalt des Versicherungsscheins bzw. die Aushändigung der Annahmeerklärung angeknüpft wird. Es kann deshalb offen bleiben, auf welche der Belehrungen vorliegend abzustellen ist, nachdem beide den Versicherungsnehmer über das ihm zustehende Widerspruchsrecht nicht ordnungsgemäß belehren.

cc) Eine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht war hier auch nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil Herr , dem als (damaliger) Versicherungsnehmer die Belehrung zu erteilen war, bei seinem Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages durch den Kläger als Versicherungsvermittler beraten wurde. Eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung ist nach § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F. gesetzlich vorgeschrieben. Darauf, ob der Versicherungsnehmer im Einzelfall trotz nicht ordnungsgemäßer Belehrung von seinem Widerspruchsrecht gleichwohl zutreffend Kenntnis hatte, kommt es nicht an. Die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung ist abstrakt zu beurteilen (BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15 -, RuS 2016, 230, Tz. 15).

dd) Für den - hier vorliegenden - Fall einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung bestimmte § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie schon im November 1995 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen mit Schreiben vom 21.05.2014 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort, nachdem die Bestimmung des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. richtlinienkonform dergestalt auszulegen ist, dass sie im - hier einschlägigen - Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, 817, Tz. 27 ff.).

b) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

aa) Er hat das ihm aufgrund der Übernahme des Versicherungsvertrages zustehende Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem vormaligen Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, 817, Tz. 39).

bb) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung. Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen. Die Beklagte kann indes keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den vormaligen Verischerungsnehmer ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht zu belehren.

Eine abweichende Beurteilung ist hier auch nicht ausnahmsweise deshalb geboten, weil der (damals) als Versicherungsvermittler der Beklagten tätige Kläger den Versicherungsvertrag vom vormaligen Versicherungsnehmer mit allen Rechten und Pflichten übernommen hat.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15 -, RuS 2016, 230, Tz. 16, einschränkend BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 482/14 -, Tz. 24) hat dem dortigen Versicherungsnehmer einen Bereicherungsanspruch wegen widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) versagt, nachdem dieser seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag bereits zwei Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins als Sicherheit für ein Darlehen abgetreten und nach Prämienzahlung über mehr als acht Jahre die Forderungen aus dem Vertrag ein weiteres Mal zur Sicherheit für einen Kreditvertrag abgetreten hatte. Die Rechtsprechung hat hierin besonders gravierende Umstände erblickt, die es ausnahmsweise rechtfertigen, dem dortigen Versicherungsnehmer einen Bereicherungsanspruch zu verwehren.
In einem anderen Fall, in dem die Rechtsprechung dem Versicherungsnehmer einen Anspruch gemäß § 242 BGB versagt hat (BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - IV ZR 117/15), war der Vertrag aufgrund der durch Prämienrückstände veranlassten Kündigung des dortigen Versicherers zunächst abgewickelt worden, wobei der dortige Versicherungsnehmer den Scheck über den Rückkaufswert - entgegen seiner Versprechung - eingelöst hatte. Der Vertrag war dann auf ausdrückliche Bitte des Versicherungsnehmers zu einem Zeitpunkt fortgeführt worden, als der Versicherungsnehmer über sämtliche Vertragsmodalitäten informiert war. Damit vergleichbare Umstände, die ebenfalls die Versagung eines Bereicherungsanspruches des Klägers rechtfertigen könnten, liegen hier jedoch nicht vor. Die Übernahme des Vertrages aus den von der Beklagten vorgetragenen und vom Kläger nicht in Abrede gestellten persönlichen Gründen (insbesondere die Befürchtung von Unstimmigkeiten und negativen Äußerungen im Verein, in dem sowohl der Kläger als auch der vormalige Versicherungsnehmer Mitglied waren) lässt bereits keinen Schluss darauf zu, der Kläger hätte auch bei Kenntnis des Widerspruchsrechts an dem Versicherungsvertrag festgehalten und werde von dem ihm nunmehr zustehenden Widerspruchsrecht keinen Gebrauch machen und deshalb in jedem Falle auch selbst an dem Versicherungsvertrag festhalten. Ungeachtet dessen wird einem Versicherungsnehmer wie dem Kläger - selbst wenn er Kenntnis von einem Widerspruchsrecht gemäß § 5 a VVG a. F. hatte - in der Regel die Kenntnis fehlen, dass dieses Widerspruchsrecht aufgrund einer nicht ordnungsgemäß erteilten Widerspruchsbelehrung nach wie vor besteht, nachdem die Frage, ob und inwieweit die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung ordnungsgemäß erteilt wurde, jeweils eine Einzelfallbeurteilung erfordert und auch in der Rechtsprechung nicht durchweg einheitlich beantwortet wird.

2.Die Beklagte ist dem Kläger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB zur Herausgabe des durch deren Leistung Erlangten sowie nach § 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe der gezogenen Nutzungen verpflichtet und daher zur Zahlung von 21.896,82 € zu verurteilen.

a) Die sich aus dem Bereicherungsrecht ergebenden Rechtsfolgen der hier zum Tragen kommenden Europarechtswidrigkeit des § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. sind dabei nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, 817, Tz. 41 ff.).

b) Die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung gegenseitiger Verträge hat nach den Grundsätzen der sogenannten Saldotheorie zu erfolgen. Danach ist der Bereicherungsanspruch bei beiderseits ausgeführten gegenseitigen nichtigen Verträgen ein von vornherein in sich beschränkter einheitlicher Anspruch auf Ausgleich aller mit der Vermögensverschiebung zurechenbar zusammenhängender Vorgänge in Höhe des sich dabei ergebenden Saldos. Es ist deshalb durch Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Vor- und Nachteile zu ermitteln, für welchen Beteiligten sich ein Überschuss ergibt. Leistung und Gegenleistung sind dabei in Fortgeltung des bei Vertragsschluss gewollten Austauschverhältnisses für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung entsprechend § 818 Abs. 3 BGB grundsätzlich zu saldieren. Dies bedeutet bei ungleichartigen Leistungen, dass der Bereicherungsschuldner die erlangte Leistung nur Zug um Zug gegen seine volle Gegenleistung herauszugeben braucht, ohne dass es der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bedarf (so BGH, Urteil vom 20.03.2001 - XI ZR 213/00 -, NJW 2001, 1863).

aa) Daher kann der Kläger nach § 818 Abs. 2 BGB dem Grunde nach den Ersatz des Wertes der im Zeitraum von November 1995 bis zur Beitragsfreistellung zum 01.11.1999 geleisteten Prämien i. H. v.

8.772,44 €

verlangen (vgl. Wendehorst in BeckOK-BGB, Stand: August 2014 § 818 Rn. 23).

bb) Allerdings muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Erklärung des Widerspruchs gegenüber dem Zustandekommen des Vertrages ab November 1995 genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil, dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann.

(1) Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz für den Fall der Berufsunfähigkeit genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (vgl. nur BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11 -, VersR 2014, 817, Tz. 45).

(2) Hier hat sich die Beklagte verpflichtet, im Falle der Berufsunfähigkeit der versicherten Person Versicherungsleistungen zu erbringen. Auch dafür hat der Kläger einen Teil der Prämien aufgebracht, nämlich denjenigen, der kalkulatorisch für die Finanzierung dieser Leistung vorgesehen ist.

Dieser Anteil ist mit dem von der Beklagten insofern angegebenen (unstreitigen) Wert von insgesamt

105,87 €

anzusetzen (§ 287 ZPO).

cc) Nicht abzuziehen sind die von der Beklagten mit insgesamt 1.072,18 € angegebenen - vom Kläger bestrittenen - Verwaltungskosten für den gesamten Vertrag über die hier gegenständliche Versicherung, deren Zustandekommen der Kläger wirksam widersprochen hat. Diese Kosten sind bereits deshalb nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat kausal durch die Prämienzahlungen des Klägers entstanden, sondern unabhängig von den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen angefallen und beglichen worden sind. Auch die Verwendung der Verwaltungskostenanteile der gezahlten Prämien für die Bestreitung von Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb wirkt nicht bereicherungsreduzierend, da die Beklagte auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat (Senatsurteil vom 23. Oktober 2014 - 7 U 54/14 -, VersR 2015, 561; BGH, Urteile vom 11. November 2015 - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33, Tz. 34, sowie vom 29. Juli 2015 - IV ZR 384/14 -, VersR 2015, 1101, Tz. 42, und IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104, [BGH 29.07.2015 - IV ZR 448/14] Tz. 47).

dd) Darüber hinaus sind die angesichts des Zeitablaufs nicht mehr zurück zu fordernden Abschluss- und Vermittlungskosten in Höhe des geltend gemachten - und vom Kläger bestrittenen - Betrages von 1.405,80 € nicht in Abzug zu bringen (vgl. nunmehr BGH, Urteile vom 29.07.2015 - IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14; Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des Senates). Insoweit kann sich der Versicherer nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Hinsichtlich der Abschlusskosten gebietet es der mit der richtlinienkonformen Auslegung des § 5 a VVG a. F. bezweckte Schutz des Versicherungsnehmers, dass der Versicherer in Fällen des wirksamen Widerspruchs das Entreicherungsrisiko trägt.

ee) Im Ergebnis errechnet sich demnach ein Betrag von insgesamt

8.666,57 €

der vom Kläger auf die streitgegenständliche Versicherung erbracht worden ist und als Bereicherung bei der Beklagten verblieben ist.

c) Dem Kläger steht als weiterer Anspruch nach § 818 Abs. 1 BGB dem Grunde nach ein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen zu.

aa) Erfasst werden davon indes nur diejenigen Nutzungen, die tatsächlich gezogen werden. Dabei ist es unerheblich, ob der Bereicherte (weitere) Nutzungen hätte ziehen können, und ob er dies schuldhaft unterlassen hat. Andererseits kommt es auch nicht darauf an, ob der Bereicherungsgläubiger die Nutzungen hätte selbst ziehen können. Verwendet der Empfänger rechtsgrundlos erlangtes Geld in einer Weise, die nach der Lebenserfahrung bestimmte wirtschaftliche Vorteile vermuten lässt, so ist der übliche Zinssatz als gezogene Nutzung anzusetzen (vgl. nur Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage, Rn. 8 zu § 818).

bb) Gerade Letzteres ist im hier zu entscheidenden Fall für die Beklagte anzunehmen. Allerdings ist dabei - anders als der Kläger meint - nicht durchweg auf einen durchschnittlichen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzustellen. Zu berücksichtigen ist vielmehr die Ertragslage des jeweiligen Versicherers (vgl. BGH, Urteile vom 29.07.2015 - IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14).

(1) Vor diesem Hintergrund erscheinen dem Senat - in ständiger Rechtsprechung - insofern maßgeblich diejenigen Nettozinsen, die die Beklagte im Bereich der Kapitalanlagen im hier gegenständlichen Zeitraum von 1995 bis 2014 erzielen konnte.

Diese sich aus den Geschäftsberichten der Beklagten ergebende jeweilige Nettoverzinsung in den Jahren 1998 bis 2013 hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 03.03.2016 (dort S. 12, Bl. 59) vorgetragen und damit seiner ihm insoweit obliegenden Darlegungslast genügt.

(2) Die gezogenen Nutzungen sind für den zuvor ermittelten, der Beklagten sukzessive zugekommenen und letztlich zur Verfügung stehenden Betrag zu bestimmen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger Nutzungen aus dem Risikoanteil nicht zustehen, welcher der Beklagten als Wertersatz für den vom Kläger bis zu seinem Widerspruch faktisch genossenen Versicherungsschutz verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33, Tz. 42; BGH, Urteil vom 11.05.2016 - IV ZR 334/15 -, Tz. 23).

Zudem hat ein Prämienanteil, der auf die Vermittlungskosten entfallen ist, für den Nutzungsersatzanspruch außer Betracht zu bleiben, da hier mangels abweichender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Versicherer Prämienteile, welche er für Abschluss- und Vermittlungskosten aufwandte, nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33, Tz. 42 ff.; BGH, Urteil vom 11.05.2016 - IV ZR 334/15 -, Tz. 23).

Für die Berechnung des Nutzungsersatzanspruches außer Betracht bleibt weiter der Verwaltungskostenanteil. Auch bezüglich des Verwaltungskostenanteils kann nicht vermutet werden, dass die Beklagte Nutzungszinsen in bestimmter Höhe erzielt hat, selbst wenn diese diesen Prämienanteil zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufgewandt und auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat. Insbesondere kann nicht vermutet werden, dass ein Versicherer Nutzungen in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14 -, VersR 2016, 33, Tz. 46 ff.; BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 343/15 -, Tz. 29). Auch die Bezugnahme des Klägers auf die ausweislich der Geschäftsberichte der Beklagten erzielte Nettoverzinsung genügt den Anforderungen, die an die dem Kläger obliegende Darlegungslast zu stellen sind, nicht (BGH, Urteil vom 24.02.2016 - IV ZR 512/14 -, Tz. 27).

(3) Den Gesamtbetrag der gezogenen Nutzungen unter Beachtung der obigen Grundsätze hat die Beklagte in der Berufungserwiderung vom 04.07.2016 (dort S. 13, Bl. 123) mit insgesamt 13.230,25 € angegeben.

Der vom Kläger demgegenüber mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2016 (dort S. 3, Bl. 126) auf der Grundlage der Geschäftsberichte der Beklagten nunmehr geltend gemachte Betrag in Höhe von insgesamt 16.187,94 € kann der Berechnung nicht zugrunde gelegt werden. Der Kläger hat - wie sich der beigefügten Berechnung (Anlage K 13, Bl. 127 - 131) aufgrund der Summe der aufgeführten Prämienzahlungen entnehmen lässt - jeweils die monatlich bezahlte Prämie in voller Höhe in die Berechnung eingestellt und dabei nicht berücksichtigt, dass der Risikoanteil, die Abschlusskosten und die Verwaltungskosten aus den oben angeführten Gründen bei der Berechnung der gezogenen Nutzungen nicht miteinzubeziehen sind.

Der Senat schätzt deshalb die gezogenen Nutzungen gemäß § 287 ZPO auf den von der Beklagten mitgeteilten Betrag von

13.230,25 €

unter Berücksichtigung der von der Beklagten geltend gemachten, vom Kläger in dessen Berechnung jedoch nicht eingestellten Abzugsbeträge. Diese halten sich, auch im Hinblick auf den Verwaltungskostenanteil, angesichts des atypischen Versicherungsverlaufs (nahezu 15 Jahre beitragsfrei) in einer plausiblen, üblichen Größenordnung.

d) Die von der Beklagten als Bereicherung herauszugebenden Beträge belaufen sich mithin auf insgesamt

21.896,82 €.

Dieser Betrag ist dem Kläger zuzusprechen, nachdem die Beklagte noch keine Zahlungen geleistet hat.

e) Auf diesen Betrag hat die Beklagte Rechtshängigkeitszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 187 BGB in entsprechender Anwendung zu erbringen.

3.Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten nicht zu.

a) Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich bereits im Zeitpunkt der vormals vom Kläger beauftragten Bevollmächtigten mit der nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB geschuldeten Herausgabe von Prämien in Verzug befunden hätte, nachdem der Kläger selbst mit Schreiben vom 21.05.2014 den Widerspruch erklärt hatte und ein der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vorausgegangenes Zahlungsverlangen nicht ersichtlich ist. Daher kann der Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§§ 280 Abs. 2, 286 BGB) nicht beanspruchen.

b) Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB nicht zu.

Zwar ist hier - wie dargelegt - davon auszugehen, dass die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt hat. Jedoch ist dieser Umstand nicht ausreichend, um einen entsprechenden Schadensersatzanspruch zu begründen. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers ist nicht genügend (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 19.09.2006 - XI ZR 204/04 -, BGHZ 169, 109, Tz. 42 f.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.06.2015 - 12 U 106/13 -, Tz. 55; OLG Dresden, Urteil vom 24.02.2015 - 4 U 786/14 -, Tz. 52).

III.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Ein teilweises, im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung zu berücksichtigendes Unterliegen des Klägers ist auch dann anzunehmen, wenn sich das Unterliegen - wie hier - auf Nutzungen bezieht, die Teil der Hauptforderung sind (BGH, Urteil vom 28.04.1988 - IX ZR 127/87 -, NJW 1988, 2173, Tz. 28; Herget in Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, Rn. 3 zu § 92).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, nachdem die Beschwer beider Parteien die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO nicht übersteigt.

2. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nach den Urteilen des Bundesgerichtshofes vom 29.07.2015 (IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) und 11.11.2015 (IV ZR 513/14) nicht mehr vor.

Die Sache beruht auf der Anwendung der inzwischen in der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf den Einzelfall, sie hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.

3. Bei der Festsetzung des Streitwertes ist berücksichtigt worden, dass bei Bereicherungsansprüchen Zinsen und Nutzungen nur dann Teil der Hauptforderung sind, wenn sie Gegenstand eines einheitlichen Gesamtanspruchs sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.02.2000 - XI ZR 273/99 -, NJW-RR 2000, 1015; Onderka in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Auflage, Rn. 1632).

Im Hinblick darauf, dass die Beklagte vorliegend noch keine Zahlung auf die streitgegenständliche Forderung erbracht hat, sind die aus den vom Kläger bezahlten Prämien in Höhe von insgesamt 8.772,44 € geltend gemachten Nutzungen sämtlich Teil der Hauptforderung, weshalb der Streitwert lediglich in Höhe der geltend gemachten Prämien festzusetzen war.